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Vierzehntes Capitel.

Sie lag ausgestreckt auf dem Pfühl, von dem reichen Haare, das Schultern und Busen bedeckte, umfluthet, die Arme über der Brust gekreuzt. Die Rosen – Friedmuths letzte Gabe – waren hie und da vom Haupt bis zu den Füßen über sie hin zerstreut: die schönste, eine weiße, hielt die geschlossene rechte Hand. Mit dem hellblauen faltigen Mantel hatte sie wie mit einer Decke die Füße verhüllt. Das weiße, goldgestickte Oberkleid hatte sie abgelegt: so war nur das Seidenhemd sichtbar, das die schlanke Gestalt wie die eines schlummernden Kindes erscheinen ließ. Auf dem linnenbedeckten Schemel neben ihrem Haupte lag ein Ring mit einer kleinen Kapsel: – der Kapseldeckel war geöffnet: ein zäher, brauner Tropfe war herausgesickert – auf das weiße Tuch. Neben dem Ring lag ein schmales Schiefertäfelchen, in Silber gefaßt, der Griffel war im Schreiben gebrochen: aber deutlich lesbar waren in ruhigen, festen Zügen die Worte: »Nicht leben, aber sterben durfte ich für dich. Fluch und Schmach find nun von dir gewandt. Ich segne dein geliebtes Haupt.«

Walther las es laut mit zitternder Stimme. Er sank auf's Knie, dem Pfühl zu Häupten: langsam, langsam rannen ihm zwei große Thränen in den grauen Bart.

Herr Hermann beugte sacht das hohe Haupt über die Todte, deren holdes Antlitz noch edler, weihevoller schön war als im Leben. Kein Schmerz, keine Spur des Ringens mit dem Tode verzerrte diese Züge; die Augen waren halb geschlossen: um den lieblichen, leise geöffneten Mund schwebte ein Lächeln der Erlösung, des Friedens.

»Gnäd'ger Gott im hohen Himmel,« betete der Hochmeister, »ich bitte dich für dieses Kind. Ich bin ein sünd'ger Mensch: ich wage nicht, sie schuldig zu nennen. Ist sie aber dennoch durch diese That schuldig geworden vor dir, du Ewigheiliger. – so bitt' ich dich: vergieb ihr ihre Schuld: – denn sie that's aus Liebe.«

»Sie – schuldig?« rief Friedmuth. und richtete sich auf. – Er hatte mit beiden Armen die rührende Gestalt umfaßt gehalten und sein Haupt auf ihre Brust gedrückt: – nun schaute er auf das wunderholde Antlitz nieder. – »O Hermann! Schau hierher auf diese Züge, diese Engels-Reine. Engels-Güte, und schilt sie schuldig, wenn du kannst! O Sobeide, – Demuth, – mein Kind! – Mein Weib Sobeide! –« rief er laut, in wilder Leidenschaft des Weh's, – »o höre mich! – O nur noch einmal schlage sie auf, – diese sanften Augen! O du mein Glück. – mein Alles, – du meiner Seele Seele. – o wach auf! Wir wollen fliehen. – weit, – weit hinweg, – wo uns niemand kennt, in's Elend, – in der höchsten Berge Einsamkeit, – o lebe nur, – lebe! O, es stößt mir das Herz ab! O Sobeide!«

Und abermals warf er sich, laut aufschreiend vor heißem Schmerz, auf beide Kniee und umschlang die zarte Gestalt und küßte ihre Hände und weinte, weinte, der feste ruhige Mann, laut schluchzend, und schüttelte das Haupt in wildem Jammer hin und her.

Walther erhob sich nun: er warf einen besorgten Blick, fragend, auf den Hochmeister.

»Laß ihn,« flüsterte dieser, – »laß ihn gewähren! Das thut ihm gut. Das rettet ihn.«

»O meine Freunde,« rief der Klagende und sprang wieder auf. »Ihr – die Fremden! – ihr selber weint um sie! Auch du, Hermann, – der du sie nie gesehn, – hast eine Zähre in dem Auge. O, was wißt ihr, – was weißt auch du, Freund Walther, – von ihrer Seele! Sie war ja so scheu, so herzverschämt! Kaum mir konnte die Zarte voll sich offenbaren. Sie erzitterte oft plötzlich: – mitten in dem Hauchen süßer Worte brach sie ab und erschrak im tiefsten Grund der Seele und barg das Köpflein scheu vor mir und vor sich selbst an meinem Halse.

O sie war ein Kind, – ein hilflos, rathlos, ahnungsloses Kind, und zugleich ein muthig Heldenweib der Liebe. Als ich in der Burg ihres Vaters allmälig die holde Wärme in der Brust empfand, diesen heiß aufsteigenden, süßen, aber fast schmerzenden Schreck im Herzen, wann sie eintrat, als ich empfand, was ich nie, ach nie gefühlt, – da hab' ich viele Monde lang nicht ahnen können, so undurchdringbar schloß sich diese Knospe in sich zusammen, – daß mehr als Mitleid für mich in ihr lebe. Und doch, – nach der Flucht gestand sie mir: gleich zuerst schon, da sie mich als einen Sterbenden unter jener Palme liegen sah, hat sie mich geliebt. Erst, als sie mich zu retten Alles geopfert, erst da errieth ich ihr Herz. O du mein Glück! – O du mein Augenlicht! Wie soll ich leben ohne dich? – Und um mich bist du gestorben!« –

Verstummend vor Weh sank er auf das Lager nieder, nur noch das Eine hauchte er: »O hättest du mich nie gesehn.« Die Thränen versiegten ihm nun.

»Nein, Friedmuth,« sprach Herr Walther fest. »Das ist nicht gewünscht im Sinne dieser Todten. Ich weiß es, – und du weißt es auch: ihr gab echte Liebe so hohes Glück, – sie tauschte nicht ihr Los mit hellerem! Ja, Kind Demuth, hättest du auf's neue zu wählen: du wähltest abermals, statt jedes andern Schicksals: Friedmuth und den Tod.«

»O Dank, mein Walther, für dies Wort!« rief er, und wieder quollen wohlthätig ihm die Thränen. »Ja, – du sprachst wahr: – so war ihr Sinn, dieser holden Heiligen der Minne. O, sie war so gut! so herzrührend gut!« und laut aufschluchzte er wieder, tief erleichtert durch die Thränen.

»Nun, kommt. Jetzt lassen wir ihn allein mit ihr,« flüsterte Walther dem Hochmeister zu.

Herr Hermann wandte sich zum Gehen: – da bemerkte er in Friedmuths Gürtel dessen Dolch: er hielt inne: schweigend wies er Walther mit dem Finger darauf hin und sah ihn fragend an.

Einen Augenblick stutzte auch dieser zweifelnd, sah dann auf den Trauernden, der nun, still weinend, das Haupt auf die Schulter der Todten gelegt hatte: da schüttelte Walther das Haupt.

Der Hochmeister nickte beipflichtend, und beide glitten geräuschlos aus der Kapelle.


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