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Einundzwanzigstes Capitel.

Friedlich sank die Abendsonne in dem Vigil-Thal, das den Eingang in das Enneberger Thal bildet, südwestlich von Brunneck, und grüßte mit warmem Lichte die ernsten Mauern des Klosters Sonnenburg.

Heute liegen sie zerfallen; nur ein halb zerbrochener, muschelförmiger Weihkessel von schöner Steinarbeit im Vorhof und ein zierliches romanisches Fenster-Säulchen im ersten Stock erinnern jetzt noch an die alte Bestimmung und die alte Pracht dieser Stätte.

Damals aber ragten die stolzen Mauern stattlich, beherrschend empor.

Vom fernen Hintergrunde des Thales her schauten die hohen Häupter der dunkel bewaldeten Berge feierlich herüber: die Rienz und der von Süden her eilende Gaderbach schienen Blut und Feuer dahin zu wälzen; bald flammend, bald tief dunkelroth färbte beide Gewässer die Spiegelung des erglühenden Himmels.

Das Gastgemach für Fürstinnen, andere hohe weibliche Gäste, und für den Bischof, den einzigen Mann, welcher, außer dem Beichtvater, das Innere des Klosters betreten durfte, war ein mit düsterer, feierlicher Pracht ausgestattetes, hochgewölbtes Gelaß.

Den Mittelgrund des Gemaches krönte ein thronähnlicher Stuhl, auf zwei Stufen, ähnlich dem »Dais«, von welchem herab die Lehen vergeben wurden, in starkgezogenen, geradlinigen Formen. Eine in Wälschland erworbene eherne Taube mit versilberten Flügeln, einem Schnabel von Gold, und mit Augen von Rubinen, schwebte an dünner, goldgeflochtener Kette hoch vom Gebälk über dem Stuhl, und drehte sich manchmal leise, bei dem Schalle lauter Stimmen, – wie beschwichtend, mahnend. Die steil aufragende gepolsterte Rückwand des Thrones war von schmalen Säulen aus geschwärztem Eschenholz eingerahmt welche die Gestalten der Apostel Petrus und Paulus trugen: zwei wagrechte, ebenfalls schwarze Rund-Hölzer bildeten die Armlehnen.

In dem Stuhle saß in dunkelveilchenfarbenem Gewand ein hoher Greis; ein gleichfarbig Seidenkäpplein bedeckte das Haupt, von schneeweißem, dünnem Haar wie von einem Kranz umsäumt: weiß waren sogar die Brauen, unter welchen mächtige Augen hervorschauten, Augen, gewohnt seit mehr als vier Jahrzehnten Seelen zu durchdringen und zu beherrschen.

Auf dem großen viereckigen Eichentisch in der Mitte des Sales lag verstreut allerlei kostbarer Frauenschmuck und daneben eine starke Rolle von Goldblech, von der Art derer, in welchen man Urkunden aufzubewahren pflegte. Neben dem Tisch aber, die Rechte darauf gestemmt, und zu den gewaltigen Greis empor blickend, stand Frau Wulfheid, mächtig erregt.

Denn sie hatte soeben ihren Bericht, ihre Erzählung geschlossen. Ihre Wangen brannten, ihr graues Auge loderte und lebhaft wogte ihre Brust: ungeduldig erwartete sie des Bischofs Antwort.

Dieser aber, mit halbgeschlossenen Augen das Haupt zurücklegend an die Lehne des Stuhles fragte:

»Ist das Alles?«

»Ja, und ich denke es ist genug.«

»Hast du nichts verschwiegen, nichts übertrieben?«

»Ihr solltet wissen, daß ich niemals lüge gegen meine Feinde. Ich bin viel zu stolz dazu.«

»Ich meine: nichts, was zu deinen Gunsten spricht, Tochter?«

Hoch erstaunt sah Frau Wulfheid auf: »Noch mehr zu meinen Gunsten?«

Sie schwieg.

Nach einer Weile sprach der Greis, mit leisem Kopfschütteln:

»Ich muß Herrn Friedmuth schelten.«

Befriedigter nickte sie mit dem Haupt: er aber fuhr fort:

»Denn er hat dich schlecht gezogen. Gehorsam, Ehrfurcht hast du nicht gelernt vor deinen Obern; nach weltlichem Recht: vor deinem Eheherrn, und nach geistlichem: vor deinem Bischof.«

»Ich werde Zeit genug haben, die zweite Tugend zu lernen – im Nonnenschleier. Aber vorher will ich Antwort. Ist es wirklich so, wie er und der Vogelweider sprachen? Können wirklich Mitpathen nicht heirathen nach Gottes Willen?«

»So ist es. Die großen Päpste Alexander und Innocenz haben diese Satzung festgestellt.«

»Warum hast du – mein Ohm – mich nicht dessen gemahnt?«

»Wie thörig! Ich war Jahrzehnte fern in Wälschland. Wie sollte ich wissen, daß ihr einmal vor Jahren mit einander Pathen gewesen, bei irgend einer Taufe?«

»Wohlan, so bleibt es dabei. Von seiner Gnade leb' ich nicht. Wie qualvoll hat mich's umgetrieben all' diese Tage – auf dem Wege von meinem Hause nach Brixen, und dann hieher, bis ich Euch endlich fand, – ob es eitel Lüge und Erfindung sei. Nun kehre ich nie zu ihm zurück.«

»Gewiß nicht. Als dein Bischof würde ich es, nachdem ich um jenes Hinderniß weiß, nicht dulden dürfen, wenn du es noch so heiß verlangtest! und ob du zehnmal darum sterben müßtest.«

»Aber Ihr werdet auch nicht dulden, daß er – auf meiner Burg! – mit jener Hexe lebt: Ihr werdet solches Ärgerniß nicht verstatten! Denn ich klage sie an auf Zauberei! – Hört Ihr?«

»Verlaß dich darauf: die Kirche duldet kein Ärgerniß und straft die Zauberei. Und ganz besonders mich hat der heilige Vater auserkoren, die in diesen Bergen leider nicht seltnen Werke der Magier und mit den Dämonen buhlenden Weiber auszutilgen: – muß es sein: auszubrennen.«

Sie athmete hoch auf: »Ich will mein Recht! Hört Ihr's?«

»Zweifle nicht, dein Recht, – dein volles, – soll dir werden.«

»So will ich denn in dieses Kloster treten, wie Ihr mir wiederholt in diesem Jahr angeboten,«

»Als du Wittwe schienst und schwer bedrängt warst.«

»Und zwar – wie Ihr das angedeutet – als Äbtissin. Der Platz ist ja frei, Ihr schriebt es. Denn zu dienen hab' ich nicht gelernt. Wo ich lebe, da will ich, nein: da muß ich gebieten. Ihr zögert! Wie? Nicht nur meinen Erbschmuck dort, – nicht nur mein vorbehalten Frauengut, – die ganze Fragsburg selbst mit allen Zubehörden von Wunn und Weide, von Vogteiherren-Rechten und von andern – so lang ich lebe wenigstens – bring' ich dem Kloster zu. Ich denke, ich kaufe mich mit all' dem Sach nicht billig ein in jene Würde. – Ihr überlegt? – Es wird darüber vielleicht zum Rechtsstreit kommen, aber wir werden, wir müssen obsiegen! Denn meine beiden Vettern liegen todt und der Herr von Schänna hat Anrecht auf die Fragsburg nur, so lang' ich seine Gattin.«

»Es kommt nicht zum Streit darüber.«

»Nun! Was bedenkt Ihr dann noch?«

»Ich überlegte, ob ich dir ohne Zustimmung Herrn Friedmuths den Schleier geben darf. Ich darf es: er ist nicht dein Eheherr, wie nun zu voller Kenntniß der Kirche gelangt ist. Und da er nicht dein ehelicher Muntwalt ist, bin ich, dein nächster Schwertmag, deines Vaters Bruder, selbst dein Muntwalt. – Ich glaube selbst, – ja, ich bin ernst davon durchdrungen, – 's ist für dein Seelenheil das Beste.«

»Jedoch« – und sie furchte finster die buschigen Brauen, – »noch Eins! Ich kann nicht Nonne werden, wenn Vorbedingung ist, daß ich Herrn Friedmuth und – ihr – seiner Zauberin vergebe: ich kann nicht verzeihen, – ich werde nicht vergeben.«

»Das? – Das ist kein Hinderniß. – Jedoch, bedenk' es wohl: unwiderruflich ist das Gelübde. Von den Fristen, von der Überlegungszeit kann der Bischof entbinden: – soll ich's thun?«

»Ich bitt' Euch drum, ich will, ich fordere es. Meine Entschlüsse sind von Eisen: ich nehme sie nie zurück.«

»Wohlan! So lege hier in meine Hand das Gelübde ab, – der Armuth, der Keuschheit und des Gehorsams für immerdar.«

Frau Wulfheid warf noch einen kurzen Blick auf die Urkundenrolle. – »Ja, ich will's,« sprach sie dann herb.

»So kniee nieder! – Nein, auf beide Kniee. Ich nehme vorläufig nur dein Handgelübde, aber es gilt an Eidesstatt: – die feierliche Form folgt bei der Einkleidung.«

Sie gehorchte und sprach ihm die Formel nach. Dann erhob sie sich rasch.

»Hier,« sprach sie, auf den Schmuck weisend, »schon jenes Halsband würde genügen, den Mantel der Äbtissin reich zu bezahlen.«

»Äbtissin,« sprach der Alte ruhig, »wirst du nicht.«


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