Felix Dahn
Meine welschen Ahnen
Felix Dahn

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IV.

Der jüngere seiner Söhne, Secundus, erregte Merksamkeit und Beifall des gefeierten Dichters Ausonius, der ebenfalls Weingüter bei Arles eignete: der reiche, vornehme Herr hörte den Nachbarsohn durch die Olivenhecke, welche die Güter schied, hindurch, seine noch gar jugendlichen Hexameter laut deklamieren: die zweifellose Formbegabung zog den fachkundigen Gönner an: er lud den fast noch knabenhaften Braungelockten ein, ihm zu folgen, in seiner Nähe zu lernen: »zumal zu leben«, meinte er: »die Daktylen und Spondeen fließen ja schon ganz fehlerlos. Aber der Inhalt! Hier unter seinen Reben, Mandeln und Oliven erlebt der Junge nichts, Matrona Constantina: gebt ihn mir, bei mir in meinem schönen Hause zu Bordeaux, unter meinen Freunden, den Rhetoren und Philosophen, wird er allerlei Inhalt in sich aufnehmen.« Aber in Bordeaux erlebte der Jüngling auch in den nächsten zwei Jahren nichts: ganz wo anders im dritten Jahr: – in Alamannien, am Bodensee.

Da fingen die Römer eines Morgens, dicht beim trauten Friedrichshafen, das aber damals noch nicht stand, ein ganz junges Ding: schöne rote Haare hatte es, war gar trutzig und schnappig und hieß Bissula, das will sagen »die Kleine«. In dieses anmutige Hexlein verliebte sich der ganze Generalstab des kaiserlichen Heeres: – die niederen »Chargen« nicht gerechnet. Vor allem Ausonius, der alte Herr, auf dessen Beuteteil sie – zu ihrem Glück – gefallen war. Aber noch viel heftiger jung Secundus. Der Alte machte viele Verse auf das Schwabenkind: sie sind erhalten: viel schönere auf sie machte Secundus, – jetzt hatten die glatten Rhythmen »Inhalt« gewonnen – er ward an ihr wirklich zum Poeten: leider sind seine nicht erhalten. Am Ende sah der grauhaarige Ausonius ein, daß er für das Kind doch zu »väterlich« sei und da er in einem jungen alamannischen Helden ihren – mehr angemessenen – Schatz entdeckte, gab er sie ihm großherzig frei. Das ging Secundus nah, sehr nah. Natürlich hatte das Mädel längst entdeckt, wie es um ihn stand. Da er aber nie zudringlich oder derb wurde, wie wohl die andre römische Jugend im Lager, die Gefangene vielmehr gelegentlich gegen plumpe Scherze schützte, und auch nicht gerade garstig war, ist sie ihm recht gut geworden. So sprach sie vor der Trennung, als sie allein mit ihm im Zelte des Ausonius war: »Secunduslein, bist kein übler Bub. Nun leb wohl. Da hast du was zum Dank und Abschied.«

Erglühend spitzte er den kleinen Mund.

Aber sie gab ihm einen Nasenstüber und hüpfte lachend aus dem Zelt.

Von diesem Nasenstüber mußte nun der Arme leben und dichten!

War doch wohl zu wenig Inhalt: drum ist er auch kein Klassiker worden.



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