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Viertes Capitel.

»Noch nicht!« schallte es von der linken Seite der Umwallung herab: und empor blickend sahen die beiden gerade noch Frau Wulfheid in der Pforte des Mauerthurmes verschwinden, welcher sich auf der Nordseite der Umwallung, von der Burg aus links vom Thor, erhob.

Hezilo war mit seinen drei Knechten und mit dem Innerhofer in den Eckthurm zur Rechten der Burg gewichen. Die Burgherrin hatte mit ihren drei Reisigen und zwei Mägden noch in den linken Thurm flüchten können. Nur die beiden Knechte des Innerhofers und zwei Mägde waren auf der Mauer oder im Hof eingeholt und von der großen Übermacht gefangen worden, bevor sie sich hatten retten können. Sie wurden gebunden und, in einer Ecke des Hofes zusammengedrängt, von zwei Speerträgern bewacht, während die Ritter, verstärkt durch die zwölf Bogenschützen, die nun zu den Schwertern griffen, sogleich den Kampf fortsetzten.

Rapoto begann, vom Hof aus mit Balkenstößen das Thor des Hauptgebäudes in gleicher Weise zu berennen, wie er das Mauer-Thor eingerannt hatte. Da der Mittel-Thurm, zur Vertheidigung des Thores bestimmt, nicht besetzt war, konnte er das fast ganz ungefährdet betreiben: nur von rückwärts, aus den Scharten von Hezilos Mauerthurm, flogen Wurfspeere und Steine.

Dieser Thurm, dessen schmale, auf die Mauerkrone mündende Pforte von starkem Eisen war, blieb unbestürmt: blos zwei Reisige wurden vor demselben aufgestellt, einen etwaigen Ausfall sofort mit dem Waffenruf oder mit dem Hifthorn zu melden.

Dagegen donnerte des Greifensteiners Axt gewaltig gegen die Holzthüre, welche, ebenfalls von der Mauerkrone aus, zu Frau Wulfheids Eckthurm zur Linken des Thores führte. Bald flogen Splitter und Späne: und schon griffen zwei, drei der geschweiften Beile durch die eingehauene Spalte, das Holzwerk von innen zu packen und nach außen zu reißen: schon scholl wildes Lachen und Siegesgeschrei von den Knechten.

Da flog mit jähem Stoß die zertrümmerte Schmalthüre nach außen auf, Herrn Griffo, der daran arbeitete, unsanft zurückschleudernd: und in der Öffnung erschien eine hochragende, hagre Gestalt, so grimmig drohend, daß die Angreifer, wie gebannt durch den Anblick, innehielten und verstummten.

Frau Wulfheid war's. Das lange, gelbe, von einem leisen Roth durchfunkelte Haar war losgegangen und fluthete aus der Sturmhaube, die Herrn Friedmuths Helmzeichen, drei goldene Sterne auf blauem Grunde, trug, auf ihre breiten, in eine Schuppenbrünne gehüllten Schultern. Der weiße Wollrock war vom Feuer Herrn Rapotos an mehr als einer Stelle des Saumes angesengt. Von ihrer einen Wange sickerte das Blut aus der Wunde, die ihr ein Streifpfeil gerissen. Die Linke stützte sich auf Herrn Wulfgangs, ihres Vaters, längstes Schwert, welches bis zum Griff in einen ihr bis an die Brust reichenden Haufen von Werg, Flachs und Stroh gestoßen war. Aber drohend hielt die Rechte eine brennende Pechfackel empor. Die Züge, allzu scharf, zu starkknochig und zu derb, um, an einem Weibe, schön zu sein, waren in diesem Augenblick der Prosa ihres gewöhnlichen Ausdrucks durch eine nicht unedle Leidenschaft entrückt und das hellgraue Auge, das, tief unter buschigen, selbst für einen Mann allzu starken Brauen, geborgen, sonst in seiner rechthaberischen Härte des Reizes darbte, warf jetzt, von wildem Muth und von gerechtem Zorne verschönt, leuchtende Blitze auf die staunenden Männer.

»Zurück,« rief sie, »meineidige Räuber! Oder – bei Herrn Friedmuths Treu' und Ehre! – ich stoße meine Fackel in dies Werg und Stroh: und einen Brandschutthaufen, nicht eine Burg, sollt ihr erobert haben.«

»Um Gott, Frau Base, haltet ein,« rief Griffo, erschrocken. »Ihr zuerst würdet verbrennen.«

»Das will ich, so wahr der gerechte Herrgott im Himmel mein Recht beschützt! Nicht einen Stein von meines Eh'herrn Gut sollt ihr haben, so lang ich athme.«

»Was giebt's da droben?« rief Herr Rapoto, einhaltend mit seiner Stoßarbeit am Thor, sich wendend und hinaufblickend. »Ha, die Base selbst! – Greif sie doch, Griffo! Nicht lange verhandelt! Spring hinein! Du zögerst? Wart', so will ich dir's zeigen, wie man trotzige Weiber zwingt.«

Und er ließ den Rennbalken fallen, blies in seinen brandrothen Bart, riß das Schlachtbeil aus dem Wehrgurt und eilte von dem Burgthor hinweg, auf die Mauer zu, um die schmale, leiterähnliche Treppe zu ersteigen, welche zu deren Plateforme führte.

Aber er kam nicht weit.

Die zwei Reisigen, welche, vor dem Thurme Hezilos aufgestellt, nichts zu thun hatten, als weitaus umher zu schauen, sprangen plötzlich mit lautem Schreckensschrei jene Treppe herab in den Hof.

»Flieht!« rief der Eine. »Flieht! Herr Friedmuth kommt!«

»Die Todten stehen auf,« schrie der Zweite, »den Eidbruch zu rächen! Seht: – Herrn Friedmuths Geist! Er kommt – mit ihm ein Heer! Und unsere Gefangnen! Erbarmen! Gnade!«

Er warf die Lanze weg, fiel in die Kniee und streckte beide Hände flehend gegen das eingeschlagene Mauerthor aus. –

Einen Augenblick nur hemmte Herr Rapoto seinen eiligen Schritt: er blieb stehn und blickte durch das weit klaffende Thor hinaus.

»Beim Hammer und Strahl! Herrn Friedmuths Gespenst! So scheint's! Ist er aber kein Geist, – so soll er's hurtig werden!« Bei diesen Worten stürmte er mit erhobener Streitaxt aus dem Thor.

Aus dem Wald, ihm entgegen, drangen wohl vierzig Helme: darunter die gefangen gewesenen Leute.

Aber Allen voran schritt, – in voller Waffenrüstung, den Helm mit den drei Sternen auf dem Haupte, das Visier aufgeschlagen, – der Schloßherr der Fragsburg. –

»Treubrüchiger!« rief er: und Rapoto erbleichte bei dem Klange der wohlbekannten Stimme. »Wehrloser Weiber Bedränger! Warte! –«

Grimm sprangen Beide gegen einander: aber gleich darauf, noch bevor sein Schlachtbeil niedergesaust war, stürzte der Naturner. Herr Friedmuth hatte seinen ganzen Zorn in einem Schwertstreich entladen, der dem Feinde den hohen Kegel-Helm, die Schuppenhaube darunter, dann die lederne Hirnhaube und endlich das Haupt bis in die Zähne spaltete.


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