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Siebzehntes Kapitel.

Fides, Spes.

Der Herzog von Rosen setzte zuerst den Fuß über die Schwelle.

»Es ist ein bischen feucht und kalt,« sagte er ernst... »Es ist hier seit dem Tode meines Sohnes nicht mehr gelüftet worden.«

Es sank wirklich eine feuchte Kühle, etwas wie eine schimmelige Nässe aus einer Gräber-Gruft in dieses Erdgeschoß mit seiner Zimmerreihe von glänzender Pracht hinein, wo die Guzlahs so stolze Klänge angestimmt hatten und alles noch an dem nämlichen Platze verharrte, wie in der Ballnacht.

Die beiden geschnitzten Sessel des Königs und der Königin standen noch auf ihrem, an das Orchester sich lehnenden Ehrenplatze, überragt von prachtvollen Notenpulten aus geschmiedetem Eisen. Stühle im Kreise gesetzt, bildeten aristokratische Sondersitze. Bänder und Überbleibsel von Blumen, verblichene leichte Gaze, der richtige Ballstaub, lag noch dichtgesät auf dem Parkett umher. Man fühlte es, wie geschwind die Tapeziere die Vorhänge, die Blätterguirlanden herabgenommen hatten, wie eilig sie es gehabt hatten, Thüren und Fenster in diesen Sälen wieder zu schließen, die von Festlichkeit in einem Trauerhause kündeten.

Die nämliche Verödung war in dem mit abgestorbenem Laub dicht angefüllten Garten bemerklich der Winter war über ihn hingegangen, dann ein Frühjahr, ohne daß eine Hand in ihm gerührt worden war, das aber reich gewesen war an überwucherndem Unkraut. Zufolge einer jener Wunderlichkeiten des Schmerzes, der haben will, daß alles um ihn her leide und sich zu Ödenei und Unfruchtbarkeit wandle, hatte der Herzog nicht gestattet, daß Hand an den Garten gelegt würde; so wenig wie er darein willigen wollte, daß seine prächtigen Gemächer zu Wohnräumen benützt würden.

Mit der Affaire von Gravosa hatte der Herzog, da Colette, die an den Folgen ihrer Niederkunft recht leidend war, sich mit ihrem kleinen W nach Nizza begeben hatte, auf seine einsamen Nachhausefahrten nach dem Kai von Anjou Verzicht geleistet und sich in dem Intendantur-Zimmer ein Bett aufschlagen lassen. Augenscheinlich ging er mit dem Gedanken um, heut oder morgen den Palast zu verkaufen, und fing auch bereits an, sich der prachtvollen Altertumsstücke zu entäußern, von denen es in den Räumen des Palastes wimmelte. Aus diesem Grunde geschah es denn heute, daß die entschlummerten venetianischen Spiegel, die sonst die Liebespaare der ungarischen Masurkas, das Gefunkel der Augäpfel und Kronleuchter widerstrahlten, heute in dem grauen und kalten Lichte eines Pariser Himmels die albernen Schattenrisse, die gierigen, lüsternen Augen, die entflammten Lippen des Vaters Leemans und des hohen Herrn Pichery zeigten, seines Genossen und Helfershelfers mit dem aschfahlen Leichengesichte, den Schmachtlocken an der Stirn und dem von Haarsalbe steifen Schnurrbart.

Wahrlich! es gehörte die ganze Gewohnheit des Trödlers dazu, seine Praxis im Feilschen und Schachern und in all jenen Komödien, welche die sämtlichen Fratzen der menschlichen Maske in Bewegung setzen, um den Biedermann zu verhindern, daß er nicht vor Freude und Bewunderung laut aufschrie, als der Diener des Generals, der ebenso alt war und ebenso kerzengerade ging wie sein Herr, mit lautem Lärmen die etagenhohen Jalousieen an den Wänden der Nordseite aufgerissen und zurückgeschlagen hatte und als man nun heimlich und verschwiegen alle die kostbaren Schätze einer Sammlung, die nicht etikettiert und auflackiert war wie jene der Gräfin von Spalato, aber von weit reicherem, barbarischem und neuerem Luxus war, im Spiegel erglänzen und in ihren prächtigen Holztönen sich abschattieren sah. Und ohne allen Ausschuß ohne allen Plunder!...

Der alte Rosen hatte nicht aufs ungefähr, nicht nach der Art von jenen Generälen geplündert, die wie ein Wirbelsturm in ein Lustschloß hineingeraten, mit der nämlichen Wut Dächer mit Glockentürmen, wie Strohhalme, rauben. Nichts nichts als Kabinettsstücke von Auswahl. Und seltsamlich war's mit anzusehen, wie der Trödler stehen blieb einmal hier und einmal dort, wie er das Maul unter seinem Haarwalde aufriß, wie er seine Lupe bald hierhin bald dorthin richtete, an den Email-Stellen leichte Kratze machte, die Bronzestücke klingen ließ mit völlig gleichgültiger, uninteressierter, fast mit verächtlicher Miene, während er vom Kopf bis zu den Füßen, von den Nägeln bis zur Spitze seines gemeinen Bartes, am ganzen Leibe zitterte und bebte, sprühte als wenn man ihn mit einer elektrischen Batterie in Verbindung gesetzt hätte. Der Musje Pichery war nicht minder interessant und gespaßig zu beobachten. Da er keine Ahnung von Kunst, keinen persönlichen Geschmack hatte, modelte er seine Eindrücke nach denen seines Kumpans, zog die nämliche geringschätzige Miene, die sich hurtig zur Verdutztheit wandelte, sobald ihm Leemans ganz leise, über das Notizbuch gebückt, in welchem er nicht aufhörte sich Aufzeichnungen zu machen, zuflüsterte: »das Ding da ist sein hunderttausend Francs wert unter Brüdern...« Es bot sich hier für alle beide eine einzige Gelegenheit, sich für den Verlust des »großen Coup« schadlos zu halten, mit welchem sie in so großartiger Weise hineingefallen waren. Aber man mußte sich gar sehr zusammmennehmen, denn der alte Panduren-General, der so mißtrauisch und undurchdringlich war wie die ganze Trödlerschaft zusammen, folgte ihnen Schritt auf Schritt, pflanzte sich hinter ihnen auf, ohne sich auch nur ein einziges Mal durch ihre Mienen an der Nase führen zu lassen.

Man kam auf diese Weise, am Ende der Empfangssäle, bis zu einem kleinen, um zwei Stufen höher liegenden Zimmer, das köstlich eingerichtet war im maurischen Geschmacke mit sehr niedrigen Divans, Teppichen, echten Kabinettsschreibtischen.

»Das hier gehört auch dazu?« fragte Leemans.

Der General zögerte unmerklich, ehe er eine Antwort gab. Es war Colette's heimliche Stätte in dem unermeßlichen Hotel, ihr Lieblings-Schmollwinkel, wohin sie sich in ihren seltenen Mußestündchen flüchtete, wo sie ihren Schriftwechsel besorgte. Es kam ihm der Gedanke, dieses kleine orientalische Mobiliar zu erhalten, das sie liebte aber er verweilte nicht lange bei diesem Gedanken; er mußte verkaufen.

»Das gehört auch dazu!« sagte er kalt.

Leemans, den die Rarität eines arabischen Geräts mit seiner Skulptur- und Vergold-Arbeit, feinen Bogengängen und Galerien in Miniatur, auf der Stelle fesselten, machte sich an die Musterung der unzähligen Schubkästen und Geheimfächer die sich in einander schieben und eines durch das andre mittels verborgener Federn, mittels zierlicher und frischer Schieber, die den Orangen- und Sandelholzgeruch ihrer polierten Fütterungen ausatmen, in Verbindung stehen. Als er in eines von ihnen mit der Hand hineinfuhr, fühlte er ein Knistern, ein Rascheln.

»Es sind Papiere drin,« sagte er.

Als nach vollständiger Aufnahme des Inventariums die beiden Trödler bis zur Thüre geleitet waren, dachte der Herzog an die in dem kleinen Schranke vergessen liegenden Papiere. Ein ganzes Bündel Briefe, umschnürt mit einem zerknitterten Bande, durchtränkt von den heimlichen Wohlgerüchen der Schieblade. Mechanisch betrachtete er, erkannte er die unregelmäßige Handschrift Christians, die seit etwelchen Monaten nicht anders als auf dem Wege von Wechseln und Tratten über Geld zu ihm redete. Zweifelsohne Briefe des Königs an Herbert. Aber nein! »Colette, mein süßes Herzchen!...« Mit jäher Gebärde riß er die Schnur auseinander, streute das Bündel über einen Divan, an die dreißig Briefchen, in denen Zusammenkünfte bewilligt, Dankesworte gestammelt, allerhand Worte von Huld und Liebe gesprochen wurden kurz: der ganze ehebrecherische Briefwechsel in seiner trübseligen Gemeinheit, der in Entschuldigungs-Phrasen wegen nicht eingehaltener Stelldicheins, in Sendschreiben von immer kühler und kühler werdendem Inhalt, die Ähnlichkeit hatten mit den letzten Papierschnitzeln am Schweife eines Papierdrachens, sein Ende fand. In fast allen dieser Briefchen und Zettel war die Rede von einer unausstehlichen und »einem ewig auf den Hacken befindlichen« Persönlichkeit, die Christian in seinem Hange zu schlechten Witzeleien als den »Pechhengst von Hofmann« oder bloß als »Pechhengst vonH.« bezeichnete. Der Herzog suchte noch nach einem Namen für diese Persönlichkeit, als er am Fuße einer dieser spottsüchtigen Seiten, von denen eine wie die andere stets weit mehr lose und schlüpfrig war als sentimental, seine eigene Karikatur sah, seinen auf lange Stelzenvogel-Klauen gesetzten kleinen Kopf. Er war's, wie er leibte und lebte, mit allen seinen Falten und Runzeln, mit seiner Hakennase, mit seinem blinzelnden Blick und darunter stand, um ihm gar keinen Zweifel zu lassen: Der Pechhengst von Hofmann, als er am Kai von Orsay auf Wachtposten stand.

Als das erste Staunen vorbei war, als er den Schimpf in seiner ganzen Gemeinheit begriffen hatte, machte der Alte »O!« und blieb wie angewurzelt, tiefbeschämt sitzen.

Daß seinem Sohn Hörner aufgesetzt worden waren, das war es nicht, was ihn Wunder nahm. Daß das aber durch diesen Christian geschehen war, welchem sie alles geopfert hatten, für den Herbert im Alter von achtundzwanzig Jahren in den Tod gegangen war, für den er selbst im Begriffe stand sich zu ruinieren, alles, sogar seine Siegestrophäen zu verkaufen, damit die königliche Querschrift nicht zum Proteste gelangte...

Ha! wenn er sich hätte rächen können wenn er von diesen Rüstungen ein paar Waffen, gleichviel welche, hätte loshaken können!... Aber es war der König! Mit dem Könige rechtet man nicht. Und plötzlich, da die Zauberkraft des geheiligten Wortes seinen Zorn besänftigte, sagte er sich nun, daß schließlich Majestät, wenn Sie mit einer Ihrer Dienerinnen Ihr Spiel treibe, nicht soviel Schuld treffe wie ihn, den Herzog von Rosen, der den Sohn mit dieser Person verkuppelt hatte. Er trüge nun die Strafe für seine Habgier... Alle diese Überlegungen dauerten nicht eine Minute. Als er die Briefe unter Verschluß gebracht hatte, ging er aus dem Zimmer, kehrte nach Saint-Mandé zurück, um seinen Posten vor dem Schreibtisch der Inventur einzunehmen, wo seiner eine Menge von Rechnungen und Papieren harrten, unter denen er mehr als einmal die große, ungelenke Schrift der Liebesbriefe erkannte; und Christian hätte von ihm, als er an dem folgenden Tage über den Hof schritt und hinter dem Fenster, immer noch so kerzengerade, so treu und ergeben und wachsam, den langen Schattenriß des »Pechhengsts von Hofmann« erblickte, nicht glauben können, daß derselbe über die geringfügigste Sache unterrichtet sei.

Nur die Könige mit all jenem Anhängsel von nationalen und abergläubischen Überlieferungen vermögen derartige Empfindungen von Ergebenheit und Treue einzuflößen, auch dann sogar, wenn sie derselben gänzlich unwürdig sind. Dieser König hier amüsierte sich nun, seitdem das Kind außer Gefahr war, besser und lustiger denn je. Er hatte zuerst versucht, wieder Zutritt zu Sephora zu gewinnen. Ja! nachdem er in gröblicher und cynischer Weise fortgejagt worden war, nachdem er den Beweis, nachdem er alle Beweise dafür in Händen hatte, daß er ein Opfer schmählichen Verrats durch sie war, liebte er sie noch immer genug, um sich auf das leiseste Zeichen zu ihren Füßen zu stürzen. Die schöne Dame war in jenem Augenblick ganz im Freudentaumel eines Honigmonats in neuer Auflage. Geheilt von ihren ehrgeizigen Gelüsten, zurückgesunken in ihr ruhiges Temperament, aus welchem sie der Köder der Millionen herausgerissen hatte, hätte sie am liebsten ihr Hotel verkauft, alles verkauft und in Courbevoie mit J.Tom als biederes reiches Ehepaar aus dem Handelsstande gelebt, am liebsten die Spricht'sche Sippe mit ihrem Komfort mundtot gemacht.

J. Tom Lewis dagegen träumte davon, neue Streiche zu wagen und der großartige Rahmen, in welchem sich seine Frau jetzt bewegte, führte ihn nach und nach zu dem Gedanken einer Agentur anderer Art, die dem Luxus mehr Rechnung trug, die besser in die bessere Gesellschaft hineinpaßte die Geschäfte machte, behandschuht bis zu den Ellbogen hinauf, die Handel trieb zwischen dem Blumenschmuck und der Musik einer Festlichkeit rings um den See herum, längs der Wettrenn-Bahn, und die an Stelle des nun zum alten Spielzeug gewordenen Cab, des jetzt unter die Reihe der Kleingefährte einnumerierten Cab, eine solide Karosse setzte mit Kutscher und Bereiter in Livrée und mit dem Wappenschilde der Gräfin.

Es fiel ihm nicht schwer, Sephora zu seiner Meinung zu überzeugen, bei welcher er nun sein festes Quartier genommen hatte. Die Salons in der Avenue de Messine entflammten nun ihre Kerzen und Kronen zu einer Reihe von Diners und Ballfestlichkeiten, zu denen die Einladungen im Namen des Grafen und der Gräfin von Spalato in die Welt geschickt wurden. Zu Anfang war die Gesellschaft freilich ein wenig dünn gesäet; dann gelangte das weibliche Element, das sich zuerst aufgelehnt hatte, zu der Anschauung, J.Tom und seine Gattin auf dem Fuße von jenen reichen ausländischen Ehepaaren zu behandeln, die aus sehr weiter Ferne gekommen sind und deren Luxus das fremdländische Wesen wettmacht. Die ganze junge Welt der Pariser Gomme drängte sich um Sephora, die durch ihre Abenteuer in die Mode gekommen war, und der Herr Graf hatte schon vom ersten Winter an einige recht gute Geschäfte im Gange.

Man konnte Christian den Eintritt zu diesen Sälen nicht weigern, die ihm so teures Geld gekostet hatten. In der Anfangszeit bildete der Königstitel ein illustratives Objekt, war eine gewisse Bürgschaft für den Charakter des Hauses. Er kam demnach dorthin, feigen und gemeinen Sinnes, getragen von der unbestimmten Hoffnung, neuerdings den Weg zu dem Herzen der Gräfin zu finden er kam aber nicht mehr die Stufen der Freitreppe hinauf, sondern durch die kleinen Eingangspforten von der Dienstbotentreppe aus. Nachdem er sich eine Zeitlang darin gefallen hatte, diese Rolle eines Dämels oder Opfers zu spielen, nachdem er so aller acht Tage, im Gesicht so weiß wie die Leinwand, die er auf dem Leibe trug, der Welt gezeigt worden war, in einem goldenen Rahmen, in welchem ihn die rotierenden Augen J.Tom's überwachten und festbannten, verlor er den Mut, kam nicht mehr wieder, lief den Straßendirnen nach, um sich zu betäuben. Gleich allen Männern, die auf der Suche sind nach einem, ein für allemal für sie verlorenen Typus, verirrte er sich überall hin, stieg tief, sehr tief hinunter, geführt und geleitet von diesem Lebeau, diesem Stammgast des Pariser Lasters, der sehr oft des Morgens den Mantelsack seines Herrn nach gar seltsamen Höhlen hin trug. Ein richtiger Hinabsturz ins Laster holterdipolter! der dieser weichlichen Lotterseele von Tag zu Tag leichter wurde und dem sich abwendig zu machen sein jämmerliches, friedliches und ruhiges Gemüt nicht veranlagt war. Man hatte doch eben gar so wenig Amüsement in der Rue Herbillon, jetzt da weder Méraut mehr dort war, noch die Prinzessin! Leopold der Fünfte erholte sich langsam. Die Leitung seiner Studien, soweit sie während seiner Rekonvalescenz aufgenommen wurden, war in die Hände von Frau Eleonore von Silvis gelegt, die nun endlich ihre Lehrsätze vom Abbé Diguet über die sechs Arten und Weisen, zur Menschenkenntnis zu gelangen, und über die sieben Arten und Weisen, den Schmeichlern aus dem Wege zu gehen, an den Mann bringen konnte. Diese Lektionen wurden sehr behindert durch die Binde, die den Kopf des kleinen Patienten nach der einen Seite herunterzog die Königin wohnte ihnen wie ehedem bei, aber ein herzzerreißender, tieferschütterter Blick glitt oft aus ihrem Auge hinüber nach der Clematis Dalmatica, dem kleinen Exils-Blümchen, das sich am Fenster zu entwickeln anfing.

Seit einiger Zeit hatten sich die Franziskaner-Mönche auf die Suche nach einem Lehrer gemacht; man fand aber nicht leicht einen Elysée Méraut wieder in der neuzeitlichen Jugend. Der Pater Alpheus hatte seine eigenen Gedanken über diesen Punkt, hütete sich aber wohl, ihnen Ausdruck zu geben; denn die Königin duldete nicht, daß man den Namen des ehemaligen Lehrers vor ihr aussprach. Einmal jedoch, als sich eine Gelegenheit dazu fügte, wagte es der Mönch von seinem Freunde zu sprechen.

»Madame! Elysée Méraut liegt im Sterben...« sagte er, als er vom Eßtische aufstand, nach dem Tischgebet.

Während der ganzen Dauer seines Aufenthalts in Saint-Mandé hatte Méraut, zufolge eines Aberglaubens, so etwa wie man oben im Kleiderschrank ein altmodisches Kleidungsstück aus seiner Jugendzeit, das man im ganzen Leben nicht mehr anziehen wird, aufhebt seine Stube in der Rue Monsieur-le-Prince beibehalten. Er kam mit keinem Schritte dorthin, ließ das Vergessen sich über die Papiere und Bücher, über das Geheimnis dieses schweigsamen und inmitten des geräuschvollen Lebens in dem Hotel garni immer verschlossen gehaltenen Zufluchtsortes lagern.

Eines Tages kam er an, zum Greise gealtert, ermüdet und abgespannt, mit fast schneeweißem Haar. Die dicke Wirtsfrau, aus ihrer Verschlafenheit aufgeschreckt dadurch, daß sie unter den an ihre bestimmten Nägel aufgehängten Schlüsseln herumsuchen hörte, hatte Mühe, ihren Mieter wieder zu erkennen.

»Was für eine Hochzeitsfahrt haben denn Sie zu bestehen gehabt, mein armer Herr Méraut?... Ist denn so 'was erlaubt, sich seine Gesundheit so in Grund und Boden hinein zu ruinieren?«

»'s ist wahr, ich bin ein bischen aus dem Konzepte gebracht,« sagte Elysée lächelnd und stieg die fünf Treppen hinauf, die nach seiner Stube führten, mit krummem Buckel und wie zerschlagen. Die Stube war noch immer die nämliche; die trüben Scheiben schlossen noch immer den nämlichen trübsinnigen Horizont ab Dächer von den viereckigen mönchischen Höfen, von der Arzneischule, dem Amphitheater, kalten, die Traurigkeit ihrer Bestimmung zu Tage legenden Bauten und auf der rechten Seite, nach der Rue Racine hin, die beiden großen städtischen Wassertürme, in deren glitzernden steinernen Becken der fahle Himmel und die verräucherten Schornsteine sich spiegelten. Es war nichts anders geworden, aber ihm waren nicht mehr jene herrlichen Gluten des Jünglingsalters zu eigen, die alles, was sie umgiebt, färben und erwärmen und sich sogar an schwierigen und an traurigen Augenblicken begeistern. Er versuchte sich an den Tisch zu setzen versuchte zu lesen schüttelte den Staub von den unvollendeten Arbeiten. Zwischen seine Gedanken und die Seite hinein, die er vor Augen hatte, glitt der vorwurfsvolle Blick der Königin; und es war ihm ganz so, als ob sein Zögling am andern Ende des Tisches säße, auf seinen Vortrag wartete und ihm zuhörte. Er fühlte sich zu tief verletzt im innersten seiner Seele fühlte sich zu einsam, zu allein und stieg schleunigst die Treppen wieder hinunter, hing schleunigst seinen Stubenschlüssel wieder an den Nagel und seitdem sah man ihn wieder, wie ehedem, mit seiner langen, ungelenken Gestalt, den Hut hinten im Nacken, ein Bücher- und Zeitschriften-Packet unter dem Arme, im Lateinviertel umherirren unter den Galerieen des Odeon, auf dem Kai Voltaire, über den Duft der frisch aus den Pressen gekommenen Druckwerke gebeugt und in die ungehobelten Fächer der im Preise zurückgesetzten Ramsch-Litteratur vertieft man sah ihn lesend auf der Straße, in den Alleen des Luxemburg-Palastes, oder gestikulierend an irgend einer Bildsäule des Gartens bei schrecklicher Kälte, dem gefrorenen Wasserbecken gegenüber stehen.

In dieser gelehrten Umgebung, inmitten dieser intelligenten Jugend, welche die Umsturzmänner mit ihrem Zerstörungswahn weder haben erreichen, noch gänzlich verjagen können, fand er sein Feuer, sein Ungestüm wieder. Bloß waren es nicht mehr dieselben Zuhörer, denn die Studentenflut ist in diesem Zug-Viertel in fortwährendem Wandel, in ununterbrochener Erneuerung begriffen. Die Vereins- und Versammlungs-Lokale waren auch andre geworden; die politischen Cafés waren verödet; statt ihrer wurden die Bierlokale besucht, deren Bedienung von Mädchen in allerhand Kostümen besorgt wird, als Schweizerinnen, Italienerinnen, Schwedinnen, mit allerhand von dem ersten Mode-Zeichner drapierten Flitterstaate ausgeputzt. Von den alten Rivalen Elysée's, von den schönen Rednern seiner Zeit, vom Pesquidoux des »Voltaire« sowohl wie von dem Larminat des »Prokopius,« war nur eine unklare Erinnerung noch in dem Gedächtnisse der Kellner vorhanden, wie sich Schauspieler in der Erinnerung halten, die von der Bühne verschwunden sind. Einige von ihnen waren im öffentlichen Leben zur Höhe, zur Macht gelangt; und dann und wann einmal, wenn Elysée lesend an den Kaufläden entlang schritt mit seinem im Winde wallenden Haar, rief ihn irgend eine berühmte Persönlichkeit aus der Kammer oder aus dem Senat aus einem an ihm vorbeifahrenden Wagen an: »Méraut!... Méraut!« Man plauderte... »Was treibst Du? Arbeitest Du etwas?« Und Méraut redet mit in Falten gelegter Stirn, in unbestimmten Worten von einer großen Unternehmung, »die nicht recht in Fluß gekommen sei.« Kein Wort weiter. Man wollte ihn aus diesem Sumpfe heraus ziehen, wollte diese verlorene Kraft nützen, verwerten. Aber er blieb seinen monarchischen Ideen getreu, behielt seinen Haß gegen die Revolution bei. Er verlangte nichts, brauchte niemand; da er das ganze Gehalt, das ihm in seiner letzten Stellung gezahlt worden war, noch besaß, bewarb er sich nicht einmal um Unterrichtsstunden, schloß sich ein in seinen der Geringschätzung und Verachtung vollen Weltschmerz, der zu groß und zu tief war, um verstanden zu werden, und gönnte sich keine andre Zerstreuung, als den und jenen Besuch im Franziskanerkloster, nicht allein zu dem Zwecke, um Nachrichten aus Saint-Mandé zu hören, sondern auch, weil er diese wunderliche Kapelle liebte, ihr Heiliges Grab mit dem blutenden und in Fleischfarben gemalten Jesus. Diese harmlose Mythologie, diese fast heidnischen Darstellungen setzten den Christen der ersten Jahrhunderte in Entzücken. »Die Philosophen stellen Gott zu hoch,« sagte er bisweilen; »man sieht ihn nicht mehr.« Er sah ihn in der Nacht des Grabgewölbes; und zwischen allen diesen Bildnissen von Menschen, die unter barbarischen Strafen litten, neben der Margareta von Ossuna, die den Marmor ihrer Schultern kasteiet, malte er sich jenes Phantasie-Gebilde eines Weihnachtsabends vor die Augen, die Königin von Illyrien, mit ausgestreckten Armen, flehend, beschützend zugleich, mit über dem Haupt ihres Sohnes gefalteten Händen vor der Krippe knieend...

Eines Nachts wurde Elysée jäh aus dem Schlafe aufgeschreckt durch die seltsame Empfindung einer Hitze, die ihm langsam, wie eine wachsende Flut, aus der Brust heraufstieg und ohne Schmerz, ohne Erschütterung, mit dem Eindruck der endlichen Vernichtung und Auflösung, ihm den Mund mit einer roten schalen Suppe füllte. Es war geheimnisvoll und unheimlich, denn das Übel kam nach der Art eines Meuchelmörders, welcher ohne Geräusch, im Dunkel des Schattens, die Thüren aufschließt. Er erschreckte sich nicht, zog Studenten der Medicin, die mit ihm an einem Tische aßen, zu Rate. Man sagte ihm, daß er sehr schwer angegriffen sei. »Was fehlt mir?« »Alles!« Er stand in jenen vierziger Jahren, die als das kritische Lebensalter der unstäten Existenzen gelten, in dem das Siechtum dem Manne Hinterhalte legt, ihm auflauert, ihm die Rechnung präsentiert über die Ausschweifungen oder die Entbehrungen seiner Jugendzeit; schreckliches Alter vor allem dann, wenn die sittliche Spannkraft zertrümmert ist, wenn die Willenskraft nicht mehr vorhanden ist. Elysée führte sein nämliches Dasein, wie er es früher geführt hatte; immer war er draußen, bei Wind und Wetter; aus überheizten, gasentflammten Sälen trat er hinaus in die Kälte der Straße mitten im strengten Winter, um dort wenn alles ausgelöscht war auf der Kante des Bürgersteigs weiter zu diskutieren, dieweil er halbe Nächte lang herumlief. Die Anfälle von inneren Blutungen kamen häufiger; und eine schreckliche Müdigkeit und Schlaffheit stellte sich ein in ihrem Gefolge. Um nicht im Bett liegen zu müssen, denn die öde Trübsinnigkeit seiner Stube bedrückte ihn schwer, setzte er sich in der Kneipe »zum Rialto« fest einer Bierstube, die neben dem Hotel garni lag, las dort seine Zeitungen, hockte sinnend und träumend in einem Winkel. Es war ruhig in dem Lokal bis zum Abend die hellen Eichenholz-Möbel, die Wände mit ihren Kalkmalereien, Venedig mit seinen Brücken und Kuppeln naturgetreu unter einem hellen, klaren Himmel darstellend, gaben dem Raum ein helles, freundliches Aussehen. Die Venetianerinnen, die abends so lebendig, so rege waren, die ihre ledernen Geldtäschchen zwischen den Bänken herumtanzen und ihre bunten Halsketten in den Biergläsern sich spiegeln ließen, lagen mit den Köpfen auf dem Tische herum, die Spitzenhäubchen und bauschigen Batist-Manschetten zerknüllend, oder saßen um den Herd herum, mit irgend einer Näharbeit beschäftigt, die sie von Zeit zu Zeit fortlegten, um sich einem Bruder Studio gegenüber zu setzen und mit ihm einen Schoppen in Gesellschaft zu trinken. Eine von ihnen, eine große, starke Dirne mit rotblondem Haar, das sie in Flechten gescheitelt trug, mit ernsten und langsamen Gebärden, die auf Augenblicke, wenn sie zuhörte, über der Stickerei in Ruhe verweilten, auf sie sah Méraut stundenlang hin, bis sie den Mund aufthat und eine zerratterte, pöbelhafte Stimme seinen Traum in alle Winde verjagte. Bald aber gebrach es ihm sogar auch an Kräften zu diesem sitzenden Verweilen hinter dem Vorhange einer Bierstube, den er hinunterzulassen pflegte. Er konnte die Treppen nicht mehr steigen, war genötigt, zu Bett zu bleiben, umgeben von Büchern und Zeitungen. Die Thür ließ er angelehnt stehen, damit durch den Spalt das Leben, das Kribbeln des Hotel garni bis zu ihm hin gelangte. Vor allem war ihm das Reden streng verboten. Nun ergab sich der Sohn des Südens darein zu schreiben er nahm sein Buch wieder vor, sein berühmtes Buch über die Monarchie, setzte es mit Fieber fort und mit zitternder, durch den Husten, der die Blätter über das Bett verstreute, erschütterter Hand. Jetzt fürchtete er nur eine einzige Sache noch: daß er sterben möchte, ehe dies Werk zu Ende sei, daß er, verborgen und unbekannt, wie er gelebt, ohne sein Wort und seinen Glauben zur Geltung zu bringen, dahingehen möchte.

Sauvadon, der Onkel aus Bercy, dessen grobe, ungestüme Eingebildetheit es ertrug, den einstigen Lehrer in dieser armseligen Dachstube zu sehen, machte ihm häufige Besuche hier. Bald nachdem sich die Katastrophe zugetragen hatte, war er herzugeeilt, mit offener Börse, wie ehedem auf der Suche »nach Ideen über die Dinge«.

»Lieber Onkel, ich habe ihrer keine mehr,« hatte Méraut ihm mutlos geantwortet.

Und um ihn aus seiner Apathie zu reißen, redete der Onkel davon, ihn nach dem Süden zu schicken, nach Nizza, um dort in der prächtigen Wohnung seiner Colette und ihres kleinenW mit Quartier zu nehmen.

»Es würde mich auch nicht viel mehr kosten,« sagte er harmlos, »und Ihnen würde es heilsam sein.«

Aber Elysée lag nichts an seiner Heilung, da er sein Buch an dem nämlichen Flecke endigen wollte, wo es seine ersten Keime getrieben hatte, in jenen tiefen Pariser Rumorstätten, wo jeder die Dominante hört, die ihm beliebt. Während er schrieb, erzählte ihm Sauvadon, am Fuße des Bettes sitzend, von seiner niedlichen Nichte aber- und abermals, geriet in Hitze über diesen alten Gecken von General, der eben im Zug sei, seinen Palast auf der Ludwigsinsel zu verkaufen.

»Ich frage Sie bloß, was er wohl mit allem diesem Geld anfangen kann? Er muß es in Löchern vergraben, in kleinen Haufen aufschichten... Alles in allem betrachtet, so ist das im Grunde ja seine Sache. Colette ist reich genug, ihn links liegen zu lassen.« Und der Weinhändler schlug sich, wo die Hosentasche saß, auf sein wie ein Ränzlein gespanntes Bäuchlein.

Ein andermal, als er das Packet mit Tagesblättern auf das Bett warf, die er Elysée brachte, sagte er:

»Es nimmt den Anschein, als ob man in Illyrien zu rumoren anfängt. Es wird eine königstreue Majorität in den Laibacher Reichstag gewählt werden. Ha! wenn jetzt ein Mann zur Stelle wäre! Aber dieser kleine Leopold ist noch sehr jung, und Christian verbauert, versumpft von Tag zu Tag mehr... Jetzt treibt er sich in Spelunken und in Kneipen herum mit seinem Kammerlakei.«

Elysée hörte ihm bebend zu. Arme Königin! Der andre fuhr fort, ohne das Weh zu gewahren, das er anrichtete:

»Sie sind jetzt übrigens alle fein im Zuge, unsre Exils-Herrschaften! Da ist der Prinz d'Axel zum Beispiel in dieser schmutzigen Affäre in der Avenue d'Autin verwickelt! Sie wissen doch, die Geschichte mit dem Familien-Hotel, das mit seinem patriarchalischen Aushängeschild allerhand schiffbrüchigem Abenteurer-Volk zur Zufluchtsstätte diente... Welch' ein Skandal! Ein Erbprinz! Eine Sache indessen setzt mich dabei in Erstaunen. In demselben Augenblick nämlich, wie sich diese Familienhotel-Affäre abspielte, schrieb mir Colette, daß Königliche Hoheit in Nizza wären und daß sie mit auf der Regatta gewesen sei, und zwar in einer Jacht, die von Königlicher Hoheit für sie gemietet worden sei... Gewiß muß bei dem Skandal eine Personen-Verwechselung stattgefunden haben! Ich würde mich sehr glücklich schätzen, wenn sich die Sache so verhielte. Denn unter uns gesagt, mein Lieber!...«

Hier nun vertraute er seinem Freunde mit höchst geheimnisvoller Miene an, daß der königliche Prinz sich sehr eifrig um seine Colette bemühte; »und da sie keine Frau wäre, mit der man... Denken Sie doch nur! bitte! so konnte's am Ende binnen kurzem sich machen, daß...« Das breite Arbeitergesicht des Emporkömmlings hellte sich mit Lächeln auf.

»Merken Sie auch wohl? Colette Königin von Finland! Und Sauvadon von Bercy, der liebe Onkel, wäre dann der Onkel des Königs! Aber ich langweile Sie...«

»Ja, ich möchte schlafen,« sagte Elysée, der seit einem Augenblick die Augen schloß, was ihm ein artiges Mittel war, sich dieses schwatzlustigen, eitlen Narren zu entledigen.

Als der Onkel fortgegangen war, raffte er seine Papiere zusammen, setzte sich zurecht, um zu schreiben; er war aber nicht imstande, eine einzige Zeile zu Papier zu bringen, ein so namenloser Ekel, eine so außerordentliche Schlaffheit hatte ihn ergriffen. Alle diese häßlichen Geschichten hatten ihn angewidert. Vor den über sein Bett verstreuten Blättern, angesichts dieser Verteidigungsrede für das Königtum, in welcher das wenige Feuer brannte, das ihm noch im Blute saß als er sich in dieser schmutzigen Stube, mit seinem ergrauten Haar, als altgewordenen Bruder Studio hier sitzen sah als er all der verlornen Leidenschaft, all der vergeudeten Kräfte gedachte, da zweifelte er zum ersten male da fragte er sich, ob er nicht sein ganzes Leben über ein Tropf, ein Simpel gewesen sei... Ein Verteidiger, ein Apostel! diesen Königen, die sich zur Kurzweil entwürdigten die ihre eigne Sache im Stiche ließen...

Und während seine Augen traurig über diese kahlen Mauern schweiften, wo die Abendsonne nur als Reflex von den Fensterscheiben drüben bis zu ihm hin gelangte da gewahrte er in seinem staubigen Antiquitäten-Rahmen das rote Siegel »Fides, Spes«, das er vom Pfühl mit hinweggenommen hatte. Sogleich erschien ihm das schöne bourbonische Gesicht des alten Méraut, starr wie er es auf dem Totenbette liegen gesehen, entschlummert in seinem erhabenen Vertrauen, in seiner erhabenen Treue und neben dem Gesichte des toten Vaters stehen die beiden Webstühle, still und gerade, und am Horizonte sieht er die in Staub zerfallenden Mühlen zwischen dem Gestein der Küste und dem unversöhnlichen Blau des Südhimmels. Es währte eine Minute, daß ihm wie Hallucinationen der Königshag, seine ganze Jugend in sein Gedächtnis trat, das sich schon zu umnebeln begann...

Plötzlich thut sich die Thür auf mit einem Gewisper von Stoffen und Stimmen. Er denkt, es ist eine Nachbarin, irgend eine gutmütige Dirne aus dem »Rialto«, die ihm in seinem Fieber zu trinken bringt. Hurtig schließt er die Augen. Immer dieser Schlaf, der die ungelegenen Gäste hinweg weist. Aber kurze unbestimmte Schritte nähern sich über den kalten Steinboden der Stube. Eine milde, sanfte Stimme flüstert: »Guten Morgen, Herr Elysée!...« Sein Schüler steht vor ihm, verzagt, ein bischen gewachsen; mit seinem ängstlichen, schüchternen Blicke des kranken, gebrechlichen Kindes sieht er zu dem Lehrer hin, der sich so sehr verändert hat, der so blaß und bleich in diesem armseligen Bette liegt.

Dort hinten, draußen an der Thüre stehend, wartet eine Dame in aufrechter, stolzer Haltung und verschleiert. Sie ist hierhergekommen ist die fünf Stockwerke, die Treppe, die von wüstem Lotterlärm erfüllt ist, hinauf gestiegen sie hat mit ihrem unbefleckten Gewande die Thüren mit den Lockschildern draußen »Alice«... »Clémence«... gestreift. Sie hat nicht gewollt, daß er sterbe, ohne seinen kleinen Zara wiederzusehen; und wenn sie auch nicht selbst hereintritt, so sendet sie ihm doch ihre Verzeihung durch die kleine Kindeshand. Diese ergreift Elysée Méraut und drückt sie an seine Lippen dann wendet er sich nach der erhabenen Erscheinung hin, die er auf seiner Schwelle errät, und mit seinem letzten Atemzuge, seiner letzten Anstrengung, zu leben, zu sprechen, sagt er ganz leise und für immer: »Es lebe der König!«


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