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Zweiundzwanzigstes Capitel.

»Wie?« rief sie heftig, zornerglühend, »Ihr habt mir's selber angetragen!«

»Ich hatte dich lange Jahre nicht mehr gesehen. Und vor Allem – du hattest noch nicht gethan, was du mir jetzt berichtet hast.«

»Was soll das? Was hab' ich gethan?«

»Schweres, sehr schweres Unrecht.«

»Ich? Ha, jene beiden –«

»Thaten dir kein Unrecht. Du selbst bezweifelst nicht: sie handelten in gutem Glauben. Ob Gott dadurch gekränkt ist und sein heilig Sacrament, das muß der Ewige selbst entscheiden, – der dies so gefügt oder doch so zugelassen hat. Du aber konntest, was du jetzt bist, Nonne werden, ohne zu vergeben. Denn du, Schwester, du hast nichts zu vergeben. Du hast vielmehr an jenem Tag, in jener Nacht –«

»Mein Recht hab' ich gefordert! – Und da es mir nicht in Güte ward, hab' ich's erzwingen wollen: ist das Unrecht?«

»Du hast nicht nur dein Recht, – Rache, wilde heiße Rache hast du gesucht mit Mordgedanken. Nein! Nicht blos mit Mordgedanken: – mit versuchter That des Mordes! Du hast – mehr als einmal – die Waffe gezückt gegen die Fremde.«

»Gottes Fluch schlage den Klimprer, der diese Waffe zweimal von ihr gewehrt!«

»Mit solchen Flüchen wird man nicht Äbtissin. Bereue deine Sünden, Schwester!«

»Ich thät's nochmal!« sprach sie heiser.

»So bleibst du so lang' in harter Klosterzucht, als dienende Schwester, bis du bereuest. Und zwar theil' ich dich zu besonderm Dienst einer Schwester zu, von der du jede Tugend lernen magst: zumal die, welche dir zumeist gebricht: die Demuth.«

Wulfheid zuckte bei diesem Wort: »Und wer ist diese tugendreiche Schwester?«

»Eine Frau, welche, seit zwei Jahren hier im Kloster lebend, Alle, Alle in jedem Vorzug der Nonne nicht nur, nein des Weibes, überstrahlt. Und blos deßhalb hab' ich so rasch dich, obzwar du noch so völlig unvorbereitet, aufgenommen als dieses Hauses unwürdige Genossin. Denn die Einzige, der ich es zutraue, daß sie vielleicht – im Lauf der zermürbenden Jahre – dein hartes Herz erweichen und Christi würdig machen kann, lebt unter diesem Dach. Ein Weib, das vor vielen Tausenden gesegnet war durch Alles, was in der Welt draußen ein Frauenleben schmücken, beseligen und krönen mag. – Ich kenne jede Falte ihres Herzens – und jeden Schmerz ihres schmerzenreichen Lebens! Sie hat sich bisher beharrlich geweigert, die Würde der Äbtissin anzunehmen. Jetzt werd' ich ihr befehlen, zu gehorchen. Ihr wirst du dienen: – ihr eifre nach.«

»Wer ist die Hochgepriesene?«

»Schwester Irene hab' ich sie hier genannt: in der Welt hieß sie Gioconda von Paluzzo.« – Er griff nach einer rothen Schnur, die von der Decke herab hing, und zog leise.

Hell klang draußen vor der Thür eine Glocke. Herein trat eine hohe Frauengestalt, in der Tracht der grauen Schwestern von Sonnenburg, tief das schöne Haupt vor dem Bischof beugend.

»Schwester Irene,« sprach dieser, »Ihr seid Äbtissin. – Still: – ich gebiet' es. Und ich übergeb' Euch diese neue Schwester. ›Submissa‹ soll ihr Klostername sein. Sie bittet Euch demüthig, ihre Dienste anzunehmen. Sie ist es, von der ich gestern mit Euch sprach.«

Da richtete Schwester Irene die ernsten, traurigen, wunderschönen Augen auf Frau Wulfheid: sie schwieg: niemand hörte den leisen Seufzer ihrer kaum geöffneten Lippen.

»Wie? Gestern schon, bevor ich kam?« fragte Wulfheid, erstaunt sich zu dem Bischof wendend.

»Ja, denn schon vorgestern erhielt ich Botschaft von dem Geschehenen.«

»Durch – ihn?«

»Nein! Durch den ruhmeswürdigen Hochmeister der deutschen Herrn, Hermann von Salza.«

»Seinen Freund!« rief Wulfheid stirnrunzelnd. »Er ist mein Feind.«

»Nein, wahrlich nicht! Er kam gleich nach deiner Flucht auf die Fragsburg. Er schrieb mir Alles, was gescheh'n. In Einem Stück muß ich dich loben, Schwester Submissa: du hast nichts verschwiegen, du hast dich nicht beschönigt. Viel günstiger für dich, als du selbst, hat er, der maßvollste der Männer, über dich berichtet.«

Heftig auffahrend wollte Wulfheid erwidern: aber da legte Schwester Irene mahnend einen Finger an den Mund und sah sie mit großen Augen tief ernst, doch gütig an: da schwieg Frau Wulfheid. Ehrfurcht faßte sie vor dieser Frau.

»Die Frau Äbtissin weiß von Allem. Du aber höre nun: du kaufst dich nicht durch Simonie in's Kloster ein. Die Fragsburg fällt als erledigt Lehen an das Reich. Kaiser Friedrich selber wird dort Vogt. Denn der Herr von Fragsburg ward Bruder der deutschen Herren und zieht gen Preußenland.«

Wulfheid wankte. »Und?« – Sie konnte nicht sprechen.

»Und seine Ehefrau ›Demuth‹ ist plötzlich gestorben.«

»Ha! Sie hat sich selbst gemordet!« brach es nun heiß aus ihr hervor. »Sie ist in Ewigkeit verdammt,« jubelte sie.

»Nein! Denn sie that's in äußerster Verwirrung des Herzens. Ich bin gewiß, daß ihr der Herr verzeiht. – Weh aber jenem sündhaften Sinn, der sie mit wilder Wuth in die Verzweiflung trieb! – – Ihr seid entlassen, beide: doch noch Eins. Der heilige Vater hat geboten, daß in allen Klöstern das letzte laute Gebet nach der Abend-Cena gesprochen werde für den deutschen Orden, der bald schwer bedrängt im Preußenlande ringen wird: ein Jahr lang vorläufig. Sorgt, Frau Äbtissin, daß dies streng befolgt wird. Und außerdem betet – so gebiet' ich – dies Kloster – einen Monat lang – für jene arme Seele, die in Verzweiflung starb. Morgen, Frau Äbtissin, haltet Euch bereit, den Mantel fürstlicher Würde zu empfangen, und feierlich Schwester Submissa einzukleiden. Dies ist mein letzt' Geschäft im Kloster. Von hier geh' ich auf die Fragsburg und weihe ein einsam Grab.«


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