Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwanzigstes Kapitel

Ein Text, gewählt wohl mit Bedacht,
    Euch recht in's Herz sich präg' er:
Wie seinen Vater Ham verlacht,
    Drob Canaan ward ein Neger.
Burns.

Zehn Tage nach dem Abmarsch des –ten Regiments verließ Herman Mordaunt und seine Familie nebst unsrer Gesellschaft Albany, um das für den Sommer Beabsichtigte in Ausführung zu bringen. In dieser Zwischenzeit jedoch hatte sich im Aussehen der kriegerischen und militärischen Verhältnisse Vieles geändert. Verschiedene Regimenter königlicher Truppen rückten den Hudson hinauf, und die meisten Schaluppen auf dem Fluß, deren nicht weniger als dreißig oder vierzig seyn konnten, waren dazu benützt worden, sie und ihre Vorräthe zu transportiren. Zwei oder drei Corps kamen durch die Gegend, von den östlichen Colonien her, während verschiedene Provinz-Regimenter erschienen; denn Alles strebte sich auf diesem Punkt, da wo die Schiffahrt auf dem Hudson anfing, zu koncentriren. Unter andern angesehenen Männern, welche die Truppen begleiteten, war Lord Viscount Howe, der Edelmann, von welchem Herman Mordaunt gesprochen. Er hatte für den Feldzug den Rang eines Brigadier Der gewöhnliche amerikanische Leser weiß vielleicht nicht, daß der Rang eines Brigadier bei der englischen Armee nicht, wie bei uns, eine Stufe in der regelmäßigen Linie der Beförderung bezeichnet. In England sind die regelmäßigen militärischen Rangstufen: Oberst, Generalmajor, Generallieutenant, General, Feldmarschall. Der Rang eines Brigadier, wie der eines Commodore bei der Flotte, wird nur in besondern vorkommenden Fällen verliehen, meist als lokaler Rang, um der Regierung möglich zu machen, tüchtige Oberste zu verwenden, wo es nöthig ist. und schien eigentlich die Seele des Heeres zu seyn. Es war nicht sein persönliches Ansehen allein, was ihn in der Schätzung des Publikums und der Armee so hoch stellte, sondern auch sein Ruf und seine geleisteten Dienste als Soldat. Es waren viele junge Männer von Rang im Heer anwesend; und was jüngere Söhne von Peers anlangte, so waren ihrer so viele, daß es zu Albany beinahe so viel Ehrenwerthe gab als zu Boston. Die meisten angesehenen Familien der Colonien hatten auch Söhne im Dienst; die von den mittlern und südlichen Colonien bekleideten Offiziersstellen in regelmäßigen Regimentern; während die Provinzial-Truppen von Osten größtentheils, wie dieß in dieser Gegend des Landes sehr gewöhnlich war, von Männern aus der Klasse der Yeomen geführt wurden; denn die Gewohnheiten der Gleichheit, welche in diesen Provinzen herrschten, ließen wenig Unterschiede gelten in Betracht von Geburt und Vermögen.

Doch wurde, wie ich mich erinnere, gesagt, der Gehorsam unter den Provinzialen von Massachusetts und Connektikut sey ebenso musterhaft, wie unter denjenigen, welche weiter von Süden her kamen, indem die Leute sich der Autorität ihrer Vorgesetzten als vom Gesetz ausgehend, willig unterwarfen. Es waren auch hübsche Truppen, besser als unsere Colonial-Regimenter, wie ich gestehen muß, und sie schienen einer höhern Klasse von Handwerkern oder Landleuten anzugehören; während zugegeben werden muß, daß ihre meisten Offiziere eben nicht sehr glänzende Repräsentanten von solchen Eigenschaften, Talenten, Sitten und Lebensgewohnheiten waren, die sie zum Commando sonderlich befähigen konnten. Es müssen aber Offiziere und Soldaten gut zusammengetaugt haben, denn man hörte von allen Seiten, daß sie gut angeführt wurden, was eben nicht immer der Fall war. Blos physisch, als eine Heerschaar von Männern betrachtet, wurde von Jedermann eingeräumt, daß es das schönste Corps in der Armee war, reguläre Truppen und alle eingeschlossen.

Ich sah Lord Howe zwei oder drei Mal, namentlich, im Hause der Madame Schuyler, der Lady, welcher ich schon Erwähnung zu thun Gelegenheit gehabt und der ich den mir von meiner Mutter verschafften Empfehlungsbrief übergeben hatte; denn die Mordaunt's besuchten sie sehr fleißig und nahmen mich häufig mit sich. Lord Howe selbst befand sich fast immer im Hause der trefflichen Madame Schuyler, bei welcher in der That zu Zeiten Alles zu sehen war, was von guter Gesellschaft sich in Albany versammelt hatte.

Unsere Gesellschaft war groß, und hätte können für ein kleines Corps der Armee selbst gelten, welches vorrückte, wie dieß jetzt beinahe täglich bei einzelnen Corps oder Theilen von solchen der Fall war. In der That hatte Herman Mordaunt unsern Aufbruch absichtlich deßhalb verzögert, um die Gegend zur Reise sicherer werden zu lassen, indem sie sich mit Detaschements vom Heere bedeckte; und unsere Reise, nachdem wir uns einmal in Bewegung gesetzt hatten, ging im buchstäblichen Sinne von Posten zu Posten, von Lager zu Lager. Es ist vielleicht passend, unsere Stärke aufzuzählen und die Ordnung unseres Marsches zu berichten, damit der Leser sich eine deutlichere Vorstellung von der Art unserer Reise machen kann.

Herman Mordaunt nahm, außer den Ladies, eine schwarze Köchin und ein schwarzes Dienstmädchen mit sich; einen Neger, um für seine Pferde zu sorgen und einen zweiten als Diener im Hause. Ferner hatte er drei weiße Arbeiter bei sich – Männer, die mit den Gespannen zu thun hatten und das Beil zu führen wußten, um in den Wäldern Bahn zu hauen, Brücken über die Flüsse zu machen, und andere ähnliche Arbeiten zu verrichten, wo es nöthig war. Was uns betrifft, so waren wir drei Gentlemen, Yaap, mein treuer Neger, Mr. Traverse, der Landvermesser, zwei Meßkettenträger und zwei Arbeiter mit Aexten und Beilen. Guert Ten Eyck führte auch einen Neger mit sich, welcher Pete genannt wurde, da es gegen die boni mores war, ihn Peter oder Petrus zu nennen; letzteres war sein eigentlicher Name. Somit waren wir zehn Mann stark, worunter acht Weiße und zwei Schwarze. Herman Mordaunt hatte im Ganzen eben dieselbe Zahl, darunter aber vier Frauen. Unsere Gesellschaften zusammengenommen bildeten wir im Ganzen eine Truppe von zwanzig Köpfen. Unter dieser Zahl waren die Männer, Schwarze und Weiße, Alle gut bewaffnet; Jeder hatte eine tüchtige Büchse und jeder Gentleman noch überdieß ein Paar Pistolen. Diese letztern trugen wir an einem Gürtel um den Leib, und die Waffen, klein und für den Dienst berechnet, waren so nach hinten gerichtet, daß sie von unsern Ueberkleidern versteckt wurden. Auch die Gürtel wurden von den Klappen unserer Kleider versteckt. Somit waren wir gut bewaffnet, ohne daß man es uns doch ansah; eine Vorsicht, die manchmal in den Wäldern nützlich ist.

Es ist kaum nöthig zu sagen, daß wir nicht in dem Anzug, in welchem wir gewohnt gewesen in den Straßen von New-York und Albany zu erscheinen, uns in die Wälder hineinwarfen. Stülphüte wurden ganz bei Seite gelegt; und dafür wurden Waldmützen, von ähnlicher Gestalt wie die im Winter von uns getragenen, nur daß der Pelz wegblieb, aufgesetzt. Die Ladies trugen leichte Biberhüte, wie sie sich für ihr Geschlecht schickten; und unter dem dichten Baldachin des Waldes bedurfte es wenig Schatten für ihr Gesicht. Doch wurden grüne Schleier hinzugefügt, mit welchen sich die amerikanischen Damen gewöhnlich zu schützen pflegen. Anneke und Mary reisten in Kleidern aus leichtem Frauentuch, so gemacht, daß sie ihren herrlichen Gestalten wie Handschuhe paßten. Die Säume waren kurz, so daß sie bequem gehen konnten, falls sie genöthigt wären zu Fuße zu gehen. Ein paar Federn auf jedem Hute waren nicht vergessen – ein Tribut, dem natürlichen Hange ihres Geschlechts, den Augen der Männer zu gefallen, dargebracht.

Bei uns Männern bildete Wildleder den Hauptstoff unseres Anzugs. Wir Alle trugen wildlederne Hosen, Kamaschen und Mokkasins. Die letztern hatten Sohlen, wie sie die Weißen zu tragen pflegen; Guert jedoch nahm ein oder zwei Paare mit von rein indianischer Beschaffenheit. Jeder von uns hatte einen Oberrock aus grobem Tuche; Alle aber führten wir Jagdhemden mit uns, die wir anlegen wollten, sobald wir die Wälder betraten; diese Jagdhemden, grün von Farbe, mit Franzen und Zierrathen besetzte Gewänder, in der Form von Hemden, um über Allem getragen zu werden, nahmen sich ausnehmend schmuck und flott aus und paßten vortrefflich für die Wälder. Man war der Meinung, Franzen, Gestalt und Farbe machten sie dem Laubwerk so homogen und ähnlich, daß sie in einiger Entfernung so zu sagen unsichtbar, oder wenigstens nicht leicht zu unterscheiden wären. Sie standen in hoher Gunst bei allen Wald-Corps von Amerika und bildeten die gewöhnliche Uniform der Schützen in den Wäldern, ob sie nun gegen Menschen oder nur gegen die wilden Thiere auszogen.

Weder Mr. Worden noch Jason zogen mit der Haupttruppe, und zwar gerade wegen dieser ungewöhnlichen, auffallenden Anzüge. Was den Geistlichen betrifft, so hielt er gewissenhaft auf das Aeußere und die Formen, so daß er den Kirchenrock und das Chorhemd selbst auf einer Mission zu den Indianern getragen haben würde; was, beiläufig bemerkt, auch jetzt sein ostensibler Zweck war; und in den verschiedentlichen Fällen, wo ich ihn bei Hahnenkämpfen sah, behielt er den priesterlichen Rock und aufgekrämpten Hut bei. Mit Einem Wort, Mr. Worden vernachläßigte das Aeußere nie, was die Kleidung betraf, und ich bezweifle stark, ob er sich dazu verstanden haben würde, ein Gebet zu lesen ohne das Chorhemd, oder zu predigen ohne den Kirchenrock, hätte die Sehnsucht nach geistlicher Stärkung auch noch so lebhaft seyn mögen. Ich erinnere mich noch recht gut, von meinem Vater gehört zu haben, wie der Pfarrer einmal auf einer Reise sich geweigert, an einem Sonntag die kirchlichen Funktionen zu verrichten, um nur der Kirche nicht dadurch Etwas zu vergeben, daß er bei Erfüllung seiner geistlichen Obliegenheiten ohne all die äußern Erfordernisse seines klerikalischen Charakters aufgetreten wäre.

»Mehr Schaden als Nutzen wird der Religion bereitet, Mr. Littlepage,« sagte der Hochwürdige Mr. Worden bei dieser Gelegenheit, »wenn man so den Ritus in gemeinen Augen mindert und schwächt. Das Allererste, mein lieber Sir, ist, daß man die Menschen heilige Dinge achten und ehren lehrt; und ein Geistlicher in seinem Kirchenrock und Chorhemd flößt dreifach so viel Respekt ein als ohne dieselbe. Ich sehe es deßwegen als eine heilige Pflicht an, die Würde meines Amtes bei jeder Gelegenheit aufrecht zu erhalten und zu wahren.«

In Kraft dieser Ansichten reiste der Geistliche in seinem geistlichen Hut und Rock, schwarzen Hosen und Priesterkragen, selbst wenn er Jagd machte auf die Seelen rother Menschen unter den Wilden von Nordamerika! Ich will mir nicht anmaßen zu behaupten, dieses Haften an solchen Gebräuchen habe nicht auch sein Gutes gehabt; aber das weiß ich gewiß, daß es den hochwürdigen Gentleman in große Unbequemlichkeiten verwickelte.

Was Jason betrifft, so gab er einen Danbury-Grund dafür an, daß er in seinen besten Kleidern reiste. Jedermann mache es so in seiner Gegend; und er für seinen Theil betrachte es als respektwidrig gegen Fremde, wenn man in alten Kleidern unter ihnen erscheine. Aber die Sache hatte auch noch einen andern, wahren Grund, und dieser war – Sparsamkeit; denn die Soldaten hatten die Preise von Allem so gesteigert, daß Jason keinen Anstand nahm Albany für den theuersten Ort zu erklären, wo er je gewesen. Diese Behauptung hatte etwas Wahres; und da die Entfernung von New-York nicht weniger als hundert und sechszig Meilen betrug – nach offizieller Messung – so sieht der Leser leicht ein, daß es einen vollen Monat oder mehr Zeit erforderte, die geleerten Fächer der Läden wieder zu füllen. Die Holländer bewegten sich nicht nur langsam, sondern sie waren auch methodisch; und der Krämer, dessen Vorräthe im April erschöpft waren, dachte nicht leicht daran, sie wieder zu ergänzen, bis die regelmäßige Frist und Jahreszeit wiederkehrte.

In Folge dieser Ansichten und Beweggründe verließen der Hochwürdige Mr. Worden und Mr. Jason Newcome Albany vierundzwanzig Stunden vor der übrigen Gesellschaft, mit der Verabredung, daß sie sich mit uns vereinigen sollten an einem Punkte, wo der Weg in die Wälder führte, und wo man glaubte, daß der aufgekrämpte Hut und die Lederkappe in guter Harmonie miteinander reisen könnten. Noch ein Grund aber, der noch nicht genannt worden, zur Trennung lag in dem Umstand, daß Alle von meiner Schaar zu Fuß reisten, wobei drei oder vier Packpferde unsere Bedürfnisse trugen. Nun war dem Mr. Worden ein Platz in einem Regierungsfuhrwerk angeboten worden, und Jason wußte sich auch, auf eine mir unerklärliche Weise, einzuschmuggeln und einzudrängen. Ich bin indessen Mr. Newcome das Zeugniß schuldig, daß sein Talent, Gunstbezeugungen und Gefälligkeiten jeder Art für sich herauszuschlagen, ganz außerordentlich war; und gewiß ist, daß er nie eine Gelegenheit, sich einen Vorzug vor Andern zu verschaffen, durch Saumseligkeit im Bitten und Fragen versäumte. In dieser Hinsicht war mir Jason immer ein moralisches Räthsel, denn in seiner Seele war lediglich Nichts zu finden von dem Gefühl für das Passende und Schickliche, sofern es sich von Ansprüchen und Rechten von Personen handelte, die sich auf Rang, Bildung, Geburt und Erfahrung gründeten. Den Rang in amtlicher Bedeutung verstand er und respektirte er an dem, der ihn besaß; aber von den Ansprüchen, zu welchen er den Inhaber, als einem daraus folgenden Genuß, berechtigte, schien er gar keinen Begriff zu haben. Für Eigenthum und Vermögen hegte er tiefe Achtung, so weit es sich um Anerkennung von dessen Wichtigkeit und Einfluß handelte; aber es würde weder seinem Gewissen noch seinem Gefühl den mindesten Skrupel gemacht haben, wenn er sich plötzlich in den Besitz der stattlichen Häuser der Patrone z. B. und ihrer Güter eingesetzt gesehen hätte, vorausgesetzt immer, daß er hätte glauben können, er vermöge seine Stellung zu behaupten. Der Umstand z. B. daß er unter dem Dach wohne, das von den Vorfahren eines Andern aufgerichtet worden, und daß Andere lebten, die ein besseres moralisches Recht darauf hätten, würde ihm nicht die mindeste Unruhe gemacht haben, so lange nur irgend ein Kniff oder eine Chikane des Gesetzes ihn im Besitz hielt. Mit Einem Wort, Alles was in Sachen dieser Art mit Zartgefühl zusammenhing, war für Jason Newcome so gut wie nicht da, welcher von der ersten Stunde an, wo er unter uns kam, lebte und handelte, als ob das Spiel des Lebens nur wie jenes Kinderspiel wäre: »Frau Mutter leih mir die Scheer;« wo Dasjenige, das unbedachtsam seinen Platz verläßt, ohne ihn sich zu sichern, denselben gewiß so bald als möglich von einem Andern eingenommen findet. Ich habe diesen Hang Jason's etwas ausführlicher besprochen, weil ich überzeugt bin, daß, sollte diese Geschichte von meinen Nachkommen weiter geführt werden, wie ich hoffe und wünsche, man sehen wird, daß diese Geneigtheit, das ganze menschliche Geschlecht als ebenso viele gemeinsame, gleichberechtigte Besitzer des von Adam hinterlassenen Gutes zu betrachten, am Ende zu etwas Außerordentlichem führen wird. Aber ich muß jetzt den Hochwürdigen Mr. Worden und Mr. Jason ihre Reise in ihrem Regierungsfuhrwerk antreten lassen und selbst zu unserer Gesellschaft zurückkehren.

Wir Männer Alle, mit Ausnahme derjenigen, welche die zwei Wägen Herman Mordaunt's führten, gingen zu Fuß. Jeder von uns trug, außer seiner Büchse und Munition, einen Schnappsack; und man wird sich leicht vorstellen, daß unser Tagewerk nicht sehr lang war. Am ersten Tage machten wir bei der Madame Schuyler, auf ihre Einladung, Halt und speisten daselbst Alle zu Mittag, den Feldmesser mit eingeschlossen. Lord Howe war an diesem Tag auch unter den Gästen; und er schien den Muth von Anneke und Mary Wallace höchlich zu bewundern, daß sie zu einer solchen Zeit eine solche Reise unternehmen wollten.

»Ihr braucht jedoch keine Besorgnisse zu hegen, Ladies, da wir immer starke Detaschements zwischen Euch und den Franzosen postirt haben werden,« sagte er am Ende ernster, nach einigen scherzhaften Reden über den Gegenstand. »Die Vorfälle des letzten Sommers, und die schmachvolle Art, wie der arme Munro seinem Schicksal preisgegeben wurde, haben uns Alle mit dem lebhaftesten Gefühl von der Notwendigkeit und Wichtigkeit erfüllt, den Feind zu zwingen, am nördlichen Ende des George-See's stehen zu bleiben, da schon zu viele Schlachten diesseits geschlagen worden sind, mehr als für den Ruhm der britischen Waffen zuträglich ist. Wir verbürgen uns für Euere Sicherheit.«

Anneke dankte ihm für diese Bürgschaft und das Gespräch ging auf andere Gegenstände über. Es war ein junger Mann anwesend, welcher auch den Namen Schuyler trug, ein naher Verwandter von der Frau des Hauses, dessen Miene, Benehmen, Haltung und Erscheinung mir sehr auffiel. Seine Tante nannte ihn Philipp; und da er ungefähr von meinem Alter war, kam ich während dieses Besuchs in ein Gespräch mit ihm. Er sagte mir, er sey dem Commissariat unter General Bradstreet beigegeben, und er werde mit der Armee vorrücken, sobald die Vorbereitungen zum Marsch derselben vervollständigt seyn würden. Dann ging er auf eine klare, einfache Erläuterung des muthmaßlichen Planes für den bevorstehenden Feldzug ein.

»Wir werden also, hoffe ich, Euch und Euere Freunde auch unter uns sehen?« sagte er am Ende, wie wir miteinander vor der Ladung zum Mittagessen auf dem Rasen lustwandelten; »denn, Euch die Wahrheit zu gestehen, Mr. Littlepage, es gefällt mir nur halb, daß wir so viele Truppen aus dem Osten bei uns haben müssen, um diese Colonie von ihren Feinden zu säubern. Es ist wahr, eine Nation muß ihre Feinde bekämpfen, wo immer sie sich finden; aber wir und die Yankees haben so wenig Gemeinsames, daß ich wünschen muß, wir wären stark genug, um die Franzosen allein zurückzuschlagen.« »Wir haben den gleichen Souverän und die gleiche Unterthanenpflicht,« antwortete ich, »was Ihr doch vielleicht als etwas Gemeinsames anerkennen werdet.«

»Das ist wahr; doch denke ich, müßt Ihr genug holländisches Blut in Euch haben, um mich zu verstehen. Meine Pflicht ruft mich vielfach unter die verschiedenen Regimenter; und ich muß gestehen, ich habe viel mehr Mühe und Last mit Einem Regiment von Neu-England, als mit einer ganzen Brigade von den andern Truppen. Sie haben Generale und Oberste und Majore genug für die ganze Armee des Herzogs von Marlborough.«

»Gewiß, es ist kein Mangel an militärischen hohen Graden bei ihnen – und sie haben eine ganz besondere Freude daran, diese Titel zur Schau zu tragen.«

»Ganz richtig,« versetzte der junge Schuyler lächelnd. »Ihr werdet die Worte: General, oder Oberst, in einer ihrer Cantonnirungen an Einem Tage öfter aussprechen hören, als im Hauptquartier in einem ganzen Monat. Sie haben auch gewiß treffliche Eigenschaften; aber, woher dieß nun rühre, wir mögen einander nicht.«

Zwanzig Jahre später im Leben hatte ich Veranlassung, mich dieser Bemerkung wieder zu erinnern, so wie auch Betrachtungen anzustellen über den Charakter des Mannes, der sie geäußert. Ich, oder meine Nachfolger werden vermuthlich Gelegenheit haben, Dinge zu berühren, in den spätern Berichten über die Vorfälle der Zeiten, welche mit dieser Gesinnung in Verbindung stehen.

Ich hatte auch ein kurzes Gespräch mit Lord Howe, welcher mir ein Compliment machte über das, was auf dem Fluß vorgefallen war. Er hatte offenbar eine Darstellung dieser Begebenheit aus einem mir sehr befreundeten Munde gehört, und beliebte die Sache in einer für mich sehr schmeichelhaften Weise zu erwähnen. Dieß kurze Gespräch verlohnt sich der Wiedererzählung nicht, aber es bahnte den Weg zu einer Bekanntschaft, welche später mit interessanten und wichtigen Begebenheiten zusammenhing.

Etwa eine Stunde nach dem Mittagessen verabschiedete sich unsere Gesellschaft von Madame Schuyler und zog weiter. Der Tagmarsch sollte nur kurz seyn, obgleich die Straßen mittlerweile hergestellt und ziemlich gut waren. Aber nicht lange hatten wir uns der Vortheile von Straßen zu erfreuen, denn sie erstreckten sich in der von uns verfolgten Richtung nur etwa dreißig Meilen nördlich von Albany. Mit Ausnahme der militärischen Route, welche gerade nach den Quellgewässern des Champlain-See's führte, war dieß ungefähr die Ausdehnung sämmtlicher Wege, die, in dieser Gegend des Landes, in das Innere eindrangen. Unsere Richtung ging nördlich und östlich, denn Mooseridge und Ravensnest lagen so ziemlich in der Richtung der Hampshire Grants.

Sobald wir den Scheidepunkt an der Great Northern Road, welche nach Skeenesborough führte, erreicht hatten, sah sich Herman Mordaunt genöthigt, seine Wagen zu verlassen und alle Frauenzimmer auf Pferde zu setzen. Die nothwendigsten Vorräthe wurden auf Packpferde geladen, und nach dem Verzug eines halben Tages, welche Zeit wir über diesen Vorkehrungen verloren, setzten wir unsern Marsch fort. Die Wagen sollten folgen, aber in langsamem Schritte, und die Ladies hatten aussteigen müssen, wegen der holperigen Wege, auf welchen die schüttelnde und rüttelnde Bewegung unerträglich gewesen wäre. Unsere Cavalkade und die Fußgänger zusammen bildeten einen ansehnlichen, imposanten Zug auf der unebenen Straße, welche bald nichts Besseres mehr war als eine durch den Wald gehauene Linie, gelegentlich mit Spuren von Rädern, wo aber nicht der mindeste Versuch gemacht worden war, durch irgend welche künstliche Mittel die Oberfläche des Bodens auszugleichen. Dieß war der Ort, wo wir Mr. Worden und Jason einholen sollten, und wo wir auch wirklich ihre Effekten trafen; die Besitzer selbst waren weiter gegangen und hatten zurückgelassen, wir würden unterwegs auf sie stoßen.

Guert und ich marschirten voran, da unsre Kraft und Jugend uns in Stand setzte, dieß mit größter Bequemlichkeit zu thun. Da wir wußten, daß für die Ladies zu Pferde hinlänglich gesorgt war, eilten wir voran, um für ihre Aufnahme in einem Hause, einige Meilen weit entfernt, wo wir die Nacht zubringen wollten, Vorkehrung zu treffen. Dieß Gebäude bestand natürlich aus Holzblöcken und stand ganz allein in der Wildniß, jedoch inmitten einer kleinen Lichtung von dreißig oder vierzig Acres Land; und es ging nicht wohl an, so wie der Tag stand, daran vorbeizugehen. Die Entfernung von dieser einsamen Behausung bis zur ersten Wohnung auf Herman Mordaunt's Besitzthum betrug achtzehn Meilen; und das war eine Strecke Wegs, welche zurückzulegen bei unsern Umständen einen ganzen langen Maitag erforderte.

Guert und ich mochten etwa eine Meile der übrigen Gesellschaft voraus seyn, als wir eine Art von Halblichtung vor uns sahen, die wir zuerst irrig für unsern Rastort hielten. Wenige Acres waren ausgerodet worden, und ließen das Licht des Tages hereinfallen in die Düsterheit des Waldes, aber der Nachwuchs von Bäumen schoß schon auf und bedeckte den Boden mit hohen Büschen. Wie wir näher kamen, sahen wir, daß es eine kleine aufgegebene Lichtung war. Wie wir hineinkamen, hörten wir in nicht großer Entfernung Stimmen, und blieben stehen; denn an einem solchen Platz hört man keine menschlichen Stimmen, ohne daß der Reisende stille steht und nach seinen Waffen greift. Dieß thaten wir auch; und dann lauschten wir mit einiger Neugier und Vorsicht.

»Ober!« rief Jemand ganz deutlich auf Englisch.

»Jack!« sagte eine andere Stimme in einer Art von antwortendem Second, welche nicht wohl zu verkennen war.

»Hier drei untere; – ist das gut?« versetzte die erste Stimme. »Schon gut, Sir; aber hier sind Zehn und ein Aß. Zehn und drei und vier und zwei machen neunzehn; – ich bin kaput.«

»Obere, untere, Jack und kaput!« flüsterte Guert; »da sind Leute in der Nähe, welche Karten spielen; laßt uns weiter gehen und ihnen die Quartiere aufschlagen.«

Dieß thaten wir und einige Büsche bei Seite schiebend, überfielen wir ganz unerwarteter Weise für alle Theile den Hochwürdigen Mr. Worden und Jason Newcome, wie sie das Spiel: »Alle Vier auf einem Stumpen,« spielten; oder, wenn nicht im buchstäblichen Sinne in der klassischen Lage, sich des Stumpen bedienen zu können, den Stamm eines gefällten Baumes zu ihrem Tische machend. Wie wir so plötzlich die Kartenspieler überfielen, verrieth Jason durch unzweideutige Zeichen seine Geneigtheit, seine Beschäftigung zu verheimlichen, indem er die Karten, die er in der Hand hatte, in seinen Busen steckte, das übrige Spiel aber hastig unter den Schenkel schob, und es so zudeckte, daß man gar nichts davon sah. Diese plötzliche Bewegung war rein nur die Folge einer puritanischen Erziehung, die ihn gewöhnt hatte, als Sünde anzusehen, was an sich ganz und gar nicht nothwendig eine Sünde war, und von ihm die Heuchelei forderte, welche der Tribut ist, den das Laster der Tugend bezahlt! Ganz anders war das Benehmen des Hochwürdigen Mr. Worden. Gewohnt, richtiger zu unterscheiden, und nicht so beschränkt, daß er willkürliche, selbstersonnene Regeln für göttliche Gebote gehalten hätte, machte dieser, in andern Dingen ziemlich weitherzige Befolger und Erfüller seiner Berufsobliegenheiten, hierin eine ganz passende und vernünftige Unterscheidung. Er gab nicht durch das mindeste Zeichen Verwirrung oder Verlegenheit zu erkennen; und der Holzblock, worauf er saß, blieb nicht unbeweglicher, als er erschien, wie wir so plötzlich vor ihm standen.

»Ich hoffe, Corny, mein lieber Junge,« rief Mr. Worden, »daß Ihr nicht vergessen habt, einige Spiele Karten zu kaufen, was, wie ich klar einsehe, für uns in diesen wilden Wäldern eine große Quelle der Unterhaltung seyn wird. Diese Karten von Jason sind so verbogen und zerknittert, daß es sich für einen Gentleman kaum schickt, sie anzurühren, wie ich Euch gleich zeigen will. – Ei, wo ist denn das Kartenspiel hingekommen, Master Newcome? – Sie lagen ja noch vor einer Minute auf dem Block!«

Jason erröthete wirklich! Ja, zum Wunder, die Beschämung brachte Jason Newcome dazu, die Farbe zu wechseln. Mit Widerstreben brachte er die Karten unter seinem Bein hervor, und da saß der Schulmeister, gleichsam in Anwesenheit seiner Schule, förmlich überwiesen der Begehung der verdammlichen Sünde, gewisse gefärbte und gefleckte Stücke Papier in Händen gehabt zu haben, erfunden und gebraucht zum Behuf der Combinationen eines Spiels, das zur Kurzweil gespielt wird.

»Wäre es Kegelschieben gewesen,« flüsterte Guert, »so würde es dem Mr. Newcome gar keine Unruhe machen; aber der Gedanke behagt ihm gar nicht über einem Spiel: »Alle Vier auf einem Stumpen,« betroffen zu werden. Wir müssen ein Wörtchen sagen, um den armen Sünder in seiner Beklemmung aufzurichten. Ich habe Karten, Mr. Worden, und sie sollen mit Freuden zu Euren Diensten stehen, sobald wir zu unsern Effekten kommen können. Ich habe auch ein Spiel in meinem Schnappsack, aber es ist vom Gebrauch etwas beschmutzt, obwohl immer noch sauberer, als diese hier. Wenn Ihr es wünscht, will ich es Euch einhändigen. Ich reise nie, ohne ein paar saubere Spiele mit mir zu führen.«

»Nicht jetzt im Augenblick, Sir, ich danke Euch. Ich liebe sehr ein Spielchen Whist oder Piquet, kann aber nicht sagen, daß ich ein großer Bewunderer von Alle Vier bin. Da Mr. Newcome hier kein andres Spiel versteht, schlugen wir nur eine halbe Stunde damit todt; aber ich habe für den ganzen Sommer daran genug. Ich bin jedoch froh, daß die Karten nicht vergessen worden sind; denn ich glaube gewiß, wir können eine sehr respektable Partie zum Whist zusammenbringen, wenn wir Alle bei einander sind.« »Das können wir, Sir, und eine Partie, bei welcher gut gespielt werden wird. Miß Mary Wallace spielt ihr Whist so gut als es einer Dame ansteht, Mr. Worden; und es ist das ein sehr hübsches Talent, wenn eine Lady es besitzt; nützlich, Sir, sowie unterhaltend; denn Alles ist besser als Whist mit einem Blinden oder Strohmann. Ich meine nicht, daß eine Frau so gut spielen soll wie ein Mann, da unser Geschlecht die natürliche Befugniß hat, in allen solchen Dingen voranzugehen und den Ton anzugeben; aber es ist manchmal sehr erwünscht, eine Lady zu finden, welche mit Kaltblütigkeit und Geschick die Karten zu halten und auszuspielen weiß.«

»Ich würde keine Frau heirathen, die nicht Piquet verstünde,« rief der Hochwürdige Mr. Worden aus, »nichts zu sagen von Whist und ein paar andern Spielen. Aber laßt uns weiter ziehen, da es nachgerade spät wird.«

So zogen wir denn weiter, und zur gebührenden Zeit erreichten wir den Ort, wo wir für die Nacht Halt machen wollten. Allerdings hatte es den Anschein, als ob wir damit auf einmal in die Wildniß hinein geriethen, denn das Haus hatte nur zwei Gemächer, von welchen eines für die Frauen eingerichtet wurde, während die meisten von uns Männern ihr Quartier in der Scheune nahmen. Anneke und Mary Wallace jedoch zeigten vollkommen gute Laune; und unser Diner, oder Souper wäre der richtigere Name, bestand aus köstlich fetten und zarten gebratenen Tauben. Es war die Jahreszeit der Tauben; die Wälder waren voll von diesen Vögeln; und man sagte uns, wir dürften uns gefaßt machen, uns an den jungen bis zur Sättigung zu erlaben.

Gegen Mittag am folgenden Tage erreichten wir die erste Lichtung auf dem Besitzthum Ravensnest. Die Gegend, durch welche wir reisten, war mehr abwechselnd, als kühn und wildromantisch; aber sie hatte etwas Großartiges und Erhabenes an ihren grenzenlosen Wäldern. Unser Weg an diesem Tage lief unter hohen Bogen von jungem Laub hin; die Knospen erschloßen sich gerade zu dem ersten Grün der Blätter; hohe, gerade Säulen, sechszig, achtzig, zuweilen hundert Fuß hoch, stiegen die Baumstämme beinahe ohne einen Ast hinan. Die Fichten insbesondere waren wahrhaft majestätisch; die meisten hatten eine Höhe von hundert und fünfzig, und einige; wie ich glaube, beinahe wo nicht volle zweihundert Fuß. Da im Wald Alles dem äußern Licht zu wächst, darf dieß diejenigen nicht befremden, welche gewohnt sind, die Vegetation ihre Kräfte in weitausgebreiteten Wipfeln und in niedern, gekrümmten Aesten entfalten zu sehen, die beinahe den Boden berühren, wie dieß auf offenen Feldern und auf den Rasenplätzen älterer Gegenden der Fall ist. Wie gewöhnlich in dem amerikanischen Urwald, war nur wenig Unterholz vorhanden, und wir konnten häufig eine beträchtliche Strecke weit durch diese langen Säulenreihen von Bäumen vor uns hin sehen; oder eigentlich so weit, bis die Masse der Stämme die Aussicht verstellte.

Die Lichtungen von Ravensnest waren weder sehr groß, noch sehr einladend. Zu jener Zeit war die Urbarmachung neuer Ländereien ein langsames und mühseliges Geschäft, und verursachte gewöhnlich dem Besitzer große Auslagen. Verschiedne Mittel wurden versucht, den Boden von seiner Last von Bäumen zu befreien; Der jüngst verstorbene ehrwürdige Hendreyck Fery war ein allen Bewohnern des Mohawkthales wohlbekannter Mann. Er war Freund, Zeitgenosse und, wie man glaubt, ein Testamentsvollstrecker des berühmten Sir William Johnson, Bart. gewesen. Vor dreißig Jahren erzählte er dem Schreiber dieses folgende Anekdote: Der junge Johnson erschien in dem Thale zuerst als der Verwalter eines Gutes, das seinem Verwandten, Admiral, Sir Peter Warren, K. B. gehörte, welcher durch eine Heirath in der Colonie mehrere Besitzungen darin erworben hatte. Unter andern Grundstücken war eines, Warrensbush genannt, am Mohawk, wo der junge Johnson zuerst seinen Sitz aufschlug. Da er es schwierig fand, der Bäume um seine Wohnung herum los zu werden, schickte Johnson zu dem Admiral in New-York hinunter, und ließ einige Spillen oder Winden holen, um damit die Bäume auf den Boden herunter zu ziehen, nachdem man die Wurzeln auf einer Seite aufgegraben und abgehauen. Ein Acre Wald war auf diese Weise niedergelegt, und natürlich lag immer ein Baum in einem etwas größern Winkel am Boden als der zunächst unter ihm liegende. Eines Nachts kam ein Ostwind, und zu seinem Erstaunen fand Johnson, als er am Morgen aufstand, die Hälfte seiner Bäume wieder aufrecht dastehen. Nun gab man die Methode des Lichtens durch Spillen und Winden auf. Der Herausgeber. denn damals belohnte der Handel der Colonie die Mühen des Ansiedlers noch nicht so reichlich, wie man es seitdem erlebt hat. Herman Mordaunt erzählte mir im Gehen von den Kosten und Mühen die er schon gehabt, um die zehn oder fünfzehn Familien, die sich jetzt auf seinem Gute befanden, zuerst an Ort und Stelle zu bringen, und dann sie zu bewegen, daselbst zu bleiben. Nicht nur war er genöthigt, Pachtungen auf drei Generationen, oder, in einigen Fällen, auf dreißig oder vierzig Jahre zu Pachtzinsen zu verwilligen, welche eigentlich nur nominell waren, sondern durchgängig durften auch die ersten sechs oder acht Jahre die Pächter gar keine Rente bezahlen. Im Gegentheil mußte er ihnen viele Vergünstigungen verschiedner Art einräumen, welche im Laufe eines Jahres eine nicht unbeträchtliche Summe betrugen. Unter andern hielt sein Agent und Bevollmächtigter einen kleinen Laden, die gewöhnlichsten Dinge und Werkzeuge enthaltend, deren Familien von der Klasse der Ansiedler bedürftig sind, und diese verkaufte er ihnen zu einem wenig höhern Preis, als sie ihn kosteten, ihrer Bequemlichkeit willen, und empfing die Bezahlung in Artikeln, die sie von ihren halbbestellten Feldern, oder ihren Zuckerpflanzen ernteten, die er dann wieder erst, nachdem sie nach Albany transportirt worden, nach Ablauf einer ziemlich langen Zeit, in Geld umsetzte. Mit Einem Wort, der Anfang einer solchen Niederlassung war ein schweres und saures Unternehmen, und der Versuch gelang nicht leicht, wenn nicht der Besitzer des Landes Kapital und Geduld besaß.

Derjenige, welcher sich auf Nationalökonomie versteht, entdeckt ohne alle Mühe die Ursachen dieser so eben berührten Umstände. Sie lagen darin, daß die Bevölkerung dünn, das Land aber im Ueberfluß vorhanden war. Bei einem solchen Stand der Gesellschaft hatte der Pächter die Wahl der Pachtgüter, statt daß der Eigenthümer des Landes seine Pächter hätte wählen können; und die Letztern mußten eben zu Bedingungen erkauft werden, wie sie ihnen selbst zusagten.

»Ihr seht,« fuhr Herman Mordaunt fort, als wir im Gehen weiter über den Gegenstand uns besprachen, »daß meine zwanzigtausend Acres mir nicht sehr großen Nutzen versprechen, wenn sie ihn auch allenfalls meiner Tochter bringen können. Allerdings in hundert Jahren mögen meine Nachkommen von all diesem Aufwand von Geld und Mühe Vortheil ziehen; aber es ist nicht wahrscheinlich, daß ich oder Anneke je Kapital und Zins der Summe wieder sehen und zu genießen haben dürften, welche für Straßen, Brücken, Mühlen und andere Dinge der Art werden aufgewendet werden. Jahre müssen vergehen, bis die ärmlichen Renten, die erst in ein paar Jahren anfangen werden bezahlt zu werden, und dann erst von ganz wenigen Pächtern, eine hinlängliche Summe betragen, um die Kosten für die Unterhaltung der Ansiedlung zu bestreiten, um Nichts zu sagen von dem an die Krone zu entrichtenden Erbzins.«

»Das ist nicht sehr ermuthigend für einen jungen Anfänger im Geschäft eines Landeigentümers,« antwortete ich; »und wenn ich mir diese Umstände betrachte, so muß ich gestehen, wundere ich mich, daß so viele Gentlemen in der Colonie geneigt sind, solche große Summen jährlich in wilde Ländereien zu stecken.«

»Jeder Mann, der in seinen Geldangelegenheiten nicht beengt ist, Corny, fühlt den Wunsch und die Geneigtheit, für seine Nachkommen Sorge zu tragen. Dieß Besitzthum, zusammengehalten und in der Hand eines Einzelnen, kann einen meiner Nachkommen einmal zu einem Mann von großem Vermögen machen. Ein halbes Jahrhundert wird eine große Veränderung in dieser Colonie herbeiführen, und nach Ablauf dieser Frist mag ein Kind Anneke'ns es mit Dank erkennen, daß seine Mutter einen Vater gehabt, welcher bereit war, einige Tausende aufzuopfern, – den Ueberschuß eines Vermögens, welches sonst schon für seine Bedürfnisse hinreichte, damit sein Enkel dafür Zehntausende oder Hunderttausende sein nenne.«

»Die Nachkommenschaft wenigstens wird zu einer Schuld der Dankbarkeit gegen uns sich bekennen müssen, Mr. Mordaunt; denn ich sehe jetzt ein, daß Mooseridge weder mich noch Dirck wahrscheinlich zu sehr reichen Patroons machen wird.«

»Darauf dürft Ihr Euch verlassen. Satanstoe wird Euch mehr eintragen, als die großen Landstrecken, die Ihr in dieser Gegend besitzt.«

»Besorgt Ihr nicht mehr, Sir, daß der Krieg und die Furcht vor verheerenden Einfällen der Indianer Eure Leute wegtreiben werde?«

»Für jetzt nicht sonderlich, obwohl früher die Gefahr groß war. Der Krieg kann mir Nutzen ebensowohl, als Schaden bringen. Die Armeen verzehren Alles, was sie bekommen können – und die Soldaten gleichen in dieser Hinsicht den Heuschrecken. Meine Pächter haben die Commissare bei sich gehabt; und man sagt mir, jeder Grashalm, den sie entbehren können, all ihr überflüssiges Korn, Kartoffeln, Butter, Käse, und mit Einem Wort, alles Eßbare, was sie abgeben können und wollen, ist ihnen durch Contrakte zu den höchsten Preisen abgekauft worden. Der König bezahlt in Gold, und der Anblick der edeln Metalle hält selbst einen Yankee an eine Stelle gebannt.«

Ungefähr als dieß gesprochen ward, wurden wir des Punktes ansichtig, welchen Herman Mordaunt Ravensnest getauft hatte, ein Name, der seither dem ganzen Besitzthum beigelegt wurde. Es war ein Gebäude aus Holzblöcken, das am Rand eines niedern Riffes von Felsen stand, an einem Punkt, wo ursprünglich ein Rabe auf den höchsten Aesten einer abgestorbenen Schierlingstanne sein Nest gehabt hatte. Das Gebäude war gerade an diesem Platz errichtet, um besser vertheidigt werden zu können, worauf auch der Bau berechnet war, und hatte eine Zeitlang den Familien der Pächter als Versammlungspunkt gedient, wenn wegen Einfällen der Indianer Lärm entstand. Zu Anfang des gegenwärtigen Krieges hatte Herman Mordaunt, in Betracht der ausgesetzten Lage seiner Besitzungen an dieser Grenze – Grenze, was die Anstellungen, nicht was die Territorialabmarkung betrifft – auf seine Vertheidigungswerke einige Aufmerksamkeit verwenden lassen; und obgleich sie einen Vauban nicht würden befriedigt haben, waren sie doch nicht ganz ohne Verdienst, sofern sie bei einem Ueberfall sehr nützlich werden konnten.

Das Haus bildete drei Seiten eines Parallelogramms; und der offene Theil des Hofes in der Mitte stand dem Felsen gegenüber. Ein starkes Pfahlwerk diente hier als Schutzwehr gegen Kugeln, während die Wände von gewaltigen Holzblöcken gegen jeden Angriff, wie er bei den Kriegen in den Wäldern vorkam, den Angriff des Feuers ausgenommen, ganz fest und unzugänglich waren. Alle Fenster gingen auf den Hof hinaus, während die einzige Thüre nach aussen mit Pfahlwerk und mit starken Dielen verwahrt war. Ich war froh, aus der Ausdehnung dieses rohen Gebäudes, welches hundert Schuh lang und fünfzig tief war, mich zu überzeugen, daß Anneke und Mary Wallace im Raume wohl nicht beengt seyn würden. Dieß war auch so; denn Herman Mordaunt's Bevollmächtigter hatte vier oder fünf Gemächer für die Familie in den Stand setzen lassen, in welchen sie es so behaglich fanden, als man es in einer solchen Lage nur immer erwarten konnte. Alles war einfach und Vieles war roh; aber schirmendes Obdach, Wärme und Sicherheit waren nicht ausser Acht gelassen und vernachlässigt.


 << zurück weiter >>