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Elftes Capitel.

Wunderbaren Zaubers voll ist eine Sommernacht in jenem gesegneten Thal der Schönheit. –

Der Mond stieg langsam empor über den Ostbergen und goß sein sanftes, silbernes, Alles verklärendes Licht, beschwichtend, jeden schroffen Umriß mildernd, über Höhen und Niederung. Nur sehr wenig war die warme Luft gekühlt: die Porphyr-Steine und der körnige Sand strahlten noch die Gluth aus, welche sie den langen Junitag über eingesogen.

Ein süßer, fast allzustarker Duft durchhauchte die Luft: – die Rebenblüthe war's, die dort um die Sonnwendzeit bereits stark zu Ende geht.

In den Rosen des Burggärtleins unter Sobeidens Fenster schlug schmetternd die ganze Nacht in heißen Tönen die Nachtigall.

Großflügelige Schmetterlinge schwebten geräuschlos über Blumen, welche ihre Kelche nicht mit dem Sinken des Sonnenlichtes schließen, vielmehr Nachts wohl stärker als am Tage duften. Eintönig, aber melodisch goß der Brunnen im Burghof, mit stets gleich sprudelndem Geräusch: – so friedlich, so verträumt.

Sonst Alles still – ringsum.

Die beiden Mauerthürme warfen, vom Mond im Osten bestrahlt, weithin ihre langen schwarzen Schatten; der des südlichen Thurmes fiel in ganzer Länge auf den hellglänzenden Grund des Burghofs. –

Da ward das Burgthor geräuschlos von innen geöffnet. Eine hohe schwarze Gestalt erschien auf der Schwelle, zögerte hier eine Weile, lauschend, und glitt dann durch das schweigende Dunkel der Nacht, die Stille nicht, störend, leise, leise, über die drei Stufen der Freitreppe hinab, und weiter über die Stein-Quadern, mit denen der Hof gepflastert war. Sie suchte den Schatten des südlichen Mauerthurmes, eilte in dessen dunkelm Streifen an das Thor des Verließes, zog einen Schlüssel hervor und rasch und sehr leise erschloß sie das starke Eisenthor.

Gleich darauf ward die zweite, die Eichenthüre, welche das Thurmgelaß im Erdgeschoß von dem gewölbten äußern Thurmgang schied, klirrend aufgesperrt.

Herr Griffo lag auf einer Schilfmatte, welche ihm in einer Ecke des Steinbodens gebreitet worden war.

Er hatte nicht geschlafen. Er grollte grimmig über den mißlungenen Streich, er betrauerte tief den erschlagenen Freund, er bangte schwer vor dem drohenden Urtheil des Reichsgerichtes. – Denn er wußte wohl: auf Bruch eines gelobten Handfriedens stand Verlust der Ehre und der Lehen, vielleicht sogar der Schwurhand.

So sprang er denn auf schon bei dem ersten Geräusch an der Eichenthür und horchte gespannt. Es war ganz finster in dem Gelaß wie auf dem Gange vor demselben. Er fühlte daher nur an dem eindringenden Luftzug, daß die zweite Pforte geöffnet war: »Wer kommt da noch so spät?« rief er laut mit pochendem Herzen.

»Still!« antwortete es von der Thüre her.

»In tiefer Nacht? – Herr Friedmuth läßt nicht morden!« sprach er, sich selbst beruhigend. »Wer bist du?«

»Wulfheid.«

»Was bringst du mir?

»Die Freiheit! Die Rache!«

»Was hör' ich? Was soll ich thun?«

»Mir zu meinem Rechte verhelfen – und dich rächen. Schweig! – Hör mich an. Mein Gatte ist von Zauber berückt. Er hat eine Heiden-Hexe in die Burg gebracht, – nennt sie sein Weib. Damit hat er alles Recht aus unserer Ehe verwirkt! Mein – mein allein ist nun dies Haus. Sie aber – sie muß sterben! – Nur ihr Tod kann ihn heilen. Hier ist ein Schwert.«

»Wo ist sie?«

»In der obern Kapelle.«

»Soll ich sie erschlagen?«

»Nein! Binden! Mein Oheim soll sie richten. Sie muß brennen. – Aber Friedmuth schläft in der Burghalle: vor ihrer Thür. Er muß vorher gebunden sein – im Schlaf –, eh' er erwacht. Hier sind zwei feste, starke Stricke! Nimm! Komm.«

»Aber die Burgleute?«

»Nur vier Männer sind in der Burg. Sie schlafen ganz weit ab, im Gesinde-Bau. Und von Euren Reisigen liegen gegen dreißig im Burgkeller.«

Rasch erfaßte Griffo das nackte Schwert. » Sie befreien wir zuerst.«

»Nein! Es geht nicht. – Erst muß Friedmuth bewältigt sein.« –

»Warum? Hast du keinen Schlüssel zu –?«

Wulfheid lachte schrill: »Ha, eine kluge Hausfrau hat gute Schlüssel zu allen Schlössern ihres Hauses. Die Schlüsselgewalt, – Jahre lang hab' ich sie, – treu wie ein dummer Hund, – zu seinem Nutzen geübt! Jetzt üb' ich sie für mich! Wohl hat er den Einen Schlüssel zu diesen beiden Thurmthüren und den andern zu dem Keller abgezogen und zu sich gesteckt. Er weiß nicht,« höhnte sie, »daß ich, vom Anfang unsrer Ehe an, heimlich, zu allen Thüren einen zweiten Schlüssel hatte.«

»So auch zu dem Burgkeller?«

»Gewiß.«

»Nun also –«

»Zu dem Keller führt aber vom Burghallengang eine Thüre die Treppe hinab, – nur diese einzige! – Diese Thür' ist immer unverschlossen. Weil sie, so lang ich denken konnte, nie versperrt war, hab' ich zu ihr keinen Doppelschlüssel: – ihr Schlüssel stak immer im Schlosse. So stand sie offen auch noch vor wenigen Stunden. Aber jetzt eben, – als ich nachsah, – war diese Thür' geschlossen, der Schlüssel abgezogen. Friedmuth muß das gethan haben, nachdem ich ihn längst eingeschlafen glaubte, – nachdem der Gast ihn verlassen. –«

»Welcher Gast?«

»Der Minnesänger: der von der Vogelweide.«

»So war er's, der im geschlossnen Helm? Mir schien's so, vom Wall herab! Also zwei gegen Einen? – Gleichviel,« sprach der Greifensteiner, das schwarze Gelock in den Nacken werfend, – »komm!« und er hob das Schwert.

»Nicht zwei. Den Harfenklimprer,« – sie lachte höhnisch, – »hab' ich eingesperrt. Ich drehte von außen den Schlüssel um im Schlosse seiner Thür. Er hat es nicht gemerkt. Alles blieb still. Hier ist der Schlüssel!« – Sie schlug auf ihre Gürteltasche. – »Aber Friedmuth hat offenbar den Schlüssel zum Treppenthor zu sich gesteckt. Darum muß er bewältigt sein, eh' wir deine Knechte befreien können. Und das muß leise geschehen, – sonst entreißen ihn und die Hexe Oswin mit den drei Knechten unsern Händen. Du zögerst? Fürchtest du dich auch vor dem schlafenden Friedmuth? Fürchte dich nicht: ich bin sehr stark: – ich helfe dir.« –

Aber nicht Furcht hatte den Greifensteiner gehemmt: – »Ist's eine Falle?« dachte er. »Dieses Weib, – plötzlich, – so entschlossen gegen den Gatten, an dem sie so zähe hing? – Doch was kann sie, – was könnte er, im Einverständnis mit ihr – noch dabei gewinnen, mich so zu locken? Bin ich doch schon ganz in ihrer Gewalt.« –

Da fiel durch die Mauer-Pfeilscharte hoch oben ein heller Streif des Mondlichts in das Gelaß: er sah nun Wulfheids Antlitz. Er erschrak: so verändert, so furchtbar grimm erschienen diese Züge: erst verzerrt und dann, in der Verzerrung, versteinert. Sie hatte die Brünne abgelegt: ein dunkler Mantel verhüllte mit seiner Kapuze das Haupt und mit seinen langen Falten die ganze Gestalt von den Schultern bis an die Knöchel; die Schuhe hatte sie ausgezogen.

Er trat dicht an sie heran:

»Base,« sprach er, »und wenn er nun fest hält an seiner Hexe? – Wollt Ihr dann diese Hand, die so oft nach Euch sich ausgestreckt hat, die Euch gerächt hat, nehmen?«

Sie lachte. »Meinst du, ich bin ein Mann, der viele Herzen hat – oder doch zwei, wie Herr Friedmuth von Schlimm? Nein! Ich bin ein Weib: – ich hab' nur Ein Herz, nur Einen Leib, nur Eine Liebe. – Nie werd' ich eines Andern! –«

»Ihr liebt ihn noch? Und dennoch wollt Ihr –?«

»Mein Recht will ich, 's ist meine Pflicht. – Ich muß ihn retten – gegen seinen Willen. Nur an meiner Seite ist sein Gedeihen, seine Ehre! Das Heidenweib ist sein Verderben. Darum merke: – falls er zu früh erwacht, falls es zweifelhaft wird, ob wir ihn zwingen, dann halt ihn auf: nur so lang, – bis ich sie erreicht habe in der Kapelle. Dann komm' ich meinem Oheim rasch zuvor! Ein drittes Mal soll nichts sie vor mir retten.«

»Komm nur,« drängte er jetzt, und schwang die Klinge.

Da sah sie im Mondlicht den Ausdruck wild frohlockenden Hasses auf seinen Zügen: »Halt!« rief sie. »Noch Eins! Du bindest ihn, – du wundest ihm den Schwertarm, muß es sein, um ihn zu binden. Aber tödtest du ihn –: sieh her, – dieses lange, wälsche Jagdmesser ist scharf vergiftet: – ein Ritz in der Haut von dieser Spitze tödtet, – und bei meinem Ehering schwör' ich's, – ich ersteche dich auf dem Fleck.«

»Ha, komm nur!« mahnte der Gefangene, und sprang mit einem Satz über die Schwelle seines Kerkers in den Gang, mit einem zweiten durch die Außenthüre auf den mondhellen Hof.


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