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Drittes Kapitel.

Er sagt ihr Etwas,
Das sie erröthen macht, wahrhaftig, sie
Ist Königin von Milch und Rahm

Wintermährchen.

 

Glückliches, glückliches Lilaksbush! Nie werde ich das Entzücken vergessen, womit ich über seine Höhen und durch seine Thäler schweifte, und wie ich in der Wonne des Gefühls schwelgte, wieder in gewisser Art Herr und Meister zu seyn an den Orten und Scenen, welche der Tummelplatz meiner Knabenjahre gewesen waren. Es war im Frühjahr 1784, als mich meine Mutter wieder in ihre Arme schloß, und dies nach einer Trennung von beinahe zwei Jahren. Kate lachte und weinte und umhalste mich, gerade wie sie fünf Jahre früher gethan haben würde, obgleich sie jetzt eine liebenswürdige Jungfrau war, die eben das neunzehnte Jahr überschritten hatte. Tante Mary schüttelte mir die Hand, gab mir ein paar herzliche Küsse und lächelte mich freundlich und liebevoll an ihrer ruhigen, sanften Art. Das Haus war in einem förmlichen Tumult, denn mit mir kam auch Jaap zurück, sein Wollenhaar ziemlich grau gesprenkelt, und ganze Haufen kleiner Satanstoe's (denn dies war sein Familienname, obgleich Mrs. Jaap sich Miß Lilaksbush nannte), Kinder und Enkel, waren da ihn zu bewillkommnen. Die Wahrheit zu gestehen, das Haus war während der ersten vierundzwanzig Stunden nicht in einem Zustand anständiger Ruhe.

Nach Verfluß dieser Zeit bestellte ich mein Pferd, um nach Satanstoe hinüberzureiten und meine verwittwete Großmutter zu besuchen, welche allen Versuchen widerstanden, die man gemacht hatte, sie zu bereden, die Sorgen der Haushaltung abzugeben und nach Lilaksbush zu kommen, um daselbst zu leben. Der General, denn so nannte Jedermann jetzt meinen Vater, begleitete mich nicht, denn er war ein paar Tage zuvor in Satanstoe gewesen, wohl aber meine Schwester. Da die Straßen während des Krieges sehr vernachlässigt worden waren, machten wir den Weg zu Pferde, denn Kate war eine der beherztesten Reiterinnen, die ich kannte. Mittlerweile hatte sich Jaap das Privilegium erworben, gerade nur das zu thun, was seiner Neigung zusagte, oder, um mich richtiger auszudrücken, er war nicht viel zu brauchen, außer bei zufälligen, nicht zur gewöhnlichen Ordnung gehörigen Geschäften, welche so lange Zeit seine Hauptaufgabe und Obliegenheit gewesen waren; und er ward ein paar Stunden ehe wir selbst ausbrachen, abgeschickt, um Mrs. Littlepage, oder seine »gar alte Missus,« wie der Bursche immer meine Großmutter nannte, zu benachrichtigen, wen sie zum Mittagessen zu erwarten habe.

Ich habe sagen gehört, es gebe Länder in der Welt, wo die Leute so verkünstelt und verschroben werden, daß die allernächsten Verwandten nicht einmal sich eine solche Freiheit nehmen dürfen. Der Sohn nehme sich nicht heraus, an seines Vaters Tisch sich zu setzen, ohne die Förmlichkeit zu beobachten, anzufragen, oder sich einladen zu lassen. Der Himmel sey gepriesen, bis zu dieser Höhe haben wir in Amerika es noch nicht gebracht. Welche Eltern oder Großeltern bis auf die entfernteste Generation zurück, die das Leben hat, würden einen Abkömmling anders als mit einem Lächeln, mit einem herzlichen Willkomm empfangen, möchte er kommen wann und wie er wolle! Wenn kein Zimmer da ist, oder keine Vorbereitungen, so müssen die Mängel durch die Wärme des Willkomms vergütet werden; oder wenn förmliche Unmöglichkeiten dazwischentreten, die nicht durch rasche Besonnenheit überwunden werden können, wie dies doch bei den meisten solchen »Unmöglichkeiten« der Fall ist, so wird die Wahrheit offen herausgesagt und das Vergnügen des Zusammenseyns auf einen günstigeren Zeitpunkt verschoben. Es ist nicht meine Absicht, einer vorangeschritteneren Civilisation einen unwissenden und gemeinen Hohn ins Gesicht zu schleudern, wie dies nur zu leicht und zu häufig die Neigung der Unwissenheit und provinzieller Lebensgewohnheiten ist; denn ich weiß recht gut, daß die meisten Bräuche jener hochgesteigerten Gesellschaftszustände in der Vernunft begründet sind und ihre Rechtfertigung finden in einem gebildeten, gesunden Menschenverstande; aber am Ende hat doch Mutter Natur ihre Rechte, und diese dürfen nicht allzu keck angegriffen und überschritten werden, ohne daß solche Überschreitungen selbst ihre verdienten Strafen mit sich bringen.

Es war gerade neun Uhr, an einem schönen Maimorgen, als Kate Littlepage und ich zum äußeren Thore von Lilaksbush hinausritten, und auf die alte, wohlbekannte Straße von Kingsbridge (Königsbrücke) kamen. Kingsbridge!Dieser Name besteht noch, sowie auch die Namen von Grafschaften nach Königen und Königinnen und Herzoginnen, um Nichts zu sagen von einer Anzahl von Prinzen So und So in andern Staaten, und ich hoffe, sie werden immer bleiben, als ebenso viele Denksteine und Wegweiser in unserer Geschichte. Diese Namen sind Alles, was jetzt bei uns noch von der Monarchie übrig ist; und doch habe ich meinen Vater hundertmal sagen hören: wie er ein junger Mann gewesen, sey seine Ehrfurcht vor dem britischen Throne nur seiner Ehrfurcht vor der Kirche nachgestanden. Ja wie kurzer Zeit hat sich diese Gesinnung bei einer ganzen Nation verwandelt; oder wenn nicht durchaus verwandelt, denn Manche hegen noch die alte Achtung vor der Monarchie, wie gewaltig und unheilbar ist sie geschwächt worden! So sind die Dinge dieser Welt, vergänglich und zeitlich ihrem innersten Wesen nach; und dieser Wahrheit eingedenk zu seyn, würden diejenigen gut thun, welche bei solchen Wechseln Viel auf dem Spiel stehen haben.

Wir hielten vor der Thüre des Gasthauses zu Kingsbridge an, um der alten Mrs. Light, der Wirthin, guten Morgen zu sagen, welche jetzt ein halbes Jahrhundert auf dem Hause war, und uns, sowie unsere Eltern schon, von Kindesbeinen an kannte. Diese redselige Hausfrau hatte ihre guten und ihre schlimmen Eigenschaften, aber Gewohnheit und Bekanntschaft gab ihr eine Art Recht auf unsere Aufmerksamkeit und ich konnte nicht an ihrer Thüre vorbei, ohne mein Pferd, wenn auch nur für einen Augenblick, anzuhalten. Sobald ich dies gethan, erschien auch schon die Gastgeberin in Person unter ihrer Hausthüre, uns zu begrüßen.

»Ja, das habe ich geträumt, Mr. Mordaunt,« rief die alte Frau, sobald sie mich erblickte, – »das habe ich geträumt, und zwar erst vorige Woche! Es ist Unsinn, wenn man es läugnet, – Träume gehen oft in Erfüllung!«

»Und was ist denn diesmal Euer Traum gewesen, Mrs. Light?« fragte ich, wohl wissend, daß es doch heraus müsse, und dachte, je eher, je besser.

»Ich träumte letzten Herbst, der General sey heimgekommen, und er war heimgekommen! Nun war die einzige Idee, die mir auf diesen Traum helfen konnte, ein Gerücht, daß er an diesem Tage heimkommen solle; aber Ihr wißt, Mr. Mordaunt, oder Major Littlepage, wie ich Euch jetzt nennen muß, wie man mir sagt – nun, Ihr wißt, Mr. Mordaunt, wie oft an Gerüchten Nichts ist. Ich rechne ein Gerücht für keine große Hülfe zu einem Traum. Nun, und vergangene Woche träumte ich, Ihr würdet in dieser Woche gewiß nach Hause kommen, und da seyd Ihr auch wirklich!«

»Und das Alles, ohne daß ein lügenhaftes Gerücht Euch geholfen hätte, meine gute Frau Wirthin?«

»Ha, wenigstens Nichts von Belang; ein Geschwätz hie und da vielleicht; aber da ich an dergleichen nie glaube, wenn ich wache, wäre es unvernünftig, anzunehmen, daß ich daran im Schlaf glauben sollte. Ja, Jaap hielt diesen Morgen einen Augenblick an, um sein Pferd zu tränken, und von dem Augenblick an sah ich voraus, daß mein Traum in Erfüllung gehen werde, obgleich ich kein Wort mit dem Neger tauschte.«

»Das ist doch etwas auffallend, Mrs. Light, denn ich hatte geglaubt, Ihr wechseltet immer ein paar Worte mit Euern Gästen.«

»Mit den Schwarzen nicht. Major; es macht sie so leicht vorlaut. Vorlautheit bei einem Neger ist Etwas, das ich nicht ausstehen kann, und deßwegen halte ich sie Alle in einiger Entfernung. Nun, was für Zeiten ich erlebt habe, Major, seit Ihr in den Krieg gegangen! Und was für Veränderungen vorgegangen sind! Unser Geistlicher betet nicht mehr für den König und die Königin – gerade wie wenn gar keine solche Leute mehr lebten!«

»Nicht ausdrücklich vielleicht, aber doch hoffe ich als für Theile der Kirche Gottes. Wir beten jetzt Alle für den Congreß.«

»Nun, ich hoffe, es werde zum Guten führen! Ich muß sagen, Major, die Offiziere Seiner Majestät ließen freigebiger ausgehen und bezahlten in besserem Gelde als die Gentlemen vom Continent. Ich habe sie Beide hier gehabt, zu ganzen Regimentern; und das Zeugniß muß ich ihnen geben nach meinem Gewissen.«

»Ihr müßt bedenken, sie waren reicher und hatten mehr Geld als unsere Leute. Für die Reichen ist es leicht, freigebig zu erscheinen.«

»Ja, ich weiß das, Sir, und Ihr müßt das auch wissen, und wißt es. Die Littlepages sind reich und sind es immer gewesen, und sie sind auch freigebig. Gott segne Euer Lächeln, ihr hübschen Gesichter! Ich habe Eure Familie gekannt, lang ehe Ihr sie kanntet. Ich kannte den alten Kapitän Hugh Roger, Euern Urgroßvater, und den alten General, Euern Großvater, und jetzt kenne ich den jungen General und Euch! Nun, das wird noch nicht der Letzte von Eurem Stamme seyn, glaube ich gewiß, und es wird leichte und vergnügte Herzen geben bei den Bayards, dafür will ich stehen, jetzt, nachdem die Kriege vorbei sind, und der junge Major Littlepage zurück ist.«

Damit endete das Gespräch; denn ich hatte jetzt desselben genug; ich machte meine Verbeugung und ritt mit Kate weiter. Doch konnte ich mich des Eindrucks von Ueberraschung nicht erwehren über die letzte Rede der alten Frau und hauptsächlich über die Art und Weise, wie sie sie vorgebracht hatte. Der Name Bayard war wohlbekannt unter uns, denn er gehörte einer Familie an, von welcher verschiedene Zweige über die mittleren Staaten südlich bis Delaware verbreitet waren; aber ich kannte nicht Ein Individuum persönlich. Was konnte denn nun meine Rückkehr für einen Einfluß haben auf das Lächeln oder das Stirnrunzeln irgend eines Mitglieds der Familie dieses Namens? Es war natürlich, daß ich, nachdem ich ein paar Minuten über dem Gegenstande gebrütet, gegen meine Begleiterin einige meiner Gedanken über die Sache äußerte.

»Was konnte die alte Frau meinen, Kate,« begann ich plötzlich, »wenn sie sagte, es werde jetzt leichte und vergnügte Herzen bei den Bayards geben?«

»Die arme Mrs. Light ist eine große Schwätzerin, Mordaunt, und es ist die Frage, ob sie selbst bei der Hälfte dessen, was sie schwatzt, weiß, was sie damit sagen will. Alles, was wir von den Bayards kennen, ist die Familie auf den Hickories (Hagebuchen), und mit dieser ist, wie Du ohne Zweifel schon gehört hast, meine Mutter schon lange sehr vertraut.«

»Davon habe ich Nichts gehört, Kind. Alles was ich weiß, ist das: daß es einen Sitz gibt, die Hickories genannt, einige Meilen weiter hinauf am Fluß; und daß er einem Zweige der Bayards gehört; aber von vertrauter Bekanntschaft mit diesen ist mir nie Etwas zu Ohren gekommen. Im Gegentheil, ich erinnere mich, gehört zu haben, daß einmal ein Prozeß geführt worden zwischen unserem Großvater Mordaunt und einem alten Bayard; und ich glaubte, wir seyen einander von den Eltern her so zu sagen, entfremdet.«

»Das ist ganz vergessen, und meine Mutter sagt, es habe seinen Grund lediglich in einem Irrthum gehabt. Wir sind jetzt ausgemachte Freunde.«

»Gewiß, es freut mich sehr, das zu hören; denn da es jetzt Friede ist, laßt uns Frieden halten; obwohl alte Feinde nicht leicht ausgemachte Freunde zu werden pflegen.«

»Aber wir waren – das heißt mein Großvater war nie der Feind von irgend Jemand; und die ganze Sache ward freundschaftlich beigelegt, ehe er nach Europa ging, um den unseligen Besuch bei Sir Harry Bulstrode zu machen. Nein – nein – meine Mutter wird es Dir sagen, Mordaunt, daß die Littlepages und die Bayards einander jetzt als ausgemachte Freunde ansehen.«

Kate sprach mit solchem Eifer, daß ich veranlaßt ward, einen prüfenden Blick auf sie zu werfen. Das Gesicht des Mädchens war roth, und ich glaube, sie war sich dessen insgeheim bewußt, denn sie wandte es von mir ab, wie wenn sie nach einem Gegenstand auf der entgegengesetzten Seite schaute, wodurch sie mir unmöglich machte, viel davon zu sehen.

»Ich bin sehr erfreut, das Alles zu erfahren,« antwortete ich etwas trocken. »Da ich ein Littlepage bin, wäre es verdrießlich und ungeschickt gewesen, wenn ich, bei einer zufälligen Begegnung mit Einem von der Familie Bayard, Nichts davon gewußt hätte. Begreift der geschlossene Friede Alle des Namens in sich, oder nur die von den Hickories?« Kate lachte; dann sagte sie, es freue sie, mir erklären zu können, daß ich mich als Freund von Allen des Namens betrachten dürfe, ganz besonders aber von denjenigen des Namens, welche auf den Hickories hausen.

»Und wie Viele sind es denn wohl von dieser ganz besonders friedlichgesinnten Gattung? – sechs, oder ein Dutzend oder zwanzig?«

»Nur vier; und so werden Deine zärtlichen Gefühle nicht allzusehr in Anspruch genommen und besteuert werden. Dein Herz hat, hoffe ich, Raum für vier weitere Freunde?«

»Für tausend, wenn ich sie finden kann, meine Liebe. Ich kann so viele Freunde annehmen, als Dir beliebt, aber für Andere habe ich keinen Platz. Alle andern Nischen sind besetzt.«

»Besetzt! – Ich hoffe, das ist nicht wahr, Mordaunt. Ein Platz wenigstens ist noch leer!«

»Wahr! ich hatte vergessen, daß Ein Platz für den Bruder vorbehalten bleiben muß, den Du mir einst geben wirst. Nun, nenne ihn mir nur, sobald Du Lust hast; ich werde bereit seyn, ihn zu lieben, Kind.«

»Ich werde vielleicht nie einen so gewichtigen Wechsel auf Deine Gefühle ziehen. Anneke hat Dir schon einen Bruder gegeben, und zwar einen trefflichen, und das sollte einen vernünftigen und billigen Mann befriedigen.«

»Ja, so sprecht Ihr jungen Frauenzimmer zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren Alle, aber gewöhnlich ändert Ihr am Ende Euren Sinn. Je eher Du mir daher sagst, wer der junge Mann ist, desto eher werde ich anfangen, ihn zu lieben – ist es etwa Einer von diesen Bayards? – ein Ritter ohne Furcht und Tadel?«

Kate hatte für gewöhnlich eine sehr blühende Gesichtsfarbe; aber wie ich jetzt mein Auge fragend auf sie heftete, mehr aus Schalkhaftigkeit jedoch, als in der Erwartung, etwas Neues zu erfahren, sah ich die Rosen auf ihren Wangen sich bis über die Schläfe ausbreiten. Der kleine Biberhut, den sie trug, und der ihr ganz erstaunlich gut stand, reichte nicht hin, dies heftige Erröthen zu verdecken, und ich begann jetzt wirklich zu vermuthen, einen empfindlichen Punkt ihres Herzens getroffen zu haben. Aber meine Schwester war ein Mädchen von Geist und Besonnenheit, und so wenig es kostete, sie erröthen zu machen, war es doch gar nicht leicht, sie aus der Fassung zu bringen.

»Ich hoffe, Euer neuer Bruder, Mordaunt, falls je eine solche Person auftreten sollte, wird ein achtbarer Mann seyn, wenn auch nicht gerade ein Mann ohne allen Tadel,« antwortete sie. »Aber wenn es einen Tom Bayard gibt, so gibt es auch eine Pris Bayard, seine Schwester.«

»So – so – das ist mir in der That Alles ganz neu! Was den Mr. Thomas Bayard betrifft, so will ich über ihn keine Fragen thun, da mein Interesse an seiner Person, soweit ein solches stattfinden sollte, ganz und gar ex officio ist, wie man sagen könnte, und eine Sache, die sich von selbst versteht; aber Ihr werdet mich entschuldigen, wenn ich einige Neugier verrathe in Betreff der Miß Priscilla Bayard, einer Lady, die ich, wie Ihr bedenken müßt, nie gesehen habe.«

Mein Auge ruhte die ganze Zeit auf Kate, und ich glaubte zu bemerken, daß sie vergnügt aussah, obwohl sie noch etwas befangen war.

»Fragt, was Ihr wollt, mein Bruder; Priscilla Bayard kann eine sehr genaue Prüfung wohl aushalten.«

»Nun denn, erstens: hat die alte Klatscherin auf Miß Priscilla angespielt, wenn sie sagte, es werde bei den Bayards leichte und vergnügte Herzen geben?«

»Ha, ich kann nicht einstehen für die Einbildungen der armen Mrs. Light. Stellt Eure Fragen in einer anderen Form.«

»Besteht ein sehr vertrautes Verhältniß zwischen den Leuten vom Bush und denen von den Hickories?«

»Ein sehr vertrautes; wir haben sie ausnehmend gern, und sie, glaube ich, uns auch.«

»Erstreckt sich diese Freundschaft auf die jungen Leute, oder beschränkt sie sich auf die alten?«

»Das ist ziemlich persönlich,« sagte Kate lachend, »da ich zufällig das Einzige von jungen Leuten auf dem ›Bush‹ bin, welches besagte Freundschaft hegen kann. Da jedoch Nichts daran ist, dessen man sich zu schämen hätte, sondern im Gegentheil viel, worauf man stolz seyn darf, will ich Euch antworten: sie schließt alle Alter und Geschlechter ein; Alle, mit Einem Wort, außer Euch.«

»Und Ihr habt den alten Mr. Bayard gern?«

»Ganz erstaunlich.«

»Und die alte Mrs. Bayard?«

»Sie ist eine sehr angenehme Person, und eine treffliche Gattin und Mutter.«

»Und Ihr liebt Pris Bayard?«

»Wie meinen Augapfel!« antwortete das Mädchen mit Nachdruck.

»Und Ihr mögt den Tom Bayard, ihren Bruder, gerne leiden?«

»So viel schicklich und anständig ist für ein junges Frauenzimmer, den Bruder eines anderen jungen Frauenzimmers gerne leiden zu mögen, das sie gesteht, wie ihren Augapfel zu lieben.«

Obgleich es nicht leicht war, wenigstens für mich nicht leicht, die Zunge von Kate Littlepage zum Stillstehen zu bringen, so war es doch auch für sie nicht leicht, das verräterische Blut immer in Ordnung zu erhalten. Sie war entzückend schön in ihrem Erröthen, und glich ganz und gar dem Bilde, das ich mir oft von meiner guten Mutter zur Zeit ihrer schönsten Blüthe gemacht hatte, in dem Augenblick, wo sie diese Antworten mit solcher Festigkeit und Sicherheit gab, als wenn sie ihr gar keine innere Bewegung verursachten.

»Wie hängt aber dies Alles zusammen mit der Freude, welche die Leute auf den Hickories über meine Rückkehr haben sollen? Seyd Ihr die Verlobte von Tom Bayard, und habt Ihr meine Rückkehr abgewartet, um ihm Eure Hand zu geben?«

»Ich bin nicht die Verlobte von Tom Bayard, und habe nicht Eure Rückkehr abgewartet, um ihm meine Hand zu geben,« antwortete Kate mit fester Stimme. »Was der Mrs. Light Geschwätze betrifft, so könnt Ihr von mir nicht verlangen, daß ich es Euch erkläre. Sie rafft ihre Nachrichten von Dienern und anderen Leuten der Art zusammen, und Ihr wißt, was solche Gerüchte gewöhnlich Werth sind. Aber was das anbelangt, daß ich Deine Rückkehr sollte abgewartet haben, mein Bruder, um ein solches Verhältniß zu erklären, so mußt Du gar nicht wissen, wie sehr ich Dich liebe, wenn Du glauben kannst, ich wäre im Stande, so Etwas zu thun.«

Kate sagte dies mit Gefühl und ich dankte ihr mit den Augen, konnte aber nicht sprechen, und sprach nicht, bis wir eine Strecke weiter geritten waren. Nach dieser Pause knüpfte ich das Gespräch ungefähr im ursprünglichen Tone wieder an.

»Ueber diesen Gegenstand, Katrinke, meine Liebe,« sagte ich, »verstehen wir einander, hoffe ich. Unverheirathet oder verheirathet wirst Du mir immer lieb und theuer seyn; und ich gestehe, es würde mich schmerzen, wenn ich Einer der Letzten wäre, die von Deiner Verlobung hörten, falls es einmal dazu kommt. Und jetzt, um von dieser Pris Bayard zu sprechen – erwartet Ihr, daß ich an ihr Wohlgefallen finden werde?«

»Ob ich es erwarte? es würde einer der glücklichsten Augenblicke meines Lebens seyn, Mordaunt, wenn ich Euch bekennen hörte, daß Ihr sie liebt!«

Dies ward mit großer Lebhaftigkeit gesprochen und in einer Art, welche zeigte, daß es meiner Schwester sehr ernst war. Ich empfand einige Ueberraschung, als ich dies Gefühl in Verbindung setzte mit den Bemerkungen der Wirthin und begann zu vermuthen, es möchte doch wohl Etwas hinter dem Vorhang seyn, was meiner Beachtung werth wäre. Um jedoch Entdeckungen zu machen, war es nothwendig, das Gespräch zu verfolgen.

»Wie alt ist Miß Bayard?« fragte ich.

»Sie ist zwei Monate älter als ich – ganz passend, nicht wahr?«

»Ich habe gegen den Altersunterschied Nichts einzuwenden, welcher ganz gut seyn wird. Besitzt sie viel Bildung und Talente?«

»Nicht sehr. Ihr wißt, wenige von uns Mädchen, deren Bildung in die Zeit während der Revolution fällt, können sich in dieser Hinsicht großer Stücke rühmen, obgleich Priscilla über dem gewöhnlichen Maß steht.«

»Ueber dem gewöhnlichen Maß ihrer Classe meint Ihr, natürlich?«

»Gewiß – sie ist mehr als die meisten jungen Damen unserer besten Familien.«

»Ist sie liebenswürdig und freundlich?«

»Wie Anneke selbst.«

Das wollte viel heißen, da unsere ältere Schwester, wie dies oft in Familien vorkommt, als das Musterbild aller Tugenden bei uns galt, und Annekens Gemüthsart wirklich die liebenswürdigste Heiterkeit selbst war.

»Ihr gebt ihr ein glänzendes Zeugniß, das wenige Mädchen ansprechen dürften. Ist sie verständig und wohlunterrichtet?«

»So sehr, daß ich mich oft schämen muß, wenn ich mich mit ihr vergleiche. Sie hat eine treffliche Mutter, Mordaunt; und ich habe Euch oft sagen hören, daß die Persönlichkeit der Mutter Euch gar sehr bestimmen würde bei der Wahl einer Gattin.«

»Das muß gewesen seyn, als ich noch sehr jung war, Kind, und ehe ich zum Heere ging, wo wir mehr die jungen als die alten Frauen ins Auge fassen. – Aber warum eine Gattin? – Ist es denn eine ganz zwischen den alten Leuten abgemachte Sache, daß ich dieser Priscilla Bayard einen Heirathsantrag machen müsse, und seyd Ihr auch in den Plan eingeweiht?« Kate lachte ganz herzlich, aber wie mir schien, bestätigte ihre Miene einigermaßen, was ich gesagt hatte.

»Ihr antwortet mir nicht, junge Lady, und Ihr müßt mir erlauben, Euch zu erinnern, daß ein ausdrücklicher Vertrag zwischen uns besteht, einander in allen Fällen mit Offenheit zu begegnen. Dies ist ein Fall, wo ich ganz besonders die Bedingungen des Vertrags streng eingehalten sehen möchte. Existirt wirklich ein solches Projekt?«

»Nicht als vollständig erörtertes und angelegtes Projekt – nein, gewiß nicht? Nein, tausendmal nein. Aber ich werde Gefahr laufen, eine meiner liebsten Hoffnungen zu vereiteln, wenn ich Euch ehrlich heraussage, daß Ihr meiner lieben Mutter, Tante Mary und mir selbst keine größere Freude machen könntet, als wenn Ihr Euch in Pris Bayard verliebtet. Wir Alle lieben sie und wir wünschten, daß Ihr auch mitthätet, weil wir wissen, daß Eure Liebe wahrscheinlich zu einer Verbindung führen würde, die uns Alle, mehr als ich sagen kann, erfreuen würde. So: jetzt könnt Ihr Euch nicht über Mangel an Offenheit beklagen, denn ich habe schon oft behaupten hören, daß die Wünsche befreundeter Personen, vorlaut ausgesprochen, sehr leicht junge Männer gerade gegen die Person einnehmen, von der man wünscht, sie möchten sie bewundern und lieben.«

»Eine Regel, die im Allgemeinen wohl wahr seyn dürfte, aber bei mir ist keine Einwirkung, weder eine gute, noch eine schlimme, zu besorgen. Aber was sind denn die Gesinnungen der Bayards in Betreff dieser Sache?«

»Wie sollte ich das wissen? – Natürlich ist nie gegen irgend Eines von der Familie die Sache entfernt erwähnt worden; und da Keines von ihnen Euch kennt, ist es unm– das heißt, keine Erwähnung – ich meine – wenigstens nicht gegen mehr als Eines von der Familie. Ich glaube, unbestimmte Andeutungen mögen gefallen seyn gegen Eines – aber –«

»Aus Euerm Munde, gegen Eure Freundin Pris?«

»Nie!« sagte Kate mit Nachdruck. »Ein solcher Gegenstand könnte zwischen uns nie zur Sprache kommen.«

»Dann ist es vermuthlich der Fall gewesen zwischen den alten Ladies – den beiden Müttern?«

»Ich denke nicht. Mrs. Bayard ist eine zurückhaltende Frau, und Mama hat ein ausnehmendes Schicklichkeitsgefühl, wie Ihr selbst wißt, das ihr so etwas zu thun nicht gestatten würde.«

»Sollte der General daran denken, in meiner Abwesenheit einen Contrakt über mich abzuschließen?«

»O nein – Papa kümmert sich sehr wenig um solche Dinge. Seit seiner Rückkehr nach Hause hat er, wie er uns sagt, nur immer der Mama wieder den Hof gemacht.«

»Gewiß hat doch Tante Mary nicht Worte gefunden zu einer solchen Andeutung?«

»Ei wahrhaftig, sie! Die arme liebe Tante Mary; sie mischt sich wenig in andrer Leute Angelegenheiten und Sorgen. Wißt Ihr wohl, Mordaunt, Mama hat mir vor Kurzem ihre ganze Geschichte erzählt, und den Grund, warum sie so viele treffliche Anträge abgewiesen hat. Ich glaube gewiß, wenn Ihr sie bittet, erzählt sie sie Euch auch.«

»Ich weiß die ganze Geschichte schon vom General, Kind. Aber wenn dieser Sache gegen Eines von der Familie Bayard Erwähnung gethan worden ist, und weder mein Vater, meine Mutter, noch Tante Mary von unsrer Seite darauf hingewiesen haben, und weder Mr. Bayard, noch seine Gattin, noch seine Tochter andererseits es sind, gegen welche etwas darauf Bezügliches geäußert worden ist, so bleibt Niemand mehr übrig, als Ihr und Tom, welche ein solches Gespräch können gepflogen haben. Ich bitte Euch, diesen Punkt mit Eurer gewohnten Offenheit zu erklären.«

Das Angesicht von Kate Littlepage glühte wie Scharlach. Sie war förmlich gefangen, obgleich ich die Wahrheit schon von dem Augenblick an geahnt hatte, wo sie so stotterte und stockte, indem sie ihre erste Angabe berichtigte. Ich will gestehen, ich hatte meine Freude an des Mädchens Verwirrung, sie machte sie so äußerst lieblich aussehen; und ich war beinahe ebenso stolz auf sie, als ich sie zärtlich liebte. Die liebe, liebe Kate; von ihrer Kindheit an hatte ich meine eigne Freude und Kurzweil mit ihr, obgleich ich mich keines harten Wortes, keines unfreundlichen Gefühls erinnere, das je unser Verhältniß im mindesten getrübt hätte. Ein anziehenderes und reizenderes Studium, als das Angesicht meiner Schwester während der nächsten Minute darbot, stellte sich nie dem Auge eines Mannes dar; und ich erfreute mich desselben mit um so größerem Genusse, als ich lebhaft überzeugt war, daß sie, trotz ihrer argen Verwirrung, doch sich nicht verletzt oder unangenehm berührt fühlte. Angeborne Freimüthigkeit, märchenhafte Sittsamkeit, ihre Gewohnheit, ganz offen mit mir zu verkehren, und der Wunsch, dies auch ferner so zu halten, kämpften in ihrem lieblichen Gesicht und bildeten eines der einnehmendsten Gemälde weiblichen Gefühls, wovon ich je Zeuge gewesen. Endlich triumphirte die Neigung zur Offenheit und die Liebe zu mir über eine konventionelle Schüchternheit; die natürliche Farbe kehrte wieder, in kaum merklich erhöhter Lebhaftigkeit, auf die Wange zurück, auf der sie zuvor zu brennen geschienen hatte; und Kate sah mich mit einer Miene an, welche all' das schwesterliche Vertrauen und die Liebe verrieth, die sie wirklich für mich fühlte.

»Ich hatte nicht die Absicht, Dir einen Umstand mitzutheilen, der, wie ich weiß, für Dich vom größten Interesse seyn wird, denn ich hatte vorausgesetzt, meine Mutter werde mir die Verlegenheit ersparen, Dir davon zu sagen; aber jetzt habe ich keine andere Wahl, als zu Ausflüchten zu greifen, die ich nicht liebe, oder gemäß unserer althergebrachten Offenherzigkeit mit Dir zu sprechen.«

»Und der langen Rede kurzer Sinn, meine liebe Schwester, ist wohl: daß Du mit Mr. Bayard verlobt seyest!«

»Nein, so weit ist es noch nicht, Bruder. Mr. Bayard hat seinen Antrag gemacht, und ich habe meine Antwort verschoben, bis Du ihn erst kennen gelernt hättest. Ich möchte meine Hand nicht versagen, Mordaunt, bevor Du meine Wahl gebilligt.«

»Ich fühle das Kompliment, Katrinke, und werde es gewiß in entsprechender Weise erwiedern. Verlaß Dich darauf, Du sollst es zu rechter Zeit erfahren, wenn ich im Sinne habe zu heirathen, und sollst darüber gehört werden.«

»Es ist ein Unterschied zwischen den Ansprüchen und Rechten eines ältern und einzigen Bruders und denen eines jungen Mädchens, das, wenn es seine Wahl trifft, auf den Rath von Freunden Viel geben, ihnen viel Vertrauen schenken soll.«

»Du wirst nicht mehr blos ein junges Mädchen seyn, wenn diese Zeit kommt, sondern selbst eine verheirathete Frau, befugt und im Stande, aus eigner Erfahrung Rath zu geben. Um jedoch auf Tom zurückzukommen; er ist dasjenige Mitglied der Familie, gegen welches die erwähnte Andeutung ausgesprochen wurde?«

»Ja, er war es, Mordaunt,« antwortete Kate mit leiser Stimme.

»Und Du warest es, die jene Andeutung fallen ließ?«

»Ganz recht – wir sprachen eines Tages von Dir; und ich drückte meine lebhafte Hoffnung aus, Du werdest Priscilla mit eben den Augen ansehen, wie, das versichere ich Dich, unsere ganze übrige Familie; das war Alles.«

»Und das war gerade genug, Kind, um Tom Bayard dazu zu bringen, sich zu erhängen, falls er ein Liebender vom ächten Schrot und Korn ist.«

»Sich zu erhängen, Bruder! Wahrhaftig, ich verstehe nicht, warum?«

»Ha, einfach, wegen der handgreiflichen Entmuthigung, welche ein solcher Wunsch ganz natürlicher Weise in sich schließt für den Bruder der jungen Dame, da er doch sehen mußte, daß Du Lust habest, die zwei Familien auf eine andere Weise zu verbinden, als dadurch, daß Du ihm Deine Hand reichest.«

Kate lachte; aber da sie nicht sehr verwirrt und gar nicht unruhig schien, veranlaßte mich dies zu glauben, es sey dem Mr. Tom doch wohl eine bedeutendere Aufmunterung zu Theil geworden, als ihr Wunsch, mich mit der Schwester ihres Anbeters vermählt zu sehen, enthielt, und mein etwaiges Mißfallen an dem genannten Gentleman würde ihr mehr Kummer verursachen, als sie gestehen mochte. Wir ritten jedoch eine Strecke weiter, ohne daß Eines von uns einen Versuch machte, das Gespräch wieder anzuknüpfen. Endlich sprach ich, wie es meinem Geschlecht zustand.

»Wann soll ich dies Musterbild von einem jungen Mann und dies Musterbild von einem jungen Frauenzimmer zu sehen bekommen, Kate, wenn ich doch Beide sehen soll?«

»Kein Musterbild von einem jungen Mann, Bruder, gewiß habe ich ihm doch keinen solchen Namen gegeben! Tom Bayard ist ein guter Junge; aber ich wüßte nicht, daß er irgend wie ein Musterbild und Ideal wäre.«

»Er ist überdies auch ein gutaussehender Junge, das sehe ich' als ausgemacht an?«

»Nicht in dem Maße wie Du, wenn das Deiner Eitelkeit schmeichelt.«

»Das muß es wohl, aus einem solchem Munde. Aber meine Frage ist doch noch nicht beantwortet.«

»Dir die Wahrheit zu gestehen, Mordaunt, ich erwarte, daß wir Tom Bayard und Pris zu Satanstoe treffen und daß sie bei unserer Großmutter zu Mittag essen werden. Sie schrieb mir vor ein paar Tagen, Beide seyen eingeladen, und sie hoffe, Beide würden es annehmen.«

»Also ist die alte Lady auch im Complott und beabsichtigt mich zu verheirathen, ich mag wollen oder nicht! Ich hatte diesen Besuch ganz für einen Einfall von mir selbst gehalten!«

Kate lachte wieder und sagte mir, ich möge über diesen Punkt meine eignen Beobachtungen machen und für mich selbst urtheilen. Was den Besuch betreffe, so hätte ich nur zufällig ein Projekt von Andern begünstigt. Das Gespräch nahm jetzt eine andere Wendung, und wir ritten einige Meilen weiter und unterhielten uns von den Auftritten des Krieges, ohne der Bayard's und der Heirathen weiter zu erwähnen.

Wir waren eine halbe Meile vom Thore des Landhalses und eine Meile vom Hause entfernt, als uns Jaap begegnete, der nach Lilaksbush zurückkehrte und meiner Mutter einiges Obst brachte, nachdem er seinen Auftrag als avant-courrier erfüllt hatte. Aus Kate's Bemerkung hatte ich erfahren, daß wir durch einen Brief eingeladen worden waren, diesen Ausflug zu machen, wiewohl die Förmlichkeit, den Neger mit seiner Botschaft hinüber zu schicken, beobachtet worden war, aus Gründen, die mir unter den obwaltenden Umständen nicht sehr einleuchteten. Ich äußerte jedoch Nichts und beschloß, selbst zu sehen und zu urtheilen.

Natürlich zogen wir unsern Pferden die Zügel an und hielten, um einige Worte mit dem Schwarzen zu sprechen.

»Nun, Jaap, wie sah der Landhals aus nach so langer Abwesenheit?« fragte ich.

»Er aussehen, Sah, gar nicht so gut wie alte Missus, welche kapital aussehen für eine solche Lady. Machen Wunder groß Aufhebens mit Landhals, Sah, wenn Ihr Alles glaubt, was junge Neger sagen. Aber was meint Ihr, Masser Mordy, daß ich gehört in Schenke, wo ich nur anhielt, alten Dick saufen zu lassen?«

»Und eine Schluck Cider für den alten Jaap zu bestellen,« – hier lachte der alte Neger herzlich, hatte aber die Unverschämtheit, die Anschuldigung weder zuzugestehen noch zu läugnen, da seine Schwäche für derlei Genüsse ein allbekannter Fehler war. – »Nun, was habt Ihr gehört, während Ihr Euren gewohnten Krug verschlucktet?«

»Ich habe dießmal nur einen halben Krug getrunken. Sah, gar alte Missus nie vergessen, mir so viel zu geben als ich mag. Nun, Sah, während der alte Dick saufen, sagen die neue Wirthin die von Connetick kommen, wißt Ihr, Sah, wohin Ihr gehen, alter farbiger Gentleum? Das war jedenfalls höflich.«

»Worauf Ihr antwortetet – –«

»Ich antworten ihr, Sah, und sagen, ich gehen nach Satanstoe, woher ich gekommen, vor langer Zeit.«

»Worauf sie irgend eine Bemerkung machte – nun, und was war es? Wie lange soll Miß Littlepage auf Euch warten!«

»Gott segnen sie, Sah – es seyn mein Geschäft aufzuwarten Miß Katrinke, nicht ihr Geschäft zu warten auf mich – Warum Ihr sprechen jetzt so drollig. Masser Mordy?«

»Laßt das Alles, Jaap – was sagte die neue Dame aus Connektikut, als Ihr antwortetet, Ihr gehet nach Satanstoe, einem Ort, woher Ihr vor langer Zeit gekommen?«

»Was sie sagen, Masser Mordy, Sah? – Sie sagen große Thorheiten und machen mich toll. Was nennt Ihr mit dem schauerlichen Namen? Sie sagen und ein Gesicht machen, wie wenn sie gesehen ein Gespenst. ›Ihr meinet wohl Dibbleton?‹ sie sagen – das die Art, wie alle Leute die genteel seyn, nennen den Landhals! Habt Ihr je dergleichen gehört, Sah?«

»O ja, ich hörte dergleichen schon von meiner Geburt an; das Bestreben, den Namen unseres alten Sitzes umzuwandeln, ist jetzt schon dreißig Jahre alt. Ja, manche Leute nennen Hellgate jetzt Hurlgate: nach dieser Probe kann man sich auf Alles gefaßt machen. Wißt Ihr das nicht, Jaap: ein Yankee ist nie zufrieden, wenn er keine Aenderungen machen kann? Die Hälfte seiner Zeit ändert er an der Aussprache seiner eigenen Namen und die andere Hälfte an den unsrigen. Laßt ihn das Gut nennen wie er will, Ihr und ich wir bleiben bei Satanstoe.«

»Das wollen wir, Sah; geben auch dem Teufel seyn gebührend Theil, das seyn ein altes Wort. Ich gewiß seyn, Jeder der Augen hat, kann sehen, wo seine Zehe den Boden aufgerissen und ihn gestaltet nach sich – kein Dibble da, Sah.«

Mit diesen Worten ritt Jaap weiter, und meine Schwester und ich thaten dasselbe, das Gespräch weiter fortsetzend, in das wir so zufällig hineingerathen waren.

»Ist es nicht sonderbar, Bruder, daß Fremde diesen Kitzel haben den Namen des Guts unsrer Großmutter zu verändern?« sagte Kate, nachdem wir den Schwarzen verlassen hatten. »Es ist allerdings ein gemeiner Name; aber er ist jetzt weit über hundert Jahre im Gebrauch und die Zeit wenigstens sollte ihm das Recht verleihen, ungehudelt zu bleiben.«

»Ja, meine Liebe; aber Du weißt noch Nichts von den Wünschen und Begehrungen und Anstrengungen und dem Ehrgeiz von ein ›wenig Gelehrsamkeit.‹ Ich habe auf meiner kurzen Laufbahn schon genug gesehen, um zu wissen, daß ein Geist unter uns rege ist, der sich den anspruchsvollen Namen: ›Geist des Fortschritts‹ gibt, welcher wahrscheinlich Wichtigeres umstürzen wird, als den Namen unseres alten Landhalses. Es ist ein Geist, der den achtbaren Charakter der Liebe zur Freiheit anzunehmen sucht; und unter dieser Maske läßt er der Bosheit, dem Neid, der Begehrlichkeit, der Habgier und den niedrigsten Leidenschaften unserer Natur freies Spiel. Unter andern nimmt er auch die provinzielle Anmassung einer unächten Geschmacksverfeinerung an, und schmeichelt einer gewissen spröden Vornehmigkeit, die man am häufigsten bei Solchen findet, die keinen Begriff von etwas wahrhaft Erhabenem haben, indem er ekeln Geschmack und Affektationen an die Stelle der Einfachheit der Natur und eines wahrhaft guten Tons und Benehmens setzt.«

 


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