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Zwölftes Kapitel.

Da kommen sie, die Liebenden, voll Freude
Und Fröhlichkeit. Glück Euch, Ihr holden Freunde,
Und frische Tage reich an Liebe mögen
Begleiten Eure Herzen!

Sommernachtstraum.

 

»Ich darf Euch nicht im Zweifel lassen über den Sinn meiner Worte, Mr. Littlepage,« begann Ursula nach einer Pause wieder. »Priscilla Bayard ist mir sehr theuer, und sie ist wohl werth aller Eurer Liebe und Bewunderung –«

»Bewunderung, wenn es Euch beliebt, und so viel Euch beliebt, Miß Ursula; aber ein solches Gefühl wie Liebe besteht bis jetzt wenigstens ganz gewiß nicht zwischen Miß Bayard und mir.«

Das Gesicht von Dus' klärte sich merklich auf. Sie selbst ganz Wahrhaftigkeit, schenkte meinen Worten unbedingten Glauben; und ich konnte nicht umhin, zu sehen, daß sie sich um eine unerklärliche Besorgniß erleichtert fühlte. Doch lächelte sie etwas schalkhaft und vielleicht etwas trübe, als sie fortfuhr:

»Bis jetzt wenigstens ganz gewiß nicht, ist ein sehr zweideutiger Ausdruck von Eurer Seite, wenn es sich von einem jungen Frauenzimmer wie Priscilla Bayard handelt. Das kann sich in einem Augenblick in ein: Jetzt ganz gewiß! verwandeln!«

»Ich will das nicht bestreiten. Miß Bayard ist ein reizendes Geschöpf – und doch, ich weiß nicht, wie es ist, aber es scheint ein Verhängniß in diesen Dingen zu walten. Das eigenthümliche Verhältniß, auf welches ich anspielte, und zwar auf eine so ungeschickte, linkische Art, ist nichts weiter, als die Verlobung meiner jüngeren Schwester mit ihrem Bruder. Diese Verlobung ist kein Geheimniß, und daher will ich mir auch keine Mühe geben, sie geheim zu halten.«

»Und dies Verhältniß ist gerade von der Art, daß es zu einem ähnlichen zwischen Euch und Priscilla führen könnte!« rief Dus, mit unverkennbarer Unruhe.

»Es kann und kann auch nicht, je nachdem die Betheiligten solche Dinge ansehen. Bei Personen von gewisser Gemüthsart könnte es Reiz und Sporn seyn, bei anderen aber vielleicht eher das Gegentheil.«

»Mein Interesse an der Sache,« fuhr Dus fort, »hat seinen Grund ganz und gar in dem Umstand, daß ich weiß, es hat sich ein Anderer um Miß Bayard beworben; und ich will gestehen, daß meine herzlichsten Wünsche für seinen Erfolg sind. Es fiel mir ein, daß Ihr ein höchst furchtbarer Rival werden könntet; und dies stellt sich mir nicht unwahrscheinlicher dar, nachdem ich weiß, daß Eure Familien durch eine Heirath werden näher verknüpft werden.«

»Seyd unbesorgt meinethalb, denn mein Herz ist so unversehrt wie am Tage, wo ich die Lady das erste Mal sah.«

Ein Blitz des Verständnisses – ein höchst vielsagender Strahl – flog über das schöne Antlitz meiner Gesellschafterin; und dann folgte ein trauriges, obwohl, wie mir auch jetzt noch schien, nicht ganz mißvergnügtes Lächeln.

»Das sind Dinge, von welchen man wohl thut, nicht viel zu sprechen,« sagte Dus nach einer Pause. »Mein Geschlecht hat seine eigenthümlichen Rechte und keine Frau sollte die mißachten. Ihr seyd glücklich gewesen, Mr. Littlepage, daß Ihr alle Eure Pächter versammelt gefunden, so daß Ihr sie Alle auf Einen Blick sehen und übersehen konntet.«

»Ich bin in der That in einem gewissen Sinne glücklich gewesen, und ein entzückender Willkomm wurde mir auf der Ansiedlung – ein Willkomm, dessen Wiederholung zulieb ich gerne wieder hundert Meilen weit reisen würde.«

»Seyd Ihr denn ein so großer Freund vom Aufschlagen? – oder liebt Ihr wirklich die Aufregung in dem Maße, daß Ihr gern unter eine Falle kommt, wie die armen Rebhühner, welche mein Oheim zuweilen fängt?«

»Ich denke nicht an das Aufschlagen und an das Gerüste: obwohl Euer Muth und Eure Geistesgegenwart wohl beides meinem Geiste unauslöschlich einprägen dürfte«; Dus schaute zu Boden und das Blut stieg ihr bis zu den Schläfen – »sondern ich dachte an ein gewisses Lied, ein indianisches Lied, nach einer schottischen Melodie gesungen, das ich einige Meilen vor den Lichtungen hörte, und welches der eigentliche Willkomm und die Verheißung für mich war von allem Angenehmen und Schönen, was man zu hören und zu sehen bekommen mag in diesem abgelegenen Theile der Welt.«

»Der am Ende doch nicht so abgelegen ist, daß nicht die Schmeichelei dahin dringen könnte, wie ich finde. Es ist angenehm, wenn man seine Lieder rühmen hört, mögen es auch indianische Lieder seyn; aber es ist nicht halb so angenehm, als Zeitungen von Priscilla Bayard zu vernehmen. Wenn Ihr wirklich mein Ohr erfreuen möchtet, so sprecht von ihr!«

»Die Anhänglichkeit scheint gegenseitig, denn ich kann Euch versichern, Miß Bayard legte ganz dieselbe Theilnahme für Euch an den Tag.«

»An mir! Also erinnert sich noch Priscilla eines armen Geschöpfs, wie ich, in meiner Verbannung aus der Welt! Vielleicht gedenkt sie meiner um so mehr deshalb, weil ich verbannt bin. Ich hoffe, sie glaubt nicht, kann nicht glauben, daß ich mich über meinen Zustand gräme, – das könnte ich ihr kaum verzeihen!«

»Ich glaube gewiß, daß das nicht der Fall ist; ich weiß, sie traut Euch ungewöhnliche Vorzüge und Trefflichkeiten zu!«

»Es ist seltsam, daß Priscilla Bayard Euch von mir sprechen mußte! Ich bin selbst etwas unvorsichtig gewesen, Mr. Littlepage, und habe so viel gesagt, daß ich nachgerade die Notwendigkeit fühle, noch etwas mehr zu sagen. Ich habe wohl einige Entschuldigung anzusprechen, wenn mir in Eurer Gesellschaft nicht so zu Sinne ist, wie wenn ich einen ganz Fremden mir gegenüber hätte, da mein Oheim Kettenträger Euren Namen jeden Tag wenigstens hundertmal im Munde führt. Gestern fing er in Einer Stunde zu zwölf verschiedenen Malen von Euch zu reden an.«

»Der treffliche alte Andries! Es ist der Stolz meines Lebens, daß ein so ehrlicher Mann mich liebt; und jetzt zu der Erklärung, die ich, nach Eurem eigenen Zugeständniß, als sein Freund zu erwarten berechtigt bin.«

Dus lächelte, ein wenig bitter, wie mir schien, aber bitter oder nicht, dies Lächeln machte ihr Angesicht äußerst reizend. Sie schwieg einen Augenblick, wie wenn sie in tiefes Nachdenken versunken wäre, und sogar senkte sich ihr Haupt in schmerzlicher geistiger Anstrengung; dann richtete sie sich aber zu ihrer vollen Höhe auf und sprach:

»Es ist immer das Beste,« sagte sie, »offen zu seyn, und es kann nichts schaden, während es gut und nützlich seyn kann, wenn ich mich gegen Euch erkläre. Ihr werdet nicht vergessen, Mr. Littlepage, daß ich von der Voraussetzung ausgehe, mit meines Oheims allerbestem Freunde mich zu besprechen?«

»Ich bin zu stolz auf diese Auszeichnung, um es unter irgend welchen Umständen zu vergessen, und am allerwenigsten in Eurer Gegenwart.«

»Nun gut, ich will offen seyn. Priscilla Bayard war acht Jahre lang meine Genossin und meine vertrauteste Freundin. Unsere Zuneigung zu einander begann, als wir noch bloße Kinder waren, und nahm mit der Zeit und mit steigender Einsicht und Erkenntniß zu. Etwa ein Jahr vor dem Ende des Krieges fand mein Bruder Frank, der jetzt hier ist als meines Oheims Geometer und Rechner, Gelegenheit, sein Regiment zu verlassen und häufig auf Besuch zu mir zu kommen, denn seine Compagnie wurde nach Albany geschickt, wo er mich sehen konnte, so oft er wünschte. Mich sehen hieß auch Priscilla sehen, denn wir waren unzertrennlich; und Priscilla sehen hieß, bei dem armen Frank wenigstens, so viel als sie lieben. Er machte mich zu seiner Vertrauten, und meine Unruhe war nur die natürliche Besorgniß, er möchte an Euch einen furchtbaren Nebenbuhler haben.«

Eine Fülle von Licht ging mir auf bei dieser kurzen Erklärung, obwohl ich nicht umhin konnte, mich zu wundern über die Unbefangenheit oder die Charakterstärke, die sie vermochten zu einer so auffallenden, vertrauenden Offenherzigkeit. Als ich Dus genauer kennen lernte, wurde mir Alles klar genug; aber in jenem Augenblick war ich ein Wenig überrascht.

»Seyd ganz ruhig meinetwegen, Miß Malbone –«

»Warum nennt Ihr mich nicht jetzt gleich Dus? – Binnen acht Tagen werdet Ihr das doch thun wie Jedermann sonst hier; und es ist besser, unsre Bekanntschaft so anzufangen, wie sie, das weiß ich gewiß, endigen wird. Oheim Kettenträger nennt mich Dus; Frank nennt mich Dus; die meisten Eurer Ansiedler nennen mich Dus, selbst ins Gesicht; und sogar unsre Schwarzen nennen mich Miß Dus. Ihr könnt doch nicht etwas ganz Besonderes haben wollen.«

»Ich will recht gerne mir die Freiheit nehmen, Euch Ursula zu nennen, aber Dus gefällt mir nicht.«

»Nicht! – ich habe mich so daran gewöhnt, von allen meinen Freunden Dus genannt zu werden, daß es mir ganz fremd vorkommt, wenn man mich mit einem andern Namen anredet. Scheint Euch Dus nicht ein hübsches Diminutivum?«

»Bisher nicht, ich muß es gestehen; doch hängen alle diese Dinge von zufälligen Ideenassociationen ab. Dus Malbone lautete ganz gut im Munde von Priscilla Bayard; aber ich fürchte, im meinigen würde es minder lieblich lauten.«

»Thut, wie es Euch gefällt – aber nennt mich nicht Miß Ursula oder Miß Malbone. In früheren Zeiten würde es mir mißfallen haben, wenn irgend ein Mann mich nicht so angeredet hätte; aber jetzt klänge es mir fast wie ein Spott, da ich weiß, daß ich nur die Hausgenossin und Haushälterin eines armen Kettenträgers bin.«

»Und doch steht es der Eigenthümerin dieses Silbers, der Lady, die ich an diesem Tisch, in diesem Zimmer sitzen sehe, gar nicht übel an, als Miß Ursula sich anreden zu lassen!«

»Ihr kennt die Geschichte des Silbers, und der Tisch und das Zimmer sind Euer. Nein – Mr. Littlepage, wir sind arm – sehr, sehr arm – Oheim Kettenträger, Frank und ich – wir Alle miteinander haben Nichts.«

Dies sagte sie nicht im Tone der Verzweiflung, sondern mit einer Aufrichtigkeit, die ich ausnehmend rührend fand.

»Frank wenigstens sollte etwas haben,« erwiederte ich: »Ihr sagt mir, er sey beim Heere gewesen.«

»Er war zuletzt Kapitän, aber was bekam er dafür? Wir beklagen uns nicht über das Land, Keines von uns, weder mein Oheim, noch mein Bruder, noch ich; denn wir wissen, es ist arm wie wir und selbst seine Armuth hat Aehnlichkeit mit der unsrigen, – der Armuth von heruntergekommenen Leuten. Ich fiel lange meinen Freunden zur Last und es gab Schulden zu bezahlen. Hätte ich das wissen können, es hätte nimmermehr geschehen dürfen. Jetzt kann ich denjenigen, welche diese Verbindlichkeiten berichtigt haben, es nur dadurch ersetzen, daß ich mit ihnen in die Wildniß gehe. Es ist etwas Schreckliches für eine Frau, Etwas schuldig zu seyn.«

»Aber Ihr seyd doch in diesem Hause geblieben? Ihr seyd doch hoffentlich nicht mit in der Hütte zu Mooseridge gewesen?«

»Ich bin gegangen, wohin mein Oheim Kettenträger gegangen ist, und werde mit ihm gehen, so lange wir Beide leben. Nichts soll uns je wieder trennen. Seine Jahre fordern dies, und zu meiner Liebe gesellt sich noch die Dankbarkeit. Frank könnte vielleicht etwas Besseres thun, als um den geringen Lohn arbeiten, den er bekommt; aber er will uns nicht verlassen. Die Armen lieben einander am innigsten.«

»Aber ich habe Euren Oheim gebeten, sich dieses Hauses zu bedienen, und um Euretwillen, sollte ich meinen, könnte er das Anerbieten wohl annehmen.«

»Wie konnte er, wenn er zwanzig Meilen weit von hier die Kette zu tragen hatte? Wir sind gelegentlich einige Tage hier gewesen; aber die Arbeit mußte verrichtet werden und zwar an Ort und Stelle selbst.«

»Natürlich gewährtet Ihr nur Euren Verwandten den Genuß Eurer Gesellschaft, und sorgtet ein Wenig für ihr Behagen, wenn sie von einem harten Tagewerk zurückkehrten?«

Dus erhob ihre Augen gegen mich; lächelte, dann wurde ihr Gesicht traurig, ihre Unterlippe zuckte ganz leicht, und dann kam wieder ein Lächeln nicht ganz ohne Laune. Ich beobachtete diese Zeichen wechselnder Empfindungen mit einem unbeschreiblichen Interesse; denn das Spiel tugendhafter und unverfälschter innerer Bewegung auf einem lieblichen weiblichen Angesicht ist eines der köstlichsten Schauspiele von der Welt.

»Ich kann die Kette tragen,« – sagte das Mädchen, nachdem dieser Wechsel von Empfindungen vorüber war.

»Ihr könnt die Kette tragen, Ursula – Dus, oder wie ich Euch nennen soll –«

»Nennt mich Dus, – ich höre diesen Namen am liebsten.«

»Ich glaube recht gerne, daß Ihr die Kette tragen könnt, – aber Ihr wollt doch wohl nicht sagen, daß Ihr es schon gethan habt?«

Das Antlitz von Dus flammte; aber sie schaute mir voll ins Gesicht, als sie bejahend mit dem Kopf nickte; und sie lächelte so süß, als nur je ein Weib gelächelt hat.

»Zur Unterhaltung – um sagen zu können, Ihr habet es gethan – zum Spaß?«

»Um meinem Oheim und meinem Bruder zu helfen, welche nicht die Mittel hatten, einen zweiten Mann zu miethen.«

»Guter Gott! Miß Malbone – Ursula – Dus –«

»Letzterer ist der geeignetste Name für eine Kettenträgerin,« versetzte das Mädchen lächelnd; und dabei ergriff sie förmlich meine Hand in unwillkührlicher Aufwallung ihres Mitgefühls mit dem Entsetzen, von welchem sie mich ergriffen sah – »Aber warum betrachtet Ihr denn diese kleine Mühe als etwas so Entsetzliches, da doch diese Arbeit gesund und ehrlich ist? Ihr denkt Euch eine Schwester durch Armuth zu einer Arbeit genöthigt, die Ihr als nur für Männer geeignet anseht.«

Dus ließ meine Hand beinahe in dem Augenblick wieder los, wo sie sie berührt hatte, und zwar mit einem leichten Zusammenfahren, als wäre sie selbst erschrocken über ihre Keckheit.

»Eine Arbeit, die Sache der Männer, und nur der Männer Sache ist.«

»Und doch kann auch eine Frau sie verrichten, und zwar, wie Oheim Kettenträger Euch bezeugen wird, sie gut verrichten. Ich hatte keine andre Sorge während des Monats, wo ich dabei beschäftigt war, als die Furcht, meine Kraft würde nicht reichen, um so Viel zu leisten als mein Oheim und mein Bruder, und ich so die Dienste schmälern, die sie Euch jeden Tag leisten könnten. Sie sorgten, daß ich immer auf trocknem Boden blieb und keine feuchten Füße bekam, und Eure Wälder sind so frei von Unterholz wie ein Obstgarten. Es hilft Nichts, die Sache verheimlichen zu wollen, denn Viele wissen davon, und es wäre Euch doch früher oder später zu Ohren gekommen. Und dann ist auch jede Verheimlichung peinlich für mich, und am meisten, wenn ich sehe und höre, wie Ihr Eure gemiethete Dienerin als Ebenbürtige und Euch Gleiche behandelt.«

»Miß Malbone! – Um Gottes willen, laßt mich nichts mehr der Art hören – der alte Andries beurtheilte mich ganz richtig, wenn er mir dies zu verheimlichen wünschte; denn ich hätte nie auch nur einen Augenblick so Etwas zugegeben.«

»Und wie hättet Ihr es verhindern können, Major Littlepage? Mein Oheim hat das Geschäft von Euch übernommen, zu so und so Viel für den Tag, wofür er Vermesser und Arbeiter anzuschaffen hat. Der arme gute Frank! Er wenigstens kann nicht zu den eigentlichen Arbeitern gezählt werden; und was meinen Oheim betrifft, so hat er lang einen ehrenhaften Stolz darein gesetzt, der beste Kettenträger im Lande zu seyn – warum hätte seine Nichte Bedenken tragen sollen, seinen wohlerworbenen Ruf mit ihm zu theilen?«

»Aber Ihr, Miß Malbone – theuerste Dus – Ihr, so erzogen und gebildet, geboren als eine Lady, geliebt von Priscilla Bayard, die Schwester Franks, Ihr seyd bei einer solchen Beschäftigung nicht in der Euch geziemenden Sphäre.«

»Es ist nicht so leicht zu sagen, was die geziemende Sphäre eines Weibes ist. Ich gebe zu, im Allgemeinen soll sie im häuslichen Kreise, unter dem häuslichen Dache seyn; aber die Umstände müssen die Entscheidung und den Ausschlag geben. Wir hören von Frauen, welche ihren Gatten in das Lager und den Krieg folgen; und wir hören von Nonnen, welche aus ihren Klöstern kommen, um die Kranken und Verwundeten in den Spitälern zu pflegen. Daher kommt es mir an einem Mädchen nicht als etwas so Arges vor, daß sie sich erbietet, den Ihrigen beizustehen, wie ich meinen Verwandten geholfen habe, wenn sie nur die Wahl hat, sonst Mangel zu leiden.«

»Gnädige Vorsehung! Und Andries hat mich über das Alles in Unwissenheit gelassen! Er wußte, daß mein Geldbeutel der seinige gewesen wäre; und wie konntet Ihr denn Mangel leiden inmitten des Ueberflusses, der auf dieser Ansiedlung herrscht, welche nur fünfzehn oder zwanzig Meilen von Eurer Hütte entfernt ist, wie ich aus des Kettenträgers Briefen weiß?«

»Nahrungsmittel sind genug da, das gebe ich zu, aber wir hatten kein Geld; und als wir die Wahl hatten zwischen Betteln und Arbeit, entschieden wir uns natürlich für letztere. Mein Oheim machte einen Versuch, einen Tag lang, mit dem alten Killian, unsrem Schwarzen; aber Ihr wißt, wie schwer es ist, diesen Leuten Etwas begreiflich zu machen, was nur ein wenig verwickelt ist; und so bot denn ich meine Dienste an. Ich bin gescheut genug, hoffe ich,« – das Mädchen lächelte etwas stolz bei diesen Worten – »und Ihr habt keinen Begriff davon, wie behend und kräftig ich bin für leichte Arbeit wie diese und wo es nur auf die Füße ankommt, bis Ihr mich selbst auf die Probe stellt. Bedenkt, Kettentragen ist weder Holz fällen noch Scheiter aufschichten; auch ist es nicht so ganz und gar unweiblich.«

»Noch auch Kirchen aufschlagen,« versetzte ich lächelnd, denn es war nicht leicht, der Ansteckung der Laune des Mädchens zu widerstehen – »bei welchem Geschäft ich selbst Augenzeuge Eurer Behendigkeit gewesen bin. Indessen das wird jetzt ein Ende haben. Es liegt zum Glück in meiner Macht, Mr. Malbone eine solche Stellung und ein solches Einkommen anzubieten, daß er sofort im Stande seyn wird, seine Schwester in dies Haus zu nehmen als Herrin desselben, und unter ein zum Mindesten achtbares und anständiges Dach.«

»Gottes Segen über Euch dafür!« rief Dus, und machte eine Bewegung, als wollte sie wieder meine Hand ergreifen; aber sie besann sich noch zur rechten Zeit und hielt sich zurück, so daß das heftige Erröthen, welches augenblicklich ihr Angesicht überlief, beinahe unnöthig war. »Gottes Segen über Euch dafür! Frank ist willig und bereit, Alles zu thun, was ehrlich und ehrenhaft ist, und im Stande Alles zu leisten, was man von einem Gentleman erwarten kann. Ich bin die große Last und das Hemmniß für den armen Jungen; denn, könnte er mich verlassen, so müßten sich ihm in den Städten manche Mittel der Unterkunft eröffnen. Aber ich kann meinen Oheim nicht verlassen, und Frank will mich nicht verlassen. Er versteht den Oheim Kettenträger nicht.«

»Frank muß ein edler Junge seyn und ich ehre ihn um seiner Anhänglichkeit willen an eine solche Schwester. Dies steigert nur meinen Wunsch, meine Absichten auszuführen.«

»Welche von der Art sind, hoffe ich, daß es nicht ungeeignet ist, wenn seine Schwester sie kennen lernt?«

Dies sagte sie mit einem Ausdruck von lebhaftem Interesse in den süßen, blauen Augen, und so wenig im Tone gewöhnlicher Neugier, daß ich ganz davon bezaubert war.

»Gewiß nicht,« antwortete ich, rasch genug selbst für einen jungen Mann, der unter dem Einflusse so viel natürlichen ungekünstelten, lebhaften Gefühls handelte, »und es wird mir eine große Freude seyn, es Euch zu sagen. Wir sind schon lang unzufrieden mit unsrem Agenten auf diesem Gut, und ich hatte im Sinne gehabt, Eurem Oheim die Stelle anzubieten. Aber in diesem Falle wäre dieselbe Schwierigkeit eingetreten, welche ihn keinen zuverlässigen Landmesser werden ließ – der Mangel an Geschick mit Zahlen umzugehen; diese Schwierigkeit nun wird bei Eurem Bruder nicht eintreten, und es wird der ganzen Familie, dem Kettenträger ebenso wie den Uebrigen zu Gute kommen, wenn ich die Stelle Frank gebe.«

»Ihr nennt ihn Frank!« rief sie lachend, und sichtlich hocherfreut über das, was sie gehört hatte. »Das ist eine gute Vorbedeutung; aber wenn Ihr mich zum Range der Schwester eines Agenten erhebt, weiß ich nicht, ob ich nicht darauf dringen werde, Ursula wenigstens, wo nicht gar Miß Ursula mich nennen zulassen.«

Ich wußte gar nicht recht, was ich aus diesem Mädchen machen sollte; es war bei ihr so viel Munterkeit und selbst Spaßhaftigkeit gemischt mit einer Ader so tiefen Gefühles, als ich nur je in einem menschlichen Angesicht ausgeprägt gesehen habe. Die für ihren Bruder sich eröffnenden Aussichten stimmten sie heiter; doch verrieth ihre Miene noch das Verlangen, Mehr zu hören.

»Ihr könnt jede Titulatur ansprechen, die Euch gefällt, denn Franks Name soll zur Stunde in den neuen Bestallungsbrief eines Agenten und Verwalters gesetzt werden. Mr. Newcome ist durch einen Brief in Kenntniß gesetzt worden, was er zu erwarten hat, und legt seine große Zufriedenheit an den Tag darüber, daß er einer Masse undankbarer Mühe und Unlust entledigt werde.«

»Ich fürchte, das Einkommen muß klein seyn, wenn er froh ist, des Amtes los zu werden.«

»Ich sage nicht, er sey froh; ich sage nur, er stelle sich so an, als sey er froh. Das sind bei gewissen Leuten ganz verschiedene Dinge. Was das Einkommen betrifft, so wird es allerdings nicht viel seyn; aber doch so viel, daß es Frank's Schwester es erspart, die Kette zu tragen, und sie in Stand setzen wird, ihre Talente und ihren Fleiß in der ihr geziemenden Sphäre zu üben. Erstlich müssen alle Pachtverträge auf dem Gute erneuert werden; und da es deren hundert sind und der Pächter die Kosten zu tragen hat, wird dies Eurem Bruder sofort eine ansehnliche Summe zur Verfügung stellen. Ich kann nicht behaupten, daß die jährlichen Gebühren sich auf sehr viel belaufen werden, aber doch werden sie bei den Bedingungen, unter welchen die Ländereien von Neuem werden verliehen werden, hundert Dollars jährlich übersteigen. Die Benützung dieses Hauses und des dazu gehörigen Hofgutes jedoch beabsichtigte ich Eurem Oheim anzubieten; und aus demselben Grunde werde ich sie nunmehr Frank anbieten.«

»Mit diesem Haus und dem dazu gehörigen Pachtgut werden wir reiche Leute seyn!« rief Dus, entzückt die Hände faltend. »Ich kann eine Schule bilden aus den Mädchen der bessern Klasse, und so wird Niemand unnütz, Niemand müßig seyn. Wenn ich den Töchtern Eurer Pächter einige Begriffe beibringe, die sich für ihr Geschlecht und ihre Stellung im Leben eignen, Mr. Littlepage, so werdet Ihr am Ende davon den Nutzen ernten. Das wird eine schwache Vergeltung seyn für all Eure Güte.«

»Ich wünsche Allen von Eurem Geschlecht, die im gehörigen Alter und in irgend einer Beziehung zu mir stehen, keine bessere Lehrmeisterin. Bringt ihnen Eure Herzenswärme, Euer hingebendes Gefühl, Eure Wahrhaftigkeit und Offenheit bei, dann will ich kommen und wohnen auf meinem Gute, als dem Ort, welcher dem Paradiese am nächsten steht.«

Dus sah etwas erschrocken und beunruhigt aus, wie mir schien, als fürchtete sie, zu viel gesagt zu haben, oder vielleicht, wie wenn ich zu viel gesagt hätte. Sie stand auf, dankte mir hastig, aber ganz in der Art einer feinfühlenden Lady, und machte sich daran, das Theezeug wegzuräumen, mit einem solchen emsigen Eifer, als wäre sie nichts weiter, als eine dienende Magd.

Dies war meine erste Unterredung mit Ursula Malbone – mit der ich seither so viele und so ganz andere gehabt habe! Als ich aufstand, den Kettenträger aufzusuchen, da empfand ich schon ein Interesse für meine Gesellschafterin, das ebenso stark als plötzlich entstanden war. Ich will nicht läugnen, daß ihre Schönheit auch ihren Einfluß hatte, – es wäre unnatürlich gewesen, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, – aber es war weniger ihre ausnehmende Schönheit (Ursula Malbone konnte für eine der Schönsten ihres Geschlechts gelten!), es war weniger ihre Schönheit, die mich so anzog, als ihre Geradheit, Wahrhaftigkeit und Unbefangenheit, innig verschmolzen wie diese Eigenschaften waren mit den Gefühlen und der Zartheit ihres Geschlechts. Sie hatte allerdings Dinge gethan, die, hätte ich nur davon gehört, mich unangenehm angesprochen haben würden, als keck und unweiblich, und die jetzt auch auf den Leser diesen Eindruck machen mögen; aber mit diesem Urtheil thäte man Dus Unrecht. Keine Handlung, kein Wort von ihr, nicht einmal, daß sie meine Hand ergriff, erschien mir im Augenblick selbst auch nur im Mindesten keck und frei, denn ihr ganzes Benehmen dabei trug so vollständig den Charakter des innigsten Gefühls, das sie einzig und allein an ihren Bruder denken machte. Natur und Umstände hatten sich vereinigt, ihren Charakter gerade zu dem zu machen, was er war; und ich will gestehen, ich wünschte sie auch nicht in einem einzigen Punkt anders, als ich sie wirklich fand.

Von Priscilla Bayard sprechen in Vergleichung mit Ursula Malbone! Beide waren schön, es ist wahr, obgleich die Schönheit der Letzteren bei weitem die der Ersteren übertraf; Beide besaßen Zartgefühl, Verstand und Tugend, und Alles, was zu einem wohlerzogenen jungen Frauenzimmer gehört, wenn man so will; aber Dus besaß ihren eigenthümlichen Charakter, und Grundsätze, und eine Energie und Entschiedenheit, welche sie zu einem einzigen Mädchen unter Zehntausend machten. Ich glaube nicht, daß man im eigentlichen Sinne von mir sagen könnte, ich sey wirklich verliebt gewesen, als ich das Zimmer verließ, denn ich wünschte nicht in dem Licht zu erscheinen, als sey ich allen Eindrücken so gar leicht zugänglich, so widerstandslos ihre Beute gewesen; aber ich will es gestehen: kein weibliches Wesen hatte mich je zuvor auch nur zum zehnten Theile so interessirt, wären es auch solche gewesen, die ich ein Jahr lang gekannt und vielleicht bewundert hätte.

Im Hofe traf ich Andries, seine Ketten messend. Er that dies regelmäßig von Zeit zu Zeit, und zwar so gewissenhaft, als wenn er Gold abwöge. Der alte Mann schien durchaus nichts zu ahnen von dem langen tète-à-tète, das ich mit seiner Nichte gehabt, sondern im Gegentheile zeigten seine ersten Worte, daß er glaubte, ich sey allein gewesen.

»Ich bitte Euch um Verzeihung, mein Junge,« sagte er, und während er sprach, hielt er seine Meßruthe im Munde. »Ich bitte Euch um Verzeihung, aber dies ist sehr nothwendige Arbeit. Ich möchte nicht haben, daß Einer von Euren Yankee-Ansiedlern nachher sich über des Kettenträgers Vermessungen beklagte und darüber schriee. Laßt sie nach hundert oder nach tausend Jahren kommen, wenn sie wollen, und das Land messen; ich stehe dafür, des alten Andries Vermessung behält Recht.«

»Die Veränderung des Compasses wird einige Verschiedenheit bei zweierlei Vermessungen verursachen, mein guter Freund, wenn nicht die Landmesser besser sind, als man sie gewöhnlich trifft.«

Der alte Mann ließ die Meßruthe und die Kette sinken und sah mich niedergeschlagen an.

»Wahr!« sagte er mit Nachdruck. »Ihr habt den Nagel auf den Kopf getroffen, Mordaunt, – diese Veränderung ist ein wahres Teufelszeug, bis man damit fertig wird! Ich habe es schon so und dann anders probirt, und habe nie etwas Vernünftiges daraus zu machen gewußt! Ich sehe gar keinen Nutzen von der Abweichung überhaupt ein!«

»Was denkt Eure hübsche Gehülfin Dus davon? Dus, die schöne Kettenträgerin? Ihr werdet Euern alten Namen verlieren, und Miß Malbone wird ihn davontragen!«

»Also hat Dus Euch Alles ausgeplaudert? Ein Weib kann doch nie ein Geheimniß bewahren. Nein! die Natur hat sie geschwätzig erschaffen und der Papagei muß plappern!«

»Ein Weib liebt aber doch die Veränderung – habt Ihr Dus schon über diese Schwierigkeit zu Rathe gezogen?«

»Nein, nein. Knabe; ich habe Dus nichts gesagt, und leid thut es mir, daß sie gegen Euch etwas erwähnt hat von der kleinen Angelegenheit mit der Kette. Es war gar sehr gegen meinen Willen, Mordaunt, daß das Mädel sie nur eine Ruthe weit trug; und wenn Alles noch einmal geschehen müßte, sie sollte sie mir keine Ruthe weit mehr tragen, – aber doch würde es Euch im Herzen wohl gethan haben, zu sehen, wie artig sie ihre Sache machte, und wie rasch und behend sie war, und wie zuverläßig, und wie genau sie die Merkzeichen machte, und wie sicher ihr Auge war. Die Natur hat dies Mädel ausdrücklich zur Kettenträgerin geschaffen!«

»Und eine Kettenträgerin ist sie gewesen, und eine Kettenträgerin wird sie immer bleiben, bis sie ihre Ketten einem armen Burschen überwirft und ihn damit auf Zeitlebens bindet. Andries, Ihr habt hier einen Engel bei Euch, und nicht ein Weib!«

Die meisten Männer in der Lage des Kettenträgers würden wohl einige Unruhe empfunden haben, wenn sie eine solche Sprache im Munde eines jungen Mannes unter all' den vorliegenden Umständen vernommen hätten. Aber Andries Coejemans hegte nie ein Mißtrauen gegen einen Sterblichen, der für gewöhnlich sein Vertrauen besaß; und es ist die Frage, ob er je in Betreff meiner in irgend einer Hinsicht einen Zweifel hegte, – was vielmehr die Folge seines, als meines Charakters war. Statt Unruhe oder Mißfallen an den Tag zu legen, wandte er sich gegen mich, sein ganzes Gesicht verklärt von der Zärtlichkeit, die er für seine Nichte fühlte, und sagte:

»Das Mädel ist ein vortreffliches Mädel, Mordaunt, ein Kapitalgeschöpf! Es würde Euch im Herzen wohlgethan haben, sage ich, hättet Ihr sie die Kette tragen sehen! Eurem Geldbeutel hat der Monat, den sie arbeitete, keinen Eintrag gethan, obwohl ich nicht haben möchte, daß Ihr glaubtet, ich habe sie wie einen Mann gerechnet – nein. – Sie ist berechnet nur zum halben Taglohn, denn Weiberarbeit bleibt einmal Weiberarbeit: aber ich glaube, bei meinem Gewissen, wir wurden in diesem Monat mit mehr Grund und Boden fertig, als wenn wir den besten Mann gehabt hätten, der in diesem Theile der Welt für Geld zu miethen gewesen wäre. – ja, wahrhaftig, das glaube ich!«

Wie sonderbar klang mir das Alles! Arbeit, von Dus Malbone verrichtet, mir angerechnet und berechnet zum halben Preise! Wir sind die Geschöpfe des konventionellen Lebens und Herkommens, und die Sklaven von Ansichten und Meinungen, deren Herkunft wir selbst nicht kennen. Ich hatte die Begriffe meiner Kaste, angeeignet und eingesogen in der stillen, einschmeichelnden Schule der unbewußten Angewöhnung, worin unsere Charaktere insgesammt gebildet werden: und nur das förmliche Bedürfniß und der Mangel hätte mich dahin bringen können, von irgend einem Individuum eine Belohnung in Geld anzunehmen für irgend einen geleisteten persönlichen Dienst. Ich hatte keine Berufsart, und es schickte sich nach unsern Begriffen für einen Gentleman nicht, Geld anzunehmen für persönliche Dienste, die außerhalb der Sphäre eines bestimmten Berufes fallen, – eine willkürliche Regel, der sich aber die Meisten von uns mit unbedingtem Gehorsam unterwerfen. Die Vorstellung, daß Dus von mir bezahlt worden sey für wirkliche Mühe und Arbeit, wollte mir deshalb ganz und gar nicht ein; und erst nach einigem Nachdenken kam ich dahin, die ganze Sache so anzusehen, wie sie angesehen werden mußte, und dem edelherzigen Mädchen eine Handlungsweise, die ihr so viel Ehre machte, zum Lob anzurechnen, und zwar zum Lob ohne Vorbehalt und Einschränkung. Ich will mich nicht besser, weiser und vernünftiger darstellen, als ich wirklich war; und ich glaube, wenige junge Männer von meinem Alter und meiner Lebens- und Bildungsweise würden im Anfang große Freude darüber empfinden, wenn sie hörten, ein Mädchen, zu welchem sie sich in Liebe hingezogen fühlen, sey auf solche Weise beschäftigt gewesen; während auf der anderen Seite auch wohl fast Jeder bei reiflicherem Nachdenken zu denselben Ergebnissen gelangen würde, bei welchen ich ankam.

Mein Gespräch mit Andries Coejemans ward unterbrochen durch das plötzliche Eintreten Frank Malbone's in den Hof. Dies war meine erste Begegnung mit dem jungen Geometer, und der Kettenträger stellte uns einander vor in seiner gewohnten herzlichen und offenen Weise. In einer Minute waren wir mit einander bekannt; und der alte Mann erkundigte sich, wie es den Ansiedlern gelungen sey mit dem Aufschlagen ihres religiösen Versammlungshauses.

»Ich blieb, bis sie anfingen, die Dachsparren zu legen,« antwortete der junge Malbone heiter, »und dann verließ ich sie. Die Festlichkeit soll mit einem Ball schließen, höre ich; aber ich war zu sehr verlangend, zu hören, wie meine Schwester die Heimath – ich sollte sagen das Nest, erreicht habe, als daß ich hätte bleiben können. Wir haben jetzt eigentlich keine andere Heimath, Mr. Littlepage, als die Hütte in den Wäldern und das Obdach, das Eure Gastlichkeit uns anbeut.«

»Kriegskameraden, Sir, und Kriegskameraden, die für eine solche Sache mit einander gefochten haben, sollten so wenig Bedenken tragen, solche Gastlichkeit, wie Ihr es nennt, anzunehmen, als sie anzubieten. Es freut mich jedoch, daß Ihr diesen Gegenstand berührt habt, sofern mir dies den Weg bahnt zu einem Vorschlag, den ich Euch zu machen beabsichtigte, dessen Annahme mich zu Eurem Gast machen wird, und mit dem ich jetzt so gut hervortreten kann als acht Tage später.«

Andries und Frank zeigten Beide in ihren Mienen Ueberraschung; aber ich führte sie zu einer Bank auf der offenen Seite des Hofes und lud sie ein, sich zu setzen, während ich mich erklärte. Es mag passend seyn, im Vorbeigehen ein Wort von diesem Sitz zu sagen. Er stand am Rand einer niedern Felsenklippe auf der Seite des Hofes, welche durch Palisaden geschützt gewesen war, als die Franzosen die beiden Canada's im Besitz hatten, und wovon die Ueberreste noch zu sehen waren. Hier hatte Dus, wie ich erfuhr ehe wir die Stelle verließen, meine hübsche Kettenträgerin, mit dem ächt weiblichen Instinkt für das Anmuthige und Schöne, eine Laube fast ganz mit eigenen Händen errichtet, eine der schnell wachsenden Rebenarten unseres Climas daselbst gepflanzt und einen Sitz darin ausstellen lassen. Der Platz bot eine angenehme Aussicht über eine weite Strecke von Wiesen und über ferne Bergabhänge, welche noch im Urwald lagen. Andries sagte mir, seine Nichte habe einen großen Theil ihrer Mußestunden in dieser Laube zugebracht, seit das rasche Wachsthum der Reben mit dem Eintritt der guten Jahreszeit dem Sitz den Vortheil des Schattens gewährte.

Ich nahm zwischen dem Kettenträger und Malbone meinen Platz ein, und theilte ihnen den Plan mit, den ich entworfen hatte, Letzteren zu meinem Agenten zu machen. Um ihn zur Annahme der Stelle zu bewegen, bot ich ihm die Benützung des Resthauses und des zum Reste gehörigen Pachtgutes an, wobei ich mir nur die von meinem Großvater ehemals bewohnten paar Zimmer vorbehielt, und auch diese nur für die Zeit meiner jährliches Besuche auf dem Gut. Da das Pachtgut groß war und einen vortrefflichen Boden hatte, lieferte es im Ueberfluß, was eine Familie von bescheidener Lebensweise bedurfte, und auch dazu noch gestattete es viele Produkte zu verkaufen, um von dem Ertrage die nothwendigen Artikel anzuschaffen, die nicht auf dem Gute erzeugt wurden. Mit Einem Wort, ich legte meinen Zuhörern meinen ganzen Plan vor, der noch um ein Gutes erweitert ward durch den geheimen Wunsch, es Ursula recht behaglich zu machen, ein Beweggrund, wovon ich natürlich nichts laut werden ließ.

Der Leser darf nicht glauben, ich habe eine außerordentliche Großmuth an den Tag gelegt, indem ich so gehandelt. Man darf nicht vergessen, daß im Jahre 1784 Land im Staate New-York eine unwerthe Waare war, wie es noch heutzutage ist am Miami, Ohio, Mississippi und anderen Strömen im Innern des Landes. Die Eigenthümer schlugen ihre Besitzungen kaum an als Mittel der Existenz für den Augenblick, und unterhielten vielmehr ihre Ansiedlungen, als daß sie von denselben unterhalten wurden; und erst von einem späteren Zeitalter und für ihre Nachkommenschaft erwarteten sie den Lohn für all ihre Mühe und aufgewendeten Kosten. »Das Besitzthum Rensselaerwick erstreckt sich volle achtundvierzig Meilen östlich und westlich, und vierundzwanzig nördlich und südlich. Es liegt mitten im Herzen von New-York und zählt drei inkorporirte Städte in seinen Grenzen, zum Theil auf kleinen ältern Grants erbaut. Albany ist eine Stadt von beinahe wo nicht ganz 40,000 Seelen, und Tory muß jetzt nahe an 28,000 haben. Und doch versicherte der letztverstorbene Patroon im letzten Gespräche, das er mit dem Schreiber dieser Zeilen, nur wenige Monate vor seinem Tod, hatte: sein Großvater sey der erste Eigenthümer gewesen, der irgend einen wesentlichen Nutzen aus dem Besitzthum geschöpft, und sein Vater der erste, der ein beträchtliches Einkommen davon bezogen. Länger als ein Jahrhundert lieferte das selbst bewirthschaftete Besitzthum, Felder und Mühlen, der Familie ihr Einkommen.

Es ist kaum nöthig zu sagen, daß meine Anträge mit Freuden angenommen wurden. Der alte Andries preßte mir die Hand, und ich verstand die Bedeutung dieses Druckes so gut, als hätte er mit der Beredsamkeit eines Patrick Henry gesprochen. Frank Malbone war gerührt, und alle Parteien waren vollkommen zufriedengestellt. Der Geometer hatte natürlich sein Feldtintenfaß bei sich und ich hatte die Agentschafts-Vollmacht in der Tasche, in welche der Name des Kettenträgers hätte gesetzt werden sollen, wenn er die Stelle angenommen hätte. Jetzt ward statt dessen der Name Malbone's hineingeschrieben; ich unterzeichnete; Andries unterschrieb als Zeuge und wir verließen mit einander die Laube, – Frank Malbone nunmehr förmlich für einige Zeit Herr des Hauses, in welchem wir uns befanden, und was die nothwendige Folge hievon war, seine reizende Schwester Herrin desselben. Es war ein köstlicher Augenblick für mich, als ich Dus sich ihrem Bruder in die Arme werfen und an seiner Brust weinen sah, wie er ihr die frohe Nachricht mittheilte.

 


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