Edward Bulwer
Das Geschlecht der Zukunft
Edward Bulwer

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Sechzehntes Kapitel

Ich habe so viel von dem Vrilstabe gesprochen, daß meine Leser gewiß eine nähere Beschreibung erwarten. Eine sehr ausführliche vermag ich nicht zu geben, da man mir nie erlaubte, den Stab anzufassen, aus Furcht, daß mein Unvermögen, ihn zu benutzen, irgend einen schrecklichen Zufall herbeiführen könnte. Er ist hohl und hat an dem Griffe mehrere Klappen oder Federn, durch die man seine Kraft ändern, mildern oder leiten kann, sodaß er durch das eine Verfahren vernichten, durch ein anderes heilen kann, durch eines Felsen sprengt, durch ein anderes Dämpfe zerstreut. Durch eines wirkt er auf den Körper, durch ein anderes kann er einen gewissen Einfluß auf den Geist ausüben. Für gewöhnlich hat er die Größe eines Spazierstockes, aber er hat Schieber, durch die man ihn nach Belieben verlängern oder verkürzen kann. Wenn er zu besonderen Zwecken benutzt wird, bleibt der obere Teil in der Handfläche ruhen, während Zeige- und Mittelfinger die verschiedenen Federn dirigieren. Man versicherte mir jedoch, daß seine Kraft nicht immer dieselbe sei, sondern sich vielmehr danach richte, ob sein Besitzer sehr zum Vril geneigt sei und in welchen Beziehungen er zu den auszuführenden Absichten stehe. Einzelne Vril-Stäbe besaßen große Zerstörungskraft. Andere heilten u. s. w., viel hing auch von der ruhigen und festen Willenskraft des Ausführenden ab. Sie versichern, daß volle Gewalt über den Vril nur durch einen von Vorfahren ererbten Organismus erlangt werden könne, und daß ein vierjähriges Mädchen aus dem Geschlechte der Vril-ya Taten mit diesem Stabe, den es zum ersten Male in der Hand hat, ausführen kann, deren der stärkste und geschickteste Mechaniker, der außerhalb des Bezirkes der Vril-ya geboren ist, nicht fähig wäre zu vollbringen und wenn er sein ganzes Leben diesem Studium gewidmet hätte. Nicht alle diese Stäbe sind gleich kompliziert. Die die man den Kindern anvertraut, sind weit einfacher, als die die von Weisen beiderlei Geschlechts getragen werden, und sind mit Rücksicht auf die besondere Beschäftigung, der sich die Kinder widmen, konstruiert. Die Beschäftigung ist, wie ich bereits erwähnte, bei den kleinsten Kindern die verheerendste. In den Stäben der Frauen und Mütter ist die zerstörende Kraft gewöhnlich gar nicht vorhanden, die heilende dafür doppelt stark. Ich wünschte, ich könnte mehr über die Einzelheiten dieses seltsamen Leiters des Vril-Fluidums sagen, aber seine Maschinerie ist ebenso kompliziert als die Wirkung wunderbar ist.

Ich muß noch sagen, daß dieses Volk eine Art Röhre erfunden hat, durch die das Vril-Fluidum auf eine unglaubliche Entfernung, zum mindesten fünf- bis sechshundert Meilen, auf den zu vernichtenden Gegenstand geleitet werden kann. Ihre mathematischen Kenntnisse sind so genau, daß, nach dem Berichte einiger Beobachter, von einem Luftschiffe aus, ein jedes Mitglied des Vril-Departements, ohne sich zu irren, die Natur dazwischentretender Hindernisse, die Höhe, zu der das Instrument aufgerichtet werden soll, die Stärke, mit der es zu belasten ist, schätzen kann, um eine Stadt doppelt so groß wie London, in einem Zeitraume, der zu kurz ist, als daß ich es wagen dürfte ihn zu nennen, in Asche zu verwandeln.

Oh, diese Ana sind unbedingt vortreffliche Mechaniker, wunderbar in der Auffindung und Anwendung von Kräften zu praktischem Nutzen.

Ich durchschritt mit meinem Wirte und seiner Tochter Zee das große öffentliche Museum, in einem Flügel des Collegiums der Weisen. Dasselbe enthält sowohl wunderliche Proben sinnloser und fehlerhafter Experimente aus alten Zeiten (viele Erfindungen, auf die wir stolz sind) als auch neue Ausführungen. In der einen Abteilung liegen, als veraltetes Gerümpel beiseite geworfen, Rohre, um mit Metallkugeln und zündbarem Pulver Leben zu vernichten, ganz nach dem Prinzipe unserer Kanonen und Geschütze, ja, noch mörderischer als unsere letzten Verbesserungen.

Mein Wirt sprach hierüber mit einem so verächtlichen Lächeln, wie unsere Artillerieoffiziere von den Bogen und Pfeilen der Chinesen. Eine andere Abteilung enthielt Modelle von Fuhrwerken und Schiffen, die durch Dampf in Bewegung gesetzt wurden, und von einem Ballon, der von Montgolfier hätte konstruiert sein können. »Das«, sagte Zee mit der Miene weisen Nachdenkens, »das waren die schwachen Versuche mit Naturkräften umzugehen, die unsere rohen Vorfahren machten, bevor sie nur einen entfernten Begriff von den Eigenschaften des Vril hatten!«

Diese junge Gy gab ein herrliches Zeugnis von der Muskelkraft der Frauen dieses Landes. Ihr Antlitz war schön, wie das aller ihrer Rasse. Nie habe ich in der Oberwelt ein so vornehmes und fehlerfreies Gesicht gesehen; aber die ernsten Studien, denen sie sich widmete, hatten ihrem Gesichte einen so nachdenklichen Ausdruck gegeben, daß es, wenn ruhig, fast ein wenig zu ernst war, und dieser Ernst wurde erschreckend, wenn man ihn mit ihren breiten Schultern und ihrer großen Gestalt in Verbindung brachte. Selbst für eine Gy war sie groß; und ich habe gesehen, wie sie mit der Leichtigkeit, mit der ich eine Taschenpistole aufnehme, eine Kanone in die Höhe hob. Zee flößte mir große Furcht ein, eine Furcht, die sich noch vergrößerte, als wir in dem Museum in eine Abteilung gelangten, die Modelle von Maschinen enthielt, die durch die Kraft des Vril geleitet wurden. Hier setzte sie nur durch ein bestimmtes Spiel mit ihrem Vrilstabe, während sie selbst entfernt stand, große gewichtige Körper in Bewegung. Es schien, als ob sie ihnen Verstand einflößte, daß sie ihre Befehle verstanden und ihnen Folge leisteten. Sie brachte große Maschinenteile in Gang, hemmte ihre Bewegung und setzte sie wieder fort, bis in einer unglaublich kurzen Zeit verschiedene Arten Rohmaterial als symmetrische, vollkommene und vollständige Kunstwerke zum Vorschein kamen. Alle die Wirkungen, die Mesmerismus oder Elektro-Biologie auf die Muskeln und Nerven lebender Wesen auszuüben vermag, brachte die junge Gy durch die Bewegung ihres feinen Stabes auch bei den Rädern und Triebfedern lebloser Maschinen hervor.

Ich äußerte meinen Begleitern gegenüber mein Erstaunen über den Einfluß auf tote Gegenstände und gab zu, daß ich in unserer Welt Zeuge von Erscheinungen gewesen sei, die bewiesen, daß gewisse lebende Organismen über gewisse andere lebende Organismen einen wahren Einfluß auszuüben vermögen, der aber oft durch Leichtgläubigkeit oder Kunstfertigkeit überschätzt wird. Zee, die sich für dergleichen mehr interessierte, als ihr Vater, hieß mich meine Hand ausstrecken; sie selbst hielt die ihre dicht daneben und machte mich auf gewisse Unterschiede im Typus und Charakter derselben aufmerksam. Erstens war der Daumen der Gy (und wie ich später bemerkte, der ganzen Rasse, sowohl der Männer wie der Frauen) viel größer, sowohl länger als stärker, als man ihn bei uns auf der Erde sieht. Es ist zwischen diesen beiden fast ein so großer Unterschied wie zwischen dem Daumen des Menschen und dem des Gorilla. Zweitens ist die Handfläche verhältnismäßig viel stärker als unsere, die Haut bedeutend feiner und weicher und der durchschnittliche Wärmegrad ein höherer. Bemerkenswerter als alles das ist ein unter der Haut sichtbarer Nerv, der vom Handgelenke aus dem Ballen des Daumens entlang läuft und sich an den Wurzeln des Zeige- und Mittelfingers in verschiedene gabelförmige Teile teilt. »Bei Ihrer Daumenbildung«, philosophierte die junge Gy, »und ohne den Nerv, den Sie in den Händen unserer Geschlechter mehr oder weniger ausgebildet finden, können Sie immer nur eine unvollkommene und schwache Macht über die Kraft des Vril ausüben. Weder unsere frühesten Vorfahren noch die wilderen Stämme außerhalb des Bezirkes der Vril-ya hatten diesen Nerv in der Hand. Derselbe hat sich erst im Laufe vieler Generationen entwickelt. Bei den ersten Versuchen die Vrilkraft zu gebrauchen, ist er entstanden und hat sich bei der fortwährenden Übung derselben mehr und mehr ausgebildet.

Es ist leicht möglich, daß sich nach ein- bis zweitausend Jahren auch bei den höheren Geschöpfen Ihrer Geschlechter, die sich der höchsten Wissenschaft widmen, durch die man Gewalt über alle feineren, vom Vril durchdrungenen Naturkräfte bekommt, ein solcher Nerv zeigt. Aber wie können Sie von der Materie als von etwas Trägem, Bewegungslosem sprechen! Unmöglich können Ihre Eltern und Lehrer Sie darüber in Unwissenheit gelassen haben, daß keine Materie, in welcher Gestalt sie sich auch zeigt, bewegungslos und träge ist. Das kleinste Teilchen ist beständig in Bewegung und wird durch Kräfte, von denen Hitze die sichtbarste und schnellste, Vril aber die feinste und, wenn geschickt geleitet, die mächtigste ist, in fortwährender Tätigkeit erhalten. Der Vril-Strom, von meiner Hand gelenkt und von meinem Willen geführt, verdoppelt die Tätigkeit der Atome eines jeden Stoffes, er erscheine noch so träge und untätig. Wenn ein Haufen Metall nicht selbst die Fähigkeit zu einem Gedanken besitzt, so erhält er doch von dem geistig wirkenden Mittel durch seine innere Empfänglichkeit für Bewegung die Kraft, einen Gedanken in sich aufzunehmen. Er ist, wenn mit genügender Vrilkraft geleitet, ebenso zum Gehorsam gezwungen, als ob er eine sichtbare körperliche Kraft wäre. Er ist durch die Seele, die ihm derart eingeflößt wurde, so tätig, daß man sagen könnte, er lebt und denkt. Ohne diese Kraft könnten unsere Automaten nicht Dienerstelle vertreten.«

Diese Beschreibungen und Lehren der jungen Gy flößten mir zu viel Ehrfurcht ein, als daß ich gewagt hätte, mit ihr zu disputieren. In meinen Knabenjahren hatte ich irgendwo gelesen, daß ein weiser Mann, als er einst mit einem römischen Kaiser im Streite war, plötzlich seine Hörner einzog; und als der Kaiser ihn fragte, ob er seinerseits nichts weiter über den strittigen Punkt zu sagen habe, erwiderte: »Nein, Cäsar, mit einem Denker, der über fünfundzwanzig Legionen zu gebieten hat, disputiert man nicht«.

Obgleich ich im Stillen der festen Überzeugung war, daß Faraday beweisen könnte, ein wie schwacher Philosoph Zee war, was die Ausdehnung und Wirkung des Vril anbetrifft, trotz seiner mächtigen Wirkung auf die Materie, bezweifelte ich doch nicht, daß Zee allen Mitgliedern der Royal-Society, einem nach dem anderen, mit einem Faustschlage den Kopf zerschmettern konnte. Jeder vernünftige Mensch weiß, daß es nutzlos ist, mit gewöhnlichen Frauen über Gegenstände, die er versteht, zu streiten; aber mit einer sieben Fuß großen Gy über die Geheimnisse des Vril zu disputieren, wäre ebenso vergebens, wie sich in einer Wüste dem Samum zu widersetzen. Unter den verschiedenen Departements, zu denen das große Gebäude des Collegs der Weisen gehörte, interessierte mich am meisten das, das der Archäologie der Vril-ya gewidmet war und eine große Sammlung alter Portraits enthielt. Die Farben und Grundlagen derselben waren so dauerhafter Art, daß selbst die Bilder, die aus der Zeit der frühesten Annalen der Chinesen herrühren sollten, in der Farbe noch völlig frisch erhalten waren. Bei der Besichtigung dieser Sammlung fiel mir Zweierlei besonders auf: erstens, daß die Bilder, die sechs- bis siebentausend Jahre alt sein sollten, künstlerisch viel wertvoller waren, als die aus den letzten drei- bis viertausend Jahren; und zweitens, daß die Portraits der früheren Periode viel mehr dem europäischen Typus unserer Oberwelt glichen. Ja, einige erinnerten mich an die italienischen Köpfe Tizians, aus denen List und Ehrgeiz, Kummer und Sorge sprechen, deren Furchen zeigen, wie die Leidenschaften mit eisernem Pfluge darüber hinweggeschritten sind. Das waren die Gesichtszüge von Männern, die in Kampf und Streit gelebt hatten, bevor die Entdeckung der verborgenen Kräfte des Vril den gesellschaftlichen Charakter umgeformt hatte, Männer, die, gleich uns in der Oberwelt, um der Macht und um des Ruhmes willen miteinander gestritten hatten.

Ungefähr tausend Jahre nach der Vril-Umwälzung wechselte der Typus der Gesichtszüge ziemlich auffallend. Er wurde mit jeder Generation heiterer; und in dieser Heiterkeit stachen die Gesichter der arbeitenden und sündigen Menschen mehr hervor. Da sich zugleich auch die Schönheit und Vornehmheit der Züge mehr entwickelte, wurde die Kunst der Malerei matter und einförmiger.

Aber die größte Eigentümlichkeit dieser Sammlung waren drei Portraits, die der vorgeschichtlichen Zeit angehörten und nach der sagenhaften Tradition auf Befehl eines Philosophen ausgeführt worden waren, dessen Herkunft und Eigenschaften in ein ebenso geheimnisvolles Dunkel gehüllt waren, wie die eines indischen Budhi oder eines griechischen Prometheus.

Von dieser mysteriösen Person, Weiser und Held zugleich, behaupten alle Hauptstämme der Vril-ya ihren gemeinsamen Ursprung zu haben.

Die Portraits stellen den Philosophen selbst, seinen Groß- und Urgroßvater dar. Alle drei in Lebensgröße. Der Philosoph ist in eine lange Tunika gekleidet, die ein loses Gewand, wie eine schuppige Rüstung, zu bilden scheint, vielleicht irgend einem Fische entlehnt. Füße und Hände sind frei. Er hat einen kurzen Hals und eine niedrige, zurücktretende Stirne, keineswegs das Ideal eines Weisen, lebhafte, braune, hervorstehende Augen, einen sehr großen Mund, starke Backenknochen und einen dunklen Teint. Wie die Tradition lautet, hat dieser Philosoph ein patriarchalisches Alter erreicht. Das Portrait seines Großvaters hat er noch zu dessen Lebzeiten malen lassen, das seines Urgroßvaters ist nach der Mumie gemalt. Das Bild des ersteren trägt den Ausdruck und die Züge des Philosophen, nur in allem übertrieben; er ist unbekleidet und sein Körper von seltsamer Farbe; die Brust gelb, Schultern und Beine dunkelbronzefarbig. Der Urgroßvater war ein Prachtexemplar der batrachianischen Gattung, ein Riesenfrosch.

Unter den markigen Sprüchen, die der Tradition gemäß, der Philosoph in rhythmischer Form und gedankenreicher Kürze der Nachwelt hinterließ, ist dieser besonders hervorzuheben:

»Demütigt Euch, meine Nachkommen, der Vater Eures Geschlechtes war ein Twat (Kaulquappe); erhöht Euch selbst, meine Nachkommen, denn derselbe göttliche Gedanke, der Euren Vater erschuf, offenbart sich, indem er Euch erhöht«.Bulwer ist beim Schreiben dieses Romanes zweifellos inspiriert worden, er war aber nicht imstande, die Inspirationen klar zu erfassen. Das Folgende sind entschieden mißverstandene Hinweise auf die Lemurische Rasse. (D. H.)

Diese Fabel erzählte mir Aph-Lin, während ich die drei batrachianischen Portraits betrachtete. Ich erwiderte: »Sie spotten über meine vermeintliche Unwissenheit und Leichtgläubigkeit als ungebildeter Tish; aber obgleich diese entsetzlichen Pfuschereien ein hohes Alter haben mögen und vielleicht eine grobe Karikatur vorstellen sollten, so meine ich doch, daß keiner ihres Geschlechtes, selbst in den am wenigsten erleuchteten Zeitaltern, jemals glaubte, daß der Urgroßenkel eines Frosches ein geistreicher Philosoph sein kann, oder daß irgend eine Sekte, ich will nicht sagen: der hohen Vril-ya, aus der untersten Klasse des menschlichen Geschlechtes ihren Ursprung in einer Kaulquappe hatte.«

»Verzeihung«, entgegnete Aph-Lin, »in der Kampf- und Drangperiode, wie wir sie nennen, die vor ungefähr siebentausend Jahren ihren Höhepunkt hatte, lebte ein sehr berühmter Naturforscher, der zur Befriedigung zahlreicher Schüler den Beweis analogischer und anatomischer Übereinstimmungen im Bau zwischen dem An und dem Frosche lieferte, um zu zeigen, daß sich einer aus dem anderen entwickelt haben muß. Sie hatten mehrere gemeinsame Krankheiten. Beide litten an parasitischen Würmern in den Eingeweiden, und seltsam, der An hat in seinem Bau eine Schwimmblase, die zwar von keinem Nutzen mehr für ihn ist, aber doch eine Grundlage, die seine Abstammung vom Frosche klar beweist. Ebenso wenig läßt sich aus dem Unterschiede in der Größe irgend eine Schlußfolgerung gegen diese Theorie auffinden, denn noch jetzt gibt es in unserer Welt Frösche, die uns selbst an Größe und Gestalt nicht nachstehen, und vor vielen tausend Jahren scheinen sie noch größer gewesen zu sein.«

»Das verstehe ich so«, sagte ich, »daß einzelne kolossale Frösche, wie unsere Geologen sie vielleicht im Traume gesehen haben, vor der Sündflut vornehme Bewohner der Oberwelt waren, und diese Art Frösche scheinen es gewesen zu sein, die die Sümpfe und Bäche Ihrer unterirdischen Regionen geziert haben. Aber bitte, fahren Sie fort.«

»In der Kampfperiode mochte ein Weiser behaupten, was er wollte, er wurde sicher von einem anderen Weisen widerlegt. Es war tatsächlich der Grundsatz jener Zeit, daß des Menschen Geist nur durch fortwährenden Widerspruch rege erhalten werden konnte. Deshalb behauptete eine andere Sekte von Philosophen, daß der An nicht vom Frosche abstamme, sondern der Frosch sichtlich eine verbesserte Entwicklung des An sei. Im Allgemeinen war die Gestalt des Frosches symmetrischer als die des An. Außer den schön geformten unteren Gliedmaßen, den Hüften und Schultern, war die Mehrzahl der Ana fast mißgestaltet, sicher aber häßlich. Außerdem kann der Frosch sowohl auf dem Lande wie im Wasser leben, ein großes Privilegium, das dem An versagt ist; daher beweist das Nichtbenutzen seiner Schwimmblase klar seine Abstammung von einer entwickelteren Gattung. Weiter scheinen die früheren Geschlechter der Ana behaart gewesen zu sein, und selbst vor verhältnismäßig noch kurzer Zeit wurden die Gesichter unserer Vorfahren von Haarbüscheln entstellt, die sich weit über Kinn und Wangen verbreiteten, ähnlich den Büscheln, mein armer Tish, auf Ihrem Antlitze. Aber durch unzählige Generationen ist es das eifrige Bestreben der höheren Stämme der Ana gewesen, jede Spur der Verbindung mit haarigen Vertebraten zu verwischen, und sie haben nach und nach diese herabwürdigende Haarpflanze ausgerottet. Die Gy-ei ziehen natürlich die Jugend und Schönheit glatter Gesichter vor. Welche Stufe der Frosch auf der Skala der Vertebraten einnimmt, ist dadurch bezeichnet, daß er überhaupt kein Haar, selbst nicht auf dem Kopfe hat. In dieser Beziehung ist er schon vollkommen geboren worden. Der Schönste der Ana hat ihn, trotz der Kultur unzähliger Jahrhunderte, darin noch nicht erreichen können. Es ist erwiesen, daß die wunderbare Verbindung und Feinheit im Nervensysteme und der Blutzirkulation eines Frosches ihn empfänglicher macht für Freude als uns unsere untergeordnetere oder wenigstens einfachere Körperbildung es gestattet. Eine genaue Prüfung der Hand eines Frosches, wenn ich mich dieses Ausdruckes bedienen darf, spricht für eine stärkere Empfänglichkeit für Liebe und soziales Leben im allgemeinen. So gesellig und liebevoll die Ana auch sind, die Frösche sind es noch mehr. Kurz, diese zwei Schulen stritten miteinander. Die eine behauptete, der An sei die Vervollkommnung des Frosches, die andere, der Frosch sei die höchste Entwicklung des An. Die Naturalisten und die Moralisten waren geteilter Meinung, aber die Masse wandte sich der Schule zu, die dem Frosche den Vorzug gab. Man sagte, daß in moralischer Beziehung – das heißt nach den Regeln der Gesundheit und dem Wohlergehen sowohl des Einzelnen wie der ganzen Gemeinde – doch kein Zweifel an der großen Überlegenheit des Frosches obwalten könne. Immer gibt die Weltgeschichte Zeugnis von der allgemeinen Sittenlosigkeit des Menschengeschlechtes, von der vollständigen Nichtachtung der Gesetze, die sie sowohl für ihr eigenes als auch für das allgemeine Glück und Wohlergehen für notwendig anerkannten.

Aber die strengste Kritik des Froschgeschlechtes kann in ihren Sitten keine einzige Abirrung von dem moralischen, stillschweigend von ihnen anerkannten Gesetze entdecken. Und welchen Nutzen kann schließlich eine Zivilisation bringen, bei der untadelhaft moralisches Betragen nicht das Hauptziel und das Zeugnis ist, nach dem ihre Fortschritte beurteilt werden?

Endlich, behaupten die Anhänger dieser Theorie, daß das Froschgeschlecht in alten Zeiten eine vorgeschrittene Entwicklung des Menschengeschlechtes gewesen sei, aber daß es aus Gründen, die auf rationellen Vermutungen basieren, seine ursprüngliche Stellung auf der Stufenleiter der Natur nicht behauptet habe; während die Ana, obgleich von geringerer Organisation, weniger durch ihre Tugenden als durch ihre Laster, wie zum Beispiel List und Wildheit, allmählig die Übermacht erlangt hätten, ebenso wie unter dem Menschengeschlechte selbst einzelne gänzlich unkultivierte Stämme durch ähnliche Laster andere Stämme, die ihnen ursprünglich in geistiger Beziehung wie kulturell überlegen waren, ganz vernichtet oder ihnen alle Bedeutung genommen haben. Unglücklicherweise berührten sich diese Streitigkeiten mit den religiösen Meldungen jener Zeit. Da die menschliche Gesellschaft damals unter der Regierung des Koom-Posh, der unwissendsten Klasse, stand, nahm die Menge den Philosophen die Streitfragen ab. Die politischen Leiter sahen, daß dieser Froschstreit, von dem Volke in die Hand genommen, in wertvoller Weise ihren Ehrgeiz anstachelte. Nicht weniger als tausend Jahre hindurch herrschten Mord und Krieg. Während dieser Periode wurden die Philosophen beider Parteien hingeschlachtet, und die Herrschaft des Koom-Posh kam glücklich durch das Auftauchen eines Geschlechtes, das seine Abstammung von der ursprünglichen Kaulquappe klar darlegte und die verschiedenen Nationen der Ana mit despotischen Regenten versah, zu einem Ende. Schließlich verschwanden auch diese, wenigstens aus unseren Gemeinden, als die Entdeckung des Vril zu ruhigen Einrichtungen führte, unter denen alle Geschlechter der Vril-ya blühen.«

»Und gibt es jetzt keine Streitsüchtigen oder Philosophen die diesen Streit wieder aufnehmen? Oder stimmen sie alle darin überein, daß Ihr Geschlecht von der Kaulquappe abstammt?«

»Nein, dergleichen Streitigkeiten,« sagte Zee mit stolzem Lächeln, »gehören den grauen Zeitaltern des Pah-bodh an und dienen jetzt nur Kindern zur Belustigung. Kann es, wenn wir die Elemente kennen, aus denen unser Körper zusammengesetzt ist, Elemente, die wir selbst in den niedrigsten Pflanzen wiederfinden, kann es da von irgend einer Bedeutung sein, ob der ALLWEISE diese Elemente mehr der einen oder der anderen Form entnimmt, um das zu schaffen was fähig ist sich eine Idee von Ihm und der geistigen Größe, der dieser Idee Leben gibt, zu bilden? Der An fing in Wirklichkeit erst da an ein An zu sein, als er diese Fähigkeit empfing und mit ihr das Bewußtsein, daß, so sehr sich seine Weisheit im Laufe unzähliger Jahrhunderte vervollkommnen mag, er nie die Elemente, die ihm zu Gebote stehen, in die Form einer Kaulquappe bringen kann.«

»Du hast Recht, Zee«, sagte Aph-Lin: »wir Sterblichen die wir so kurze Zeit leben, können uns mit der Versicherung, die uns unser Verstand gibt, genügen lassen, daß der An, gleichviel ob er von einer Kaulquappe stammt oder nicht, so wenig zu einer solchen wird, als wie die Einrichtungen der Vril-ya wieder in den morastigen Sumpfboden und die Streitigkeiten des Koom-Posh zurückfallen.«


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