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Einundzwanzigstes Kapitel.

War sie nicht, was ersehnt mein kühnster Traum?
Der Güter Königin, die vom Himmel stammen, –
Für mich – das schwerste Opfer fühlend kaum. –
Und liebte sie mich nicht mit reinsten Flammen?
Und doch, so sanft, so gut,
Strömend der Thränen Fluth,
Bestand sie fest den finstern Hohn der Grimmen,
Treu dem Gelübde, taub der Drohung Stimme.

Shaw.

 

Dus war also in meiner Nähe – so nahe vielleicht, daß sie das Vorrathshaus im Gesicht hatte! Aber Zärtlichkeit für ihren Oheim und nicht das Interesse an mir hatte sie hieher geführt. Ich vermochte jedoch ihre Anhänglichkeit an ihren alten Vormund zu achten, und die Entschlossenheit und den Muth, die sie in Bezug auf ihn an den Tag gelegt hatte, zu bewundern, selbst in dem Augenblick, wo sich mir das Bewußtseyn, daß das Interesse für mich keinen Einfluß auf ihr Thun geübt, am lebhaftesten aufdrängte.

»Das Mädel wollte nun einmal mitgehen, Mortaunt,« fuhr der Kettenträger fort, nachdem er mit seiner Erzählung zu Ende war; »und wenn Ihr Dus kennt, so müßt Ihr wissen, daß wenn sie liebt, sie sich Nichts dergleichen verweigern läßt. Gott segne mich! was für eine Frau gäbe sie für einen Mann, der ihrer werth wäre! Oh, da ist ein kleines Briefchen, das das liebe Geschöpf geschrieben hat an einen von Tausendacres' Jungen, der oft bei uns gewesen ist, obgleich ich mir nie träumen ließ, daß der squatternde alte Schurke von Vater auf unsern Ländereien hier sey. Zephaniah, wie der Bursche heißt, hat viele Zeit auf dem Nest zugebracht, und auf den Feldern gearbeitet, manchmal auch für uns; und Euch die Wahrheit zu gestehen, Mortaunt, ich glaube, der junge Kerl hat ein Auge auf Dus geworfen und wäre froh genug, das Mädchen zum Weibe zu bekommen.«

»Der! Zephaniah Tausendacres – oder was immer sein höllischer Name seyn mag – er eine Zärtlichkeit, eine Neigung haben für Ursula Malbone – er daran denken, sie zum Weibe zu bekommen – er sich erfrechen, ein so vollkommenes Wesen zu lieben?«

»Ruhig, ruhig!« rief der alte Andries, mich erstaunt ansehend; »warum sollte der Junge nicht ebenso gut seine Gefühle haben als ein Anderer, wenn gleich er ein Squatter ist? Squatters haben auch ihre Gefühle, obschon sie sich sonderlicher Ehrlichkeit nicht zu berühmen haben. Und was die Ehrlichkeit betrifft, seht Ihr, Mortaunt, da ist ein Unterschied zwischen Tausendacres und seinen Söhnen. Die Burschen sind aufgewachsen im Wahne, es sey kein so großes Unrecht, auf eines Andern Ländereien und von dem Ertrag derselben zu leben, während dieser alte Schurke, der Vater, großgezogen wurde, oder glaubt großgezogen worden zu seyn in dem wahren Allerheiligsten der Gottesfurcht und Rechtschaffenheit, unter den Puritanern, und meint, die Erde habe nicht ihres Gleichen an Frömmigkeit, dafür stehe ich Euch. Fragt den alten Aaron über seine Seele, und er wird Euch sagen, es sey eine bessere Seele als eine holländische Seele, und sie werde gar nicht brennen, so frei sey sie von der Erde. Ja, ja, das ist die Idee von ihnen allen in seinem Theile der Welt. Ihre Frömmigkeit ist so lauter und rein; selbst die Sünde kann ihr nicht viel schaden.«

Ich kannte die provinzialen Vorurtheile des Kettenträgers zu gut, als daß ich mir hätte erlauben sollen, gerade in diesem Augenblick einen theologischen Streit mit ihm anzufangen; obgleich ich zur Steuer der Wahrheit zugeben muß, daß die Ansicht des alten Mannes von der Selbstgerechtigkeit der Kinder der Puritaner nicht ganz unbegründet und bis auf einen gewissen Grad zu entschuldigen war. Ich hatte nie Gelegenheit, darüber mit Gewißheit mich zu unterrichten, aber überrascht hätte es mich keineswegs, wenn ich gefunden hätte, daß Tausendacres und seine ganze Familie auf uns New-Yorker als auf ein ganz besonders gefallenes und sündiges Geschlecht herabschauten, das auf der breiten Straße dem Verderben entgegenwandle, obwohl aufgemuntert und eingeladen, eine andere Bahn zu betreten durch das Beispiel eines auserlesenen Volkes so ganz in ihrer Nähe, welches den engen und schmalen Pfad wandelte, der zum Himmel führt. Dieses Vermengen Gottes und des Mammons ist keineswegs etwas Ungewöhnliches unter uns, obgleich die Squatters vermuthlich zugegeben haben würden, daß sie ein Wenig abgewichen und keineswegs so gut seyen, als ihre Vorfahren einst gewesen. Nichts vielleicht steckt so tief in einem Individuum oder in einem Gemeinwesen, als das Gefühl des eigenen Werthes. Wie die kommenden Ereignisse ihre Schatten vor sich her werfen, so läßt dies Gefühl seinen Schatten noch zurück, lange nachdem das Wesen, welches demselben die Entstehung gegeben, vorübergegangen oder verflüchtigt ist. Aber ich muß auf Zephaniah und auf das Briefchen zurückkommen.

»Und Ihr sagt mir, Kettenträger, Ursula habe wirklich ein Billet, einen Brief an diesen jungen Mann geschrieben?« fragte ich, sobald ich genug Entschlossenheit ausbieten konnte, um eine so empörende Frage zu thun.

»Gewiß; hier ist er, und es ist ein recht hübsch aussehender Brief, Mortaunt. Dus thut Alles so artig und geschickt, und so ganz, wie es einem seinen jungen Frauenzimmer ansteht, daß es eine Lust ist, einen Brief von ihr zu überbringen. Ja, da ist jetzt der junge Bursch, und ich will ihm rufen und ihm geben, was ihm gehört.«

Der Kettenträger that wie er gesagt hatte, und bald stand Zephaniah vor dem Vorrathshause.

»Nun, Ihr werdet gestehen müssen, Zeph,« fuhr der alte Mann fort, »wir haben Euch nicht in einen Käfig gesperrt wie ein wildes Thier, oder wie einen Spitzbuben, der sich mit Sachen zu schaffen gemacht, die ihm nicht gehörten, als Ihr bei uns drüben waret! Das ist ein Unterschied in der Behandlung! – aber lassen wir das jetzt! Hier ist ein Brief für Euch, und möge er viel Gutes an Euch bewirken! Er ist von Jemand, der guten Rath ertheilen kann; und Ihr werdet nicht schlecht dabei fahren, wenn Ihr ihm folgt. Ich weiß kein Wort von dem, was darin steht, aber Ihr werdet finden, daß es ein guter Brief ist, dafür will ich stehen. Dus schreibt schöne Briefe, und in einer Hand, beinahe so gleich und schön, wie die Seiner Excellenz, obwohl nicht ganz so groß. Aber ihre eigene Hand ist auch nicht so groß, als die Seiner Excellenz – obwohl auch Seine Excellenz keine gar starke und dicke Hand hatte.«

Ich konnte kaum meinen Sinnen trauen! Ursula Malbone ganz unverhohlener Weise einen Brief schreiben an einen Sohn des Squatters Tausendacres, und dieser Sohn ihr offenbarer Anbeter, wie es schien! Verzehrt von Eifersucht und von tausend Gefühlen, die mir bisher fremd gewesen, starrte ich den Glücklichen, der so seltsamer Weise mit dieser Mittheilung von Dus beehrt ward, mit dem bittersten Neide an. Obgleich, die Wahrheit zu gestehen, der junge Squatter ein wohlgewachsener, gutaussehender Bursche war, schien er mir doch die personificirte Plumpheit und Gemeinheit. Man wird leicht glauben, daß Zephaniah nicht ganz frei war von manchen Merkmalen und Eigenschaften, wornach sein Charakter allerdings mit ziemlichem Rechte so bezeichnet werden durfte; aber im Ganzen würden die meisten Mädchen von seiner Klasse im Leben mit ihm in dieser Beziehung ganz zufrieden gewesen seyn. Aber Ursula Malbone war ganz und gar nicht von seiner Klasse im Leben. Wie sehr auch zurückgekommen im Vermögen, war sie doch eine Lady der Erziehung und Bildung wie der Geburt nach; und welche Uebereinstimmung in Gefühlen und Gesinnungen konnte möglicher Weise statt finden zwischen ihr und ihrem seltsamen Anbeter? Ich habe behaupten hören, die Frauen werden ebenso oft durch das Aeußere angezogen und bestochen als die Männer; aber in diesem Falle war das Aeußere plump und Nichts an ihm außergewöhnlich. Auch konnten manche Weiber nicht leben ohne bewundert zu werden; und ich kannte Dus eigentlich doch erst einige Wochen und es war wohl möglich, daß ich ihren wahren Charakter noch nicht ergründet hatte. Dann hatte sie auch ihre erste Erziehung in den Wäldern empfangen; und wir kehren oft in diesen Punkten zu unsern frühesten Neigungen mit einem Eifer und einer Hingebung zurück, die sich durch Nichts erklären lassen. Es war möglich, daß dies seltsame Mädchen in ihrer Einbildungskraft sich in der Perspective der Zukunft mehr Glück und phantastische Genüsse in den Wäldern und Schluchten verstohlener Lichtungen ausgemalt hatte, als der Aufenthalt in den Städten der Menschen ihr zu bieten schien. Kurz, es gab kaum eine tolle Einbildung, welche nicht in diesem Augenblick der heftigen Eifersucht und des schmerzlichen Unglücks auf mein Gehirn einstürmte. Ich fühlte mich so elend wie ein Hund.

Was Zephaniah betrifft, den begünstigten Jüngling von Ursula Malbone, so empfing er seinen Brief, wie mich dünkte, mit linkischer, verlegener Ueberraschung, und schlenderte um eine Ecke des Gebäudes, wahrscheinlich um den Genuß zu haben, ihn allein zu lesen. Dies führte ihn aber mehr in meine Nähe, denn ich hatte mich zurückgezogen, in Folge eines unüberwindlichen Widerwillens, der Scene, die hier vor sich ging, nahe zu seyn.

Einen Brief öffnen, wenn er auch von den zarten Händen einer Ursula Malbone gefaltet war, und ihn lesen – das waren zwei ganz verschiedene Operationen, wie Zephaniah jetzt entdeckte. Die Erziehung des jungen Mannes war ziemlich verwahrlost gewesen und nach ein paar Versuchen fand er es unmöglich, weiter zu kommen. Während er den Brief offen in seiner Hand hatte, fand er, daß derselbe für ihn ebenso sehr ein geschlossenes Buch war, als nur je. Zephaniah konnte zwar Geschriebenes lesen mittelst emsigen und langsamen Buchstabirens; aber es durfte keine gute Handschrift seyn. Wie manche Personen reines Englisch nicht verstehen können, so fand er es weit schwieriger, die zierlichen Schriftzüge vor ihm herauszubuchstabiren, als es für ihn gewesen wäre, wenn er es mit den Haken und Krähenfüßen Einer seiner Schwestern zu thun gehabt hätte. Wie er seine Augen, Beistand suchend, umher schweifen ließ, begegneten sie zufällig dem Blicke meiner Augen, welche seine Bewegungen mit der Wachsamkeit einer Katze durch die Spalten der Scheiter, in einer Entfernung von nur drei Schuhen von seinem Gesichte, beobachteten. Was den Indianer betrifft, so beobachtete er, dem Anschein nach, so wenig was vorging, als Liebende bei einer verstohlenen Zusammenkunft die Zeit; obwohl ich später Grund zu der Annahme zu haben glaubte, daß seiner Aufmerksamkeit Nichts entgangen sey. Andries befand sich in einem entfernten Theile des Gefängnisses, die Lichtung und die Mühle rekognoscirend mit einem Interesse, welches für den Augenblick all seine Aufmerksamkeit verschlang. Von diesen Umständen versicherte sich Zephaniah, indem er einen Blick durch die Oeffnungen zwischen den Scheitern warf; dann seitwärts mir näher tretend, sagte er mit leiser Stimme:

»Ich weiß nicht wie es ist, aber Euch die Wahrheit zu gestehen, Major Littlepage, Yorker Gelehrsamkeit und Varmounter Gelehrsamkeit sind so verschiedene Dinge, daß ich es nicht so leicht finde, diesen Brief zu lesen, als ich wohl wünschen möchte.«

Auf diesen Wink hin nahm ich den Brief und begann ihn in leisem Tone zu lesen; denn das war es, was Zephaniah von mir verlangte, mit einem Zartgefühl, das ihm so weit zur Ehre gereichte. Da der Leser vielleicht einigermaßen die Neugier theilt, die ich selbst empfunden, zu erfahren, was denn Ursula Malbone möglicher Weise in dieser Art und Weise dem Zephaniah Tausendacres zu sagen haben konnte, will ich den Inhalt dieses sonderbaren Briefes ausführlich mittheilen. Er war in bester gehörigster Form adressirt an: »Mr. Zephaniah Timberman, Mooseridge,« und in dieser Hinsicht hätte er für eine ganz gewöhnliche briefliche Mittheilung gelten können. Der Inhalt lautete folgendermaßen:

 

»Sir,

»Da Ihr oft schon eine lebhafte Freundschaft für mich ausgesprochen habt, will ich Euch jetzt Gelegenheit geben, eine Probe abzulegen von der Aufrichtigkeit Eurer Versicherungen. Mein guter Oheim begibt sich zu Eurem Vater, den ich nur vom Hörensagen kenne, um von ihm die Freigebung Major Littlepage's zu verlangen, der, wie wir hören, gegen alles Gesetz und Recht als Gefangener in den Händen Eurer Familie ist. Da möglicherweise das Anliegen Kettenträgers für Tausendacres unangenehm seyn kann, und es zu hitzigen Worten zwischen ihnen kommen dürfte, erwarte ich von Eurer Freundschaft einige Bemühungen, um den Frieden zu erhalten; und insbesondere daß Ihr, falls Etwas vorfiele, was meinen Oheim verhinderte, zurückzukommen, zu mir in die Wälder kommen möchtet – denn ich werde den Kettenträger bis an den Saum Eurer Lichtung begleiten – und es mir zu wissen thun. Ihr werdet mich dort finden, begleitet von Einem der Schwarzen, und wir werden uns leicht treffen, wenn Ihr in östlicher Richtung den Weg durch die Felder nehmt, denn dahin will ich den Neger abschicken, Euch aufzusuchen und zu mir zu führen.

»Neben dem oben Gesagten, Zephaniah, laßt mich Euch auch dringend bitten, Euch Major Littlepage's vorsorglich anzunehmen. Sollte diesem Gentleman etwas Schlimmes widerfahren, so wäre es der Ruin Eurer ganzen Familie. Das Gesetz hat einen weitreichenden Arm, und er reicht in die Wildniß hinaus so gut wie auf eine Ansiedlung. Ein menschliches Wesen ist etwas ganz Anderes als einige Acres Nutzholz, und General Littlepage wird viel mehr an seinen edeln Sohn denken, als an all das Holz, welches gehauen und fortgeführt worden ist. Noch einmal daher bitte ich Euch aufs ernstlichste, dieses Gentleman Euch schützend anzunehmen, nicht nur sofern Ihr auf meine Achtung hofft, sondern auch, so lieb Euch Eure eigene Gemüthsruhe ist. Ich bin einigermaßen in die Umstände verflochten, in deren Folge Mr. Littlepage in Eure Hände gerieth, und ich würde in meinem Leben keinen glücklichen Augenblick mehr haben, wenn ihm etwas Ernstes zustieße. Bedenkt das, Zephaniah, und laßt Eure Handlungsweise hiedurch bestimmen. Ich bin es mir selbst und Euch schuldig, hinzuzufügen, daß die Antwort, die ich Euch zu Ravensnest, am Tage des Hausaufschlagens, gegeben, jetzt und immer meine Antwort an Euch bleiben muß; aber wenn Ihr wirklich die Freundschaft für mich habt, wie Ihr damals betheuertet, so werdet Ihr Alles thun, was Ihr könnt, um Major Littlepage zu dienen, der ein alter Freund meines Oheims, und dessen Leben und Sicherheit in Folge von Umständen, die Ihr ganz zu würdigen wissen würdet, wenn man sie Euch erklärte, unerläßlich ist für meine Gemüthsruhe in der Zukunft.

Eure Freundin
Ursula Malbone

 

Welch ein wunderbares Mädchen war diese Dus! Ich denke es ist wohl unnöthig, zu sagen, daß ich die tiefste Beschämung empfand über meine Eifersucht, die mir jetzt ebenso abgeschmackt und unbegründet vorkam, als sie mir einen Augenblick vorher gerecht und wohlbegründet erschienen war. Gott stehe dem Unglücklichen bei, der das Opfer vieler blinden Leidenschaft ist! Wer eifersüchtig und argwöhnisch ist in den gewöhnlichen Vorkommnissen und Verhältnissen des Lebens, der hält sich meist selbst zum Narren, indem er tausend Umstände sieht, die nur in seinem eigenen Gehirn existiren; aber derjenige, dessen Eifersucht durch die Liebe gespornt wird, muß fast mehr als ein Mensch seyn, wenn er nicht seine Seele von den Teufeln will packen lassen. Ich kann jedoch keinen schlagendern Beweis davon geben, zu welcher Schwäche die genannte Leidenschaft den Menschen bringt, als das Zugeständniß, das ich so eben gemacht, daß ich für möglich hielt, Ursula Malbone könne den Zephaniah Tausendacres, oder was immer sein eigentliche Name seyn mochte, lieben. Ich habe mir seither in Wuth über meine eigene Thorheit die Haare zerrauft, wenn mir die Schwäche jener Stunde wieder in den Sinn kam.

»Sie schreibt einen verzweifelten Brief!« rief der junge Squatter aus, seinen gewaltigen Körper dehnend und streckend, wie Einer, der in Folge heftiger Aufregung die Herrschaft über seine Bewegungen verloren hat. »Ich glaube nicht. Major, daß sich ein Mädel, das sich ihr vergleichen ließe, in York findet, – im Staat oder in der Colonie! Ich habe eine furchtbare Neigung für sie!«

Es war unmöglich, nicht zu lächeln über diesen Ausbruch seiner Anhänglichkeit und Leidenschaft; auch hätte mich im Ganzen der Ehrgeiz, der darin lag, nicht überrascht, wenn der Jüngling nur um ein klein Wenig höher auf der Leiter der Gesellschaft gestanden wäre. Abgesehen von den großen Städten und von einzelnen Ausnahmen in Beziehung auf isolirte Familien, besteht noch bis auf diesen Tag kein bedeutender Unterschied zwischen den Klassen bei unsern Brüdern im Osten. Die große Gleichheit des Standes, der Verhältnisse und der Bildung, welche als Regel bei der ganzen ländlichen Bevölkerung von Neuengland herrscht, hat, während sie für die Masse des Volkes so vielfach förderlich gewesen ist, auch die unvermeidliche Folge gehabt, das Maß der Geistesbildung bei der hervorragenden Minderzahl herabzudrücken, sowohl was Talente und Kenntnisse, als was die eigenthümlichen Begriffe und Ansichten der Stände betrifft; und Nichts ist gewöhnlicher in jenen Gegenden als von Heirathen zu hören, welche man anderwärts für ganz unpassend halten würde aus dem einfachen Grunde der Verschiedenheit in der Lebensgewohnheit, in der Denk- und Gefühlsweise der Betheiligten. So konnte Zephaniah nach der Hand von Ursula Malbone trachten, ohne so sehr gegen seine Begriffe von dem, was passend und schicklich sey, zu verstoßen, als es, nach unsern Begriffen, wirklich der Fall war, – und um so mehr, als sie in der That der äußeren, gemeinen und mehr ins Auge fallenden unterscheidenden Merkmale ihres wirklichen Standes und Charakters, als gebildetes Frauenzimmer, entbehrte. Ich konnte deshalb nicht umhin, einige Achtung für den guten Geschmack des jungen Mannes zu empfinden, und zwar dies um so bereitwilliger, als ich jetzt nicht mehr von dem einfältigen Wahnbild seines möglichen Triumphes verfolgt wurde.

»Da Ihr solche Freundschaft für Dus fühlt,« sagte ich, »so hoffe ich daraus rechnen zu dürfen, daß Ihr ihren Weisungen Folge leistet.«

»In welcher Art kann ich Euch dienen, Major? Ich betheure, es ist mein aufrichtigster Wunsch, zu thun, was Ursula von mir wünscht, wenn ich nur wüßte, wie?«

»Ihr könnt die Schlösser und Riegel unseres Gefängnisses hier aufthun, und uns sofort in die Wälder frei ziehen lassen, wo wir, verlaßt Euch darauf, ganz sicher davor seyn werden, wieder eingefangen zu werden. Thut uns diesen Gefallen, so will ich Euch fünfzig Acres Land geben, worauf Ihr Euch ansiedeln und ein ehrlicher Mann werden könnt. Bedenkt, es ist doch etwas Ehrenhaftes fünfzig Acres gutes Land als Eigentümer zu besitzen!«

Zephaniah sann nach über mein lockendes Anerbieten, und ich bemerkte wohl, daß er eine Weile schwankte, aber seine endliche Entscheidung fiel gegen meine Wünsche aus. Er schüttelte den Kopf, sah sich nachdenklich um, nach den Wäldern, in welchen er Dus vermuthete, vielleicht eben jetzt sein Thun und Vornehmen beobachtend, wollte sich aber nicht zu dem verstehen, was ich ihm angesonnen hatte.

»Wenn ein Vater seinem eigenen Sohne nicht trauen kann, wem auf der Welt kann er dann trauen?« fragte der junge Squatter.

»Man soll Niemand beistehen, Unrecht zu thun und Euer Vater hat kein begründetes Recht, uns Drei, so wie er gethan, in diesem Hause einzusperren. Die That ist gegen das Gesetz, und dem Gesetz wird er früher oder später darüber Rechenschaft ablegen müssen!«

»Oh, was das Gesetz betrifft, darum kümmert er sich nicht viel. Wir sind unser ganzes Leben lang gegen das Gesetz gewesen und das Gesetz gegen uns. Wenn Einer es probirt und riskirt mit Geschworenen und Zeugen und Advokaten und armen Attorney-Generals, uns gleichgültigen öffentlichen Anklägern, so ist das Gesetz nichts so Furchtbares in diesem Lande. Ich glaube wohl, daß es Länder gibt, wo das Gesetz Etwas zu bedeuten hat; aber hier herum und in ganz Varmount kümmern wir uns nicht viel um das Gesetz, wenn es nicht eine Sache ist von Mann gegen Mann, und der andere Theil so zäh wie ein Bullenbeißer an seinen Rechten festhält. Dann, ich gestehe es, will es Etwas bedeuten, wenn man das Gesetz auf seiner Seite hat; aber in Fällen, wo es sich um Vergehen handelt, will es nicht viel sagen.«

»Aber hier kann es sich am Ende doch um mehr als ein bloßes Vergehen handeln. Euer Vater – beiläufig gesagt, ist Tausendacres bedeutend verletzt?«

»Es ist kaum der Rede werth,« antwortete der Sohn ganz kühl, immer noch nach den Wäldern hinüber starrend. »Nur ein wenig betäubt, aber er erholt sich schnell wieder, und er ist an solche Stöße schon gewohnt. Vater hat einen verzweifelt festen und harten Kopf, und kann mehr Hammerschläge aushalten, als irgend ein Mann, den ich je gesehen. Auch Tobit ist in dem Punkte zäh; und er kann es wohl brauchen, denn er bekommt immer Stöße und Hiebe genug um Stirn und Augen herum.«

»Und da Euer Vater wieder zu sich kommt, was scheint seine Gesinnung und sein Vorhaben gegen uns zu seyn?«

»Nichts Freundschaftliches, das kann ich Euch versichern! Der alte Mann ist schwer gereizt; und wenn das der Fall ist, so muß er seinen Willen haben und fragt Nichts nach allen Gouverneuren und Richtern im Lande!«

»Glaubt Ihr, er denke uns Gefangenen ein ernstliches Leid anzuthun?«

»Ein Mann denkt nicht gar viel, sollte ich meinen, nach einem solchen Puff auf den Schädel. Er fühlt gewaltig viel Mehr als er denkt; und wenn das Gefühl Meister ist, so fragt es sich nicht viel, wer Recht und wer Unrecht hat. Die große Schwierigkeit in Eurer Sache besteht darin, wie man ins Reine kommen soll über das Holz, das im Fluß liegt. Das Wasser ist seicht; und das Höchste, was damit vor dem November geschehen kann, ist, daß man es bis zum nächsten Flußabsatz flößt, über den es nicht mit Sicherheit hinunter kommen kann, ohne einen höhern Wasserstand. Es ist gefährlich, Einen Euresgleichen, und auch den Kettenträger, drei oder vier Monate in einer Art Haft hier zu halten, und es ginge auch nicht an, Euch laufen zu lassen, da Ihr bald das Gesetz gegen uns in Bewegung setzen würdet. Und wenn wir Euch behalten, wird auch eine Nachforschung angestellt und eine Belohnung ausgeboten werden. Nun wissen sehr viele Eurer Pächter von dieser Lichtung, und die menschliche Natur kann einem ausgebotenen Preise nicht widerstehen. Der alte Mann weiß das wohl und er fürchtet das am meisten. Wir können beinahe Allem besser widerstehen, als einem guten, runden Preise.«

Ich war belustigt ebenso wie erbaut von Zephaniah's Einfalt und Offenherzigkeit und hätte gern das Gespräch weiter fortgesetzt, wäre nicht Lowiny herbei getrippelt gekommen, um ihren Bruder abzurufen zu einer Versammlung der Familie; denn der alte Squatter hatte sich jetzt so weit wieder erholt, daß er einen Rath seiner Söhne zusammenberief. Der Bruder verließ mich im Augenblick, das Mädchen aber zögerte noch bei dem Vorrathshause in meiner Nähe, wie wenn sie sich schwer zum Weggehen entschließen könnte.

»Ich hoffe, der Hauspudding war süß und gut,« sagte Lowiny, einen schüchternen Blick durch die Spalte hineinwerfend.

»Er war vortrefflich, mein gutes Mädchen, und ich danke Euch von ganzem Herzen dafür. Seyd Ihr jetzt sehr beschäftigt? – Könnt Ihr einen Augenblick verweilen, während ich eine Bitte an Euch thue?«

»Oh, ich habe jetzt Nichts im Hause zu schaffen, da der Vater die Jungen um sich versammelt hat. Wenn er das thut, so pflegt auch die Mutter oft sich zu entfernen.«

»Das freut mich, denn ich halte Euch für so wohlwollend und gut, daß ich Euch wohl vertrauen darf in einer Sache von einiger Wichtigkeit; oder darf ich nicht, meine gute Lowiny?«

»Also können doch Töchter von Squatters gut seyn in den Augen großer Grundherren?«

»Gewiß – sogar vortrefflich; und ich bin ganz geneigt, zu glauben, daß Ihr zu diesen gehört.« Lowiny's Angesicht strahlte vor Entzücken; und ich empfand weniger Widerstreben, diese Schmeichelei auszuspenden, als sonst wohl der Fall hätte seyn können, weil sie in der That das, was ich zu ihrem Lobe sagte, großentheils verdiente. »Ja, in Wahrheit, ich weiß, das seyd Ihr, und Ihr paßt gar nicht für diese Art Leben. Aber ich muß Euch meine Wünsche sofort entdecken, denn die Zeit dürfte uns kurz zugemessen seyn.«

»Thut es,« sagte das Mädchen, begierig mich anschauend, und ein leichtes Erröthen übergoß ihr Angesicht, – das untrügliche Zeichen aufrichtiger, edler Gefühle und das Unterpfand der Tugend; »thut es, denn ich sterbe vor Verlangen, sie zu hören, denn ich weiß im Voraus, ich werde Alles thun, was Ihr von mir verlangt. Ich weiß nicht, wie es kommt, aber wenn Vater oder Mutter mir etwas auftragen, ist mir manchmal, als könnte ich es nicht thun; jetzt aber ist mir gar nicht so zu Muthe.«

»Meine Bitten und Wünsche kommen nicht so oft vor, daß sie Euch lästig fielen. Versprecht mir zuerst, mein Geheimniß zu bewahren.«

»Das will ich!« antwortete Lowiny rasch und mit Nachdruck. »Keine sterbliche Seele soll je ein Wort davon erfahren, und ich werde nicht einmal im Schlaf davon schwatzen, wie ich manchmal thue, wenn ich es irgend lassen kann.«

»Der Kettenträger hat eine Nichte, die ihm sehr lieb und theuer ist, und die alle seine Liebe und Zärtlichkeit erwiedert. Ihr Name ist –«

»Dus Malbone!« unterbrach mich das Mädchen mit leisem Lachen. »Zeph hat mir Alles von ihr gesagt, denn Zeph und ich sind sehr gute Freunde, – er sagt mir Alles, und ich sage ihm Alles. Es ist ein solcher Trost, das könnt Ihr Euch wohl denken, Jemand zu haben, dem man Geheimnisse anvertrauen kann; – nun, und was ist's mit Dus?«

»Sie ist hier.«

»Hier? Ich sehe Nichts von ihr,« – und sie schaute sich hastig, und wie mich dünkte mit einiger Unruhe und Bestürzung um, – »Zeph sagt, sie sey furchtbar schön.«

»Sie gilt dafür, glaube ich; aber in dieser Hinsicht steht sie keineswegs allein. Es ist kein Mangel an hübschen Mädchen in Amerika. Wenn ich sagte, sie sey hier, so meinte ich damit nicht, hier im Vorrathshause, sondern hier in den Wäldern. Sie begleitete ihren Oheim bis an die Grenze der Lichtung – schaut Euch um, mehr nach Osten hin. Seht Ihr den schwarzen Baumstumpf in dem Kornfeld hinter Eures Vaters Wohnung?«

»Gewiß – das ist gut sehen – ich wollte, ich könnte Albany ebenso deutlich sehen.«

»Nun, schaut ein Wenig links von diesem Baumstumpf, so werdet Ihr einen großen Kastanienbaum an dem Rande des Waldes dahinter sehen – der Kastanienbaum, den ich meine, ragt mit seinem Wipfel so zu sagen aus dem Wald heraus in die Lichtung herein.«

»Gut, ich sehe den Kastanienbaum auch und ich kenne ihn wohl. Es ist eine Wasserquelle ganz nahe beim Fuß desselben.«

»Am Fuß des Kastanienbaumes hat der Kettenträger seine Nichte zurückgelassen, und ohne Zweifel ist sie jetzt dort herum irgendwo. Könntet Ihr es wagen, so weit hinüber herumzuschlendern, ohne geradezu auf jenen Punkt zuzugehen, und eine Botschaft oder einen Brief zu bestellen?«

»Ganz gewiß kann ich das! Ha, wir Mädchen streifen auf den Loosen herum wie es uns gefällt; und es ist jetzt auch gerade die Zeit zum Beerensammeln. Ich will laufen und einen Korb holen, und Ihr könnt, während ich fort bin, den Brief schreiben. Ha, kein Mensch wird etwas denken, wenn ich aufs Beerensammeln ausgehe, – ich habe ein verzweifeltes Verlangen, diese Dus zu sehen! Glaubt Ihr, sie werde den Zeph nehmen?«

»Das Gemüth junger Frauenzimmer ist etwas so Ungewisses, daß ich es nicht wagen möchte, eine Meinung zu äußern. Wenn es eine Person meines Geschlechts wäre, und er hätte seine Wünsche erklärt, so würde ich es Euch, glaube ich, mit einiger Bestimmtheit sagen können.«

Das Mädchen lachte; dann schien sie etwas verwirrt und erröthete wieder. Wie doch das angeeignete, ja, das angeborene Gefühl des Geschlechts sich nicht unterdrücken, sich nicht hindern läßt, in solchen untrüglichen Anzeichen das weibliche Herz zu verrathen!

»Nun,« rief sie, indem sie fortsprang, den Korb zu holen, »nach meinen Begriffen ist die Seele eines Mädchens so wahrhaftig und so zuverläßig als die irgend eines lebenden Geschöpfs.«

Jetzt war meine Aufgabe, ein Billet an Dus zu schreiben. Die Schreibmaterialien lieferte mir meine Brieftasche. Ich riß ein Blatt heraus, näherte mich dem Kettenträger, ihm zu sagen, was ich vor hatte, und bat ihn, mir zu sagen, ob er einen besondern Auftrag an Dus mir zu geben habe.

»Schreibt dem lieben Mädchen meinen Segenswunsch, Mortaunt. Schreibt ihr, der alte Kettenträger bete zu Gott, daß er sie segne – das ist Alles. Ich überlasse es Euch, das Uebrige ihr zu schreiben.«

Dies that ich denn auch. Zuerst schrieb ich der Nichte den Segenswunsch ihres Oheims. Dann erklärte ich ihr mit möglichst wenigen Worten unsere Lage, die ich in so hoffnungsvollem Lichte darstellte, als mein Gewissen es mir gestatten wollte. Nach diesen Erläuterungen bat ich Ursula dringend, zu ihrem Bruder zurückzukehren, und sich nicht wieder, so weit von seinem Schutze entfernt, Gefahren auszusetzen. Vom Schluß des Billets will ich nicht viel sagen. Er war kurz, aber er ließ Dus errathen, daß meine Gefühle für sie so lebhaft und feurig als nur je seyen; und ich glaube, dies war ausgesprochen mit kräftigen Worten, wie die Leidenschaft sie eingibt. Ich war gerade mit meinem Billet fertig, als Lowiny erschien, es in Empfang zu nehmen. Sie brachte uns eine Kanne Milch, als eine Art Vorwand dafür, daß sie wieder nach dem Vorrathshaus ging, nahm dafür den Brief in Empfang, und eilte fort den Feldern zu. Wie sie an einer der Hütten vorbei kam, hörte ich sie einer Schwester zurufen, sie gehe um Heidelbeeren für die Gefangenen zu suchen.

Ich verfolgte die Schritte dieses rüstigen Mädchens mit gespanntem Interesse. Der Kettenträger, welcher seit meinem Verschwinden wenig geschlafen hatte, brachte jetzt das Verlorene ein; und was den Indianer betrifft, so waren Essen und Schlafen die ganz gewöhnlichen Beschäftigungen seiner Rasse, wenn sie nicht auf der Jagd, oder auf dem Kriegspfad, oder als Läufer auf einer Botschaft begriffen waren.

Lowiny schritt einem Platz zu, von welchem das Buschwerk völlig Besitz genommen hatte. Hier verschwand sie bald, im Weitergehen mit behenden Fingern Beeren ablesend, da sie es gerathen finden mochte, bei ihrer Rückkehr doch einige solche Früchte aufweisen zu können. Ich hielt mein Auge aufmerksam nach den Oeffnungen des Waldes, in der Nähe des Kastanienbaumes, gerichtet, sobald die Büsche das Mädchen verbargen, ängstlich und begierig den Augenblick erwartend, wo ich ihre Gestalt wieder an diesem Punkte würde erscheinen sehen. Meine Aufmerksamkeit wurde noch geschärft dadurch, daß mein Auge Dus' ansichtig wurde. Es war nur ein Nu, daß das Flattern weiblicher Kleider zwischen den Bäumen hin sichtbar wurde; aber da es zu bald war, als daß Lowiny schon dort hätte angekommen seyn können, so erkannte ich hieraus, daß es Dus seyn müsse. Dies war erfreulich, da nunmehr kaum zu bezweifeln stand, daß meine Botin den Gegenstand ihres Suchens finden werde. Etwa eine halbe Stunde, nachdem Lowiny den von Büschen bedeckten Platz betreten hatte, sah ich sie ganz deutlich am Fuß des Kastanienbaumes. Einen Augenblick blieb das Mädchen stehen, wie um zu rekognosciren, und dann schritt sie plötzlich in den Wald hinein, wo ich nicht zweifelte, daß sie und Dus sich trafen und besprachen. Eine ganze Stunde verstrich und ich bekam von Dus nichts mehr zu sehen.

Mittlerweile erschien Zephaniah wieder beim Vorrathshause. Diesmal kam er von zweien seiner Brüder begleitet, den Schlüssel in der Hand. Zuerst vermuthete ich, ihre Absicht sey, mich vor den hohen Gerichtshof Tausendacres' zu stellen, aber hierin irrte ich mich. Sobald die jungen Männer die Thüre unseres Gefängnisses erreicht hatten, so rief Zephaniah dem Onondago zu, er solle sich derselben nähern, da er ihm Etwas zu sagen habe.

»Es muß gar eine langweilige Geschichte für eine Rothhaut seyn, sich einsperren zu lassen wie ein Schwein, ehe es abgeschlachtet wird,« sagte der Jüngling, seine Bilder von den ihm vertrautesten Gegenständen entlehnend; »und ich denke, Ihr würdet recht gerne herauskommen und herumwandeln, wie ein freies und vernünftiges Geschöpf. Was sagt Ihr, Indianer, ist das Euer Wunsch?«

»Gewiß,« antwortete Sureflint ruhig. »Viel lieber draußen seyn als drinnen.«

»So vermuthete ich ganz natürlich. Nun, der alte Mann sagt, Ihr könnt herausgehen, auf Versprechungen, wenn Ihr geneigt seyd, diese zu geben. So seyd Ihr dann Herr und Meister Eurer Bewegungen, seht Ihr.«

»Was er verlangen von mir zu thun? Was er verlangen von mir zu sagen, he?«

»Eigentlich nichts Besonderes, wenn Einer es nur probiren will. Erstlich sollt Ihr Euer Wort geben, nicht davon zu laufen, sondern in der Nähe der Lichtung zu bleiben und zu kommen und Euch zu stellen, wenn drei kurze Töne auf der Muschel geblasen werden. Wollt Ihr Euch dazu verstehen, Sus?«

»Gewiß – nicht weggehen; zurückkommen, wenn rufen – das heißt, in der Nähe bleiben, wo Muschel hören können.«

»Wohl, das ist abgemacht und der Handel ist fertig. Sodann sollt Ihr versprechen, nicht um die Mühle und Scheune spähend herumzustreifen, zu sehen, was Ihr da entdecken könnt, sondern Ihr sollt Euch fern halten von allen Gebäuden außer dem Vorrathshaus und den Wohnungen, und die Lichtung nicht verlassen. Willigt Ihr ein?«

»Gut, nicht hart, das zu thun.«

»Wohl! sodann sollt Ihr keine Waffen auf die Ansiedlung bringen, und den andern Gefangenen Nichts als Worte und Lebensmittel zukommen lassen. Wollt Ihr Euch demgemäß halten?«

»Gewiß; ganz bereit seyn, auch das zu thun.«

»Dann sollt Ihr in keiner Art und Weise Einen von uns bekriegen, bis Ihr Eures Worts entbunden und wieder Euer eigener Herr seyd. Was sagt Ihr dazu, Trackleß?«

»Alles gut; einwilligen das Alles zu thun.«

»Wohl, das ist so ziemlich Alles, was der alte Mann begehrt; aber die Mutter hat noch ein paar Bedingungen auf dem Herzen, welche ich Euch vorlegen will, darauf besteht sie. Sollte es zum Allerschlimmsten kommen, und die Leute auf dieser Ansiedlung in Kampf gerathen mit fremden Leuten, so sollt Ihr Euch verbindlich machen, keine Skalpe zu nehmen von Weibern und Kindern, und keinen von einem Manne, den Ihr nicht im offenen Treffen überwunden habt. Die alte Frau will Euch die Skalpe im Treffen getödteter Männer bewilligen, glaubt aber, es sey gegen Vernunft und Billigkeit, sie zu nehmen von Solchen, die nicht so überwunden worden.«

»Gut; gar nicht begehren überhaupt Skalpe zu nehmen,« antwortete der Indianer mit einer inneren Bewegung, die er nicht ganz zu unterdrücken vermochte. »Haben keinen Stamm, – haben keine jungen Männer; wozu nützen Skalpe? Niemand darnach fragen, wie viele Skalpe Susquesus nehmen – wie viele er zurücklassen. Alles das vergessen lange Zeit.«

»Wohl, das ist Eure Sache, nicht die meinige. Aber da Ihr alle die Artikel angenommen habt, könnt Ihr jetzt herauskommen und Eurem Geschäft nachgehen. Merkt es Euch, drei kurze scharfe Stöße in die Muschel sind das Signal, daß Ihr kommen und Euch stellen sollt.«

Auf dies eigenthümliche Cartel hin ward Susquesus in Freiheit gesetzt. Ich hörte die ganze Übereinkunft mit Erstaunen, obwohl aus dem Benehmen der hohen kontrahirenden Parteien leicht zu sehen war, daß diese Uebereinkunft für sie gar nichts Neues und Ungewohntes hatte. Ich hatte gehört, daß das Wort eines Indianers, mochte sein Charakter seyn wie er wollte, in allen solchen Fällen als unverbrüchlich galt, und konnte nicht umhin, mir, als Susquesus ruhig aus dem Gefängniß hinausschritt, die Frage vorzulegen, wie viele Potentaten und Mächte sich wohl in der Christenheit fänden, die unter Umständen, wobei ihre wichtigsten Interessen in ähnlicher Weise betheiligt wären, ein ähnliches Vertrauen in Andere setzen würden. Neugierig, die Gesinnungen meiner dermaligen Herren über diesen Gegenstand zu erfahren, benützte ich die Gelegenheit, sie darüber zu befragen.

»Ihr gebt dem Indianer seine Freiheit auf sein Wort,« sagte ich zu Zephaniah – »werdet Ihr uns Weißen dieselbe Vergünstigung verweigern?«

»Ein Indianer ist ein Indianer. Er hat seine Natur und wir haben die unsere. Es war auch die Rede davon. Euch herauszulassen, Major; aber der alte Mann wollte Nichts davon hören. ›Er kenne die Menschenkinder,‹ sagte er, ›und er wisse, es gehe nimmermehr an.‹ Wenn man einen Weißen loslasse, so biete er all seinen Witz auf, ein Loch zu finden, durch das er dem geschlossenen Handel entschlüpfe – und wenn er bis zur Erschaffung der Erde zurückgehen müßte, um eines zu finden. Der Major werde sagen: Ich wurde gegen das Gesetz festgenommen, und jetzt, da ich heraus bin, will ich außen bleiben gegen die gegebene Zusage, und was dergleichen Gründe und Spitzfindigkeiten sind; und nun wir ihn sicher haben, wird es das Beste seyn, ihn auch in sicherem Gewahrsam zu behalten! Das ist das Wesentliche von des alten Mannes Ideen, und Ihr könnt selbst ermessen, Major, so gut als einer von uns, wie wahrscheinlich es sey, daß er davon abgehe.«

Es ließ sich nicht streiten mit dieser Logik, die, wie ich insgeheim selbst wohl erkannte, in der Sache selbst nicht unbegründet war, und ich machte keine weitern Versuche, meine Loslassung zu bewirken. Es schien jedoch, daß Tausendacres selbst halb geneigt war, zu Gunsten des Kettenträgers ein ähnliches Zugeständnis eintreten zu lassen, wie das dem Indianer bewilligte. Dies fiel mir als sonderbar auf nach dem harten Zusammenstoß, der zwischen den beiden Männern stattgefunden hatte, – aber es gibt Ehrenpunkte, die jedem Verhältnisse des Lebens eigentümlich sind, und in Betreff deren die Menschen, die diesen Verhältnissen angehören, einen Stolz darein setzen, nicht nur denselben Achtung zu verschaffen, sondern auch sie selbst zu achten.

»Der Vater hatte den Gedanken, auch Euer Ehrenwort anzunehmen, Kettenträger,« fuhr Zephaniah fort, »und er schloß damit, daß er sagte, er würde es thun, hättet Ihr nicht in neuerer Zeit so viel außerhalb der Ansiedlungen gelebt, daß er Euch nicht mehr recht zuversichtlich trauen könne. Ein Mann, der so viele Zeit damit zubringt, Grenzen zu ziehen, könne sich leicht auch für berechtigt halten, sie zu überschreiten.«

»Eurem Vater steht seine Meinung ganz frei,« antwortete Andries kalt. »Er wird von mir kein Ehrenwort bekommen, und ich begehre keine Vergünstigungen von ihm. Wir stehen einander als Feinde gegenüber, junger Mann, und er mag sich vorsehen und sein Holz in Acht nehmen, so gut er kann.«

»Nein,« versetzte Zephaniah sich streckend und mit Feuer, obwohl er wußte, daß er zu dem Oheim von Dus sprach und somit sein Interesse bei seiner Geliebten gefährdete; »nein, Kettenträger, wenn es dazu kommt, wird es schwere Schläge setzen. Wir sind eine starke Partei stämmiger Männer und lassen uns nicht einschüchtern durch den Schreier eines Hofes, oder aus dem Lande verjagen durch Schafsfelle. Pantherkatzen müssen gegen uns kommen in Schaaren, ehe wir einen Zoll breit weichen.«

»Geht mir, geht mir, thörichter junger Mann – Ihr seyd Eures Vaters Sohn, und damit ist genug von Euch gesagt. Ich verlange keine Vergünstigung von Squatters, welche ein Gezücht sind, das ich verabscheue und verachte.«

Ich war etwas überrascht, als ich diese Antwort hörte, und Zeuge war der Kundgebung solcher Gesinnungen von Seiten Kettenträgers, der für gewöhnlich ein kalter und durchgängig ein höflicher Mann war. Aber bei näherem Nachdenken erkannte ich, daß er nicht so Unrecht hatte. Irgend ein Austausch von Höflichkeiten zwischen uns und unseren dermaligen Herren mochte ihnen gewisse Ansprüche gegenüber von uns zu verleihen scheinen, während, wenn wir an's nackte Recht uns hielten, wir in moralischer Beziehung wenigstens jeden Vortheil über sie hatten.

Zephaniah und seine Brüder verließen uns, nachdem sie von Andries zurückgewiesen worden waren; Susquesus aber lungerte fortwährend um das Vorrathshaus herum, und dem Anschein nach war er draußen nicht viel besser daran als darinnen. Er hatte Nichts zu thun, und sein Müssiggang war der eines Indianers – des Angehörigen einer Race von so gewaltiger Energie, wenn Energie erforderlich ist, und dagegen wieder so träg und gleichgültig, wenn nicht Noth, Vergnügen, Krieg oder Interesse sie aufregen und in Anspruch nehmen.

So standen die Sachen, als wir, einige Zeit nach der so eben erzählten Unterredung, wieder einen Besuch von einer Abtheilung der Familie hatten, an deren Spitze Tobit stand. Dieser Mann erschien, um den Kettenträger und mich nach der Hütte Tausendacres' zu eskortiren, wo alle Männer von der Familie versammelt waren, und wo wir, wie es jetzt den Anschein hatte, eine Art Verhör bestehen sollten, das einen ernsten Einfluß auf unser Schicksal, zum Guten oder zum Schlimmen, üben mochte. Ich befragte den Kettenträger, ob es rathsam sey, uns zu einer solchen Maßregel herzugeben; aber ich fand Andries geneigt, der ganzen Squatterbrut Angesicht gegen Angesicht entgegen zu treten und ihnen seines Herzens Meinung zu sagen, wann und wo immer es seyn mochte. Als ich meinen Freund so gestimmt sah, machte auch ich keine weitere Einwendungen, sondern verließ in seiner Gesellschaft das Vorrathshaus, wohl bewacht von vier der jungen Männer, welche sämmtlich bewaffnet waren, um uns nach dem Sitze der Justiz unter dieser wilden und patriarchalischen Regierung zu begeben.

 


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