Gottfried August Bürger
Gedichte
Gottfried August Bürger

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das hohe Lied von der Einzigen,
im Geist und Herzen empfangen am Altare der Vermählung.

Se tu avessi ornamenti, quant' hai voglia,
Potresti arditamente
Uscir del osco e gir infra la gente.
Petrarca.            

        Hört von meiner Auserwählten,
Höret an mein schönstes Lied!
Ha, ein Lied des Neubeseelten
Von der süßen Anvermählten,
Die ihm endlich Gott beschied!
Wie aus hoffnungslosen Banden,
Wie aus Nacht und Moderduft
Einer tiefen Kerkergruft
Fühlt er froh sich auferstanden
Zu des Frühlings Licht und Luft.

Diademe, Purpurzonen,
Demantringe hab' ich nicht;
Hätte gleich, ihr voll zu lohnen,
Schmuck, erkauft für Millionen,
Ein genügendes Gewicht.
Was ich habe, will ich geben.
Ihren Namen, den mein Lied
Lange zu verrathen mied,
Will ich in ein Licht erheben,
Welches keine Nacht umzieht.

Schweig', o Chor der Nachtigallen!
Mir nur lausche jedes Ohr!
Murmelbach, hör' auf zu wallen!
Winde, laßt die Flügel fallen,
Rasselt nicht durch Laub und Rohr!
Halt' in jedem Elemente,
Halt' in Garten, Hain und Flur
Jeden Laut, der irgendnur
Meine Feier stören könnte,
Halt' den Odem an, Natur!

Glorreich wie des Aethers Bogen,
Weich gefiedert wie der Schwan,
Auf des Wohllauts Silberwogen
Majestätisch fortgezogen,
Wall', o Lied, des Ruhmes Bahn!
Denn hinab bis zu den Tagen,
Die der letzte Hauch erlebt,
Der von deutscher Lippe schwebt,
Sollst du deren Adel tragen,
Welche mich zum Gott erhebt.

Jubelvoll auch offenbaren
Sollst du dessen Göttermuth,
Der entrückt nun den Gefahren,
Wie Ulyß nach zwanzig Jahren,
In der Wünsche Heimat ruht.
Sturm und Woge sind entschlafen,
Die durch Zonen, kalt und feucht,
Dürr und glühend, ihn gescheucht.
Seines Wonnelandes Hafen
Hat der Dulder nun erreicht.

Seine Stärke war gesunken;
Lechzend hing die Zung' am Gaum;
Alles Oel war ausgetrunken,
Und des Lebens letzter Funken
Glimmt' am dürren Dochte kaum.
Da zerriß die Wolkenhülle
Wie durch Zauberwort und –Schlag.
Heiter lacht' ein blauer Tag
Auf die schöne Segensfülle,
Welche duftend vor ihm lag.

Wonne weht von Thal und Hügel,
Weht von Flur und Wiesenplan,
Weht vom glatten Wasserspiegel,
Wonne weht mit weichem Flügel
Des Piloten Wangen an,
Wonne, deren Vollgenusse
Kein tyrannisches Verbot
Hinterher mit Seelennoth
Oder Sturm und Regengusse
Strafender Gewitter droht.

Nah in diesem Lustgefilde,
Allen seinen Wünschen nah,
Waltet mit des Himmels Milde,
Nach der Gottheit Ebenbilde,
Adonid'-Urania.
Froh hat sie ihn aufgenommen
In der Labungsregion,
Ihn, des Kummers müden Sohn,
Froh mit lieblichem Willkommen
In Aëdon's Flötenton.

Ach, in ihren Feenarmen
Nun zu ruhen ohne Schuld,
An dem Busen zu erwarmen,
An dem Busen voll Erbarmen,
Voller Liebe, Treu' und Huld:
Das ist süßer, als der Kette,
Süßer als der Geierpein
An Prometheus' rauhem Stein,
Auf der Ruhe Flaumenbette
Durch ein Wort entrückt zu sein.

Ist es wahr, was mir begegnet,
Oder Traum, der mich bethört,
Wie er oft den Armen segnet
Und ihm goldne Berge regnet,
Die ein Hahnenruf zerstört?
Darf ich's glauben, daß die Eine,
Die sich selbst in mir vergißt,
Den Vermählungskuß mir küßt?
Daß die Herrliche die Meine
Ganz vor Welt und Himmel ist?

Hohe Namen zu erkiesen,
Ziemt dir wohl, o Lautenspiel!
Die wird Die zu hoch gepriesen,
Die so herrlich sich erwiesen,
Herrlich ohne Maß und Ziel,
Daß sie, trotz dem Hohngeschreie,
Trotz der Hoffnung Untergang,
Gegen Sturm und Wogendrang
Mir gehalten Lieb' und Treue
Mehr als hundert Monden lang.

Und warum, warum gehalten?
Hatt' ich etwas Krösus' Thron,
Krösus' Schätze zu verwalten?
Prangt' ich unter Mannsgestalten
Herrlich wie Latonens Sohn?
War ich Herzog großer Geister,
Strahlend in dem Kranz von Licht,
Den die Hand der Fama flicht?
War ich holder Künste Meister? –
Ach, Das alles war ich nicht!

Zwar – ich hätt' in Jünglingstagen,
Mit beglückter Liebe Kraft
Lenkend meinen Kämpferwagen,
Hundert mit Gesang geschlagen,
Tausende mit Wissenschaft;
Doch des Herzens Loos, zu darben,
Und der Gram, der mich verzehrt,
Hatten Trieb und Kraft zerstört.
Meiner Palmen Keime starben,
Eines mildern Lenzes werth.

Sie, mit aller Götter Gnaden
Hoch an Seel' und Leib geschmückt,
Schön und werth, Alcibiaden
Zur Umarmung einzuladen,
Hätt' ein Beßrer leicht beglückt.
Sie vor ihren Schwestern allen
Hätte Hymens Huld umschwebt
Und ein Leben ihr gewebt,
Wie es in Kronions Hallen
Hebe mit Alciden lebt.

Dennoch, ohne je zu wanken,
Wo auch Liebe sinken läßt,
Hielt sie an dem armen Kranken
So mit Wünschen und Gedanken
Wie mit ihren Armen fest.
Liebend, voller Kümmernisse,
Daß der Eumeniden Schaar,
Die um ihn gelagert war,
Nicht in Höllenglut ihn risse,
Bot sie sich zum Schirme dar. –

Macht in meiner Schuld, o Saiten,
Ihrer Tugend Adel kund!
Wahrheit knüpfe, des geweihten
Lautenschlägers Hand zu leiten,
Mit Gerechtigkeit den Bund!
Manche Tugend mag er missen;
Aber du, Gerechtigkeit,
Warst ihm heilig jederzeit.
Nein! Mit Willen und mit Wissen
Hat er nimmer dich entweiht.

Ruf' es laut aus voller Seele:
Schuldlos war ihr Herz und Blut!
Welches Ziel die Rüge wähle,
O so trifft sie meine Fehle,
Fehle meiner Liebeswuth!
Geißle mich des Hartsinns Tadel!
Wölke sich ob meiner Schuld
Selbst die Stirne milder Huld!
Büß' ich nur für ihren Adel,
O so büß' ich mit Geduld.

Ach, sie strebte, sich zu schirmen,
Strebte, – das ist Gott bewußt!
Doch was konnte sie den Stürmen
Meiner Lieb' entgegenthürmen,
Was den Flammen meiner Brust?
Nur in Plutons grausen Landen
Hätten mit der Brust von Erz,
Taub für Lust und taub für Schmerz,
Unholdinnen widerstanden:
Nicht der Holdin weiches Herz.

Unglückssohn, warum entflammte
Deinem Busen solche Glut?
Sprich, woher, woher sie stammte,
Welches Dämons Macht verdammte,
Frevler, dich zu solcher Wuth? –
Eitle Frage! Nimm, Gesunder,
Nimm mein Herz und meinen Sinn
Ohne dieses Fieber hin!
Staune dann noch oh dem Wunder,
Wie ich Dieser war und bin.

Nimm mein Auge hin und schaue,
Schau' in ihres Auges Licht!
Ah, das klare, himmelblaue,
Das so heilig sein »Vertraue
Meinem Himmelssinne!« spricht.
Sieh die Blüte dieser Wange!
Lustverheißend winke dir
Dieser Lippe Frucht wie mir!
Und dein heißer Durst verlange
Nie gelabt zu sein von ihr!

Sieh, o Blöder, auf und nieder,
Sieh mit meinem Sinn den Bau
Und den Einklang ihrer Glieder!
Wende dann das Auge wieder!
Sprich: »Ich sah nur eine Frau!«
Sieh das Leben und das Weben
Dieser Graziengestalt,
Sieh es ruhig an und kalt!
Fühle nicht das Wonnebeben
Vor der Anmuth Allgewalt!

Hat die Milde der Kamönen
Gütig dir ein Ohr verliehn,
Aufgethan den Zaubertönen,
Die in's Freudenmeer des Schönen
Seelen aus den Busen ziehn,
O so neig' es ihrer Stimme,
Und es ist um dich gethan;
Deine Seele faßt ein Wahn,
Daß sie in der Flut verglimme,
Wie ein Funk' im Ocean.

Nahe dich dem Taumelkreise,
Wo ihr Liebesodem weht,
Wo ihr warmes Leben leise,
Nach Magnetenstromes Weise,
Dir an Leib und Seele geht;
Wo die letzten der Gedanken,
Wo in ein Gefühl hinein
Sich verschmelzen Dein und Mein, –
Ha, aus diesen Zauberschranken
Rette dich und bleibe dein! –

Doch – dein Auge blickt bedenklich
Und ich ahne, was es schilt.
Irdisch nennt es und vergänglich,
Was mit Lust so überschwenglich
Nur der Sinne Hunger stillt. –
Wohl! – Verachtend mag es schelten,
Was aus Erde sich erhebt
Und zur Erde wieder strebt.
Nur der Himmelsgeist soll gelten,
Der den Erdenstoff belebt.

Ach, nur ein, nur ein Mal strahle
Ihn, der mich nicht fassen kann,
Wesen aus dem Göttersaale,
Nur von fern und ein Mal an! –
Lebensgeist, von Gott gehauchet,
Odem, Wärme, Licht zu Rath,
Kraft zu jeder Edelthat,
Selig, was nicht dich sich tauchet,
Frommer Wünsche Labebad!

Schmeichelflut der Vorgefühle
Hoher Götterlust schon hier
Wallet oft, bei Frost und Schwüle,
Wie mit Wärme so mit Kühle,
Lieblich um den Busen mir.
Fühlet wol ein Gottesseher,
Wann sein Seelenaug' entzückt
In die bessern Welten blickt,
Fühlt er seinen Busen höher,
Unaussprechlicher beglückt?

O der Wahrheit, o der Güte,
Rein wie Perlen, ächt wie Gold!
O der Sittenanmuth! Blühte
Je im weiblichen Gemüthe
Jeder Tugend Reiz so hold? –
Hinter sanfter Hügel Schirme,
Wo die Purpurbeere reift
Und der Liebe Nektar träuft,
Hat kein Fittich böser Stürme
Dies Elysium bestreift.

Da vergiftet Nichts die Lüfte,
Nichts den Sonnenschein und Thau,
Nichts die Blum' und ihre Düfte;
Da sind keine Mördergrüfte,
Da beschleicht kein Tod die Au';
Da berückt dich keine Schlange,
Zwischen Moos und Klee versteckt,
Da umschwirrt dich kein Insekt,
Keins, das deiner Brust und Wange
Ruh' und Heiterkeit entneckt.

Alle deine Wünsche brechen
Ihre Früchte hier in Ruh;
Milch und Honig fließt in Bächen,
Töne wie vom Himmel sprechen
Labsal dir und Segen zu. –
Doch mein Lied fühlt sich verlassen
In so hoher Region,
Lange weigern sie sich schon,
Das Unsägliche zu fassen,
Bild, Gedanke, Wort und Ton. –

Er, dem sie die Götter schufen
Zur Genossin seiner Zeit,
Ist vor aller Welt berufen,
Zu erobern alle Stufen
Höchster Erdenseligkeit.
Ihm gedeihn des Glückes Saaten;
Seinem Wunsch ist jedes Heil,
Ehre, Macht und Reichthum feil;
Denn zu tausend Wunderthaten
Wird Vermögen ihm zutheil.

Durch den Balsam ihres Kusses
Höhnt das Leben Sarg und Grab.
Stark im Segen des Genusses,
Gibt's der Flut des Zeitenflusses
Keine seiner Blüten ab.
Rosicht hebt es sich und golden
Wie des Morgens lichtes Haupt,
Seiner Jugend nie beraubt,
Aus dem Bette dieser Holden,
Mit verjüngtem Schmuck umlaubt.

Erd' und Himmel! Eine solche
Sollt' ich nicht mein eigen sehn?
Ueber Nattern weg und Molche,
Mitten hin durch Pfeil und Dolche
Konnt' ich stürmend nach ihr gehn.
Mit der Stimme der Empörung
Konnt' ich furchtbar: Sie ist mein!
Gegen alle Mächte schrein;
Tempel lieber der Zerstörung,
Eh' ich ihrer mißte, weihn. –

Ihrer Liebe Nektar missen,
Hieß in dürren Wüstenein
Einsam mich verlassen wissen
Und den Tod erschmachten müssen
In des Durstes heißer Pein. –
Läßt die Strebekraft sich dämpfen,
Wenn wir dann, so weit wir sehn,
Nur noch einen Quell erspähn?
Gilt was anders, als erkämpfen
Oder kämpfend untergehn?

Herr des Schicksals, deine Hände
Wandten meinen Untergang!
Nun hat alle Fehd' ein Ende.
Dich, o neue Sonnenwende,
Grüßet jubelnd mein Gesang!
Hymen, den ich benedeie,
Der du mich der langen Last
Endlich nun entladen hast,
Habe Dank für deine Weihe!
Sei willkommen, Himmelsgast!

Sei willkommen, Fackelschwinger!
Sei gegrüßt im Freudenchor,
Schuldversöhner, Grambezwinger!
Sei gesegnet, Wiederbringer
Aller Huld, die ich verlor! –
Ach, von Gott und Welt vergeben
Und vergessen, werd' ich sehn
Alles, was nicht recht geschehn,
Wann im schönsten neuen Leben
Gott und Welt mich wandeln sehn.

Schände nun nicht mehr die Blume
Meiner Freuden, niedre Schmach!
Schleiche bis zum Heiligthume
Frommer Unschuld nicht dem Ruhme
Meiner Auserwählten nach!
Stirb nunmehr, verworfne Schlange!
Längst verheertest du genug!
Ihres Retters Adlerflug
Rauscht heran im Waffenklange
Dessen, der den Python schlug.

Schwing, o Lied, als Ehrenfahne
Deinen Fittich um ihr Haupt
Und erstatt' auf lichtem Plane,
Was ihr mit dem Drachenzahne
Pöbellästerung geraubt.
Spät, wann dies' im Staubgewimmel
Längst des Unwerths Buße zahlt,
Strahl' in dies Panier gemahlt,
Adonide, wie am Himmel
Dort die Halmenjungfrau strahlt!

Erdentöchter, unbesungen,
Roher Faunen Spiel und Scherz,
Seht, mit solchen Huldigungen
Lohnt die theuern Opferungen
Des gerechten Sängers Herz!
Offenbar und groß auf Erden,
Hoch und hehr zu jeder Frist,
Wie die Sonn' am Himmel ist,
Heißt er's vor den Edeln werden,
Was ihm seine Holdin ist. –

Lange hatt' ich mich gesehnet;
Lange hatt' ein stummer Drang
Meinen Busen ausgedehnet.
Endlich hast du sie gekrönet
Meine Sehnsucht, o Gesang! –
Ach! Dies bange süße Drücken
Macht vielleicht ihr Segensstand
Nur der jungen Frau bekannt.
Trägt sie so nicht vom Entzücken
Der Vermählungsnacht das Pfand?

Ah, nun bist du mir geboren,
Schön, ein geistiger Adon!
Tanzet nun, in Lust verloren,
Ihr, der Liebe goldne Horen,
Tanzt um meinen schönsten Sohn!
Segnet ihn, ihr Pierinnen!
Laß, o süße Melodie,
Laß ihn, Schwester Harmonie,
Jedes Ohr und Herz gewinnen,
Jede Götterphantasie!

Nimm, o Sohn, das Meistersiegel
Der Vollendung an die Stirn!
Ewig, meiner Seele Spiegel,
Ewig strahlen dir die Flügel,
Wie Uraniens Gestirn!
Schweb', o Liebling, nun hinnieder,
Schweb' in deiner Herrlichkeit
Stolz hinab den Strom der Zeit!
Keiner wird von nun an wieder
Deiner Töne Pomp geweiht.

 


 


 << zurück weiter >>