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Fünfzehntes Kapitel.

Da macht des Lärmrufs Stimme ihm
    Die innerste Seel' erschauern:
Hallo, Lord William! rasch steh auf,
    Die Fluth unterwühlt deine Mauern!
Lord William.

Der Besuch bei Madame Schuyler fand an einem Samstag Abend statt; und das Abenteuer der gemeinschaftlichen Fahrt mit Jack und Moses sollte am nächstfolgenden Montag entschieden werden. Als ich jedoch am Sonntag Morgen aufstand und zu meinem Fenster hinaussah, da war wenig Aussicht vorhanden, daß die Sache noch in diesem Frühjahr zur Ausführung kommen könne, denn es regnete heftig und wehte ein starker Südwind. Wir hatten jetzt den 21. März, einen Zeitpunkt des Jahres, wo ein entschiedenes Thauwetter nicht nur für das Schlittenfahren unheilverkündend war, sondern wirklich auch ein bleibendes Brechen und Aufhören der Winterkälte weissagte. Der Winter hatte lang angehalten und man glaubte, ein Witterungswechsel dürfte nicht ferne seyn.

Regen und Südwind dauerten den ganzen Tag fort, Ströme von Wasser stürzten die kurzen steilen Straßen herab und schwemmten nachdrücklich allen Schnee fort. Mr. Worden predigte demungeachtet und zwar vor einer sehr achtbaren Versammlung. Dirck und ich wohnten der Predigt bei; Jason aber zog es vor, lieber während einer Predigt ein doppeltes Halbstundenglas lang in der holländischen Kirche dazusitzen, obwohl sie in einer Sprache gehalten wurde, von der er sehr Wenig verstand, als daß er den Ritus des englischen Gottesdienstes mit seiner Gegenwart beehrt hätte. Anneke und Mary Wallace wagten sich auf den Berg hinauf, in einem Wagen; ich bemerkte jedoch, daß Herman Mordaunt fehlte. Guert war auf der Gallerie, wo wir auch saßen; aber ich konnte nicht umhin, zu bemerken, daß keine der beiden Ladies während des ganzen Gottesdienstes auch nur Einmal die Augen bis zu unsern Stühlen erhob. Guert flüsterte Etwas herüber, indem er die Treppen hinab eilte, um ihnen beim Einsteigen in den Wagen die Hand zu bieten, als die Gemeinde entlassen wurde, und bat mich zugleich, in Betreff der Verabredung für den nächsten Tag pünktlich die Zeit einzuhalten. Was er mit dieser letzteren Erinnerung meinte, begriff ich nicht; denn die Berge begannen schon ihre nackte Brust zu zeigen, und es war in der That zum Erstaunen, mit welcher Schnelligkeit eine ziemlich ungewöhnliche Masse Schnee verschwunden war Ich hatte keine Zeit, mir eine Erklärung auszubitten, da Guert zu beschäftigt war, den Damen in den Wagen zu helfen, das Wetter aber von der Art, daß ich keinen Augenblick länger auf der Straße verweilen mochte, als unerläßlich nothwendig war.

Während der Nacht trat eine Wetterveränderung ein; der Regen hatte aufgehört, obgleich die Luft noch mild blieb und der Wind noch immer von Süden wehte. Es war der Anfang des Frühjahrs; und wie ich nach Guert Ten Eyck's Hause spazierte, um ihn beim Frühstück zu treffen, bemerkte ich, daß schon verschiedene Fuhrwerke mit Rädern in den Straßen in Bewegung waren, und mehrere Personen Miene machten, ihre Schlitten von allerlei Art, als jetzt nicht mehr anwendbar, für den nächsten Winter zurückzustellen. Allerdings tritt bei uns das Frühjahr nicht so plötzlich ein, als in einigen Ländern der alten Welt, wovon ich gelesen habe; aber wenn der Schnee und der Winter bis in den März hinein währen, wie dieß im Jahr 1758 der Fall gewesen war, so ist der Wechsel oft beinahe wie durch Zauber bewirkt.

»So geht nun also das Frühjahr auf,« sagte ich zu Dirck, als wir durch die reichlich von Wasser bespülten Straßen schritten; »und in wenigen Wochen müssen wir fort in den Bush. Unser Geschäft mit dem Patentland müssen wir abgemacht haben, ehe die Truppen sich in Bewegung gesetzt, sonst verlieren wir die Gelegenheit einen Feldzug zu sehen.«

Mit solchen Erwartungen und Gedanken betrat ich Guert's Junggesellenresidenz; und meine ersten Worte sprachen meine Theilnahme wegen seines, wie ich annahm, vereitelten Planes aus.

»Es ist Jammerschade,« begann ich, »daß Ihr den Ladies nicht für Samstag eine Fahrt vorgeschlagen habt; denn das war nicht blos ein milder Tag, sondern die Schlittenbahn war auch vortrefflich. So aber werdet Ihr Euren Triumph wohl bis zum nächsten Winter verschieben müssen.«

»Ich verstehe Euch nicht,« rief Guert. »Jack und Moses waren nie munterer und nie in besserem Stande. Ich glaube, sie leisten es, in zwei Stunden nach Kinderhook zu laufen!« »Aber Wer wird uns die Wege mit Schnee füllen? Wenn Ihr zum Fenster hinausschaut, werdet Ihr sehen, daß die Straßen beinahe von Schnee entblößt sind.«

»Straßen und Wege! Wer fragt darnach, so lange wir den Fluß haben? Wir benützen hier oft Wochenlang an Einem fort den Fluß, nachdem der Schnee uns verlassen hat. Das Eis ist diesen ganzen Winter über ausgezeichnet gewesen, und jetzt, nachdem der Schnee weg ist, hat es auch keine Gefahr mehr wegen der Luftlöcher.«

Ich gestehe, der Gedanke, zwanzig Meilen weit auf dem Eis zu reisen, behagte mir nicht sonderlich, aber ich war viel zu sehr ein Mann, um Einwendungen zu machen.

Wir frühstückten, und begaben uns dann miteinander nach der Wohnung Herman Mordaunt's. Anfangs, als die Ladies hörten, daß wir gekommen seyen, um die Erfüllung des halben Versprechens zu verlangen, das sie bei Madame Schuyler gegeben, war ihre Ueberraschung nicht geringer, als die meinige eine halbe Stunde zuvor gewesen war, ihr Unbehagen aber vermutlich viel größer.

»Gewiß können Jack und Moses nicht alle ihre edeln Eigenschaften bewähren ohne Schnee!« rief Anneke lachend, »obgleich sie beide Ten Eyck's sind.«

»Wir Albanier haben den Vortheil, auf dem Eis reisen zu können, wenn uns der Schnee im Stich läßt,« antwortete Guert. »Der Fluß ist ganz in der Nähe, und nie war die Schlittenbahn darauf besser als in diesem Augenblick.«

»Aber wohl oft sicherer, sollte ich meinen. Es sieht jetzt ganz so aus, als ob der Winter sich brechen und Abschied nehmen wollte.«

»Das ist ganz wahrscheinlich und um so mehr ein Grund, es nicht aufzuschieben, wenn Ihr und Miß Mary überhaupt Euch überzeugen wollt, was die Rappen leisten können. Um der Ehre Hollands willen wünsche ich es, sonst würde ich nicht so kühn seyn. Ich fühle jede herablassende Güte der Art, welche mir von Euch zwei Ladies zu Theil wird, in einer Art, die ich gar nicht beschreiben kann; denn Niemand weiß besser als ich, wie wenig ich der mindesten Beachtung von Eurer Seite werth bin.«

Auf diese Worte zeigte sich sofort in dem milden Angesicht von Mary Wallace die Geneigtheit nachzugeben. Guert's Selbsterniedrigung verfehlte nie diese Wirkung hervorzubringen. Es lag so viele offenbare Wahrhaftigkeit in seinem Zugeständniß, eine so aufrichtige Bereitwilligkeit, die Stelle einzunehmen, welche ihm Natur und Bildung oder richtiger der Mangel an Bildung anwies, und besonders eine so innige, sich unterordnende Anerkennung der geistigen Überlegenheit Mary's selbst, daß das weibliche Herz unmöglich widerstehen konnte. Zu meiner Ueberraschung war die Geliebte Guert's, ganz entgegen ihrer Gewohnheit in solchen Dingen, die Erste, welche ihm beitrat und seinen Vorschlag unterstützte. Da Herman Mordaunt in diesem Augenblick in das Zimmer trat, wurde die ganze Sache an ihn verwiesen, wie dieß billiger Weise geschehen mußte.

»Ich erinnere mich vor wenigen Jahren auf dem Hudson gereist zu seyn,« versetzte Herman Mordaunt, »die ganze Strecke von Albany bis Sing-Sing, und es war eine treffliche Fahrt; eine viel bessere, als wenn wir zu Lande gereist wären, denn es lag wenig oder gar kein Schnee.«

»Gerade wie es jetzt der Fall ist, Miß Anneke!« rief Guert. »Eine gute Schlittenbahn auf dem Fluß, aber keine auf dem Land.«

»War es damals auch gegen Ende März, lieber Papa?« fragte Anneke etwas ängstlich.

»Nein, allerdings nicht, es war zu Anfang Februars. Aber das Eis muß im jetzigen Augenblick beinahe achtzehn Zoll dick seyn, und stark genug. um einen beladenen Heuwagen zu tragen.«

»Ja, Masser Herman,« bemerkte Cato, ein grauköpfiger Schwarzer, der seinen Herrn nie mit einem andern Namen genannt hatte, da er ihn von Kind an kannte; »ja, Masser Herman, eine Last Heu kommt herüber in dieser Minute.« Es schien unvernünftig, der Stärke des Eises zu mißtrauen, nach diesem Beweise für die entgegengesetzte Meinung, und Anneke ergab sich darein. Die Partie wurde sofort verabredet und zwar in folgender Weise: die zwei Ladies, Guert und ich sollten von den Rappen gezogen werden, während Herman Mordaunt, Dirck und Wen sie sonst noch anwerben möchten, in dem New-Yorker Schlitten folgen sollten. Man hoffte, eine ältliche Verwandte, Mrs. Bogart, welche in Albany wohnte, würde sich dazu verstehen von der Gesellschaft zu seyn, und der Plan war, eine den Mordaunt's verwandte Familie zu Kinderhook zu besuchen und miteinander zu Mittag zu speisen. Während die Schlitten in Bereitschaft gesetzt wurden, begab sich Herman Mordaunt nach dem Hause der Mrs. Bogart, trug seine Bitte vor, und erreichte seine Absicht.

Die Glocke auf dem Thurm der englischen Kirche schlug Zehn, als beide Schlitten von Herman Mordaunt's Hausthüre wegfuhren. Es lag im buchstäblichen Sinne kein Schnee mehr in der Mitte der Straßen; in der Nähe der Häuser jedoch fand sich, mit Eis untermischt, dessen noch genug, um bis zur Fähre hinab gelangen zu können, dem Punkt, wo die Schlitten gewöhnlich auf den Strom hineinfuhren. Hier hielt Herman Mordaunt, welcher voranfuhr, seine Pferde an und wandte sich um, mit Guert sich zu besprechen, ob es passend und gerathen sey, weiter zu fahren. Das Eis in der Nähe des Ufers war offenbar in Bewegung gesetzt worden, denn der Fluß war um einen oder zwei Fuß gestiegen, in Folge des Windes und Thauwetters, und eine Art Eiswelle war am Land aufgeworfen, über welche man durchaus hinüber mußte, um auf den eigentlichen Fluß zu gelangen. Da die Spitze dieses Eisrückens oder dieser Eiswelle gebrochen war, so kam ein Riß zum Vorschein, welcher uns möglich machte, die Dicke des Eises zu sehen, und darauf wies Guert hin, als einen Beweis seiner Stärke. Es war auch nichts Ungewöhnliches an einer kleinen Bewegung der Eisdecke des Flusses, wie sie die Strömung öfters verursacht; und wenn nicht die ungeheuern Eisflächen weiter unten sich in Bewegung setzten, so war es für die obern in der That unmöglich, ihre Lage wesentlich zu verändern. Auch passirten noch immer Schlitten, welche Heu von den Ebenen des westlichen Ufers nach der Stadt führten, und so besann man sich nicht länger. Herman Mordaunt's Schlitten fuhr langsam über den Eishügel, weil man Sorge tragen mußte für die Füße der Pferde, und der unsrige folgte ebenso vorsichtig, obgleich die Rappen über den Spalt sprangen, trotz der Bemühungen ihres Herrn.

Sobald wir jedoch auf dem Fluß uns befanden, gab Guert seinen Rappen die Peitsche, ließ ihnen die Zügel schießen, und dahin flogen wir wie der Wind. Der glatte Eisspiegel des Hudson war unsere Straße, denn das Thauwetter hatte sehr wenige Spuren übrig gelassen. Das Wasser war alles durch Risse und Spalten irgend einer Art unter das Eis abgeflossen, und so hatten wir eine ebene, trockene Fläche, auf der wir dahinfuhren. Der Wind wehte noch von Süden, doch nicht eigentlich mehr warm, während eine glänzende, unumwölkte Sonne dazu beitrug, die Fahrt so lustig für das Auge zu machen, als sie unserer Empfindung angenehm war. In wenigen Minuten war jede Spur von Mißbehagen verschwunden, dahin flogen wir, und die Rappen rechtfertigten vollkommen ihres Herrn Lobsprüche und Rühmen; sie schienen kaum das Eis zu berühren, von welchem ihre Füße, wie von einer geheimen Federkraft getrieben, emporzuschnellen schienen. Herman Mordaunt's Rothbraunen folgten uns auf dem Fuß, und die Schlitten hatten binnen zwanzig Minuten, seit sie den Fluß berührt, schon die bekannte Untiefe von Overslaugh passirt.

Jeder Amerikaner aus dem Norden ist wohl bekannt mit der Wirkung, welche die Bewegung eines Schlittens unter begünstigenden Umständen auf die Stimmung und Laune hervorbringt. Hätte unsere Gesellschaft ganz aus Albaniern bestanden, so wäre wahrscheinlich der Genuß und die Freude ganz ungetrübt gewesen, denn die Gewohnheit würde alle Besorgniß ausgeschlossen haben; aber es bedurfte der oben genannten Frist, um Anneke'n und Mary Wallace volles Vertrauen zu dem Eis einzuflößen. Bis wir jedoch Overslaugh erreichten, war ihre Angst verschwunden; und Guert bestärkte sie in ihrem Sicherheitsgefühl dadurch, daß er sie auf die Töne von den Hufschlägen seiner Pferde aufmerksam machte, welche allerdings den Eindruck machten, daß man sich auf einem festen Grund bewege.

Mary Wallace war nie früher in meiner Gegenwart so munter gewesen, wie sie an diesem Morgen erschien. Ein oder zweimal däuchten mir ihre Augen fast so glänzend wie die Anneke'ns, und gewiß war ihr Lachen ebenso süß und musikalisch. Beide Mädchen waren von glänzendster Laune, und ein paar Kleinigkeiten fielen vor, welche in mir die Hoffnung erweckten, Bulstrode habe keinen Grund, sich seiner Sache so gewiß zu glauben, als dieß manchmal bei ihm der Fall zu seyn schien. Eine zufällige Bemerkung Guert's entlockte Anneke'n einige Herzensmeinungen in Bezug auf diesen Punkt – oder wenigstens schienen sie mir das zu seyn.

»Ich bin erstaunt, daß Mr. Mordaunt vergaß, den Mr. Bulstrode einzuladen, an unsrer heutigen Partie Theil zu nehmen,« rief Guert, als wir über Overslaugh hinaus waren. »Der Major ist ein Freund vom Schlittenfahren, und er würde ganz angenehm den vierten Sitz im andern Schlitten ausgefüllt haben. Aber ein Platz in diesem – der wäre ihm verweigert worden, und wenn er selbst ein General wäre!«

»Mr. Bulstrode ist ein Engländer,« versetzte Anneke lebhaft, »und bildet sich ein, amerikanische Ergötzlichkeiten stünden unter dem Geschmack eines Mannes, der am Hofe von St. James präsentirt worden ist.«

»Nun, Miß Anneke, ich kann nicht sagen, daß ich in dieser Eurer Ansicht von Mr. Bulstrode ganz mit Euch übereinstimme,« erwiederte Guert unschuldig. »Es ist wahr, er ist ein Engländer; er hält es für einen Vorzug, wie auch Corny Littlepage hier; aber wir müssen der Liebe zum Heimathland und dem Mißtrauen gegen Ausländisches doch immer Etwas nachsehen.«

»Corny Littlepage hier ist nur halbenglisch, und diese Hälfte ist in der Colonie geboren und erzogen,« versetzte das lachende Mädchen, »und er hat die Schlitten geliebt von der Zeit an, wo er zuerst einen Berg herunter glitt –«

»Ach, Miß Anneke, laßt mich Euch bitten –«

»Oh, ich beabsichtige gar keine Anspielung auf die holländische Kirche und deren Umgebungen; – aber die Spiele der Kindheit sind uns immer theuer, sowie manchmal auch deren Leiden. Gewohnheit und Vorurtheil sind innig verschwistert; und ich sehe nie einen dieser Gentlemen aus dem Mutterlande ein ungewöhnliches Interesse an einem der eigenthümlichen Bräuche unsrer Colonie an den Tag legen, ohne daß ich gegen ein ungewöhnliches Maß von Gefälligkeit einiges Mißtrauen fühle, oder eine Art von Genuß bei ihm vermuthe, die wir eigentlich nicht theilen können.«

»Ist das ganz billig gegen Bulstrode, Miß Anneke?« wagte ich zu fragen. »Er scheint Gefallen an uns zu finden, und ich bin gewiß, er hat allen Grund dazu. Daß er an Einigen von uns Wohlgefallen findet, ist zu augenfällig, als daß es sich verhehlen oder abläugnen ließe.«

»Mr. Bulstrode ist ein geschickter Schauspieler, wie Allen bekannt seyn muß, die seinen Cato gesehen haben,« entgegnete das reizende Mädchen, ihre schmollenden Lippen in einer Art zusammenziehend, die mir unaussprechlich lieblich erschien; »und Wer seinen Cerub gesehen, muß auch von der Biegsamkeit seiner Talente überzeugt seyn. Nein, nein; Major Bulstrode ist besser da wo er ist, oder heute um vier seyn wird, – oben am Tische der Offiziersgesellschaft des ––ten Regiments, als daß er in einem hübschen holländischen Gesellschaftszimmer speiste bei meiner Cousine, der würdigen Mrs. Van der Heyden, bei einem Mittagessen, mit einer Gastlichkeit, einer Herzlichkeit und einer Einfachheit bereitet und geboten, wie sie nun einmal in der Colonie zu Hause sind. Die Bewirthung, die uns heute zu Theil werden wird, versüßt durch einen vom Herzen gebenden Willkomm, kann nicht ihres gleichen haben und keine Gunst finden in Ländern, wo man zwei Tage vor einem Besuch einen Boten schicken muß, sich die Erlaubniß auszubitten, zu kommen, wenn man nicht kalten Blicken und einer erkünstelten Ueberraschung sich aussetzen will. Ich würde immer vorziehen, lieber das Herz meiner Freunde als ihren Kopf zu überraschen.«

Guert drückte sein Erstaunen aus, daß irgend ein Mensch nicht jederzeit erfreut und willig seyn sollte, seine Freunde bei sich zu empfangen, und blieb dabei, daß keine so ungastliche Sitten existiren könnten. Ich jedoch wußte, daß die Gesellschaft in alten und in neuen Ländern nicht auf dem gleichen Fuß bestehen könne, – bei einem Volke, auf welches seine große Zahl drückte, und bei einem solchen, welches die Uebel und Leiden der Uebervölkerung noch nicht empfunden hatte. Die Amerikaner sind Leute, die auf dem Land wohnen und sich immer freuen, ihre Freunde bei sich zu sehen; und ich erlaubte mir einige Bemerkungen über die Ursachen dieser abweichenden Sitten und Gewohnheiten.

Nichts der Erwähnung Werthes fiel vor auf unsrer Fahrt nach Kinderhook, Mrs. Van der Heyden hatte ihre Wohnung in einer kleinen Entfernung vom Strom, und die Rappen und die Rothbraunen hatten einige Mühe, uns durch den Koth vor ihre Hausthüre zu schleppen. Aber sobald wir uns dort befanden, rechtfertigte und bestätigte der Empfang, der uns daselbst wurde, vollkommen die Theorie von den Gewohnheiten und Sitten der Colonie, welche während unsrer Herfahrt besprochen worden war. Anneke'ns würdige Verwandte freute sich nicht nur, sie zu sehen, was wohl die Empfindung eines Jeden gewesen seyn würde, sondern sie hätte auch mit Freuden so Viele aufgenommen, als ihr Haus nur immer fassen konnte. Wenige Entschuldigungen waren nöthig, denn wir Alle waren willkommen. Daß der Besuch ihr Mittagessen um eine Stunde hinausschieben würde, gestand sie offen, – aber das hatte Nichts zu bedeuten; und Kuchen und Wein wurden uns einstweilen vorgesetzt, falls wir in Folge der zweistündigen Fahrt Hunger verspürten. Guert ward gebeten, sich alle Freiheit zu nehmen und in die Ställe zu gehen, um seine Befehle zu ertheilen. Mit Einem Wort, unser Empfang war gerade so, wie wohl jeder Colonist ihn gefunden hat, wenn er unerwarteter Weise einen Freund oder den Freund eines Freundes besuchte. Unser Mittagessen war vortrefflich, obwohl ohne viele Förmlichkeiten. Der Wein war gut; denn der Mrs. Van der Heyden verstorbener Gatte war ein Kenner dessen, was in dieser Hinsicht wünschenswert war, gewesen. Alle waren in guter Laune; und unsre Wirthin bestand darauf, uns vor unsrer Abfahrt auch noch den Kaffee zu reichen.

»Der Mond wird am Himmel stehen, Cousin Herman,« sagte sie, »und die Nacht wird hell und angenehm werden. Guert kennt den Weg, welcher nicht wohl verfehlt werden kann, da er auf dem Fluß hin geht; und wenn Ihr mich um acht Uhr verlaßt, so werdet Ihr Eure Heimath gerade zu rechter Zeit erreichen, um Euch zur Ruhe zu begeben. Ich sehe Euch so gar selten, daß ich das Recht habe, jede Minute in Anspruch zu nehmen, die Ihr erübrigen könnt. Wir haben uns noch so Viel zu sagen von unsern alten Freunden und beiderseitigen Verwandten.«

Wenn solche Worte begleitet sind von Mienen und Werken, welche ihre Aufrichtigkeit beweisen, so ist es nicht leicht, sich von einem angenehmen Hause loszureißen. Wir plauderten darauf los, lachten, lauschten auf Geschichten und Colonie-Anekdoten, welche uns auf den letzten Krieg zurückführten, und hörten eine Menge Lobsprüche auf schöne Männer und Frauen, die wir jungen Leute unser ganzes Leben lang als achtbare, ältliche, ganz alltägliche Personen betrachtet hatten.

Endlich kam die Stunde heran, wo Mrs. Bogart selbst zugab, daß wir abreisen müßten. Anneke und Mary wurden geküßt, in ihre Pelze eingewickelt und noch einmal geküßt, und dann nahmen wir unsern Abschied. Als wir das Haus verließen, bemerkte ich, daß die Uhr auf dem Gang Acht schlug. In wenigen Minuten hatten Alle ihre Plätze eingenommen, und die Läufe der Schlitten schlugen Feuer aus den Steinen des von Schnee entblößten Bodens. Es war weniger schwierig, das Ufer des Stroms hinunter als hinaufzufahren, obwohl kein Schnee mehr dort lag. Es war nicht eigentliche Frierkälte, auch hatte es seit dem Beginn des Thauwetters nicht mehr eigentlich gefroren, aber der Grund war doch seit dem Verschwinden der Sonne etwas starr geworden. Ich war sehr erfreut, als die Rappen auf das Eis sprangen und uns auf unsrem Heimwege fast mit noch größerer Geschwindigkeit dahin wirbelten, als sie am Morgen auf dem Herweg bewährt hatten. Ich dachte, es sey hohe Zeit, daß wir uns zur Heimkehr in Bewegung setzten; und in Bewegung waren wir jetzt, wenn man ein Dahinfliegen zu elf Meilen in der Stunde so nennen durfte.

Das Licht des Mondes war nicht klar und glänzend, denn es war ein Dunst in der Atmosphäre, wie es leicht der Fall ist bei mildem Wetter im März; aber es war doch hell genug, daß Guert mit so großer Geschwindigkeit als nur wünschenswerth war, zufahren konnte. Wir waren Alle in bester Laune; wir zwei jungen Männer um so mehr, als Jeder von uns sich einbildete, an diesem Tage Anzeichen bemerkt zu haben, daß ein zärtliches Interesse für ihn in der Brust seiner Geliebten vorhanden sey. Mary Wallace hatte mit ächt weiblichem Takt es so zu lenken gewußt, daß ihr Anbeter selbst in weiblicher Gesellschaft als ein ganz anständiger und achtbarer Mann erschien, und ihn zur Aeußerung von manchen Ansichten und Gefühlen veranlaßt, welche ein edles Gemüth und ein männliches Herz, wenn auch nicht einen gebildeten Geist beurkundeten; und Guert hatte Zuversicht und Selbstvertrauen gewonnen und dadurch auch die Mittel, seine Gaben in ein günstiges Licht zu stellen. Was Anneke betrifft, so kannte sie jetzt meinen Zweck, und ich hatte einiges Recht, gewisse kleine Symptome von Gefühl, welche sie im Verlaufe des Tages kund gab, zu meinen Gunsten zu deuten. Ich bildete mir ein, ihre Stimme, so sanft sie immer war, werde noch sanfter, und ihr Lächeln noch süßer und gewinnender, wenn sie mich anredete oder gegen mich lächelte; und sie that beides gerade in genügendem Maße, so daß sie nicht fremd, und doch gerade so wenig, daß etwas Bewußtes dabei zu Grunde zu liegen schien; wenigstens waren dieß die Vermuthungen und Deutungen eines Menschen, der, wie ich glaube, nicht mit Recht eines zu starken Selbstvertrauens beschuldigt werden konnte, und dessen natürliche Schüchternheit noch gesteigert wurde durch die sich selbst mißtrauende Verzagtheit der reinsten Liebe.

Dahin fuhren wir, und Guerts verwickeltes Glockengeläute machte mit seinem lustigen Geklingel eine solche Musik, daß man es eine Meile weit hören mußte; die Pferde knirschten an den Gebissen, denn sie wußten, daß ihr eigner Stall am Endpunkt ihrer Tagereise lag, und Herman Mordaunt's Rothbraunen waren uns immer so nahe, daß, trotz des Lärmens, welchen wir mit unsern Glocken machten, der Schall der seinigen uns doch beständig im Ohre klang. Eine Stunde verstrich rasch, und wir waren schon an Coejeman's vorbei, und hatten einen Weiler, der sich am Strand hin erstreckte und unmittelbar unter der hohen Hügeleinfassung des Stromes lag, in trüber, dämmernder Ferne im Gesicht. Dieser Ort ist seitdem unter dem Namen Monkey-Town bekannt geworden, und ist insofern nicht unbedeutend, als es die erste Häusergruppe an den Ufern des Hudson ist, wenn man Albany verlassen hat. Ich glaube fast, es hat einen andern offiziellen Namen, aber Guert gab ihm die erwähnte Benennung.

Ich habe gesagt, die Nacht habe ein trübes, nebliges Licht gehabt, indem der Mond am Himmel hinschiffte durch einen tiefen, aber dünnen Ocean von Duft. Wir sahen die Ufer deutlich genug, und wir sahen die Häuser und Bäume, aber es war schwer, kleinere Gegenstände in einiger Entfernung zu unterscheiden. Im Verlaufe des Tages waren etwa zwanzig Schlitten uns begegnet oder an uns vorbeigekommen, aber zu dieser Stunde schien Jedermann außer uns den Fluß verlassen zu haben. Es wurde spät, nach den einfachen Lebensgewohnheiten derjenigen, welche an seinen Ufern wohnten. Als wir uns halbwegs zwischen den Inseln gegenüber von Coejeman's und dem eben erwähnten Flecken befanden, benachrichtigte uns Guert, welcher aufrecht dastand, um zu kutschiren, daß Leute, die auch spät auf der Bahn seyen, wie wir, herabkamen. Die Pferde der Fremden liefen in sehr starkem Trott und der Schlitten schlug sichtlich die Richtung nach dem westlichen Ufer ein, wie wenn dessen Insaßen in nicht großer Entfernung ans Land zu gehen beabsichtigten. Wie er an uns vorbeikam, mit großer Schnelligkeit, rief uns eine männliche Stimme Etwas in sehr hohem und lautem Tone zu, aber unsre Glocken machten ein solches Getöse, daß es nicht leicht war, ihn zu verstehen. Auch sprach er holländisch, und das Ohr von Keinem von uns, Guert ausgenommen, war mit dieser Sprache vertraut genug, um sonderlich schnell zu fassen, was er sagte. So blieb denn sein Zuruf unbeachtet; und dergleichen Dinge kamen gar häufig vor bei den Holländern, welche selten auf der Landstraße an einander vorbeifuhren, ohne sich auf die eine oder die andere Art zu grüßen. Ich dachte über diesen Brauch nach und über die Punkte, welche unsre Art und Weise von denen der Leute in diesem Theil der Colonie unterschieden, als Schlittenglocken ganz in meiner Nahe ertönten, und als ich den Kopf umwandte, sah ich Herman Mordaunt's Rothbraunen ganz dicht hinter uns galoppirend, als wünschte er uns gleich zu kommen. Im nächsten Augenblicke hatte er seinen Zweck erreicht und Guert hielt seine Pferde an.

»Habt Ihr den Mann verstanden, welcher flußabwärts fuhr, Guert?« fragte Herman Mordaunt, sobald alles Getöse verstummt war. »Er rief uns zu, so laut er konnte, und hätte das schwerlich ohne einen bestimmten Zweck gethan.«

»Diese Leute gehen nach einem Besuch in Albany selten heim, ohne ihre Krüge zu füllen,« versetzte Guert trocken; »was konnte er uns weiter zu sagen haben, als uns gute Nacht zu wünschen?«

»Ich weiß es nicht; aber Mrs. Bogart meinte, sie habe Etwas vernommen von Albany und vom Fluß.«

»Die Ladies bilden sich immer ein, Albany versinke nach einem starken Thauwetter in den Fluß,« antwortete Guert launig; »aber ich kann ihnen Beiden zeigen, daß das Eis sechszehn Zoll dick ist hier, wo wir uns befinden.«

Dann gab mir Guert die Zügel, sprang aus dem Schlitten, ging eine kleine Strecke weit zu einem großen Spalt, den er gesehen, während er sprach, und kam zurück, einen Daumen an den Griff der Peitsche haltend, als Maßstab um zu zeigen, daß seine Behauptung richtig war. Wirklich betrug die Dicke des Eises an dieser Stelle wohl näher an achtzehn als an sechszehn Zoll. Herman Mordaunt zeigte der Mrs. Bogart das Maß, deren Besorgniß durch diesen triftigen Beweis beschwichtigt ward. Weder Anneke noch Mary zeigten irgend Furcht; sondern im Gegentheil, als die Schlitten sich wieder trennten, hatte Jede eine scherzhafte, aber ächt weibliche Bemerkung zu machen, auf Kosten der Einbildungskraft der armen Mrs. Bogart.

Ich war, glaube ich, die einzige Person in unserm Schlitten, welche nach diesem kleinen Vorfall Unruhe empfand. Warum gerade mich Besorgniß anwandelte, vermag ich nicht genau anzugeben. Es muß ganz um Anneke'ns willen und nicht im Mindesten um meiner selbst willen gewesen seyn. Solche Unfälle, wie das Einbrechen von Schlitten kamen auf unsern Seen und Flüssen in New-York beinahe jeden Winter vor, und oft ertranken Pferde, obgleich die Folgen selten auch für deren Eigenthümer so ernsthaft wurden. Ich vergegenwärtigte mir die Zerbrechlichkeit des Eises, die nothwendigen Wirkungen des starken Thauwetters und des heftigen Regens, und bedachte, daß gefrorenes Wasser noch so ziemlich seine anscheinende Dichtigkeit behalten könne, nachdem seine Festigkeit schon gewaltigen Abbruch erlitten. Aber ich konnte Nichts thun! Wenn wir landeten, so wären die Straßen nicht fahrbar für Schlittenläufe, kaum für Räder gewesen, und binnen noch einer Stunde konnten die Ladies, mittelst des Flusses, in ihrer behaglichen Heimath sich befinden. Der Tag jedoch, der, bis zu dem Augenblick, wo wir dem unbekannten Schlitten begegneten, der allerglücklichste meines Lebens gewesen war, hatte plötzlich in meinen Augen ein ganz verändertes Ansehen bekommen und ich betrachtete ihn nicht mehr mit Freude und Wohlgefallen. Wäre Anneke zu Hause gewesen, so hätte ich mit Freuden einen Vertrag eingegangen, als Bedingung ihrer Sicherheit selbst eine ganze Woche auf dem Eise zuzubringen. An die Andern dachte ich nur wenig, zu meiner Schande sey es gesagt, obwohl ich nicht so ungerecht gegen mich selbst seyn kann, zu glauben, daß ich, wenn Anneke weg gewesen wäre, auch nur ein Pferd verlassen haben würde, so lange noch Hoffnung war, es zu retten.

Dahin fuhren wir! Guert fuhr rasch, aber mit Einsicht, und es schien, als wüßten seine Rappen, was man von ihnen erwartete.

Es dauerte nicht lange, so trabten wir an dem erwähnten Flecken vorbei. Es schien, daß die Glocken der beiden Schlitten die Aufmerksamkeit der Leute an der Küste auf sich zogen, welche insgesammt noch nicht zu Bette gegangen waren; denn die Thüre eines Hauses ging auf, und zwei Männer traten heraus, uns anstarrend, als wir vorbeifuhren in einem Schritt, der es Jedem schwer gemacht hätte, uns einzuholen. Auch diese Männer schrieen uns auf Holländisch zu, und wieder galoppirte Herman Mordaunt an unsern Schlitten heran, um mit uns zu sprechen.

»Habt Ihr diese Männer verstanden?« rief er, denn dießmal beliebte es Guert nicht, seine Pferde anzuhalten: »auch sie hatten uns Etwas zu sagen.«

»Diese Leute haben einem Schlitten von Albany immer Etwas zu sagen, Mr. Mordaunt,« antwortete Guert, »obwohl nicht oft Etwas, worauf zu hören gut und gerathen ist.«

»Aber Mrs. Bogart meint, sie haben auch wieder Etwas von Albany und von dem Fluß uns zugerufen.«

»Ich verstehe so gut Holländisch als die treffliche Mrs. Bogart,« sagte Guert etwas trocken, »und ich habe Nichts gehört, während ich mir einbilde, mich etwas besser auf den Fluß zu verstehen. Dieß Eis würde ein Dutzend Lasten Heu in Einer Linie tragen.«

Dieß stellte wieder Herman Mordaunt und die Ladies zufrieden, aber mich nicht. Unsre Glocken machten ein vierfach so starkes Getöse als die von Herman Mordaunt's Schlitten; und es war sehr wohl möglich, daß eine Person, welche vollkommen gut Holländisch verstand, einen Anruf in dieser Sprache deutlich vernahm, wenn sie in seinem Schlitten saß, während derselbe Zuruf von derselben Person nicht verstanden worden wäre, wäre sie in Guert's Schlitten gesessen. Wir hielten aber nicht an, sondern ließen die Pferde weiter traben, und eine weitere Meile ward zurückgelegt, ehe ein neues Vorkommniß unsre Aufmerksamkeit erregte.

Fröhliches Lachen erschallte wieder unter uns, denn Mary Wallace verstand sich dazu, ein Lied zu singen, welches einen etwas komischen Anstrich bekam durch die Begleitung der Schlittenglocken. Dieses Lied, oder vielmehr die paar Verse dieses Liedes, denn die Sängerin kam nicht weiter wegen der sogleich zu erwähnenden Unterbrechung, hatte meine und Guert's Aufmerksamkeit nach hinten und von den Pferden abgezogen, als ein sausender Ton gehört ward, worauf sogleich ein lauter Ruf folgte. Ein Schlitten fuhr, nur zehn Schritte von uns entfernt, stromabwärts an uns vorbei, und der sausende Ton rührte von dem dahin schnurrenden Schlitten her, der Ruf aber von einem einzigen Mann darin, welcher aufrecht dastand, die Peitsche schwang und uns mit lauter Stimme Etwas zurief, so lange man ihn hören konnte. Dieß dauerte jedoch nur einen Augenblick, da seine Pferde in vollem Rennen waren; und das Letzte, was wir von dem Manne bei dem dürftigen Mondschein sehen konnten, war, daß er die Peitsche gegen sein Gespann gewendet hatte, um es zu noch rascherem Lauf anzutreiben. In einem Augenblick war Herman Mordaunt wieder an unserer Seite, zum dritten Mal diesen Abend, und rief uns etwas gebieterisch zu, anzuhalten.

»Was mag das Alles zu bedeuten haben, Guert?« fragte er. »Dreimal sind uns Warnungen in Betreff Albany's und des Flusses zugerufen worden. Ich habe diesen Mann selbst diese beiden Worte aussprechen hören und kann mich nicht getäuscht haben.« »Ich glaube gern, Sir, daß Ihr Etwas der Art gehört haben mögt,« antwortete der noch immer ungläubige Guert; »denn diese Burschen haben gewöhnlich eine Unverschämtheit in Bereitschaft, wenn sie an einem Gespann vorbeifahren, welches besser ist als das ihrige. Meine Rappen da, Herman Mordaunt, erregen nicht geringen Neid, wohin ich mit ihnen komme; und ein Holländer wird Euch eher jeden andern Vorzug verzeihen, als sich gefallen lassen, daß Ihr ein besseres Gespann habt als er. Dieser letzte Mann hatte überdieß einen Sparren im Kopf und treibt in diesem Augenblick sein Vieh an mehr wie ein Narr als wie ein menschliches vernünftiges Wesen. Ich glaube fast, er fragte uns, ob uns Albany und der Fluß gehöre.«

Guert's Hinweisung auf seine Pferde erregte allgemeines Lachen, und das Lachen ist der kalten Ueberlegung nicht eben günstig. Wir Alle schauten in die feierliche, schweigende Nacht hinaus, warfen unsere Blicke auf die weite und lange Linie des Stromes, auf welchem wir uns befanden, und sahen Nichts als den Frieden und die Ruhe der Natur, weiche bei der Einsamkeit und Stille der Stunde einen mächtigen, ehrfurchtgebietenden Eindruck machte. Guert wiederholte lächelnd seine Versicherungen, daß Alles in Ordnung sey, und fuhr weiter. Dahin flogen wir wieder! Guert trieb sichtlich seine Pferde an, als wünsche er doch sehnlich, dieser Angst sobald als möglich enthoben zu seyn. Die Rappen flogen mehr als sie liefen , und wir begannen eben uns Alle der Heiterkeit zu überlassen, welche eine so schnelle und leichte Bewegung hervorruft, als ein Laut, den man etwa dem des gleichzeitigen Knalles von tausend abgefeuerten Büchsen vergleichen mochte, sich vernehmen ließ, und beide Schlittenlenker veranlaßte, Halt zu machen; die Schlitten hielten beide ganz nahe bei einander und beinahe in demselben Augenblick; ein leiser Ausruf entfuhr der alten Mrs. Bogart, Anneke aber und Mary blieben stumm wie der Tod.

»Was bedeutet dieser Laut?« fragte Herman Mordaunt; und die Unruhe, die er empfand, verrieth sich sogar im Tone seiner Stimme. »Es scheint Etwas nicht richtig zu seyn.«

»Es ist Etwas nicht richtig,« versetzte Guert kaltblütig aber mit großer Bestimmtheit; »und es ist Etwas, wornach man sehen muß.«

Wie er dieß sagte, sprang Guert auf das Eis, auf welches er mit der Ferse nachdrücklich stampfte, um sich von seiner Festigkeit zu versichern. Ein zweites Krachen ward vernommen, und zwar offenbar hinter uns. Guert schaute mit angestrengtem Blicke flußabwärts; dann legte er den Kopf ganz nahe an den Spiegel des Eises und schaute wieder hinab. Zu derselben Zeit folgten drei oder vier jener erschreckenden Laute in sehr kurzen Pausen auf einander. Guert sprang augenblicklich wieder auf.

»Jetzt verstehe ich es,« sagte er, »und finde, daß ich doch zu zuversichtlich gewesen bin. Das Eis jedoch ist stark und sicher, und wir haben von seiner Schwäche Nichts zu fürchten. Vielleicht wäre es aber doch besser den Fluß zu verlassen, obwohl ich keineswegs überzeugt bin, ob nicht das Gerathenste wäre, weiter zu fahren.«

»Laßt uns auf einmal die ganze Gefahr wissen, Mr. Ten Eyck,« sagte Herman Mordaunt, »damit wir uns entscheiden, was zu thun das Beste sey«

»Ha, Sir, ich fürchte, das Thauwetter und der Regen zusammen haben eine solche Masse Wasser in den Fluß geworfen, und so zu sagen ganz auf einmal, daß das Eis emporgehoben und von den Ufern stückweise losgebrochen wurde. Wenn dieß oben geschieht, ehe das Eis unten verschwunden ist, so werden dadurch manchmal Dämme gebildet, welche eine solche Wucht aufhäufen, daß die ganze Eisebene weit hinunter zu gebrochen wird, und Mauern von Eisschollen bis zu zwanzig Fuß hoch sich bilden. Dieß ist noch nicht geschehen, und deßwegen auch keine unmittelbare Gefahr vorhanden, aber wenn Ihr die Köpfe senkt, könnt Ihr sehen, daß ein solcher Bruch etwa eine halbe Meile abwärts von uns statt gefunden hat.«

Wir thaten, wie Guert uns anwies, und sahen, daß ein Damm über den Fluß herüber sich gebildet hatte in einer kleineren als der von ihm bezeichneten Entfernung, welcher uns den Rückzug auf dem Wege, welchen wir herkamen; vollkommen abschnitt. Das Ufer auf der westlichen Seite des Hudson war dem Punkte gegenüber, wo wir uns befanden, hoch, und wie ich gespannt darauf hinschaute, erkannte ich aus der Art, wie die Bäume verschwanden, die entfernteren hinter den näheren, daß wir uns wirklich bewegten. Ein unwillkürlicher Ausruf machte, daß die ganze Gesellschaft in demselben Augenblick dieses erschreckenden Umstandes inne wurde. Wir bewegten uns wirklich, obwohl sehr langsam, auf dem Eise des geschwellten Flusses, in der Stille und Einsamkeit einer Nacht, in welcher der Mond mehr nur dazu beitrug, uns die Gefahr sichtbar und anschaulich zu machen, als daß er uns geholfen hätte, ihr zu entgehen! Was war zu thun? Es war nothwendig, sich zu entscheiden, und das schnell und mit Umsicht.

Wir erwarteten, daß Herman Mordaunt einen Rath geben werde, aber er stellte die Sache sofort Guert's größerer Erfahrung anheim.

»Wir können hier nicht landen,« versetzte der junge Mann, »so lange das Eis in Bewegung ist, und ich halte für besser, weiter zu fahren. Jeder Fußbreit bringt uns doch Albany um so viel näher, und wir werden eine oder ein paar Meilen weiter flußaufwärts unter die Inseln kommen, wo die Möglichkeit, landen zu können, sich um ein Bedeutendes steigert. Zudem habe ich auch oft den Fluß auf einer Scholle passirt, denn sie bleiben häufig stehen, und ich weiß Fälle, daß selbst beladene Schlitten sie benützten, um über den Fluß zu setzen. Bis jetzt ist noch gar kein Anlaß zu großer Besorgniß; – laßt uns weiter fahren und uns den Inseln zu nähern suchen!«

Dieß geschah denn auch, obwohl man von Lachen und Gesang Nichts mehr bei uns hörte. Ich bemerkte wohl, daß Herman Mordaunt in Unruhe war um Anneke, obwohl er sie nicht in seinen Schlitten nehmen und Mary Wallace allein bei uns lassen konnte; auch konnte er seine achtbare Verwandte, Mrs. Bogart, nicht verlassen. Ehe wir wieder in die Schlitten stiegen, ergriff ich eine Gelegenheit ihn zu versichern, Anneke solle der Gegenstand meiner ganz besondern Sorge seyn.

»Gott segne Euch, Corny, mein lieber Junge.« erwiederte Herman Mordaunt, mir mit Wärme die Hand drückend. »Gott segne Euch, und setze Euch in Stand, sie zu beschützen. Ich war im Begriff, Euch zu bitten, den Platz mit mir zu tauschen; aber Alles erwogen, glaube ich, mein Kind wird sicherer seyn bei Euch als sie es bei mir seyn könnte. Wir wollen Gottes Willen und Rathschluß erwarten in der Lage, in welche uns der Zufall versetzt hat!«

»Ich werde sie nur mit dem Leben verlassen, Mr. Mordaunt. Seyd deßhalb ohne Sorgen.«

»Ich weiß, Ihr werdet das nicht – ich bin gewiß, Ihr werdet das nicht thun, Littlepage; die Geschichte mit dem Löwen ist mir ein Pfand, daß Ihr es nicht thun werdet. Wäre Bulstrode mit gegangen, so wären wir stark genug gewesen, um –, aber Guert ist ungeduldig weiter zu kommen. Gott segne Euch, mein Junge. Versäumt mir mein Kind nicht!«

Guert war ungeduldig, und sobald ich wieder im Schlitten saß, ging es wieder in reißender Eile fort. Ich sagte einige Worte, den Mädchen Muth einzusprechen, und dann ertönte kein Laut einer menschlichen Stimme mehr in der düstern, unheimlichen Scene.


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