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Neunzehnter Brief

Mein Empfang in England. – Englische Unwissenheit. – Eine Putznärrin. – Eine Entdeckung. – Die Eier. – Demokratie und Trunk. – Unterredung mit Mr. Brougham. – Fashionable Novellen. – Vornehme Kinder. – Verehrung für höhern Rang.

 

An Herrn J. Stevenson in Albany, New-York.

Die ganze Zeit wurden große Geschäfte in Essen und Trinken gemacht. Sie nehmen wirklich meine Zeit zu sehr in Anspruch; das spätere Zusammensein und die kleinen, heißen, überfüllten Zimmer in England nöthigen mich, einen großen Theil der Höflichkeiten, die man mir hier erweist, abzulehnen. Ein Ding ist mir dabei ganz vorzüglich auffallend gewesen. Da ich ohne irgend einen Empfehlungsbrief hier angekommen war, die Empfehlungen, welche mir Mr. Spencer nachschickte, ausgenommen, so hätte ich nicht die geringste Ursache gehabt, mich zu beschweren, wenn ich ganz ohne empfangene oder gemachte Besuche wieder aus London hätte abreisen müssen. Dagegen habe ich weit mehr Beweise von Höflichkeiten erfahren, als ich im Geringsten zu erwarten berechtigt war; und doch, unter allen, die seit meines Hierseins an meine Thüre anklopften, war auch kein einziger Tory! Sir Walter Scott muß ich schon deßhalb ausnehmen, weil wir schon früher miteinander bekannt waren. Da wir einander zuerst in Gesellschaft begegneten, so war vielleicht die mir bewiesene Aufmerksamkeit von seiner Seite etwas gezwungen; obschon ich nicht gradezu behaupten möchte, daß er sich verbunden halten konnte, mich als Amerikaner kurz abzufertigen. Doch habe ich einige Ursache, zu vermuthen, daß er ebenfalls uns nicht mit günstigem Auge ansieht. Proben von Naivetät und Mangel an Weltkenntniß liefern unsere meisten Reisenden, welche durch ihre von der Heimath entlehnten Begriffe sich täuschen lassen und von den übertriebenen Förmlichkeiten der Europäer irre geführt werden. Als Volk sieht man uns, wie ich überzeugt bin, in Europa nirgends gern. Ich könnte davon mehrere Beweise anführen, und gelegentlich werde ich solche in diesen Briefen nicht übergehen; hier mag eine einzige Anekdote hinreichen. Hier ist ein Mann, der von den Amerikanern, die jetzt in England sich aufhalten, häufig besucht und gar sehr geschmeichelt wird, und manche Züge seiner Leutseligkeit werden jahraus jahrein von unsern Reisenden öffentlich gepriesen. Vor einem Monat unterhielt ich mich mit einem Landsmann, der eben von einer langen Reise durch Europa zurückgekehrt war, und dieser sagte, einer seiner Bekannten habe diesen Mann besucht, während er im Wirthshause blieb und mit einem Verwandten des großen Mannes zu Mittag speiste. Im Laufe des Gesprächs drückte mein Bekannter die Besorgniß aus, der Besuch von – – möchte vielleicht – – lästig fallen. »Ganz und gar nicht,« sagte der Andere, in der Meinung, daß sein Gesellschafter ein Engländer sei, »mein – – kann – – recht gut leiden, obgleich er nur ein Amerikaner ist.« – Zwei Dinge sollte kein Amerikaner jemals übersehen. Wenn ein Amerikaner im Verkehr mit Engländern sich im Geringsten als Schmeichler zeigt, so verachtet man ihn seiner niedrigen Gesinnung wegen; denn das liegt in der Natur. Zeigt er aber Selbstachtung und Entschlossenheit, alle Rechte eines Gentleman in Anspruch zu nehmen, dann haßt man ihn, weil er sich einem Engländer gleichstellt. Die politischen Ansichten von Mr. Sotheby kenne ich nicht, auch ist er offenbar ein viel zu milder Mann, als daß er wegen meiner Abkunft großen Widerwillen gegen mich äußern könnte. Doch, diese beiden ausgenommen, war Jeder, so viel ich weiß, der mich besucht oder zu sich eingeladen hat, nicht allein, sondern auch Jeder, mit dem ich bisher gefrühstückt oder zu Mittag gespeist habe, durchaus ein Whig! Ist dieß bloßer Zufall, oder spricht sich hierin die Sinnesart der Engländer noch besonders aus?

Unter andern habe ich während des vorigen Monats zweimal in Landsdowne-House und einmal bei Lady – – gespeist, die hier ein gutes Haus besitzt, und etwas mehr Aufwand bei der Tafel macht, als man es sonst von einer Wittwe erwartet. Ihr Haus glich ziemlich unsern bessern Wohnungen zweiten Ranges; das Tafelzimmer war im Erdgeschoß, das Gesellschaftzimmer im ersten Stock; ein wenig größer und geräumiger war es, als eine amerikanische Stadtwohnung zweiten Ranges.

Bei Tische waren einige Mitglieder des Unterhauses gegenwärtig, dazu ein Franzose und ich. Nachdem die Frau vom Hause sich entfernt hatte, kam die Rede auf die französische Revolution, und dabei wurden die gewöhnlichen Bemerkungen gemacht über Nationalcharakter, Wildheit, Leichtsinn, Jacobinismus, ganz ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß ein Franzose sich in unserer Gesellschaft befand. Der arme Mann saß die ganze Zeit über, wie es mir vorkam, äußerst verletzt von dem, was gesprochen wurde, keinen Blick von mir verwendend, weil ich der einzige war, der an der Unterredung keinen Theil nahm und der sich der Anwesenheit eines Mannes bewußt schien, den ein solches Gespräch verletzen mußte.

Diese Gleichgültigkeit gegen die Gefühle anderer Menschen ist ein dunkler Fleck im Benehmen der Engländer. Der einzige Weg, dieses Benehmen aufhören zu machen, ist, daß man selbst angreifend verfahre, indem man Pauperismus, Radikalismus, Irland, Indien oder eine andere Schattenseite ihres Treibens berührt. Gleich vielen Andern, die gerne andere Leute zur Zielscheibe ihrer witzigen oder nichtwitzigen Bemerkungen machen, sind sie durchaus nicht geneigt, es sich geduldig gefallen zu lassen, wenn man das Blatt umwendet. Daß die Engländer in dieser Hinsicht nicht viel vertragen können, davon könnte ich aus eigener Erfahrung mehrere Beispiele anführen. Oefter sind ihre Bemerkungen durchaus roh und persönlich beleidigend; denn eine rücksichtlose Herabsetzung des Charakters einer Nation ist eine Nichtachtung des Charakters dessen, mit dem man sich in Gesellschaft befindet; da aber persönliches Gezanke über solche Gegenstände lieber zu vermeiden ist, so habe ich gewöhnlich in solchen Fällen eine höfliche aber treffende Rückantwort gegeben, wo ich nur die geringste Veranlassung zur Wiedervergeltung auffinden konnte. Bisweilen entstehen aber auch dergleichen Bemerkungen gar nicht aus böser Absicht, sondern aus wirklicher Unwissenheit über den wahren Verhalt der Sache, wovon die Rede ist; in diesem Falle habe ich mich begnügt, die irrige Meinung zu berichtigen. Alle Fremden beklagen sich wegen dieser Eigenheit der Engländer. Doch so weit meine beschränkten Erfahrungen reichen, verdienen die höheren gebildeteren Klassen diesen ihnen so häufig gemachten Vorwurf nicht, ob schon ausnahmsweise dergleichen auch bei ihnen vorkommen dürfte. Weiter abwärts in der dritten und vierten Klasse des geselligen Verkehrs, um mich dieses Ausdrucks zu bedienen, vorzüglich unter den gewerbtreibenden Ständen, tritt diese sociale Ungebühr oft bis zur Unerträglichkeit hervor.

Wir befanden uns – die Männer nämlich – noch immer bei Tische, als das Klopfen an der Thüre die ankommenden Gäste zur Abendgesellschaft ankündigte. Man braucht sich nur die Beredtsamkeit eines englischen Thürklopfers vorzustellen, um sich ein Bild von der Melodie zu machen, welche nachfolgte. Zwei oder drei Abgesandten mußten die Tafelgäste daran erinnern, daß es Zeit sei, in dem Gesellschaftsaal zu erscheinen; aber die französische Revolution hatte die Köpfe zu sehr eingenommen. Endlich wurden wir das blutige Trauerspiel los, und als wir in den ersten Stock kamen, fanden wir schon den ganzen Saal mit Gästen gefüllt.

Hier hatte ich die Ehre, einer Dame vorgestellt zu zu werden. Noch keine hatte ich jemals gesehen, welche einem Dandy in weiblicher Tracht so ähnlich war, als diese Lady – –. Ihre affectirte Aussprache konnte ich höchstens mit der deklamatorischen Aussprache auf manchen Theatern vergleichen, ein Lispeln, ein Dehnen der Worte, ein Hochbetonen, welches man kaum anhören, geschweige beschreiben kann. Sie war das erste Beispiel einer vornehmen Dame, das mir vorkam, die nicht anspruchlos und einfach sich benahm; denn die meisten vornehmen Engländerinnen sprechen nicht blos ihre Sprache richtig und gut, sondern auch mit einem ruhigen würdevollen Benehmen, welches sie sehr anziehend macht. Im Ganzen kann man den englischen Frauen nachrühmen, daß sie sich angemessen und einnehmend auszudrücken verstehen, nur haben sie öfter den Fehler, kalt und abwehrend zu scheinen.

Eine Landsmännin von uns in – – sprach öfter von dieser eben erwähnten gezierten Dame. Ich hielt sie deßhalb für gute Freundinnen, da der Beruf ihrer Männer beide öfter miteinander in Berührung bringen konnte, und erwähnte gesprächsweise dieser Mrs. als einer nahen Bekannten. »Mrs. – –?« wiederholte sie mit überzartem Lispeln: »ich entsinne mich nicht, daß ich die kennen sollte.« Ich wünschte im Stande zu sein, die übertriebene Ziererei, womit sie ihre Worte begleitete, zu Papier bringen zu können; denn diese Ziererei hatte eben so wenig ihres Gleichen, als die wegwerfende Ruhe, mit der sie eine Bekanntschaft verläugnete, die sie, wie ich aus nähern Umständen wußte, nicht vergessen haben konnte. Dies war ich bald überdrüssig, und so stahl ich mich weg bei der ersten günstigen Gelegenheit.

Bei Tische war an diesem Abend ein Mr. – –, seines Amtes – –, ein ausgezeichnetes Mitglied des Unterhauses, zugleich ein reicher Gutsbesitzer. Ich wunderte mich, diesen in der schlechtesten Gesellschaftszimmer-Weise sprechen zu hören, die man bei uns im New-England-Dialekt hören kann. Ich meine nicht grade, daß er: Racker, Fedder, Nixnich u. d. gl. sagte Im Original steht: dooze, ben, nawthin, vermuthlich verkehrte Aussprache von: the dewce, pen, nothing (der Henker, Feder, Nichts), welches daher durch ähnliche deutsche Idiotismen wieder gegeben worden ist., denn seine Aussprache war nicht so übel; doch hatte er dieselbe Intonation, dieselbe singende Sprachweise, auf die wir uns in Amerika so gut verstehen. Ich hätte ihn beinahe in derselben Minute für einen der Unsrigen erklärt, wenn ich nicht schon erfahren hätte, wer er wäre. Dies war der zweite Mann, den ich mit einem aus unserer Gegend verwechselte. Uebrigens war er gutmütig, theilnehmend und bescheiden, und, wie mir es vorkam, hatte er kein Vorurtheil wider uns und unser Land. Solche Engländer habe ich gern.

Neulich frühstückte ich mit Sir James Mac Intosh, Mr. Sharp, Mr. – – und noch einige Andern. Im Hause des erstern lernte ich Mr. Wynn, einen entschiedenen Whig, kennen; im letztern waren außer dem Wirth, Lord S – –, Sir – – – und ich beisammen. Mr. Rogers war fast bei allen diesen Gelegenheiten mit uns zugegen. Bei Mr. Sharp trafen wir Lord – –, einen jungen Tory, etwas Neues für mich; auch Lord – – –, einen ganz jungen Mann, den Erben des Lord. – Ich kannte sie von Paris aus.

Eine meiner Entdeckungen wird für Sie unterhaltend sein. Man bot mir ein Ei an mit der Empfehlung, es sei ein auf »dem Lande gelegtes Ei.« Bis dahin hielt ich mich im Fach des Kochens und Essens von Eiern für einen tief und vielbewanderten Mann. Soweit war ich aber noch nicht in die Geheimnisse des Eierwesens eingeweiht, um zu wissen, daß ein Ei, auf dem Lande gelegt, besser sei als ein in der Stadt gelegtes! Schon als Knabe hatte ich gehört, daß die Mode, wie bei andern Dingen, von einem Aeußern zum andern hinüberschwanke, und daß auch hier die provinzielle Unwissenheit in der Aufklärung immer weiter fortschreite, und daß wir daher von der Weise, sie so hart wie Bleikugeln zu kochen, nun in der neuen Mode so weit gekommen seien, sie bloß zu durchwärmen. Eigentlich sollte man ein Ei in der Schaale nicht länger kochen, als bis das Mittlere des Dotters, so lange er warm ist, zwar flüssig bleibt, aber beim Erkalten, sogleich gerinnen kann. Immer auch sollte man ein Ei nur aus der Schaale essen, theils weil es besser schmeckt, wenn man es aus der Schaale ißt; theils weil es nicht gut aussieht, wenn sich die Leute Eierbrei rühren und mitunter ganz widerlich aussehenden Eierbrei bei Tische zubereiten. Die Engländer und Diejenigen, welche nach der englischen Mode sich bequemen, haben eine eigene Art, weichgesottene Eier zu essen. Das Ei wird in ein porzelanenes oder gläsernes Eierschälchen ausgeleert, alsdann mit etwas Salz, Butter, schwarzem Pfeffer – nach Belieben – auch mit Cayenne-, Guinea-, oder spanischem Pfeffer, Citronensaft, Sardellen- oder Krebsbrühe oder irgend andern pikanten Zuthaten gemengt, und mittelst Eierlöffelchen ausgeschlürft oder auch langsam ausgetrunken. Dabei sind Wein- oder Eiergläser ein ganz verwerfliches Substitut für Eierschälchen, und sollten eigentlich nirgends geduldet werden, als höchstens auf Dampfböten oder in Wirthshäusern, wo ächte »Schlürfer« beisammen sitzen. Ich glaube, daß alle Menschen, die an Anstand gewöhnt sind, mir beistimmen werden; aber wie Wenige kennen den Unterschied zwischen einem in der Stadt und einem auf dem Lande gelegten Ei? – Sie sehen daraus wie weit unser neues Land in dem fortgeschrittenen Bildungszustand anderer älterer Länder zurückgeblieben ist, ungeachtet es bei uns schon Galgen gibt.

Im Hause von Mr. L – –, den ich schon in Amerika kennen lernte, kam die Rede auf die abwesende sammelnde Mission des Bischofs Chase von Ohio. Einer der Anwesenden erzählte Manches von der Kirchenstatistik dieses Prälaten, was mir auffiel. Die Bevölkerung hatte er in diesem Staate auf etwa eine Million angegeben und die Anzahl der Geistlichen auf ein Dutzend ungefähr! Ich wendete dagegen ein, dies müsse ein Irrthum sein, wenn nicht etwa ausschließlich die Geistlichen der protestantischen bischöflichen Kirche gemeint seien. In der Zeit der ersten Ansiedlungen in einem Lande giebt es immer eine Periode, in welcher es an Geistlichen mangelt; deßhalb sollte man bei statistischen Berichten der Art nie vergessen, die nöthigen Erläuterungen hinzuzufügen, deren man nothwendig bedarf, um nicht zu falschen Schlüssen verleitet zu werden.

Ebenso sind die gesammelten Uebersichten über die Verbreitung der Trunksucht in Amerika, welche von unsern Mäßigkeitsvereinen in der Absicht, Aufsehen zu erregen, aufgestellt wurden, gradezu geeignet, uns einen unverdienten Ruf dieses Lasters wegen zu verschaffen; dagegen habe ich Gelegenheit gehabt, mich zu überzeugen, daß die Trunksucht bei der »eingebornen Bevölkerung« vergleichungsweise weit geringer ist und weit weniger um sich gegriffen hat, als bei den meisten andern Nationen, die ich gesehen habe. Es ist natürlich, daß in den volkreichen Seehäven von Nordamerika, wo eine große Menge von fremdem Schiffvolk und andern Handlangern des lebhaften Verkehrs aus allen Nationen zusammenströmt, die dort ihren täglichen Erwerb bei den Kaufleuten und Schiffern finden, weit mehr Trunkenbolde zu finden sind, als bei der Volksmasse im Innern des Landes. In so fern nun die Küsten und Häven am meisten bevölkert sind, so mußten die weniger genau vergleichenden Berichte über die relative Consumtion geistiger Getränke nothwendig die Vereinigten Staaten in weit nachtheiligerem Lichte erscheinen lassen, als dies bei den Europäern, selbst wenn die Trunksucht bei ihnen vierfach größer wäre, als sie ist, erscheinen müßte, da die europäische Bevölkerung im Innern die Bevölkerung der Küsten bei Weitem überwiegt.

Ich kann nicht andres, als mich täglich mehr überzeugen, daß in Amerika eine Partei bestehe, welche darnach trachtet, falsche Behauptungen und entstellende Beschreibungen absichtlich zu verbreiten, um unsre freie Verfassung in übeln Ruf zu bringen; und diese Partei umfaßt einen großen Theil der handeltreibenden Fremden In den großen Seestädten von Nordamerika halten sich fortwährend viele Fremde, größtentheils Engländer, auf, welche dort hinkommen, wie Europäer in entlegene Colonien pflegen, um dort ihr Glück zu machen. Ihr Ziel bleibt immer die einstige Wiederkehr in die Heimath; verweilen sie länger, so geschieht es entweder, weil sie vortheilhafte Geschäfte nicht aufgeben mögen, oder weil sie sich noch nicht reich genug dünken, um in England auf vornehmem Fuß leben zu können. Diese haben freilich keine Anhänglichkeit an ein Land, wo sie sich blos aufhalten, um gute Geschäfte zu machen. Sie handeln also meistens, wie sich dies nicht anders erwarten läßt, blos ihrem persönlichen Interesse gemäß, und wenn es ihr Vortheil erheischt, suchen sie auch wohl Mittel auf, die öffentlichen Blätter zu ihren Privatzwecken zu benutzen, ja, sie suchen auch wohl die Wahlen der Eingeborenen zu leiten, um Männer vorzuschieben, die in ihrem Sinne handeln, und man hat selbst Fälle erlebt, wo diese Leute Unruhen befördert und unterhalten haben, um wo möglich, bei etwaigen politischen Veränderungen aus den Umständen Vortheil zu ziehen. In den südlichen Staaten stehen die Pflanzer mit diesen fremden Handelsleuten oft in so genauen Geschäftsverbindungen, um ihren selbstsüchtigen Einfluß auf bedrohliche Weise äußern zu können. Viele Unordnungen, Verunglimpfungen und Verlästerungen rühren von diesen fremden Kaufleuten her, die, wenn sie es vermöchten, als eine gesonderte Geldmacht, die Selbstständigkeit der Vereinigten Staaten völlig den Zwecken ihrer persönlichen Bereicherungssucht unterordnen würden., und sie sind wirklich auf dem Wege, ihren Zweck zu erreichen; denn Demokratie und Trunksucht scheinen in der That verwandte Begriffe in den Gemüthern von Millionen der sogenannten wohlgesinnten Leute in Europa zu sein. Wenn unsre freien Institutionen bestehen, so werden wir solches der göttlichen Leitung aller Dinge und der denselben inwohnenden Macht allein verdanken; denn diejenigen, welche zu Hause von dem Lob unserer Verfassung überfließen und ihre Theorien selbst bis auf unausführbare Gegenstände ausdehnen, pflegen oft in Fällen, wo man die Bethätigung ihrer hochtönenden Aeußerungen in Anspruch nehmen möchte, sich von allen Dingen loszumachen, wobei ihr persönliches Interesse nicht unmittelbar mit betheiligt ist; – und die Regierung, sie vermehrt bisweilen das Uebergewicht feindlicher Bestrebungen in Europa, indem sie ihren Freunden entgegenhandelt und ihre Feinde belohnt.

Dies ist ein wirklich sonderbares Verhältnis; aber die Ueberzeugung, daß es so ist, haben mich nicht bloß meine eigne Beobachtungen gelehrt, sondern auch manche andere einsichtsvolle Landsleute, die mehr von Europa gesehen und erfahren haben, sind zu derselben Ueberzeugung gelangt. Wenn mir daran läge, mich um ein Amt zu bewerben, so brauchte ich nur mit den Kriechereien, deren sich manche Landsleute nicht schämen, um die Gunst der europäischen Aristokratien zu buhlen, ohne mich weiter nach ihren eigentlichen Absichten zu erkundigen, und alsdann könnte ich sicher sein, durch die Vermittlung dieser fremden Menschen in Washington als des öffentlichen Vertrauens würdig dargestellt zu werden, und zugleich in den einflußreichern Gesellschaften mir einen Namen zu erwerben.

Von dem, was ich eben sage, erhielt ich erst neulich einen außerordentlichen Beweis. Bei einem der Diner's, denen ich in Landsdowne-House beiwohnte, war auch Mr. Brougham gegenwärtig. Er stellte sich erst später ein und kam am Tische mir gegenüber zu sitzen. Daher entstand während des Essens kein Gespräch zwischen uns beiden. Als wir uns wieder in das Gesellschaftszimmer begaben, war Lord Landsdowne so gütig, mich diesem ausgezeichneten Manne vorzustellen. Wir wurden also an der Thüre, die nach dem Speisesaal führt, mit einander erst bekannt, und während wir mit einander durch ein Vorgemach gingen, brachten wir mit den bei solchen Gelegenheiten üblichen gegenseitigen Höflichkeiten hin. Doch kaum hatten wir uns zu den Damen gesellt und ihnen unsre Verbeugungen gemacht, da wandte sich Mr. Brougham zu mir und fragte mich kurz: »Was ist die Ursache, daß so viele Ihrer Landsleute die bezeichnenden Grundsätze Ihrer Regierung verläugnen, sobald sie nach Europa kommen?«

Ich bin blos deshalb so genau in der Erzählung der Umstände, unter denen die unerwartete Frage gestellt wurde, weil sie eben beweisen, daß sie nicht durch ein vorhergegangenes Gespräch von ungefähr herbeigeführt wurde, sondern daß diese Frage vielmehr Mr. Brougham gradezu in Gedanken lag, und der Eindruck, den irgend ein Vorgang auf ihn gemacht haben mochte, stark genug war, um mir eine solche Frage ohne weiteres vorzulegen. Dieser Eindruck mußte ihm entweder von den Vorzügen unserer Verfassung oder von der Rechtlichkeit unsres Nationalcharakters eine ungünstige Vorstellung erregt haben.

Ich äußerte mich in der Art, als bezweifele ich die Sache. »Meine eigne Erfahrung hat mich aber belehrt, daß die Sache so ist«, war seine Antwort. »Von welcher Art von Leuten reden Sie eigentlich, Mr. Brougham!« – »Ganz vorzüglich von Ihren auswärtigen Ministern« sagte er. Ich fand diese Bemerkung etwas außerordentlich und gab ihm meine Verwunderung darüber zu erkennen; und da Manches dabei von dem Charakter des Einzelnen abhängen mochte, so bat ich ihn, mir einen von denen zu nennen, deren Benehmen ihn zu seiner Bemerkung veranlaßt hätte. Dies that er auch, indem er einen ausgezeichneten Minister der Republik namentlich nannte, der jetzt todt ist. Ich konnte nun nichts weiter entgegnen, als daß ein mißverstandener Wunsch, sich angenehm zu machen, einem solchen Benehmen zu Grunde gelegen haben müsse, und damit ließen wir beide diese Unterredung fallen.

Ich weiß nicht, ob diese Unterredung Ihnen eben so sehr auffallen wird, als sie mir auffiel; denn ich muß gestehen, hiernach mochte es entweder scheinen, daß wir manche »auf dem Lande gelegte« Minister haben, oder als verließen sich unsere Minister etwas zu sehr auf ihre »auf dem Lande gelegte« Constituenten Ueber das Benehmen des Personals der amerikanischen Gesandtschaften hat der Verfasser sich öfter geäußert, die wohl nicht immer mit gehöriger Vorsicht gewählt werden. In vielen Fällen werden wohl vorzugsweise Leute dazu gewählt, die lange in Europa waren, und denen man daher die meiste Routine zutraut; dabei vergißt man aber, wie sehr solche europäische Geschäftsmänner naturgemäß zur männlicheren Vertretung ihres Vaterlandes untauglich geworden sind..

Mr. Brougham wünschte auch zu wissen, wie wir es machten, um so wohlfeile Bücher zu liefern, als man ihm gesagt habe, da doch alle Arbeit bei uns so theuer bezahlt werde. Er hatte gehört, Scott's Novellen würden dort das Exemplar um einen Dollar verkauft. Das Geheimniß dieses Umstandes liegt in der Schlechtigkeit der Ausführung, in der ausgebreiteten und schnellen Nachfrage, so wie darin, daß der Schriftsteller nichts bekommt. Dazu kommt noch, daß ein Wiederabdruck der Mühen überhebt, ein Manuscript zu lesen, daß man keine Aenderungen zu machen braucht und die Correktur unbedeutend ist. Fügen Sie noch hinzu, daß auf den correkten Abdruck in England weit mehr Genauigkeit und Fleiß verwendet wird, als in Amerika. In England stellt man Leute von guter Erziehung an, um die ersten Abdrücke durchzulesen, weil gar viele von den am häufigsten gelesenen und beliebtesten Schriftstellern Englands sehr schlecht in der Rechtschreibung, oft auch nicht in der Grammatik ihrer eigenen Sprache bewandert sind. Alle diese Leute müssen bezahlt werden, und dieses Geld muß an den Büchern wieder herauskommen. Der Verfasser hat einen wichtigen Umstand übersehen, der die Bücher in England nothwendig vertheuern muß, die ungeheueren Abgaben, welche die englischen Verleger von jedem ihrer Verlagsartikel zahlen müssen, welche mit der Zahl der aufgelegten Exemplare steigen!

Eine Novelle von gediegenem Werth kann ihrem Verfasser in England leicht vier bis fünfhundert Pfund eintragen, vorzüglich, wenn man irgend voraussetzt, daß der Leser sich durch solche mit den Ansichten und Empfindungen des »höhern und niedern Adels« in nähere Beziehung gebracht sehen dürfte. So tief eingeprägt ist die Hochachtung derer, die sich im Schatten fühlen, vor denen, die den Sonnenstrahlen ausgesetzt sind, in diesem Lande, daß der Preis der Feder eines Lord bedeutend höher ist, als der einer bürgerlichen.

Ich will wohl glauben, daß Ihnen die Idee neu sein muß, literarisches Verdienst nach der Größe eines Stammbaums abzumessen, aber es ist dieses hier keine ungewöhnliche Mode. Eine Dame von Stande bot neulich einem modischen Verleger einen neuen Roman an, und seine Antwort war: »Zweihundert, wenn die Schrift ohne Namen, und fünfhundert, wenn sie mit dem Namen der Verfasserin erscheinen soll.« Der Name der Verfasserin hatte aber noch keinen Vorzug, als den des vornehmen Standes, denn der Roman selbst war ein erster Versuch. Mir wurde ein Vorschlag gemacht, einen Beitrag zu einem Almanach zu liefern, und um mich dazu zu bewegen, zeigte man mir eine Liste derer, die sich zu Beiträgen bereits verstanden hätten, unter denen sich die Namen von fünf oder sechs Lords befanden. Ich war neugierig, wie diese Leute in Geschäftsbeziehungen sich benähmen, und man gab mir nicht undeutlich zu verstehen, daß man ihnen nicht bloß als Schriftsteller, sondern auch als Lords zahle. Der Mond ist sicherlich nicht aus grünem Käse gemacht; doch darauf können sie sich verlassen, könnten wir nahe genug dazu kommen, um seine Bestandtheile zu untersuchen, so möchten wir ihn doch vielleicht ganz anders beschaffen finden, als wir es uns jetzt einbilden. –

Bei einem Frühstück, wozu ich neulich eingeladen war, war auch ein Knabe anwesend, der Erbe eines hohen Ranges; er verließ die Gesellschaft zuerst, um, wie ich glaube, in die Schule zu gehen; und der Hausherr beging den Mißgriff, uns allein sitzen zu lassen, während er den Knaben durch das Vorzimmer begleitete. Als er wieder kam, näherte er sich mir mit wichtiger Miene und flüsterte mir zu: »Drei Grafschaften in einer einzigen Familie!« Damit konnte ich den gänzlichen Mangel an Wichtigthun mit Knaben und Mädchen hohen Ranges auf dem europäischen Festlande im Stillen vergleichen. Kurz vorher, ehe wir Paris verließen, erhielt ein kleines Mädchen auf einem Kinderball, als es eben ausgewählt worden war, mit einem kleinen Prinzen zu tanzen, von ihrer Mutter die Weisung, ihren Tänzer »Monseigneur« zu nennen. Nachdem beide durch die Bewegung etwas warm geworden waren, wandte sich das kleine niedliche Mädchen zu dem Knaben und sagte: »Warum muß ich zu dir Monseigneur sagen; bist du vielleicht ein Bischof?« – »Je n'en sais rien, moi« – war seine Antwort. Dort ist ein junger – –, der Erbe ausgedehnter Ländereien, mit Palästen ohne Zahl und einer Sammlung von Gemälden und Bildsäulen, die allein ein außerordentliches Kapital ausmachen. Fünf oder sechs Fürstentümer gehören der Familie; heirathet er, so wird er einen von den Titeln derselben führen, bis er endlich den altertümlichen und ausgezeichneten Namen seines Geschlechts selbst führen wird. Jetzt aber wird er von Allen nur mit seinem Taufnamen angeredet, obschon er fast das männliche Alter erreicht hat!

Mir scheint es, daß in England die hohen Adlichen selbst äußerst wenig ihre hohen Ansprüche geltend machen; das meiste Aufheben machen diejenigen davon, welche es sich zu großer Ehre rechnen, in ihren Gesellschaften Zutritt zu erlangen. Nichts bringt die von Jugend auf an die Verehrung der Vornehmen gewöhnten Leute mehr außer Fassung, als wenn sie sehen, daß andere Menschen ihre Götzen nicht mit demselben hingebenden Eifer verehren, wie sie.


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