Gottfried August Bürger
Gedichte
Gottfried August Bürger

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Männerkeuschheit.

              Wem Wollust nie den Nacken bog
Und der Gesundheit Mark entsog,
Dem steht ein stolzes Wort wohl an,
Das Heldenwort: Ich bin ein Mann!

Denn er gedeiht und sproßt empor
Wie auf der Wies' ein schlankes Rohr,
Und lebt und webt, der Gottheit voll,
An Kraft und Schönheit ein Apoll.

Die Götterkraft, die ihn durchfleußt,
Beflügelt seinen Feuergeist
Und treibt aus kalter Dämmerung
Gen Himmel seinen Adlerschwung.

Dort taucht er sich in's Sonnenmeer,
Und Klarheit strömet um ihn her.
Dann wandelt sein erhellter Sinn
Durch alle Schöpfung Gottes hin.

Und er durchspäht und wägt und mißt,
Was schön, was groß und herrlich ist,
Und stellt es dar in Red' und Sang
Voll Harmonie, wie Himmelsklang.

O schaut, wie er voll Majestät,
Ein Gott, daher auf Erden geht!
Er geht und steht in Herrlichkeit,
Und fleht um Nichts; denn er gebeut.

Sein Auge funkelt dunkelhell
Wie ein krystallner Schattenquell;
Sein Antlitz strahlt wie Morgenroth;
Auf Nas' und Stirn herrscht Machtgebot.

Das Machtgebot, das drauf regiert,
Wird hui! durch seinen Arm vollführt;
Denn der schnellt aus wie Federstahl,
Sein Schwerthieb ist ein Wetterstrahl.

Das Roß fühlt seines Schenkels Macht,
Der nimmer wanket, nimmer kracht.
Er zwängt das Roß, vom Zwang entwöhnt,
Er zwängt das Roß, und horch! es stöhnt.

Er geht und steht in Herrlichkeit
Und fleht um Nichts; denn er gebeut.
Und dennoch, schaut, wo er sich zeigt,
O schaut, wie ihm sich Alles neigt!

Die edelsten der Jungfraun blühn,
Sie blühn und duften nur für ihn.
O Glückliche, die er erkiest!
O Selige, die sein genießt!

Die Fülle seines Lebens glänzt
Wie Wein, von Rosen rund umkränzt.
Sein glücklich Weib an seiner Brust
Berauscht sich draus zu Lieb' und Lust.

Frohlockend blickt sie rundumher:
»Wo sind der Männer mehr, wie er?«
Fleuch, Zärtling, fleuch! Sie spottet dein.
Nur er nimmt Bett und Busen ein.

Sie steht und fordert auf umher:
»Wo ist, wo ist ein Mann wie er?«
Sie, ihm allein getreu und hold,
Erkauft kein Fürst um Ehr' und Gold.

Wie wann der Lenz die Erd' umfäht,
Und sie mit Blumen schwanger geht,
So segnet Gott durch ihn sein Weib,
Und Blumen trägt ihr edler Leib.

Die alle blühn wie sie und er;
Sie blühn gesund und schön umher
Und wachsen auf, ein Cedernwald,
Voll Vaterkraft und Wohlgestalt. –

So glänzt der Lohn, den Der genießt,
So das Geschlecht, das Dem entsprießt,
Dem Wollust nie den Nacken bog
Und der Gesundheit Mark entsog.

 


 


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