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Zehnter Abschnitt.

Die Kolonne kletterte bei einer schwülen Treibhaushitze von 42 Grad Celsius die steilen Berge am See hinauf. Bei der glühenden Ofenhitze des Gesteins, von dem die Sonnenstrahlen zurückprallten, bei dem ewigen Auftauchen neuer Bergkegel und -sättel, knickten dem jungen Afrikaner die Knie. Jobst, der älteste, aber zäheste von allen, ging mit krummen Knien und langen, langsamen Schritten unentwegt bergan. Der Alte stand oben und schrie: »Tanganjika!« Dort war der Kamm des Gebirges. Die Kriecher erhoben sich und wurden Stürmer, die mit der letzten Kraft die Höhe nahmen. Tanganjika! Dort unten lag der herrliche See in seinem Bergbette, durch die Ferne zusammengeschrumpft, aber in endloser Silberpracht. Hüben und drüben die mächtigen Alpenketten, gen Osten dehnt sich das fruchtbare Urundi, im Norden ruht der Blick meilenweit auf dem Hochlande Ruanda. Ein schönres Landschaftsbild, als von diesem afrikanischen Bergkegel, hat kaum ein Menschenauge gesehen. Wenn auf dem Berge der Versucher stünde und spräche: Diese Wunderwelt will ich dir geben! so würde selbst der Starke schwanken und geblendet werden. Und dieses Land ist deutsche Kolonie!

Im Lande Urundi lagen die Dörfer dicht beieinander, rund um die Bananen- und Palmenhaine jedes Dorfs war eine große Fläche – Jobst schätzte manchen Dorfacker auf dreihundert Hektar oder zwölfhundert Morgen – wohl bestellt und erntereif. Das hatte die primitive Negerhacke, die den Boden aufkratzt, vollbracht. Was wird dieses Feld tragen, wenn der Pflug seine tiefen Furchen zieht?

Die Warundi boten ihre Produkte, Bananen, Mais, Hirse und besonders Nsoga, Bananenschnaps, billig an. Als Erb den Schnaps energisch zurückwies, schüttelten die Neger betroffen den Kopf und fragten: »Seid ihr Deutsche oder Inglesi (Engländer)? Daß ihr unsren Nsoga verachtet?« Ein Deutscher, der keinen Schnaps mochte, war ihnen eine Ungereimtheit und ein Unikum. Ach, diese Wilden kannten unsren Ruhm und wußten schon, daß man den Germanen mit dem Schoppen und der Flasche winken muß.

Die mit Rindenstoffen sehr nett bekleideten Neger wollten Kattun und Webstoffe nicht in Tausch nehmen, da sie nach ihrer Meinung und Mode vortrefflich und hinlänglich bekleidet waren. Aber Perlen, Messing und nützliche Geräte, Hacken, Beile, Messer, begehrten sie um so mehr. Für ein ordinäres Messer boten sie zwei Ziegen.

Das Geschäft genügte dem alten Afrikaner nicht, der verlauten ließ, daß er vielleicht ein paar Elefantenknochen d. i. Zähne gebrauchen könne. Die schlauen Warundi wußten längst, wonach das Sinnen und Trachten der Weißen und Braunen in Afrika steht, und erzählten, ein Araber habe vor der Regenzeit ihr letztes Elfenbein für zwei Flinten pro Zahn gekauft. Der angebliche Preis war so kolossal, daß Jobst trocken lachte: »Freund, du willst mal einen Weißen übers Ohr hauen?«

»Ja, denn ich bin hundertmal von Weißen über beide Ohren gehauen worden.«

Die Karawane zog von Dorf zu Dorf, von Pombetopf zu Pombetopf. Bei der Begrüßung nämlich wurde sofort das dicktrübe, aber durstlöschende Negerbier kredenzt.

Auf nach Ruanda, wo nach den Aussagen der Warundi der Sultan Jehu ein Haus voll von Elefantenzähnen habe. Jobst traute der Verheißung nicht, da die Neger Virtuosen im Fabulieren und Flunkern sind, versprach aber seinem Neffen: »Du wirst da vielleicht wenig Elfenbein, aber viel Schönes und Seltsames zu sehen bekommen ... stimme deine Harfe, um als erster deutscher Sänger das deutsche Ruanda zu besingen!«

Das Hoch- und Bergland, das Wunderland der Riesen und der Überraschungen übertraf Erbs hochgespannte Erwartung. Mitten in Afrika mit seinen unzähligen Herren und Häuptlingen, die nur Dorftyrannen, Beherrscher und Blutsauger einer kleinen Menschenherde sind, ein wirklich wohlgeordnetes Negerreich, ein weites Königreich mit einem mächtigen Sultan, dem ein bis zwei Millionen gehorchen, der seine schwarzen Staatsminister und Beamten hat und ohne Grausamkeit regiert. Das Land mit seinen herrlichen Tälern und hohen Bergen wechselt in anmutiger und erhabener Schönheit. Ebenso ansprechend sind die Bewohner, die als Tal- und Bergleute dicht beieinander wohnen und doch in zwei grundverschiedene Völkerschaften streng geschieden sind und niemals sich vermischen. In Ruanda wohnen die fleißigen Wahutu, das im fruchtbaren Tale hausende, mit der Hacke hart schaffende, dienstbare Volk, und die stolzen Watussi, die Herrenmenschen, die wohl vor Jahrhunderten als Eroberer und Krieger aus dem Norden kamen, das schöne Land mit Speer und Bogen gewannen und auf den Bergen als Herdenbesitzer und Herren hausen, friedlich und von einem Fürsten beherrscht, aber auch wie die Kasten Indiens durch Schranken getrennt, nebeneinander. Es sind zwei grundverschiedene Menschenrassen. Die Eroberer sind hamitischen Ursprungs und mächtig lange Kerle, die bis zwei Meter und darüber messen; sie würden jede Blutvermengung mit den Wahutu, die gewöhnliche Bantuneger sind, wie Blutschande bestrafen. Wahrlich, an diesem edlen Rassestolz könnten die Deutschen in Südwestafrika, wo ein ekelhaftes Bastardgeschlecht emporwächst, sich ein Beispiel nehmen.

Die Watussi sind Krieger und Hirten, die mit viel Würde ihre Speere und ihren reckenhaften Körper tragen, ihre großen Rinderherden mit den riesig langen Hörnern hegen und hüten. Die hörigen Wahutu, die alle möglichen Feldfrüchte, Bohnen, Batate, Maniok, Mais, anbauen und die tüchtigsten Ackerbauer Afrikas sind, müssen an ihre Herren einen großen Teil der Ernte abgeben, erhalten aber großmütig je und dann ein Rind und haben alle Woche ein Stück Fleisch im Topfe. Sie sind richtige, recht brave Neger, die heiter und ohne Ehrgeiz in ihrer wenig harten Abhängigkeit leben. Das Aristokratenvolk zeichnet sich durch seine semitischen Gesichtszüge, seine gewaltige Körperlänge und durch sehr abstehende Ohren aus, die nach seiner Meinung schön und das besondere Merkmal des rassereinen Mtussi sind. – –

In der Flußniederung dehnten sich weite Papyrussümpfe, die entsetzlich schwül und der Schrecken der Safari sind. Erb war mit Stichen bedeckt und zu müde, um sich gegen die Moskitoheere zu wehren. Fatima nahm ein Fläschchen und betupfte mit Salmiak die brennenden Stellen und wartete vergebens auf ein freundliches Wort. Flink hielt sie ihm den Wasserbecher an die trocknen Lippen; er trank und nickte kaum.

Trauer flackerte in ihrem Blick, und eine Klage fuhr aus ihrem Munde: »Früher hast du mir gedankt für jede Handreichung ... bin ich nachlässig geworden?«

»Soll ein Herr seiner Dienerin immer danken, weil sie pflichteifrig ist?«

»Nein, nein, ich bin deine Sklavin.«

Er handelte ja nach dem barschen Programm und brach das Gespräch ab.

Simba schielte vergnügt und sagte: »Fatima, hänge deinen Wassersack über meine Flintenläufe, ich trag's, ich bin von klein auf ein Packesel gewesen.«

»Du bist ein braver Kerl.« Sie tätschelte flüchtig seine Backe.

Er war verliebt und glücklich bis in die Haar-, Fuß- und Fingerspitzen und als schwarzer Sanguiniker überzeugt, daß er durch Beharrlichkeit ihre Sprödigkeit besiegen werde. –

In der parkähnlichen Wildnis erscholl plötzlich der Schreckensruf: »Büffel, Büffel!«

Erb warf verteufelt schnell den Kolben an die Backe, riß Funken und – fehlte. Die Nerven des Erschöpften zitterten. Es war ein starker Büffelbulle, der mit gesenkten Hörnern auf ihn losstürmte. Erb schoß den zweiten Lauf ab und das Tier nur weidwund; die Lage wurde sehr kritisch. Fatima bückte sich, nahm zwei Hände voll Sand, sprang mit der Kinderwaffe vor und warf dem Tier den Sand in die glühenden, rollenden Augen. Es stutzte und wühlte mit dem Lauf – ein Schuß knallte, der Körper krachte auf den Grund.

Jobst beschaute befriedigt seine Jagdbeute, denn seit der großen Rinderpest, die auch das Wildrind fast ausrottete, ist der Büffel eine Rarität geworden. Einen kleinen Spott konnte er nicht unterdrücken: »Die Kleine ist ein netter Schutzengel.«

Erb wurde ärgerlich und darum ungerecht. »Du kleines, dummes Ding, was machst du für Tollheiten! Hast wohl den Büffel für eine alte Muhkuh gehalten, die man mit Steinwürfen in Trab bringt?«

Fatima sah ihn mit einem tränenvollen Blicke an. Wo sie Anerkennung verdient, hatte er sie gescholten und ihr Herz geschlagen.

»Bana,Bana!« Erb blickte hin – da stand ein urplumpes, urkomisches Monstrum, eine Riesenkreatur, welche die Natur in übermütiger Künstlerlaune als groteske Karikatur geschaffen zu haben schien, denn sie hatte ihr die Hörner nicht auf den Kopf, sondern auf die Nase gesetzt. Ein Nashorn stand auf 69 Meter und glotzte die Menschen an. Dann stürzte sich die graue Masse auf ihren kurzen Beinen mit ungeahnter Geschwindigkeit auf den friedlich grasenden Esel und forkelte ihn. Die Weißen schossen dem Wilde nach und trafen den Spiegel des Kolosses. Viel Schweiß lag auf der Fährte.

»Wir müssen den angeschweißten Dickhäuter töten und in seinem Wundbett finden.«

Die Blutspritzer zeigten den Weg. Aber die Schwarzen wußten wohl, daß ein krankes Nashorn ein bösartiger Geselle ist, und rannten beim geringsten Geräusch aus dem Dickicht zurück. So ging es nicht. Jobst forderte Freiwillige auf, versprach den Pflichttreuen eine Rupie und den Ausreißern eine Tracht Prügel. Da sagten die Neger mit fatalistischer Ergebung: » Heisuru, kama tu na kufa, tu na kufa« D. h. Sterben wir, so sterben wir! Große Lust zum Sterben hatten sie nicht, aber, wenn es sein mußte, so wollten sie es für eine Rupie tun.

Die Treiber zeigten bald auf einen kleinen Vogel, der unruhig schwirrte und zirpte. Das war der Madenhacker, der den Büffel und auch das Nashorn begleitet, durch sein Zirpen warnt und dafür die Maden vom Körper picken darf.

Der Koloß lag richtig in einer Sule, sprang sofort auf und nahm die Feinde an. Jetzt sah man, daß die Natur nicht aus Übermut, sondern in Weisheit ihm die Hörner auf die Nase setzte, denn das Tier hob, bog und brach die Zweige und Stangen so gewandt, daß es im Dickicht eine große Geschwindigkeit entwickelte. Bei den Menschen war das Gegenteil der Fall. Obgleich Schuß auf Schuß fiel, stürmte das Nashorn weiter, ein Träger wurde aufgeschlitzt, Simba hoch in die Luft geschleudert. Erst bei dem sechsten Schuß fiel das Ungeheuer.

Der Boy hatte zwar nichts gebrochen, aber eine Gehirnerschütterung erlitten. Auf die Frage, was er als Labung wünsche, erwiderte er prompt: »Eine Platte Tabak!« Der Unverwüstliche qualmte wie ein Schornstein und kurierte seine Gehirnerschütterung. – – –

Man zog die grasreichen, baumlosen Berge hinauf, wo die Watussi ihre langgehörnten Rinder in Unzahl weideten. Die langen Kerle von Ruanda machten trotz der dunklen Farbe einen günstigen und im Vergleich mit dem Bantuneger fast zivilisierten Eindruck, alles kindische, affige Getue und die schmutzigen Gewohnheiten des Kaffern fehlten gänzlich; die hohen, schlanken Männer waren männlich ernst und selbstbewußt, aber auch gastfrei. Die Frauen wurden vor fremden Blicken im Hause verwahrt – ein Zug, der die Einwanderung aus dem unter dem Einfluß des Islam stehenden Norden bestätigt. Die Hütten mit ihrem Rohrdach und den Wänden aus hübsch geflochtenen Matten waren sauber und nett.

Erb fand an den Riesen und ihren Springerkünsten – sie setzten über zwei Meter hohe Hindernisse mit Leichtigkeit hinweg – viel Gefallen.

Von einer Untugend freilich waren diese schwarzen Bürger der deutschen Kolonie nicht freizusprechen, sie tranken gern ein Bananenschnäpslein und manchmal einen über den Durst. Das war ihre liebste Stunde, wenn sie rund um die vollen Töpfe hockten, ein Rohr hineinsteckten und mit Ausdauer und Liebe saugten und lutschten. Sobald das Getränk seine Wirkung tat und die Watussi leutselig wurden, sagte Jobst: »Ich will wetten, ihr habt nicht so viel Elfenbein, wie ich Zähne im Munde habe.« Oho, was er wetten wolle? Dieses Messer! Um die Wette zu gewinnen, brachten sie endlich ihren Schatz zum Vorschein, einen mäßigen Zahn von vierzig Pfund. Nach einem achtstündigen Palawer, wobei acht Krüge Bier durch die Rohrhalme und Kehlen gingen, wurde man handelseinig.

Die Watussi hatten ein Räuschlein, und der lange Wahikuma, der in diesem Alkoholstadium erotisch veranlagt war, wollte mit der hübschen Fatima zärtlich tun. Da erhielt er von hinten, von Simbas Hand, einen solchen Stoß, daß der Ruandagoliath über seine fadenlangen Beine stolperte, den Biertopf umwarf und im verschütteten Inhalt liegen blieb. Die schwarzen Zecher sprangen, wie von einer Wespe gestochen, empor, schrien wild und machten einen förmlichen St. Veitstanz. Die Weißen ergriffen für alle Fälle ihre geladenen Waffen. Doch der Dorfschulze hob segnend die Hände und sagte entschuldigend: »Wahikuma säuft ja wie ein Europäer und weiß dann nicht, was er tut. Schleift ihn in seine Hütte! Aber das schöne, herrliche, verschüttete Bier! O Herr, das Bier!«

Das umgekommene, edle Getränk war die alleinige Ursache des Veitstanzes und der Verzweiflung. Jobst gab daher eine Kalebasse Bier aus, alles endete mit Wohlgefallen und einer allgemeinen, schwarzen Fidelität. Die Watussi wollten durchaus ihre weißen Brüder umarmen. Der alte Afrikaner hatte die Brüderlichkeit und Redseligkeit der sonst reservierten Herren benutzt, um zu erfahren, wo in Ruanda kleine Vorräte des vielbegehrten Artikels noch vorhanden seien.

Die Karawane marschierte. Jobst machte den mürrischen Mund; als sein Neffe bemerkte, der Zahn sei recht billig gewesen, platzte er los: »Du Grünhorn, viel, viel zu teuer!«

»Ja, wie viele Prozente willst du verdienen? Waren im Werte von 50 Mark haben wir gegeben, das Pfund Elfenbein kostet in Bagamoyo 14 bis 15 Mark, also wird der Zahn an der Küste 500 bis 600 Mark bringen.«

»Kaum! Und bis zur Küste ist verdammt weit, der Trägerlohn frißt den Profit auf. Zehn Mark hätten wir nur geben dürfen ... vor Jahren zahlte ich drei Armlängen Kattun für einen Siebzigpfünder ... das war noch das alte, gute, reelle, afrikanische Geschäft.«

»Hm, hm, hundert Prozent willst du nach Abzug aller Unkosten verdienen.«

»Nein, das will ich durchaus nicht, sondern dreihundert bis fünfhundert Prozent.« –

Das schöne Ruanda begeisterte immer wieder den jungen Deutschafrikaner.

»Wenn die Kritiker und Krakehler des deutschen Vaterlandes dieses schauen könnten, sie würden Kolonialschwärmer werden. Hier haben wir ein vortreffliches Land für deutsche Ansiedler, hoch, gesund, fieberfrei und fruchtbar.«

»Leider hat es den einen Fehler, daß es für Afrika recht stark bevölkert – oder willst du die Watussi ausrotten? – und den andren, daß es baumarm und abgeholzt ist.«

Die Safari näherte sich einem besonders großen Dorf, das auf der Weide seine siebentausend Stück Großvieh hatte. Auf einem ebenen Plateau vor dem Dorfe standen an dreihundert Männer von der baumlängsten Sorte in Reih und Glied, so daß der alte Preußenkönig an dieser Riesengarde sein Ergötzen gehabt hätte.

»Potzblitz! Die Watussi haben wohl die allgemeine Militärpflicht mit Exerzieren und Parademarsch.« Der Offizier a. D. war ganz Auge und Interesse.

Die Männer, die einen langen Speer trugen, nahmen einen Anlauf, benutzten den Speer als Springstock und setzten über einen drei Meter hohen Verhau hinweg. Nur drei Mann von der Garde konnten die Hürde nicht nehmen und kehrten kleinlaut um.

Der Dorfhäuptling, der seine Mannschaft in Leibessport übte, lümmelte wie ein preußischer Korporal die Kerle aus, die nicht hinüber kamen, was der Dolmetscher übersetzte. »Ihr Schweine habt bis Mitternacht an den Pombetöpfen gelutscht, darum kommt ihr mit euren vollen, faulen Bierbäuchen nicht über die kleine Hecke weg. Ich lasse euch in der Mittagsglut zehnmal um das Dorf herumlaufen, bis ihr eine Kalebasse Bier ausgeschwitzt habt.«

Der Häuptling, der nur von Mittelgröße und unter seinen Riesen klein erschien, war offenbar kein Freund des Alkohols, wenigstens nicht, wenn andre ihn tranken. Er hatte nicht das Normalmaß der Watussi, zwei Meter, aber zu seinem Glück die echten, abstehenden Ohren und stolzierte auf seinen obeinigen Gehwerkzeugen mit viel Gravität den Fremdlingen entgegen. Recht hochfahrend redete er sie an: »Seid ihr Händler? Wollt ihr Rum verkaufen?«

Jobst blinzelte und sagte auf deutsch: »Er will wohl, daß wir ihm mit Kognak die Kehle schmieren.«

Diesmal war Erb klüger und antwortete schnell: »Nein, wir führen keinen Niggertod.«

»Das ist gut für euch ... sonst dürftet ihr mein Gebiet nicht betreten.«

Der energische Herr, der Ndaho hieß und die Mäßigkeit bei seinem trinkfrohen Völkchen in der eifrigsten, aber afrikanischen Weise zu fördern suchte, lud die Weißen zu einem Besuch ein und war bei näherer Bekanntschaft ein afrikanisches Original und ein schwarzer Abstinenzler aus Grundsatz. Er haßte Rum und Schnaps als den ärgsten Negerfeind, der sein Volk nicht verheeren solle. Betrübt erzählte Ndaho: »Wir haben braue, tapfre Männer, die achtzig Rinder hatten und alle in Pombe und Bananenschnaps versoffen haben ... ich lasse die Trunkenbolde laufen und schwitzen bis zur Besinnungslosigkeit, ja ich ließ sie drei Tage dursten, um den Teufel auszutreiben, aber der Teufel kommt wieder.« Obgleich er ein autokratischer Herrscher war und afrikanisch gründlich strafte, war er bei aller Autorität nicht mächtig genug, um die Pombeprohibition in seinem dem Suff ergebenen Dorfe durchzuführen.

»Die meisten freilich tun am Tage ihre Pflicht und sitzen nur abends am Topfe. Einige, wie dieser Lilulu« – er zeigte auf einen recht jungen, wohlgebauten Mann – »sind wochenlang nüchtern und fleißig und trinken nichts ... plötzlich fällt er über die Pombe her und saugt sich voll, wie der Leopard, der an der Gurgel der Antilope liegt... Lilulu säuft tagelang, singt oder zankt, wird grün und blau geschlagen, verkauft seinen Schurz für Bananenschnaps und hört erst auf, wenn er todkrank ist oder ich ihn kuriere.«

In Ruanda waren Alkoholiker und Temperenzler und sogar die sogenannten Quartalsäufer in einigen Exemplaren vertreten.

Ndaho war auch ein guter Finanzmann, denn er besaß wohl das meiste Elfenbein im Lande, das den Reichsbankbarbestand dieses Fürsten bildete und zur Verstärkung der Wehrkraft dienen sollte. Daher wollte er durchaus Hinterlader als Gegenwert haben. Der schwarze Staatsmann hatte klar erkannt, worauf die Überlegenheit der Europäer beruhe, und deshalb war all sein Sinnen und Trachten, moderne Schießwaffen zu bekommen. Als Erb ihm erklärte, daß der deutsche Kaiser den Verkauf von Flinten nicht gestatte, wäre es fast zum Krach gekommen; der selbstbewußte Watussi schrie wütend: Wer und wo dieser Kaiser sei? Er, er sei Herr und König im Dorfe und der Sultan Jehu sei Kaiser im Lande. Man hütete sich wohl, ihm die deutsche Schutzherrschaft zu erklären, von der er keine blasse Ahnung hatte, sintemal die deutsche Regierung Ruanda nur auf der Karte besaß und kaum irgendeine Regierungsgewalt ausübte.

Jobst beruhigte den auf seine Macht eifersüchtigen Herrn, indem er ihm einen Handspiegel schenkte. Da zeigte sich, daß der schwarze Staatsmann ein Neger und Kind geblieben war, denn er probierte den Spiegel und schnitt die tollsten Grimassen, er griff nach allem, was ihm in die Augen stach, und gab für Eisengeräte, Halsschmuck, Spiegel vier gute Zähne hin, wenn auch mit einem Seufzer und schweren Herzens. Nach einer Stunde kam Ndaho echauffiert zurück, gefolgt von einem Sklaven, der einen Zahn schleppte, um noch zwei Halsschnüre und zwei Spiegel zu kaufen. Der arme Ehemann und Polygamist klagte kleinlaut, daß es unter seinen Frauen eine böse Schlägerei gegeben und seine Favoritin Haare gelassen habe. Der schwarze Dorfdespot war in seinem Harem ein Pantoffelheld. –

Es war Abend. Auf dem freien Platze vor dem Dorfe flackerten die Feuer, die Weißen saßen auf ihren Feldstühlen, die Watussi hockten neben den Kalebassen, saugten und schwatzten fröhlich. Ndaho konnte den Abendtrunk nicht verbieten, kontrollierte aber die Zahl der Töpfe, rauchte wie ein Schornstein, da er kein Antinikotiniker war, und befahl zur rechten Zeit Feierabend.

Jener Lilulu torkelte hin und her, nahm, ohne zu fragen, Erbs angelehnte Büchse und fingerte in der unsinnigsten Weise an Mechanismus, Schloß und Abzug herum. Der rätselhafte Mehrlader müsse irgendwo einen Fetisch haben, den der Neger in seiner betrunkenen Neugier finden wollte. Erb merkte die Gefahr und entriß dem Trunkenen die Büchse mit einem so plötzlichen Ruck, daß der Neger das von Pombe gestörte Gleichgewicht verlor, krachend hinschlug und sein Gesicht verletzte. Zum Unglück blieb der Bezechte liegen, sein Blut floß rot und reichlich. Ein Freund desselben wähnte, daß Lilulu schwer verletzt sei, zielte mit dem erhobenen Speer und hätte den ahnungslosen Weißen von hinten durchbohrt, wenn nicht eine behende Hand den Speer aus der Richtung gerissen hätte, so daß die Spitze vorbei ging und einem Watussi in die Rippen fuhr.

»Bana, hat dein Boy das nicht gut gemacht?« Simba wollte sich und seine Tat bemerkbar machen.

Ndaho schlug den Speerstecher mit der Faust und gab dem betrunkenen Lilulu einen Fußtritt, übte schnelle Justiz und befahl: »Bindet beide, sowohl den verrückt Jähzornigen, der den weißen Gast spießen wollte, als auch den Betrunkenen, der durch seine verrückte Sauferei Irrtum und Unglück verschuldet hat. Beide sollen zwei Tage und zwei Nächte lang keine Pombe, kein Wasser, kein Getränk, keinen Tropfen haben, sondern Durst leiden.« Das war eine rechte und recht grausame Negerstrafe, aber auch eine radikale Trinkerkur, um durch Durst die Leute vom großen Durst zu heilen.

Erb konnte nicht einschlafen. Ihn störte ein unaufhörliches Gejammer, das durch die Nachtstille drang. Von den beiden Durstdelinquenten, die in der Nähe gebunden lagen, schimpfte und fluchte der eine: »Halt's Maul, daß man schlafen kann!« Und der andere, der Trinker, der Durstqualen litt, wimmerte: »Wasser, Wasser!«

Erb hatte Mitleid mit dem armen Kerl und rief Simba. »Kannst du dich unbemerkt hinschleichen und mit einem Krug Wasser die große Not lindern?«

Simba schnarchte zu fest. Eine Frauenstimme flüsterte. »Ich kann es weit leiser und listiger machen.« Fatima, die sofort am Zeltvorhang horchte, wenn der Bana sich bewegte, führte geschickt den Auftrag aus und hielt einen ganzen Eimer Wasser an Lilulus Lippen mit den Worten: »Sauf, Kamel, sauf!«

Am Morgen brachte sie dem Herrn die Kakaotasse, die übliche. Er vernachlässigte sein Äußeres nicht in der Wildnis – wie die meisten leider tun –, sondern rasierte sich mit dem wenig scharfen Messer, er schabte und schnitt Gesichter. Das Mädchen blieb stehen. »Erheitern dich meine Grimassen?«

Sie antwortete etwas ganz anderes. »Ich mußte diese Nacht viel denken und möchte dich etwas fragen, das du mir aus den Büchern der Christen und den Suren der Bibel beantworten sollst.« Nach seiner Ermunterung, frischweg zu fragen, schaute sie ihn mit tiefsinnigen Augen an. »Wie soll ich es verstehen? Lilulu hätte dich fast erschossen, der andre wollte dich töten, die beiden Watussi sind deine Feinde, und du befiehlst, ihre Pein zu lindern...«

»Wir Christen sollen unsre Feinde lieben und denen, die uns Böses tun wollten, Gutes erweisen.«

»Die Feinde, eure Feinde sollt ihr lieben?« Fatima rang vor Erregung, ja Entsetzen die Hände. »O, wer kann das fassen! Wie schrecklich ist der Aberglaube der Christen! Eure Feinde sollt ihr lieben, und eure Freunde, eure besten Freunde sollt ihr hassen! O, Bana, Bana, nun verstehe ich dein Gebahren, darum hassest du mich, deine beste, anhänglichste Freundin, darum schaust du mich immer hart und zornig an und redest kein gutes Wort mehr mit mir, weil du die schauerliche Christensure befolgen, weil du deine Feinde lieben und deine treuesten Freunde hassen mußt. O, wende dich von dem Wahnsinn!«

»Nein, nein! Kind, setze dich, bis ich fertig bin!« Er rasierte das Kinn, die schwierigste Partie, schnitt sich, weil die Hand zitterte, pflasterte die Wunde und streichelte zögernd, zuletzt väterlich-kräftig das glänzende Haar. Welche Gedanken hatten in dem klugen Kindskopfe, welche Seelenkämpfe in ihrer Brust getobt! Das waren die Früchte seiner herrischen, grundfalschen Pädagogik, daß sie am Christentum, an ihm, an allem irre wurde.

Wohlwollend und weich erklärte er ihr: »Wir müssen unsre Feinde, aber noch weit mehr unsre Freunde lieben. Ich hasse dich nicht, o nein, ich habe dich lieb, wie ein Vater sein Kind, nicht mehr und nicht minder. Willst du mich auch in der Weise lieb haben...?«

»Ja, wie das Kind die Mutter, wie die Simbalimper ihren Götzen, wie die Araber Allahs Propheten, wie die Christen den Kreuzes...«

»Still! Das ist dreimal zu viel, und darum fürchtete ich... Fatima, sei verständig und versprich mir, daß du mich schätzen willst, wie das Kind den Vater, nicht mehr noch minder!«

Sie sagte mit Hast Ja–ja, aber die heißen Augen versprachen weit mehr, als die Lippen gelobten.

Das barsche Programm wurde verworfen und die entgegengesetzte Pädagogik befolgt; denn der Mensch kann am leichtesten in Extremen sich bewegen. Der Herr war freundlich, gütig, sprach oft mit der Dienerin, die er über alles belehrte und sogar in Mußestunden, wie es einem braven Vater geziemt, im Lesen und Schreiben unterrichtete. Da wurde das Letzte ärger als das Erste. Wenn er ihren Finger über das Papier führte, zuckte es von der Fingerspitze bis in ihre Schläfen.

Ein anderer merkte alles und noch etwas mehr und beobachtete Herr und Dienerin mit schwarzen Argusaugen. Wie darf eine Magd, die stehen und die Arme queren muß, neben dem Bana im Zelte sitzen? Warum lesen und beten sie im Koran der Christen? Simba legte sein Ohr an die Zeltwand und lauschte. Während des Horchens, das er keinen Tag versäumte, wurden seine Augen immer größer, glühender, giftiger. Heimlich und in dem hinteren Zeltplan schnitt er ein kreisrundes, winziges Loch, wie es die Motten wohl fressen. An dem Guckloch lag ein funkelndes Auge, wenn die zwei im Zelte waren. Simba sah weit weniger, als er erwartet hatte. Aber die Eifersucht hat hundert Augen. Wie dreist und dicht hockte die Dirne neben dem hohen Herrn, wie himmelte ihr Blick und hing an seinem Munde! Die verliebte Geis! Das unschöne Gesicht des Suaheliburschen wurde verzerrt.

Am Abend sprang er mit einem Male hinter der Bananenstaude hervor und umfaßte, umkrallte Fatimas Hand. Sie, die vom Brunnen Trinkwasser holte und einen Topf auf dem Kopfe trug, schrie laut auf. So weh sein Griff tat, so wütend schalt sie: »Du einohriger, schwarzer Pavian, laß mich, oder ich schreie den Herrn herbei.«

»Ich töte dich, wenn du nicht stille bist und aufrichtige Antwort gibst. Was ist dir der Bana?«

»Ein guter, lieber Herr... laß mich gehen!«

»Du liebst das blondhaarige Blaßgesicht... du Närrin! Der Bana wird eine feine, weiße, bleiche Frau heiraten, du, du würdest in seinem Harem nur das dritte oder vierte Weib sein, das die Schläge und Fußtritte bekommt.«

»O, ich wäre glücklich, wenn ich seine fünfte oder sechste Frau, wenn ich nur seine Magd bleiben dürfte mein Leben lang.«

Simba wurde bei diesem Bekenntnis stumm und starr, ließ die Hände fallen, so daß sie entschlüpfen konnte, stand wie ein Stein und starrte ihr nach. Eine Stunde später lag er abseits unter einer Staude, wühlte in der Erde, knirschte und biß mit den Zähnen sich die Hände blutig, um nicht wie ein wildes Tier zu brüllen.

Seine Seele, seine Sinne, jeder Gedanke und Blutstropfen in ihm war rasende, rachsüchtige, tückische, blinde und doch berechnende Negerwut geworden. Der Tobsüchtige wurde mit einem Male ruhig, stand auf und schlich durch den Busch, wo er zwei Stöcke schnitt und spaltete und mit Lianen verknüpfte. Sollte das wunderliche Holzgerät eine Waffe oder ein Werkgerät werden? –

Das Kreuz des Südens strahlte. Erb saß mit seinem väterlichen Freund länger als sonst am Feuer, denn sie sprachen von der Heimat, und wie viel schöner die Dämmerung und der Lenz, das Weihnachtsfest, die frohen Sommerfahrten und der deutsche Sommertag sei als die ganze Herrlichkeit der Tropen.

»Mir ist das nur ein Märchen meiner Jugend... ich werde in Afrika in meinen Stiefeln sterben,« nickte Jobst. »Du aber, mein Junge, wirst Deutschland wiedersehen, denn du bist ein deutscher Gemütsmensch, ein rechter Heimwehmichel geblieben.«

Ein heftiges Nein! »Nein, ein Bestrafter ist in Deutschland ein Aussätziger, der nie wieder rein wird.«

»Ich meine, du bist unschuldig... hast du nicht abzurechnen mit irgend jemand da drüben? Mir sagt oft eine Ahnung, daß ich noch mal nach Südwest hinüberkomme... ich habe ja dort eine unbeglichene Rechnung, ein Kerbholz in Ordnung zu bringen mit dem Satanskapitän... es ist unmöglich, daß die Bestialität ungesühnt bleibt.«

»Noch viel unmöglicher ist meine Rache und Rehabilitation ... der dümmste deutsche Richterspruch ist ein Gottesurteil und unabänderlich wie die Ewigkeit.«

Der Pavian, der alle Tage ein paar Stunden gelöst wurde, um die heißgeliebte Freiheit zu genießen, folgte seinem Herrn wie ein Hund. Augenblicklich saß er zwischen den beiden mit einem höchst ernsthaften Gesicht, als wenn das Gespräch einen tiefen Eindruck auf ihn mache. Plötzlich schmiegte er sich an seinen Herrn.

»Der kluge Kerl will dich beruhigen und deine Aufregung beschwichtigen,« sagte Jobst.

Erb nahm den Pavian bei der Hand und ging nach seinem Zelt, um zu schlafen. Eilig, ohne Licht anzumachen, betrat er den dunklen Raum und tastete nach der Kette, um den Affen festzumachen. Eine Hand zerrte plötzlich an seinem Arm und zog ihn zurück. »Was ist dir, Basse? Du bist ein Feigling.«

Erb horchte und hörte ein leises S–s–s–s, das er für das Zirpen eines Insekts hielt. Er faßte die Kette, um den Affen zu binden. Da fauchte der Pavian, packte ihn mit beiden Händen, riß ihn zurück, riß ihn mit aller Pavianskraft aus dem Zelte heraus. Der Herr, der tüchtig schimpfte, sah, daß die Nackenhaare des Tieres gesträubt waren. Sollte eine Hyäne ins Zelt gekrochen sein, um zu rauben?

Erb zündete ein Wachsstreichholz an, leuchtete in die Finsternis hinein, streckte den Kopf ... den Körper weit vor und schnellte zurück. Sein Gesicht war bleich geworden. Eine Speischlange, ein sehr giftiges Reptil, saß mitten im Zelte und zischte ihn an; in unmittelbarer Nähe des unheimlichen Tieres hatte er mit der Kette hantiert. Sein Schrei nach Feuerbränden, nach einer Flinte gellte durch die Nacht.

Jobst brachte schnell beides und tötete mit einem Bana-Bunduki-Schuß die Natter, die sterbend ihr Gift verspie. Der Pavian, der vor Giftschlangen einen gewaltigen Respekt hat und mit scharfem Instinkt ihre Nähe wittert, graute sich noch vor dem Kadaver und flüchtete mit Geschrei.

Plötzlich stand Simba da, schlotternd wie Espenlaub, griff den Affen und zauste ihn derb. Sein Herr versetzte ihm eine Ohrfeige: »Du Lump, warum kneifst du den braven Kerl, der mich rettete? Komm her, mein Herzensjunge!«

Basse wurde von Stunde an angesehen und hochgeehrt und hatte eine Reihe von guten Tagen, die er leider nicht zu vertragen verstand. –

Die Handelskarawane hatte einen großen Teil von Ruanda bereist und etwas Elfenbein bekommen. Das Gerede der Watussi, da oder dort seien viele und große Zähne, war Phantasie oder Flunkerei gewesen, denn der Neger gibt aus Schlauheit – um ein Geschenk zu erhalten – stets die Antwort, die der Weiße am liebsten hört. Jobst rümpfte die Nase: »Dieses Ruanda ist in meiner Achtung gesunken... ich sende einen Boten an den Sultan, ob unser Besuch Seiner schwarzen Majestät angenehm sei.« Die echt afrikanische Antwort lautete: »Komm nur und bringe geziemende Geschenke mit, ein Martinigewehr fehlt mir.«

Über grasreiche, baumlose Höhen stieg der Weg hinauf zu der in Wahrheit hohen Residenz, die 1700 Meter über dem Meere liegt. Hunderte von sauber geflochtenen Hütten bedeckten das Hochplateau und bildeten die Hauptstadt. Die Längsten der langen Watussi hausten hier. Vor dem Orte war ein langes Viereck von Riesenkriegern mit Goliathspeeren aufgestellt, offenbar die Leibgarde des Sultans, die Reih' und Richtung hielt, urplötzlich mit gestreckten Lanzen sich in Galopp setzte und in wilder Attacke auf die harmlos heranspazierenden Elfenbeinhändler losstürzte. Ein verteufelt unsympathischer Moment! Jobst und Erb nahmen ihre Flinten und erwarteten festen Blicks und scharf geladen die Gigantenhorde. Mit gellendem Geschrei, mit einem Male, mit der exakten Präzision eines preußischen Grenadierregiments machte das Ganze Halt und hob die Lanzen zum Salut, kaum fünf Schritt vor den Weißen, die sich nicht bange machen ließen. Die Gardisten wollten durch das bedrohliche Manöver imponieren, aber durch die Scheinattacke auch sehen, ob die Europäer Courage im Leibe hätten.

Die Deutschen hatten den Manöverscherz der Watussi richtig verstanden, wurden freundlich begrüßt und in den Ort geleitet. Doch wurde ihnen sofort eröffnet, daß sie bei dem Sultan, der nicht alle Tage und nicht jedem Sterblichen sein erhabenes Antlitz zeige, erst übermorgen Audienz bekommen würden. Ein Platz vor dem Orte wurde ihnen als Lager zugewiesen.

In einem weiten Kreise um das Lager herum standen schwarze Posten. Als man fragte, was die Aufpasserei bedeute, erklärten die Watussi höflich-diplomatisch, es sei keine Überwachung, sondern die bei ihnen übliche Ehrenwache, die verhüten solle, daß die Gäste von neugierigen, kindischen oder diebischen Wahutu belästigt würden.

Jobst sagte leise: »Die Kerle argwöhnen, daß wir in geheimer Mission das Land bereisen. So sind wir wenigstens gegen Spitzbuben gesichert.«

Und just in dieser von der schwarzen Wach- und Schließgesellschaft bewachten Morgenfrühe hat ein ungemein frecher Diebstahl das ganze Lager in Aufregung versetzt. Erbenheims goldne Uhr und Kette war aus dem Ledertäschchen am Bette verschwunden. Der Dieb war ins Zelt gekrochen, während der Herr schlief, hatte die Uhr geklaut und mußte ein orts- und zeltkundiger Mensch sein. Die Fußspuren vor dem Zelte wurden gemessen. Simbas großer Fuß paßte in die Stapfen hinein. Die Träger freuten sich, daß der Schuldige gefaßt sei, und schrien: »Simba hat schon früher gemaust und ist der Schurke... Bana, sollen wir ihn halb oder ganz tot schlagen?«

Erb beobachtete den Beschuldigten, der nicht unter Tränen seine Unschuld beteuerte. Nein, der Bengel hatte ein finstres, bösartiges Gesicht, funkelte mit den Augen und schwieg verstockt. »Sieht er nicht aus, wie das leibhaftig böse Gewissen?« sagte Jobst, »wir wollen ihm zehn Stück auf den Rücken zählen, um die Zunge zu lösen.«

Simba schleuderte gelbe, giftige Blicke und – schwieg.

Der vergnüglich grinsende Profoß ließ die Lederpeitsche zur Probe durch die Luft zischen, vier Träger packten als freiwillige Helfer den Delinquenten.

Erb biß sich auf die Lippen und dachte plötzlich an seinen eignen Indizienbeweis, auch flüsterte Fatima: »Herr, warte noch, bis es gewiß ist!«

Der erste Schlag klatschte auf den nackten Rücken. Da sprang der Bana dazwischen und donnerte ein Halt. »Wir müssen erst den Verbleib der Uhr, den Versteck oder Käufer feststellen und die Exekution verschieben.«

Erb legte dem Boy, der wahnsinnig die Augen rollte, die Hand auf die Schulter und bat ihn, zu sagen, ob er die Uhr genommen habe oder nicht.

Simba schleuderte glühende, giftige Blicke, biß die Lippen und die Worte heraus: »Ich habe keine Uhr gestohlen.«

Alle wurden einer Leibesvisitation unterworfen, die Schurze, die Wollhaare der Träger wurden durchwühlt – ohne Erfolg. Der Pavian ahmte das nach, griff einem Neger von hinten ins Haar und riß ihm einen Busch Wolle aus. Der Herr schalt den Unnütz. Basse schmiegte sich reuig an seinen Bana, was ihn aber nicht hinderte, einem Träger den Tabaksbeutel heimlich aus dem Schurz zu ziehen. Als der Diebstahl bemerkt und der Affe mit Hallo verfolgt wurde, kletterte er auf einen Baum, öffnete den Beutel und schüttete den Inhalt über dem Kopfe des Bestohlenen boshaft aus. Da gab es Schläge.

Jobst schaute seitwärts. »Du bist als Pädagoge nicht groß, auch den Niggerbengel hast du verzogen.«

Erb nickte traurig. »Simba ist in der letzten Zeit ein andrer geworden, finster, verschlossen, mürrisch. Manchmal blickt er mich verstohlen mit einem Blicke an, daß ich mich fürchten könnte. Was ist mit ihm vorgegangen?«

»Sehr einfach! Der Bengel ist auf Abwege geraten und hat ein böses Gewissen. Morgen soll er seine Hiebe haben, bis er bekennt.«

»Ist das nicht die mittelalterliche Foltermethode, die man in neuer Auflage in Afrika anwendet, um ein Geständnis zu erzwingen?«

»So ungefähr! Meinetwegen aber gib ihm statt der Prügel fünf Rupien, du deutscher Michel!«

Am Nachmittage kam Fatima angelaufen und angeschrien: »Herr, hier ist die Uhr!«

»Wo... wo hast du sie...?«

»Unter der Schirmakazie drüben.«

»Meinst du, daß Simba sie dort versteckt...?«

»Das meine ich nicht, denn sie lag ganz offen auf der Erde, als wenn sie verloren wäre... du hast sie wohl verloren?«

»Nein, nein!« Die Geschichte wurde immer mysteriöser. »Sollte er sie weggeworfen haben, um nicht im Besitz der Uhr erwischt zu werden?«

»Das glaube ich auch nicht.« Die Dirne überlegte und lächelte pfiffig. »Laßt uns die Uhr in die Ledertasche legen und abwarten, ob sie wieder gestohlen wird. Ich lege mich auf die Lauer und passe gut auf, und wenn es vierundzwanzig Stunden dauert.«

Keine zwei Stunden lag die Späherin im Hinterhalt. Ein hüpfender Schritt verschwand im Zelte. Der Affe hielt in den Fingern die Kette und die baumelnde Uhr und wollte mit dem blanken Spielzeug verduften, als Fatima den Uhrendieb verhaftete. Da erhielt der Pavian Kettenhaft für sein Verbrechen.

Erb war froh und doch betrübt, setzte sich in einen Stuhl und sann. Sein Gesicht wechselte plötzlich die Farbe, sein Blick wurde groß und ging in weite Ferne, nach Hause. Waren Affen wie die Elstern, hatten sie die üble Gewohnheit, blanke Sachen als Spielzeug zu nehmen? Hatte er nicht, als der Ring gestohlen wurde, im Wohnzimmer des Herrn Engel, während dieser fortging, um Hustenpastillen zu nehmen, mit dem zahmen Affen des Prinzipals gespielt? Er ... und auch der Affe war im Zimmer gewesen. Ihm schwindelte. Nein, nein, das war Unsinn. Ein verschleppter Ring wäre im Laufe der Wochen gefunden worden. Einer der Domestiken war der Dieb und der Dienstmann der Hehler gewesen.

Erb rief Simba; denn an dem Burschen hatte er etwas gut zu machen. Wo steckte der Boy? Er sollte doch nicht aus Furcht vor den Schlägen der afrikanischen Folter desertiert sein?

Simba ging unten im Sumpfe, hielt das merkwürdige Gerät in der Hand und stierte mit den wilden Augen hin und her auf den sonnigen Grund, als wenn er etwas suche.

Als er gegen Abend zurückkehrte, rief ihn sein Herr und redete herzlich: »Deine Unschuld ist an den Tag gekommen ... hier sind fünf Rupien, kaufe dir etwas!«

Der Bursche glupste vor sich hin und guckte flüchtig den Herrn mit den giftigen Augen an. Als die Hand mit den fünf Rupien sich ausstreckte, kehrte er sich kurz um und ging trotzig, ohne das Schmerzensgeld zu nehmen, hinaus.

Fatima hatte ein mitleidiges Herz, sah Simba unter einer Rizinusstaude vor einem Topfe Brei sitzen; er machte mit den Fingern nach Negerart Klößchen, die er aber meist nicht in den Mund schob, sondern einem Watussihunde hinwarf. »Du bist kein Dieb, sei wieder brav und guter Dinge, mein Simbalein!«

Der Bursche stierte in den Topf und schwieg.

»Du hörst wohl schlecht auf deinem Einohr?«

Er knirschte: »Ich kann nie wieder guter Dinge sein.«

»Warum nicht?«

»Du, du weißt es.« Er funkelte sie mit den Lichtern an, daß sie aus Furcht einen Schritt zurücktrat. »Ich frage dich zum letzten Male... willst du mich etwas lieb haben?«

»Hab' doch eine schöne Negerin mit hübschen Locken und breiten Lippen, die ein treffliches Küßzeug sind, lieb ... oder eine fadenlange Watussischönheit.«

Der Schalk ging mit ihr durch, und das verbitterte Simba in seiner verzweifelten Stimmung. Er sprang hoch und sie fluchtbereit zurück. »Warum willst du mich nicht lieben?« Mit wildem Blick verschlang er ihre geschmeidige Gestalt.

»Ich kann nun einmal dich und dein Einohr, deinen Kahlkopf und deinen Froschmund nicht lieben.«

Von Skorpionen gestochen, geiferte er: »Du dumme Geis liebst den weißen Bana.«

Leise seufzte sie. »Ja, kannst du es lassen, mich zu lieben, kann ich es lassen, ihn zu lieben? Was zürnst du mir um meines Leidens willen, das du selber hast?«

»Ich hasse dich, du Hexe, ich töte ihn, den weißen Teufel!« zischte Simba und stürzte in das dunkle Dickicht hinein, von den Furien der Eifersucht gehetzt.

Der Schwarze hat, wenn seine Wildheit erwacht, satanische Züge. –

Die Herren saßen lange am Feuer und schmiedeten Zukunftspläne, wie sie ihr bißchen Elfenbein nach Tabora bringen wollten, um das Elfenbeingeschäft, das kein Geschäft war, aufzugeben und die zentralafrikanische Salzhandelskompagnie zu begründen.

Fatima warf sich plötzlich zu Erbs Füßen hin und weinte: »Lieber Bana, sei vor dem Boy auf deiner Hut, denn er ist böse und ein Teufel geworden.«

»Sei ruhig, mein Kind, ich habe den geladenen Browning im Gürtel.«

»Aber nachts, wenn du schläfst?«

»Schläft die Pistole neben mir.«

Erb begab sich zur Ruhe und betrat mit aller Vorsicht sein Zelt, rieb ein Streichholz, zündete das Licht an und leuchtete nach allen Seiten. Gar nichts Verdächtiges sah er, auch nicht das grelle, grausige Raubtierauge, das durch das winzige Loch der Zeltwand lugte. Ein Liedchen summend, zog er die Stiefel, die Kleider aus. In seiner raschen Art warf er mit der einen Hand die Bettdecke zurück, um mit der andern das Licht zum Löschen zu nehmen. Da taumelte er entsetzt zurück, stolperte – stürzte – war durch seinen Fall in der Gewalt des grausigen Feindes. Ein Rascheln, Zischeln, Züngeln! Die Schlange, die im Bette zusammengerollt lag, schnellte wütend empor, glitt vom Bett herunter, fauchte mit der vor Wut vibrierenden Zunge, eine Sekunde lang im Zweifel, wo sie die Giftzahne am tiefsten und tödlichsten hineinschlagen solle.

Ein Gebrüll gellte. Eine dunkle Gestalt flog durch den Eingang, fiel über Erb hin, den weißen Herrn mit dem schwarzen Körper deckend, und schlug die Puffotter nieder. Mit einem unsichtbar schnellen Griff war die Natter von dem Sperrholz gepackt, und ihr jappender Kopf saß fest in der Holzzange, daran der giftige Geifer herunterfloß.

Der Bursche köpfte die Schlange mit dem Messer und warf den eklen Kadaver hinaus.

Sobald Erb das Grauen abgeschüttelt hatte, sagte er mit tiefer Rührung: »Du braver Kerl, ich habe viel an dir gut zu machen. Ohne dich wäre ich tot. Simba! Ich will für deine Zukunft sorgen... ich möchte dich froh machen... warum blickst du so finster, so feindselig? Mein wackrer Schlangentöter!« Er wollte Simba auf die Schulter klopfen; doch dieser prallte wie vor einem Skorpion zurück und stierte auf den Grund. Mein armer Boy, was ist dir? Was soll ich ... ?«

»Du sollst mich totschlagen, du sollst mich auf der Stelle am höchsten Baum aufhängen lassen.« Simba sprach hart und trotzig.

Der Herr sah die rollenden Augen im schwarzen Gesicht und dachte entsetzt: Er ist wahnsinnig geworden!

»Du hast mich vor dem schrecklichen Tode bewahrt, und ich sollte dich töten, mein armer, kranker Boy?«

»Ich ... ich habe die Giftschlange ... in dein Bett gelegt ... schlage mich tot!«

Der Neger stand nach dem gräßlichen Bekenntnis ganz starr, auch der Herr war wie gelähmt, bis er aufschrie: »Es ist zu ungeheuerlich ... und rein unmöglich ... du sprichst im Irrsinn.«

»Hast du nicht gesehen, daß ich das Sperrholz, darin ich die Otter fing und in dein Bett trug, noch in der Hand hatte? Schau dir das Loch dort an, das kleine, runde im Zeltkanvaß, dahinter mein Auge lag, um zu beobachten, wie die Natter dich biß... willst du jetzt glauben meinen Beweisen und Befehl geben, mich zu töten? Denn ich muß sterben, Bana.«

Erb erbleichte, erschauerte und stöhnte: »Warum hast du mich, der es so gut mit dir meinte, so heimtückisch und teuflisch morden wollen? Weil ich dich irrtümlich des Diebstahls bezichtigte ...? Das hat dich zum Satan gemacht?«

»Nein, nein, Fatima machte mich toll und besessen, und du nahmst mir die Dirne, die ich liebte. Rufe den Profoß und laß mich binden!«

Der weiße Herr warf sich in den Stuhl, denn seine Knie knickten und alles fing an zu kreisen. Lange begrub er das Haupt in den Händen, während der Neger reglos glupste. Er fühlte nicht nur einen Schauder vor der mordbereiten Eifersucht des Wilden, die er ohne Wissen und Willen erweckt, sondern auch einen quälenden Selbstvorwurf, den er nur als ein zu viel an Freundlichkeit, ein zu wenig an Vorsicht bezeichnen konnte. Zuletzt aber fühlte er nichts als ein unendliches, wehmütiges Erbarmen.

»Simba, durch Einbildung, irren Wahn und blinde Leidenschaft wärest du um ein Haar zum Mörder an deinem Herrn geworden. Ich habe dir die Dirne nicht genommen ... Fatima war mir nicht, was deine Eifersucht wähnte, und wird es nimmer sein. Mein Wort ist Wahrheit.«

Der ganze Körper des Boys zuckte, und er ächzte: »Ich weiß, du bist der Lüge so feind, wie das Wasser dem Feuer ... Fatima soll nicht in deinem Harem wohnen?«

»Du armer Tor, ich habe keinen Harem und werde keinen haben.«

Simba warf sich zu den Füßen seines Bana, wühlte in der Erde und biß sich die Hände blutig, raste und schrie: »Schlage mich tot, ich bitte dich, schlage mich tot! Ich muß für meine Schurkerei sterben.«

»Nein, du hast mich im Wahnsinn töten wollen und in der Besinnung mein Leben gerettet.«

Der Bursche schluchzte, heulte: »O, es war ein Befehl des Teufels, daß ich die Otter fangen und ins Bett legen mußte ... als ich aber durch das Loch die zischende Schlange und dein weißes Antlitz sah, mußte ich an deine Güte und Großmut denken, und ich hörte den Befehl Allahs: Dein Bana darf nicht sterben. Da flog ich hinein und fing die Natter.«

Auch in der Brust dieses armen, in Unwissenheit und Schmutz aufgewachsenen Negers waren zwei Seelen, die miteinander rangen.

»Mein Simba,« sagte der Herr weich, »ich sehe deinen schrecklichen Seelenkampf und deine dich zerfressende Reue ... was in dieser Nachtstunde geschah, soll keiner wissen außer dir und mir ... ich vergebe dir nicht nur deinen Wahnsinn, ich vertraue dir wieder ... du kannst deine Decke holen und dich hier im Zelte hinstrecken, während ich im Bett auf einem frischen Bezug ruhig schlafe.«

»Bana, du bist ein Gott und ich ein Teufel! Auf meiner scheußlichen Tat steht der schimpfliche Tod ... ich muß am Stricke sterben.«

Der Boy zerwühlte und zerkratzte sein schwarzes Gesicht und wiederholte stöhnend, daß er sterben müsse. In ihm war ein Starrsinn, die Schuld zu sühnen, aber unbewußt wohl auch das leidenschaftliche Verlangen, vom Leben, das ihm Last und Leid war, frei zu kommen.

Der Herr redete mit Güte und Klugheit, und einer kleinen List gelang es. »Für deinen dummen Streich kann ich eine Buße verlangen, nicht wahr?«

»Ja, fordre, fordre meinen Kopf!«

»Beileibe nicht, denn ein toter Boy ist keinen Heller wert. Ich fordre als Buße, daß du mir treu und ehrlich zwei Jahre lang dienst... für Kost und Lohn.«

Simba gab zögernd das Versprechen, aber er gab und hielt es.

Wo fände man wohl einen Weißen, der nach solcher Untat seinen Diener nicht gepeitscht und zum Teufel gejagt hätte? Wer sucht die rätselhafte, an Widersprüchen reiche Negerseele zu ergründen?

Jobst erfuhr nichts von dieser Nacht, sagte aber sehr bald: »Was ist mit deinem Leibburschen vor sich gegangen? Der Bengel ist ja ein ganz anderer Mensch geworden, ernst, still, in sich gekehrt, fleißig und aufmerksam ... hast du ihn mal gehörig verwichst, daß solch ein Wunder geschehen ist?«

Simba grinste und schwatzte nicht mehr zur Zeit und Unzeit und ging verschlossen und stumm seiner Arbeit nach. In seinen freien Stunden hockte er abseits auf den untergeschlagenen Beinen, kopfhängerisch und versonnen, als wenn er ein unlösbares Rätsel zu lösen versuche, und sogar die geliebte Stummelpfeife ging ihm aus. Wie ein Hund, der in der Wut seinen Herrn gebissen hat, schämte er sich, wie eine scheue Hyäne schlich er einher und konnte seinem Herrn nicht in die Augen sehen. Welche Konflikte und Kämpfe wühlten und wurmten in dieser elenden Niggerbrust!

Wenn Fatima vorüberging und nach dem scheuen, seltsamen Burschen ein wenig schielte, kehrte er den Kopf hinweg, um ihre Süße und Schönheit nicht zu sehen, um vom Gift nicht berauscht und vom Wahnsinn nicht befallen zu werden. Als sie ihn einmal freundlich lächelnd ansprach, guckte er sie so glühend-gräßlich und furchtbar-finster an, daß ihr angst und bange wurde.

Die Afrikaner behaupten fast einstimmig, daß der Neger absolut kein Gewissen hat, daß ihm für Schuldbewußtsein und Dankbarkeit sogar die Worte und Begriffe fehlen. Das ist leider die Regel, die aber Ausnahmen hat. So haben Livingstones Diener mit beispielloser, germanischer Treue und mit unsäglicher Mühe den Leib ihres toten Herrn bis zur Küste getragen.

Erbenheim sah, wie sein schwarzer Boy mit sich selber litt und stritt, und wollte ihn aufmuntern. »Weißt du nicht, daß die Weiber sind wie das Wetter der Regenzeit, das alle Tage sich ändert? Weißt du nicht, daß manch eine am Abend heißhungrig aß, was sie am Morgen leckermäulig verschmähte?«

»Die schöne Fatima ist nicht das Schlimmste, sondern die Schlange ... die Schlange sitzt in meiner Brust und bohrt und beißt ... Bana, es ist Allahs Befehl, daß ich sterben ... für dich sterben muß.«


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