Charles Dickens
Martin Chuzzlewit
Charles Dickens

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35. Kapitel

Ankunft in England. Martin wohnt einer Feierlichkeit bei und ersieht, daß er während seiner Abwesenheit nicht vergessen wurde

Es war eben Mittag und Flutzeit in dem englischen Hafen, den die »Schraube« anzulaufen gedachte, als sie, von den hohen Wogen stattlich einhergetragen, Anker warfen.

Die Landschaft war frisch, voller Leben und funkelhell. Aber was war das alles, verglichen mit dem Entzücken und dem Jubel in den Herzen der beiden Reisenden, als sie die alten Kirchen, die Dächer und die geschwärzten Schornsteine der Heimat wieder erblickten. Das ferne Getöse, das dumpf von den geschäftigen Straßen herauftönte, klang wie Musik in ihren Ohren, die Menschenmengen, auf die sie vom Kai herniederblickten, erschienen ihnen wie eine Versammlung lauter teurer Freunde, und die Rauchdecke über der Stadt dünkte sie glänzender und schöner als die reichsten Seidenparapets Persiens. Und wie lebhaft das Kielwasser auch auf seiner glänzenden Spur sich immer wieder und wieder anschickte, die großen Schiffe zu umtanzen und wie im Scherz emporzuheben, und von den Rudern der Beiboote träufelte wie Diamantregen, mit den müßigen Jollen schäkerte und in neckischer Jagd durch die festen alten Eisenringe an den Kais spritzte, so war es doch mit all seinen tausend ruhelosen Wellen nicht halb so munter und fröhlich wie ihre pochenden Herzen, als sie jetzt voll innern Jubels wieder den Boden der Heimat unter ihren Füßen spürten. Ein Jahr war vergangen, seit sie zum letzten Mal diese Türme und Dächer gesehen, aber es schien ihnen wie ein Dezennium. Hie und da fielen ihnen einige unbedeutende Veränderungen auf, und sie wunderten sich, daß sie so geringfügig und ihrer so wenig waren. Ärmer an Gesundheit, Geld, Aussichten und Hilfsmitteln, als sie weggezogen, kamen sie jetzt zurück; aber es war doch die Heimat. Heimat ist nur ein Name – ein Wort –, aber ein gewaltiges, stärker als der Zauberspruch, den je ein Magier ausgesprochen.

Mit nur noch sehr wenig Geld in der Tasche und ohne bestimmten Operationsplan, suchten sie sich vor allem ein billiges Wirtshaus aus, wo sie bei einem dampfenden Beefsteak und einigen Krügen duftenden englischen Biers sich gütlich taten, wie es eben nur Leute imstande sind, die soeben wieder festen Boden unter sich fühlen und die edelsten Leckerbissen der Erde vorzufinden wähnen. Nachdem sie sich wie zwei kerngesunde und gutgelaunte Riesen gelabt hatten, schürten sie das Feuer, zogen die Fenstervorhänge auf, bauten sich jeder aus zwei großen Lehnstühlen ein Sofa und blickten selig auf die Gasse hinaus. Auch diese hatte etwas Feenhaftes, wie sie so halb hinter einer Beefsteak- und englischen Doppelbieratmosphäre wie im Dunste schwebte. Auf der Fensterscheibe lagerte ein solcher Nebel, daß Mr. Tapley aufstand und ihn mit seinem Taschentuch abwischen mußte, bevor die Vorübergehenden vor ihren Augen wieder wie sterbliche Menschen aussahen. Und selbst dann noch machte das aus ihrer beider Groggläser spiralförmig sich emporkräuselnde Dunstwölkchen sie voreinander beinahe unsichtbar.

Es war eines jener winzigen Stübchen, wie man sie nur in englischen Wirtshäusern findet, voller Winkel und Ecken, wie das Gehirn eines närrischen querköpfigen Kauzes. Es war voll von den verrücktesten Schränken, in denen man nichts unterbringen konnte, was nicht ausdrücklich zu diesem Zwecke gebaut und hergestellt worden, hatte geheimnisvolle Gesimse und Verschläge und Ansätze von Treppen an der Diele. Kunstreich und sinnig hing von der Decke ein Glockenzug herab, der innerhalb der Stube läutete und durchaus mit keinem andern Teil des Hauses in Verbindung stand.

Das Zimmer lag ein wenig unter dem Niveau des Pflasters draußen und stieß so hart daran, daß die Vorübergehenden oft mit ihren Stiefeln die Scheiben streiften oder mit Körben daran schlugen. Wie ein Spuk tauchten plötzlich Gassenjungen zwischen dem in Gedanken versunkenen Reisenden und dem Tageslicht auf, verhöhnten ihn oder streckten ihm die Zunge heraus, als wenn er ihr Arzt wäre, oder machten weiße Knöpfe aus ihren Nasenspitzen, indem sie sie am Fensterglas plattdrückten, und verschwanden dann wieder geisterhaft wie Gespenster. Martin und Mark saßen am Fenster, fröhlich die Passanten betrachtend, und berieten angelegentlich, wohin sie zuvörderst ihre Schritte lenken sollten.

»Wir müssen natürlich zuerst Miss Mary sehen«, meinte Mark.

»Natürlich«, stimmte Martin zu. »Aber ich weiß nicht, wo sie ist. In unserm Elend hatte ich das Herz nicht dazu, ihr zu schreiben, und auch sie hielt es für das beste, zu schweigen. Da ich daher seit unserer ersten Abreise von New York nichts wieder von ihr gehört habe, so kann ich unmöglich wissen, wo sie sich jetzt aufhält.«

»Meine Meinung ist, Sir«, sagte Mark, »wir verfügten uns spornstreichs nach dem &#8250;Drachen&#8249;; Sie brauchen ja nicht selbst hinzugehen, wenn Sie nicht wollen, und können ein paar Meilen davor irgendwo absteigen. Ich aber gehe natürlich hin. Mrs. Lupin wird mir genau berichten, was Neues vorgefallen ist. Und auch Mr. Pinch wird mir gewiß jede nötige Auskunft geben und sich darüber sogar freuen. Mein Vorschlag ist also, wir machen uns heute nachmittag auf den Weg, kehren ein, wenn wir müde sind, fahren ein Stückchen, wenn sich Gelegenheit dazu bietet, und wenn nicht, gehen wir eben zu Fuß. Die Hauptsache ist und bleibt: schnell und billig.«

»Gewiß, mein Freund; wenn wir nicht billig reisen, kommen wir überhaupt nicht hin«, sagte Martin, zog seine geringe Barschaft aus der Tasche und überzählte sie auf der Hand.

»Nur um so mehr Grund, keine Zeit zu verlieren, Sir«, versetzte Mark. »Haben Sie mal die junge Dame gesehen und wissen, wie es mit dem alten Herrn steht, so wird dann immer noch Zeit genug sein, über das Weitere nachzudenken.«

»Kein Zweifel«, sagte Martin; »Sie haben vollständig recht.«

Sie hoben gerade ihre Gläser an die Lippen, als sie plötzlich wie auf Kommando innehielten und eine Gestalt anstarrten, die in diesem Augenblick langsam und höchst nachdenklich an dem Fenster vorüberstolzierte.

Es war Mr. Pecksniff.

Friedvoll, ruhig und stolz, ja sogar auffallend stolz, mit besonderer Sorgfalt gekleidet und mehr noch als gewöhnlich holdselig lächelnd, sichtlich alle irdischen Nebengedanken aus seinem Kopf verbannend und nur über die Schönheiten seiner Kunst nachdenkend, zog er langsam am Fenster vorbei wie eine Gestalt in einer Laterna magica.

Kaum war er vorüber, kam fast in demselben Augenblick ein Mann aus der entgegengesetzten Richtung herbeigeeilt und blieb wie gebannt stehen, um dem würdigen Architekten mit Interesse und Hochachtung, ja fast mit Verehrung, nachzublicken.

Auch der Wirt stürzte jetzt aus dem Hause, schloß sich dem erwähnten Manne an, sprach mit ihm, drückte ihm würdevoll die Hand und sah Mr. Pecksniff nach.

Martin und Mark blickten einander mit großen Augen an, als wollten sie ihren Sinnen nicht trauen. Aber immer noch standen der Wirt und der andere Mann draußen. Trotz des Unwillens, den Mr. Pecksniffs Erscheinung in ihm hervorrief, konnte sich Martin dennoch nicht enthalten, laut aufzulachen. Mark desgleichen.

»Wir müssen uns Gewißheit verschaffen«, sagte Martin. »Rufen Sie doch mal den Wirt herein, Mark!«

Mr. Tapley entfernte sich und kehrte gleich darauf mit dem dickköpfigen Schenkenbesitzer wieder zurück.

»Bitte, Herr Wirt«, fragte Martin, »wer ist der Gentleman, der soeben vorübergegangen ist und dem Sie so ehrfurchtsvoll nachgeschaut haben?«

Der Wirt schürte das Feuer an, wie um seiner Antwort auch äußerlich den entsprechenden Strahlenglanz zu verleihen und als ob ihm der Preis der Kohlen vollständig gleichgültig sei, dann steckte er die Hände in die Taschen, blies die Backen auf, um seiner Rede noch größeren Nachdruck zu verleihen, und sagte:

»Das, meine Herren, war der berühmte Mr. Pecksniff, der bekannte Architekt, meine Herren.«

Dabei blickte er von Mark auf Martin, als sei er bereit, falls vielleicht einen von ihnen aus Überraschung der Schlag rühren sollte, sofort beizuspringen.

»Der berühmte Mr. Pecksniff, der großartige Architekt, meine Herren! Er ist heute herübergefahren, um den Grundstein zu einem neuen und fabelhaft prächtigen öffentlichen Gebäude legen zu helfen.«

»Soll es nach seinen Plänen gebaut werden?« fragte Martin.

»Der berühmte Mr. Pecksniff, der unübertreffliche Architekt, meine Herren«, antwortete der Wirt, der offenbar eine unaussprechliche Wonne darin empfand, diese Worte jedesmal zu wiederholen, »hat den ersten Preis bekommen und wird das Gebäude selbst bauen.«

»Und wer legt den Grundstein?«

»Unser Parlamentsmitglied ist ausdrücklich zu diesem Zwecke hergereist. Einen gewöhnlichen Menschen hätte man zu einer solchen Feierlichkeit unmöglich verwenden können. Unsere Direktoren wollten es nun einmal nicht billiger geben.«

»Und wann findet die Feierlichkeit statt?« fragte Martin.

»Heute.« Der Wirt zog seine Uhr heraus und setzte gewichtig hinzu: »Vielleicht sogar in dieser Minute.«

Hastig erkundigte sich Martin, ob man dem Schauspiele beiwohnen könne. Als er erfuhr, daß gegen die Zulassung anständig gekleideter Menschen durchaus kein Einspruch erhoben werden würde, wenn nicht schon der Platz überfüllt sei, eilte er mit Mark, so schnell er konnte, hinaus.

Sie waren so glücklich, in einem Häuserwinkel noch einen Platz zu finden, von wo aus sie alles, was vorging, mit ansehen konnten, ohne besorgen zu müssen, ihrerseits von Mr. Pecksniff erkannt zu werden. Sie kamen keine Minute zu früh, denn noch während sie sich über den angenehmen Zufall, noch ein Plätzchen gefunden zu haben, Glück wünschten, hörten sie in der Entfernung einen großen Lärm, und alle Augen wendeten sich nach dem Tore. Einige Damen zückten ihre Taschentücher, um sie im gegebenen Augenblick zu schwenken, und ein Lehrer der Armenschule, der sich zufällig auf den Platz herein verirrte, wurde irrtümlich mit lautem Hurra begrüßt. Als man das Versehen entdeckte, prasselte natürlich ein Ungewitter von Zischen und Schimpfworten auf das Haupt des unschuldigen Mannes nieder.

»Vielleicht hat er Tom Pinch bei sich«, flüsterte Martin Mark zu.

»Das wäre ein überwältigendes Glück für Tom, was meinen Sie, Sir?« antwortete Mr. Tapley ebenso leise.

Es war keine Zeit, das Thema weiterzuspinnen oder die Unwahrscheinlichkeit des Falles zu erörtern, denn im nächsten Augenblick kam die Armenschule, sauber gekleidet, paarweise heranmarschiert und erfüllte durch ihren Anblick sämtliche Anwesenden, die Beiträge subskribiert hatten, mit einem so hohen Gefühl von Selbstzufriedenheit, daß die meisten davon in Tränen schwammen. Den Kindern folgte eine Musikbande unter Anführung eines höchst gewissenhaften Tambours, der sein Instrument aus Leibeskräften bearbeitete. Dann erschienen mit Stäben in den Händen und Schleifen in den Knopflöchern eine Reihe Herren, deren Funktion nicht gehörig klar war, wenn sie nicht etwa darin bestand, daß sie einander auf die Zehen traten und den Eingang versperrten.

Hierauf kamen der Major und die Korporationen, alle dicht gedrängt um den Deputierten, der links neben dem berühmten Mr. Pecksniff, dem unübertrefflichen Architekten einherschritt, und sich angelegentlich mit ihm unterhielt.

Auf ein gegebenes Zeichen schwenkten die Damen ihre Taschentücher, die Herren ihre Hüte, die armen Schulkinder schrien. Der Deputierte blies sich auf.

Als die Ruhe wiederhergestellt war, rieb er sich die Hände, wackelte mit dem Kopf, sah sich gutgelaunt und leutselig um, und jedesmal brach die eine oder andere Dame, auf die gerade sein Blick fiel, in ein ekstatisches Taschentuchschwenken aus. Als er den Grundstein betrachtete, sagten sie: »entzückend!«, blickte er in die Grube hinunter, riefen sie: »wie herablassend«, plauderte er mit dem Major, so meinten sie: »was für ein vornehmer Mann«, und als er endlich die Arme verschränkte, riefen sie aus einem Munde: »wirklich und wahrhaftig ein Diplomat«.

Mr. Pecksniff wurde gleichfalls sorgfältig belorgnettiert; sprach er mit dem Major, so hieß es: »was für ein gewinnender, höflicher Mann«; und als er seine Hand auf die Schulter des Maurers legte und ihm Anweisungen gab, wie leutselig war da nicht sein Benehmen den arbeitenden Klassen gegenüber. Wirklich ganz der Mann, der den guten, lieben braven Leuten eine Arbeit zum Genuß machen kann.

Als dann die silberne Kelle gebracht wurde und der Abgeordnete seine Rockärmel zurückschlug, ein Klümpchen Mörtel aufnahm und es auf den Grundstein warf, da zerriß lautes Beifallsrufen die Luft. Die Bewunderung seiner Fachkenntnis war allgemein. Niemand vermochte zu begreifen, wo ein solch feiner Gentleman derartige Dinge gelernt haben konnte. Nachdem der Deputierte nun unter Anweisung des Maurers eine Art von Mörtelpastete zurechtgebacken hatte, wurde eine kleine Vase mit Münzen herbeigebracht. Der Abgeordnete schüttelte sie und klingelte mit ihrem Inhalt, als wolle er eine Beschwörung vornehmen; und wieder hieß es: »wie reizend, wie entzückend, wie sinnreich!« Dann wurde die Vase auf den Stein gestellt, und ein alter Gelehrter verlas die Inschrift, die natürlich lateinisch war, denn englisch hätte offenbar nicht hingereicht. Abermals große Zufriedenheit; besonders, sooft ein langes Substantivum im Ablativ der dritten Deklination mit einem darangehängten Adjektiv aus der Rede auftauchte. In solchen Momenten war die Versammlung jedesmal tief ergriffen. Schließlich ließ man unter dem lauten Jubel der Menge den Stein an seinen Bestimmungsort hinunter. Als er dort glücklich festsaß, klopfte das Mitglied des Parlamentes dreimal mit seiner Kelle darauf, als wolle er neckisch fragen, ob jemand zu Hause sei. Dann entrollte Mr. Pecksniff seine Pläne – wunderbar große Pläne –, und die Leute drängten sich heran, um sie anzustaunen und zu bewundern.

Martin, der sich während dieses ganzen Vorganges außerordentlich geärgert hatte – sehr unnötigerweise, wie Mark meinte –, konnte jetzt seine Ungeduld nicht länger zügeln, sondern arbeitete sich mit mehreren andern im Gedränge vor und blickte so fast über die Schulter des nichtsahnenden Mr. Pecksniff auf die Risse und Zeichnungen, die dieser aufgerollt in der Hand hielt. Kochend vor Wut kehrte er zu Mark zurück.

»Was gibt's denn, Sir?« rief Mark. »Was ist Ihnen denn?«

»Was es gibt? – Es ist mein Gebäude!«

»Ihr Gebäude, Sir?« fragte Mark erstaunt.

»Mein Schulhaus. Ich habe den Plan dazu entworfen und alles ausgeführt. Der Schuft hat nur noch vier Fenster hinzugefügt und damit die Sache übrigens gründlich verpatzt.«

Mark wollte es anfangs gar nicht glauben, als Martin es ihm jedoch wiederholt versicherte, da fand er es für nötig, ihn am Rockärmel mit Gewalt zurückzuhalten, damit Martin nicht in seiner Aufwallung irgendeine törichte Einmischung begehe. Inzwischen hielt das Parlamentsmitglied eine Rede an die Versammlung über die erfreuliche Feierlichkeit, die es soeben vollzogen.

Es sagte, seit es im Parlament sitze, um die Interessen der Stadt zu vertreten – und es hoffe hinzufügen zu können: auch die Interessen der Damen – begeistertes Taschentücherwedeln –, sei es ihm eine angenehme Pflicht gewesen, unter der so liebwerten Versammlung zu weilen und auch an andern Orten seine Stimme für sie abzugeben – Taschentücherschwenken und Lachen –, aber nie sei es hergereist und habe seine Stimme mit nur halb so reinem, tiefem Entzücken erhoben wie jetzt. »Der gegenwärtige Anlaß«, sagte der Deputierte, »wird mir eine unauslöschliche Erinnerung bleiben. Nicht nur aus den angedeuteten Gründen, sondern weil er mir Gelegenheit gab, persönlich mit einem Gentleman bekannt zu werden« – dabei zeigte er mit der Kelle auf Mr. Pecksniff, den lauter Volksjubel akklamierte, und legte die Hand auf sein Herz – »mit einem Gentleman, der, wie ich fest überzeugt zu sein so glücklich bin, sowohl Auszeichnung als Gewinn auf diesem Felde der Tätigkeit ernten wird – dessen Ruhm schon früher zu mir gedrungen ist – wessen Ohr hätte nicht sein Lob gehört! – aber dessen durchgeistigte Züge ich bis auf den heutigen Tag niemals die Ehre hatte zu erblicken und dessen belehrende Unterhaltung zu genießen mir früher noch nie zuteil geworden ist.«

Sämtliche Anwesende schienen hierüber höchlichst erfreut und applaudierten noch heftiger.

»Und ich hoffe, mein verehrter Freund«, schloß der Deputierte – natürlich setzte er hinzu: »wenn mir der Herr ihn so zu nennen erlauben will«, und Mr. Pecksniff verneigte sich natürlich – »wird mir noch oft Gelegenheit geben, unsere Bekanntschaft fortzusetzen. Und es wird mir noch in meinen spätesten Lebensjahren die innigste Freude bereiten, auf den heutigen Tag zurückblicken zu können, an dem ich zwei Grundsteine gelegt habe – beide zu Gebäuden, die mein Leben weit überdauern werden.«

Abermals großer Jubel. Nur Martin verwünschte die ganze Zeit über Mr. Pecksniff vom Scheitel bis zur Sohle.

»Meine Freunde!« erwiderte Mr. Pecksniff. »Meine Pflicht ist, zu bauen und nicht zu sprechen – zu handeln und nicht zu reden – in Marmor und Ziegelsteinen tätig zu sein und nicht in Worten. Ich bin aufs tiefste gerührt, Gott segne Sie!«

Diese Anrede, augenscheinlich aus dem tiefsten Herzensgrunde Mr. Pecksniffs heraufgepumpt, steigerte den Volksenthusiasmus aufs äußerste. Abermals wurden die Taschentücher geschwenkt und die armen Schulkinder sämtlich ermahnt, lauter Pecksniffs zu werden. Die Korporation, die Herren mit den Stäben, das Unterhausmitglied, alle brachten Mr. Pecksniff drei Hochs. Und dann noch einmal drei Hochs für Mr. Pecksniff und abermals drei Hochs für Mr. Pecksniff. Und dann zum Schluß noch eines für Mr. Pecksniff, und zwar ein ganz besonders kräftiges.

Kurz, Mr. Pecksniff hatte in den Augen der Menge ein großes Werk vollbracht und wurde entsprechend geehrt. Als die Prozession sich entfernte, Martin und Mark fast allein auf dem Platz zurücklassend, bildeten seine Verdienste und der Wunsch, sie gebührend anzuerkennen, das allgemeine Tagesgespräch. Mr. Pecksniff stand kaum dem Abgeordneten nach, darüber war sich alles einig.

»Jetzt vergleiche nur mal einer die Lage dieses Menschen mit der unserigen!« rief Martin mit Bitterkeit.

»Mein Gott, Sir«, brummte Mark, »was nützt das alles! Manche Architekten verstehen es eben, Pläne zu zeichnen, und andere sind so gescheit, Gebäude aufzuführen, wenn die Pläne fertig sind. Aber am Schlüsse wird doch alles ins richtige Geleise kommen.«

»Und in der Zwischenzeit?« fragte Martin.

»Inzwischen, Sir, haben wir so manches zu tun und müssen schauen, daß wir es angehen. Also vorwärts und immer fidel.«

»Sie sind der beste Lehrer im Leben, Mark«, sagte Martin, »den man sich nur denken kann. Und ich will kein schlechter Schüler sein und mich nach Kräften zusammennehmen. Das habe ich mir vorgenommen. Also vorwärts, lieber Freund!«


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