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Spinoza

Ethik. I. Teil

Definitiones.

 

I.

Von dem Ding, dessen Wesen zugleich Dasein involviert, behaupte ich, daß es die Ursache seiner selbst sei oder von dem vielmehr, welches nicht anders als seiend gedacht werden kann.

 

II.

Das Ding nenne ich seiner Art nach endlich, welches durch ein anderes von derselben Natur eingeschränkt werden kann. Einen Körper z. B. nennen wir begrenzt, weil wir uns immer einen größeren vorstellen können. So wird ein Gedanke(R1) durch den andern begrenzt, ein Körper hingegen kann nicht durch das Denken und das Denken nicht durch einen Körper eingeschränkt werden.

 

III.

Unter Substanz verstehe ich das, was in sich ist und durch sich selbst begriffen wird; d. h. dasjenige, dessen Begriff nicht aus dem Begriff einer andern Sache gebildet werden muß.

 

IV.

Unter Attribut verstehe ich dasjenige, welches die Vernunft an der Substanz als ihr Wesen ausmachend, wahrnimmt.

 

V.

Unter modus verstehe ich die Affektionen der Substanz oder dasjenige, was in etwas Anderm ist, durch das es auch begriffen wird.

 

VI.

Unter Gott verstehe ich das absolut unendliche Sein (Ding) d. h. eine aus unendlichen (der Zahl nach) Attributen bestehende Substanz, deren jedes eine ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt.

Erklärung. Ich sage absolut, nicht seiner Art nach, unendlich; denn demjenigen, welches nur seiner Art nach unendlich ist, können wir unendliche Attribute absprechen; zu dem Wesen des absolut Unendlichen hingegen gehört, was ein Wesen (reales Sein) ausdrückt und keine Verneinung enthält.

 

VII.

Das Ding nenne ich frei, welches nur durch die Notwendigkeit seiner eignen Natur existiert und durch sich selbst zum Handeln bestimmt wird, notwendig oder vielmehr gezwungen hingegen dasjenige, dessen Existenz und Handlungsweise durch ein Anderes bestimmt wird.

 

VIII.

Ewigkeit ist die Existenz, insofern sie als aus der bloßen Erklärung eines ewigen Dinges folgend gedacht wird.

Explicatio. Talis enim existentia, ut aeterna veritas, sicut rei essentia concipitur, proptereaque per durationem, aut tempus explicari non potest, tametsi duratio principio et fine carere concipiatur. Vergleiche Cogit. Metaphysica.

 

Axiomata. Kant sagt von den Axiomen, sie seien synthetische Grundsätze a priori, sofern sie unmittelbar gewiß sind. Diese unmittelbare Gewißheit bekommen sie in der Mathematik durch die reine Anschauung, in der Philosophie hingegen erfordert diese Synthesis noch eine Deduktion d. h. eine Darstellung der Befugnis derselben.
(Ein Axiom nach Kiesewetter ist ein Satz, dessen Wahrheit unmittelbar erkannt wird, sobald man ihn versteht, und aus dem sich andere Sätze ableiten lassen.)

 

I.

Alles Seiende ist entweder in sich oder in etwas Anderem.

 

II.

Das, was durch etwas Andres nicht begriffen werden kann, muß durch sich selbst begriffen werden.

 

III.

Aus einer gegebenen bestimmten Ursache folgt notwendig eine Wirkung, fehlt dagegen eine bestimmte Ursache so ist auch eine Wirkung unmöglich.

 

IV.

Die Erkenntnis der Wirkung hängt von der Erkenntnis der Ursache ab und involviert dieselbe.

 

V.

Dinge, die nichts untereinander gemein haben, können auch nicht durch einander begriffen werden d. h. die Erkenntnis des einen involviert nicht die Erkenntnis des andern.

 

VI.

Eine wahre Idee muß mit ihrem Gegenstande übereinstimmen.

 

VII.

Das Wesen dessen, was als nicht existierend begriffen werden kann, involviert nicht die Existenz.

Propositiones.

 

I.

Die Substanz ist der Natur nach eher da, als ihre Affektionen.

Beweis. S. def. 3 et 5.

 

II.

Zwei Substanzen von verschiedenen Attributen haben nichts miteinander gemein.

Beweis. S. def. 3. Jede nämlich ist in sich und muß durch sich selbst begriffen werden.

 

III.

Wenn 2 Dinge nichts miteinander gemein haben, so kann das eine nicht die Ursache des andern sein.

Beweis. Wenn sie nichts untereinander gemein haben, so können sie auch nicht durch einander begriffen werden, es kann also auch nicht das eine die Ursache des andern sein.

 

IV.

Zwei oder mehrere verschiedne Dinge unterscheiden sich voneinander entweder durch die Verschiedenheit der Attribute der Substanzen oder durch die Verschiedenheit der Affektionen derselben.

Beweis. Alles, was ist, ist entweder in sich oder in etwas Anderem d. h. es gibt nichts als Substanzen und ihre Affektionen. Für die Dinge gibt es also keine andern Unterscheidungszeichen als die Substanzen, deren Attribute und Affektionen.

 

V.

Es kann nicht mehrere Substanzen von gleicher Natur oder gleichen Attributen, geben.

Beweis. Wenn es mehrere verschiedene Substanzen gäbe, so müßte man sie von einander entweder durch die Verschiedenheit ihrer Attribute oder ihrer Affektionen unterscheiden. Wollte man sie nun durch die Verschiedenheit der Attribute unterscheiden so müßte man zugeben, daß es nur eine Substanz von einem und demselben Attribute gäbe. Will man aber die Substanzen nach ihren Affektionen unterscheiden, so muß man dieselben, da die Substanz ihrer Natur nach eher da ist, als ihre Affektionen, ohne ihre Affekt, d. h. an und für sich betrachten und es ist alsdann undenkbar, durch was sie voneinander unterschieden werden könnten es kann daher nicht mehrere Substanzen sondern nur eine Substanz von derselben Natur geben.

 

Anmerkung.

Der Satz beweist nur, daß wir 2 Dinge von gleichen Eigenschaften, wenn wir sie successive betrachten (um die Sache von der sinnlichen Seite zu nehmen) nicht von einander unterscheiden können, wir können aber dennoch wissen daß es 2 sind, wenn wir beide zugleich sehen.

Diese Anmerkung würde passen, wenn von Dingen als Affektionen der Substanz die Rede wäre, es bezieht sich hier aber Alles auf die Substanz allein. Immerhin beweist jedoch Spinoza's Satz nur, daß wir 2 Substanzen von gleichen Attributen nicht von einander unterscheiden aber keineswegs, daß sie nicht neben einander bestehen können. Diese Unmöglichkeit ist durch nichts erwiesen.

Da überhaupt über das Wesen der Substanz nichts weiter gesagt ist, als daß eine Substanz durch sich selbst begriffen werde, so sehe ich nicht ein, warum der Umstand, daß 2 Substanzen von gleicher Natur nicht unterschieden werden können, zu dem Schlüsse berechtigt daß überhaupt das Dasein desselben unmöglich sei. Spinoza verwechselt das unterscheiden und das sich denken können nach den vorhergehenden Sätzen können wir uns noch immer 2 Substanzen von gleicher Natur von denen jedes durch sich selbst begriffen wird, als nebeneinander existierend denken.

 

VI.

Eine Substanz kann von einer andern Substanz nicht hervorgebracht werden.

Beweis. a.) Es kann nicht zwei Substanzen von gleichen Attributen geben d. h. es gibt nicht 2 Subst., die etwas miteinander gemein haben. Daher kann auch nicht eine Substanz die Ursache der andern sein oder dieselbe hervorbringen.

b.) Daraus folgt, daß eine Substanz von etwas Anderem nicht hervorgebracht werden kann, denn in der Natur gibt es nichts als Substanzen und ihre Affektionen(;) eine Substanz kann von einer andern Substanz nicht hervorgebracht werden, also kann die Substanz absolut von nichts anderm hervorgebracht werden.

c) Wenn eine Substanz von einer andern Substanz hervorgebracht werden könnte, so müßte sie durch dieselbe begriffen werden können, was dem Wesen der Substanz entgegen ist.

 

VII.

Dasein gehört zum Wesen der Substanz.

Beweis. Eine Substanz kann von etwas Anderem nicht hervorgebracht werden, sie wird daher die Ursache ihrer selbst sein d. h. ihr Wesen involviert notwendig das Dasein.

 

Anmerkung.

Mit andern Worten; da der Definition nach, die Substanz den Grund ihres Seins enthält, so kann ich mir den Grund nicht denken ohne die Folge d.h. ohne das Sein.

 

VIII.

Jede Substanz ist notwendigerweise unendlich.

Beweis. Es gibt nur eine Substanz von einem und demselben Attribute(?) und Dasein gehört zu ihrem Wesen. Ihrer Natur gemäß kann sie nun endlich oder unendlich sein. Sie ist aber unendlich, denn sie müßte alsdann von einer andern Substanz von gleicher Natur, deren Wesen ebenfalls Dasein involvierte, begrenzt werden und somit gäbe es 2 Substanzen von gleichen Attributen, was widersinnig ist (Prop. 5.)

Sie ist daher unendlich.

 

Anmerkung.

Dieser Satz fällt mit der 5ten Proposition. Er kann sich übrigens nur auf ein räumliches Verhältnis beziehen, denn aus der 7. Proposition allein folgt schon die Unendlichkeit in der Zeit oder die Ewigkeit, es ist ihr gemäß unmöglich, daß eine Substanz eine andre in der Zeit begrenzen kann. Die Begrenzung im Raum ist aber möglich, wenn man die 5. Prop. nicht zugibt.

Scholium I. Da die Endlichkeit eine Verneinung, die absolute Unendlichkeit aber die Affirmation der Existenz einer Sache ist, so folgt schon allein aus der 7. Proposition, daß jede Substanz unendlich sein müsse.

Scholium II. Ich zweifle nicht, daß es allen denjenigen, die ein verwirrtes Urteil haben und nicht gewohnt sind die Dinge nach ihren ersten Ursachen zu erkennen, schwer fallen wird die 7. Proposition zu begreifen; namentlich weil sie die Substanzen von ihren Modifikationen nicht unterscheiden können und weil sie nicht wissen, auf welche Weise die Dinge hervorgebracht werden. Daher kommt es auch, daß sie den Ursprung, welchen die natürlichen Dinge zu haben scheinen, den Substanzen andichten; denn wer die wahren Ursachen der Dinge nicht kennt verwirrt Alles, läßt Bäume wie Menschen reden und bildet sich ein Menschen könnten sowohl aus Steinen, als aus Samen entstehen und die eine Form könne sich in die andere verwandeln. So schreiben auch die, welche die menschliche Natur mit der göttlichen verwechseln, Gott leicht menschliche Leidenschaften zu, namentlich so lange sie nicht wissen, auf welche Weise die Leidenschaften in der menschlichen Seele entstehen. Wenn man aber das Wesen der Substanz erkannt hätte, so würde man nicht im Entferntesten an der Wahrheit der 7. Proposition zweifeln und diese Proposition würde für Alle ein Axiom sein und unter die allgemein angenommenen Sätze gehören. Denn unter Substanz würde man das verstehen, welches durch sich selbst begriffen wird d.h. dessen Erkenntnis von der Erkenntnis eines andern Dinges nicht abhängig ist; unter Modifikationen hingegen dasjenige, welches in etwas Anderem ist und dessen Begriff aus dem Begriff dessen, worin es ist gebildet wird, weshalb wir auch wahre Vorstellungen von nicht existierenden Modifikationen haben können, insofern das Wesen derselben, obgleich sie in der Tat nur im Begriff vorhanden sind, so von etwas Anderem umfaßt wird, daß sie durch dasselbe begriffen werden können. Die Wahrheit der Substanzen hingegen ist nur in sich selbst, weil dieselben durch sich selbst begriffen werden. Wenn daher jemand sagte er habe eine deutliche und bestimmte d.h. wahre Vorstellung von der Substanz, zweifle aber doch ob eine solche Substanz existiere, so würde das wahrhaftig heißen, er habe einen wahren Begriff, zweifle aber dennoch ob er nicht falsch sei; wenn aber Jemand behauptet eine Substanz werde erschaffen so behauptet er zugleich ein falscher Begriff sei zu einem wahren geworden, gewiß das Widersinnigste, was man sich denken kann; man muß daher notwendigerweise zugestehen, daß das Dasein und das Wesen der Substanz eine ewige Wahrheit sei. –

Daraus können wir auch noch auf andere Weise schließen, daß es nur eine Substanz von der nämlichen Natur gibt.

Zuvor muß man sich Folgendes merken:

  1. Die wahre Definition einer Sache drückt nichts weiter aus, als das Wesen der definierten Sache.
  2. Eine Definition, welche nichts weiter als das Wesen der definierten Sache ausdrückt, schließt keine bestimmte Zahl von Individuen ein. Die Definition eines Dreiecks z.B. drückt nichts weiter aus, als die Definition eines Dreiecks, aber keineswegs eine gewisse Anzahl von Dreiecken.
  3. Jede Sache hat eine bestimmte Ursache, durch die sie existiert.
  4. Diese Ursache muß entweder in dem Wesen und der Definition der Sache oder außerhalb derselben enthalten sein.

Aus dem Allen folgt nun, daß, wenn eine gewisse Anzahl von Individuen existiert, notwendig eine Ursache vorhanden sein müsse, warum grade so viel Individuen, weder mehr noch weniger, vorhanden sind. Wenn z. B. 20 Mensehen existierten, so würde es nicht genügen die Ursache der menschlichen Natur im Allgemeinen zu zeigen, sondern man müßte auch nachweisen, warum weder mehr noch weniger als 20 existieren, indem es für die Existenz eines jeden derselben eine bestimmte Ursache geben muß. Diese Ursache aber kann nicht in der menschlichen Natur selbst liegen, weil die wahre Definition des Menschen eine bestimmte Zahl nicht involviert; die Ursache also, wodurch diese 20 Menschen vorhanden sind und folglich auch wodurch ein Jeder von ihnen existiert, muß notwendig außerhalb eines Jeden liegen.

Dasein gehört nun zum Wesen der Substanz, ihre Definition muß daher ein notwendiges Dasein einschließen. Aus ihrer Definition nun kann man nicht das Dasein mehrerer Substanzen folgern, es kann daher nur eine Substanz von der nämlichen Natur geben.

 

Anmerkung.

Das heißt wohl die Definition einer Substanz postuliert nicht eine bestimmte Anzahl solcher Substanzen; wenn es also mehrere Substanzen von gleicher Natur gäbe, so müßte der Grund ihres Daseins nicht in den Substanzen selbst, sondern außerhalb derselben liegen, was dem Begriff der Substanz zuwider ist. Da aber nach Spinoza jede Substanz den Grund ihres Seins in sich enthält, so liegt auch der Grund für das Dasein einer jeden in der Definition, ohne daß dieselbe eine bestimmte Zahl einschließen müßte, die Beispiele wodurch Spinoza seinen Satz dartun will, können hier gar nicht in Betracht kommen, weil die Dinge, wovon in ihnen die Rede ist, ihrem Wesen nach als Modifikationen, völlig von der Substanz verschieden sind, das Charakteristische der Substanz ist ja grade das, daß sie selbst der Grund ihres Seins ist, gibt es also mehre Substanzen, so kann der Grund dafür nicht außer ihnen liegen, muß aber auch nicht in der Definition im Allgemeinen gesucht werden, denn die Definition, ob sie gleich für alle Substanzen von gleicher Natur gleich ist, ist doch, da ja jede Subst. nur durch sich ist, die Definition einer jeden insbesondere, und kann keine bestimmte Zahl einschließen, weil dadurch grade das eigentliche Wesen der Substanz das durch sich selbst Sein verloren gehn und die Definition im Allgemeinen über jeder Substanz insbesondere stehen und somit ihre absolute Freiheit aufheben würde. Die Definition obgleich für mehrere gültig, definiert doch nur jede Substanz insbesondere und drückt für jede den Grund ihres Seins insbesondere aus. Enthielte die Definition eine Zahl, so läge alsdann der Grund des Seins für jede Substanz nicht in ihr selbst sondern in einem Kollektivwesen, in dessen Wesen es sei, 3- oder 4fach zu existieren, ohne daß diese Glieder jedoch den Grund ihres Seins in sich enthielten.

Wenn 20 Menschen existieren, so paßt die Definition der menschlichen Natur im Allgem. für jeden derselben, ohne daß sie den Grund seines Daseins enthielte, den man also anderwärts suchen muß; für 20 Substanzen gleicher Natur aber paßt die Definition für jede Substanz und schließt zugleich für jede den Grund ihres Seins ein, ohne daß sie nötig hätte die Zahl 20 einzuschließen, denn da ja keine Substanz die Ursache der andern sein kann, also auch durch die Definition der einen nicht das Dasein der andern bestimmt werden kann, so liegt die Zahl 20 aus der Definition der Substanz draußen, und der Grund dafür müßte dann in etwas Anderm gesucht werden, was das Wesen der Substanz aufheben würde.

 

IX.

Je mehr Realität d. h.je mehr Sein eine Sache hat, desto mehr Attribute kommen ihr zu.

Beweis. Geht aus der 4. Definition hervor.

 

X.

Jedes Attribut einer Substanz muß durch sich selbst begriffen werden.

Beweis. Ein Attribut ist das, was der Verstand an der Substanz als ihr Wesen ausmachend erkennt es muß daher durch sich selbst begriffen werden.

Scholium. Daraus geht hervor, daß wir, obgleich wir 2 Attribute als in der Wirklichkeit geschieden d. h. das eine ohne Hülfe des andern begreifen, doch daraus nicht schließen können, daß dieselben zwei Wesen oder 2 verschiedne Substanzen bilden. Denn es gehört zum Wesen der Substanz, daß jedes ihrer Attribute durch sich selbst begriffen wird, insofern alle ihre Attribute zugleich in ihr selbst waren, ohne daß das eine von dem andern hätte hervorgebracht werden können, sondern jedes von ihnen drückt Realität d. h. Wesen der Substanz aus. Es ist also nicht im Entferntesten widersinnig einer Substanz mehrere Attribute zuzuschreiben, denn nichts ist einfacher, als daß jedes Ding unter irgend einem Attribut gedacht werden muß und daß, je mehr es Realität oder Wesenheit enthält, es um so mehrerer Attribute, welche Notwendigkeit oder Ewigkeit und Unendlichkeit ausdrücken, teilhaftig ist, es ist also auch ferner nichts einfacher, als daß das absolut unendliche Wesen als bestehend aus unendlichen Attributen, deren jedes eine ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt, definiert werden müsse.

Wenn man aber fragte, nach welchem Zeichen man die verschiednen Substanzen unterscheiden könne, so lese man die folgenden Propositionen, welche zeigen, daß es nur eine Substanz gibt und daß dieselbe absolut unendlich sei, weshalb man nach einem solchen Zeichen vergeblich fragt.

 

Anmerkung

Der Definition nach ist die Substanz dasjenige, was durch sich selbst begriffen wird, in der vorhergehenden Proposition wird von dem Attribut das nämliche gesagt, ist also nicht Substanz und Attribut einerlei?

Spinoza sagt um dies zu entkräften im Scholium: nichts ist einfacher, als daß jedes Seiende unter irgend einem Attribut begriffen wird e.c.t. Wenn ein Ding unter einem Attribut begriffen wird und dies Attribut sein Wesen ausdrückt, so sind dies Attribut und das Ding eins, wie aber dies Attribut oder Ding nun noch mehrere Attribute, deren jedes durch sich selbst begriffen wird, enthalten könne, ist unbegreiflich.

Da jedes Attribut durch sich selbst begriffen wird, was bleibt noch der Substanz übrig? ist sie nicht da ein leeres Wort? Spinoza scheint ihr die Unendlichkeit und Ewigkeit erhalten zu wollen, aber diese beiden Begriffe kommen ja der Substanz nur dadurch zu, daß sie durch sich selbst begriffen wird, (im Grund nur die Ewigkeit, die Unendlichkeit ist, da die Beweise für das Nichtvorhandensein zweier Substanzen von gleicher Natur falsch sind, noch nicht bewiesen) und gehören somit eben so gut den Attributen.

 

XI.

Gott oder die aus unendlichen Attributen, deren jedes eine ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt, bestehende Substanz existiert notwendigerweise.

1. Beweis. Wer es leugnet begreife, wenn es möglich ist, wie Gott nicht existieren kann. Sein Wesen involviert alsdann nicht Dasein, was widersinnig ist.

 

Anmerkung.

Dieser Beweis läuft ziemlich auf den hinaus, daß Gott nicht anders als seiend gedacht werden könnte. Was zwingt uns aber ein Wesen zu denken, was nicht anders als seiend gedacht werden kann?

Wir sind durch die Lehre von dem, was in sich oder in etwas Anderm ist freilich gezwungen auf etwas zu kommen, was nicht anders als seiend gedacht werden kann, was berechtigt uns aber deswegen aus diesem Wesen das absolut vollkommne, Gott, zu machen?

Wenn man auf die Definition von Gott eingeht, so muß man auch das Dasein Gottes zugeben. Was berechtigt uns aber, diese Definition zu machen?

Der Verstand?

Er kennt das Unvollkommne.

Das Gefühl?

Es kennt den Schmerz.

2. Beweis. Das Vorhanden oder nicht Vorhandensein jedes Dinges muß eine Ursache oder einen Grund haben. Z. B. wenn ein Dreieck existiert, so muß es für seine Existenz einen Grund geben; wenn es aber nicht existiert, so muß es einen Grund geben, der seine Existenz aufhebt. Dieser Grund aber muß entweder in der Natur des Dinges selbst, oder außerhalb desselben enthalten sein. Z. B. die Ursache warum es keinen viereckigen Kreis gibt, liegt in der Natur des Kreises selbst. Die Existenz der Substanz aber liegt nur in ihrer Natur, welche Dasein involviert. Der Grund aber warum es einen Kreis oder ein Dreieck gibt oder nicht gibt, liegt nicht in der Natur derselben, sondern in den allgemeinen Gesetzen der körperlichen Dinge; daraus folgt, daß ein Dreieck entweder existieren müsse oder daß seine Existenz unmöglich sei. Daraus folgt ferner, daß dasjenige notwendigerweise existiere, was durch keine besondre Ursache an einem Dasein verhindert wird. Wenn es daher keinen Grund oder keine Ursache geben kann, welche die Existenz Gottes aufheben, so muß man schließen, daß derselbe notwendigerweise existiere. Wenn es aber einen solchen Grund oder eine solche Ursache gäbe, so müßte sie entweder in dem Wesen Gottes selbst, oder außerhalb desselben in einer Substanz von anderm Wesen liegen. Läge sie nun im Wesen Gottes, so ginge gerade daraus hervor, daß es keinen Gott gäbe, läge sie aber in einer Substanz von anderem Wesen, so würde dieselbe nichts mit Gott gemein haben und könnte daher sein Dasein weder setzen noch aufheben. (Prop. 2.) Da es nun einen Grund oder eine Ursache, welche das Dasein Gottes aufhöben, außerhalb des göttlichen Wesens nicht geben kann, so müßte sie, im Fall Gott nicht existierte, in seinem Wesen selbst liegen, was ein Widerspruch ist. Das nun von dem absolut unendlichen und vollkommnen Wesen behaupten zu wollen ist absurd; es kann also weder außerhalb Gottes noch in Gott selbst einen Grund geben, welcher das Dasein Gottes aufhöbe, Gott existiert also notwendigerweise.

 

Anmerkung

Es ist falsch, daß es für das nicht Vorhandensein eines Dinges einen besondern Grund geben müßte; da aus etwas unmöglich nichts werden kann, so ist es auch unmöglich, daß ein Ding durch irgend etwas anderes an seinem Dasein absolut verhindert werden könnte. Für ein absolutes Nichts ist kein Grund und keine Ursache möglich, denn wäre dies der Fall, so müßten Grund oder Ursache die Vernichtung eines Dinges bewirken, was unmöglich ist.

Das Nichts kann keine Wirkung sein, weil es als der absolute Gegensatz des Seins, etwas Seiendes nicht zur Ursache haben kann. Wenn es Gründe gegen das Dasein Gottes gibt, so beweisen sie nicht, daß das als Gott definierte Wesen nicht existieren könne, sondern sie beweisen, daß wir durch nichts berechtigt sind eine solche Definition zu machen. Der Beweis übrigens welcher aus dem Wesen Gottes, sein Dasein demonstriert, stützt sich nur auf eine logische Notwendigkeit, er sagt, wenn ich mir Gott denke muß ich ihn mir als seiend denken, aber was berechtigt mich denn Gott zu denken?

3. Beweis. Die Unmöglichkeit der Existenz ist ein Unvermögen, die Möglichkeit ein Vermögen. Wenn daher all das, was notwendigerweise existiert, nur endlich ist, so muß das Endliche mächtiger sein als das absolut Unendliche, was widersinnig ist; es existiert daher entweder nichts, oder das absolut Unendliche existiert notwendigerweise. Wir sind aber entweder in uns, oder in etwas Anderem, was notwendigerweise da ist. Das absolut unendliche Wesen d.%nbsp;h. Gott existiert also notwendigerweise.

Scholium. In der vorhergehenden Demonstration, wollte ich, des leichtern Verständnisses wegen, Gottes Dasein a posteriori beweisen, aber keineswegs, weil aus demselben Grunde Gottes Dasein nicht auch a priori gefolgert werden könnte. Denn, daraus daß die Möglichkeit der Existenz Kraft ist, folgt, daß je mehr Realität einer Sache zukommt, dieselbe auch umsomehr Kraft des Daseins habe und daß somit das absolut unendliche Wesen oder Gott eine absolut unendliche Kraft des Daseins in sich habe.

Es werden jedoch viele die Gewißheit dieses Beweises nicht einsehen, weil sie gewohnt sind, nur die Dinge zu betrachten, welche von äußern Ursachen herrühren und weil sie unter diesen diejenigen, welche schnell entstehen d.h. ohne Schwierigkeit da sind, auch schnell vergehen sehen, so schließen sie daraus, daß die Dinge, welchen das Entstehen schwerer fällt und die daher zum Dasein nicht so geschickt sind, auch vollkommner sein müßten. Um sie aber von diesen Vorurteilen zu befreien, habe ich nicht nötig hier zu zeigen in welcher Hinsicht der Satz: was schnell entsteht, vergeht schnell, wahr sei, noch zu zeigen ob in Betracht der ganzen Natur allen Dingen das Entstehen gleich leicht fällt oder nicht.

Ich habe nur anzuführen, daß ich hier nicht von Dingen spreche, welche von äußeren Ursachen herrühren, sondern von den Substanzen allein, die von keinen äußeren Ursachen hervorgebracht werden können. Denn Dinge, welche von äußeren Ursachen hervorgebracht werden, mögen sie nun aus vielen oder aus wenigen Teilen bestehen, mögen sie noch so viel Vollkommenheit oder Realität haben, so verdanken sie das Alles der Kraft der äußeren Ursache. Substanz dagegen verdankt ihre Vollkommenheit keiner äußeren Ursache, weshalb auch ihr Dasein aus ihrer eignen Natur folgt. Die Vollkommenheit eines Dinges daher hebt das Dasein desselben nicht auf, sondern setzt es; die Unvollkommenheit aber hebt dasselbe auf, so daß wir der Existenz keines Dinges gewisser sein können, als der des absolut unendlichen oder vollkommnen Wesens d.h. Gottes. Denn insofern sein Wesen jede Unvollkommenheit ausschließt, und eine absolute Vollkommenheit involviert, so hebt es von selbst jede Ursache zum Zweifel an seinem Dasein und gibt darüber die höchste Gewißheit.

 

Anmerkung.

Dieser Satz zeigt, daß das Vollkommne absolut dasein müsse, weil sein nicht Dasein gegen seinen Begriff streitet, während das Unvollkommne oder Endliche sehr wohl als nicht existierend gedacht werden könne. Wolle man also behaupten, das Endliche existiert notwendigerweise so müßte man dies von dem Unendlichen noch viel eher zugeben.

Dieser Beweis hat mit dem ersten große Ähnlichkeit, charakteristisch ist es, daß hier Spinoza das Unendliche und das Vollkommne in einer Bedeutung nimmt. Was das Vollkommne anbelangt, so können wir wieder fragen, was zwingt uns denn etwas Vollkommnes zu denken?

Was das Unendliche dagegen anbelangt, so läßt sich aus Spinozistischen Grundsätzen sein Dasein sehr leicht beweisen, im 3. Beweis hat Spinoza selbst einige Andeutungen dazu gegeben.

Alles was ist, ist entweder in sich oder in etwas anderm.

Das was in sich ist, kann nur durch sich selbst begriffen werden, es ist der Grund seiner selbst, sein Wesen involviert Dasein. Es ist ewig, weil es den Grund seines Daseins in sich trägt, es ist unendlich, weil es nicht 2 Substanzen von gleicher Natur geben kann und weil nur Gleiches durch Gleiches eingeschränkt wird.

Alles, was nur durch sich selbst begriffen werden kann faßt er in dem Begriff der einen, aus unendlichen Attributen, deren jedes eine ewige und unendliche Wahrheit ausdrückt, bestehenden, Substanz zusammen.

Sie ist für ihn die Weltursache, worin Alles ist, sie ist ewig und unendlich, – aber sie ist nicht Gott, sie ist nicht das absolut vollkommne, moralische Wesen des Deismus, – sie ist nichts anders, als was jeder Atheist selbst, wenn er einigermaßen konsequent verfahren will, anerkennen muß.

Erst in dem Scholium zum 3. Beweis weist auch Spinoza auf Gott hin. Hier hört der Philosoph auf und er vergöttert willkürlich das, was in sich und worin Alles ist.

 

XII.

Es ist kein Attribut der Substanz denkbar, woraus hervorginge, daß die Substanz teilbar sei. § 12 und 13 können sich nur auf ein räumliches Verhältnis beziehen.

Beweis. Die Teile nämlich in welche die so begriffene Substanz geteilt werden würde, werden entweder die Natur der Substanz behalten oder nicht. Im ersteren Fall müßte jeder Teil unendlich sein, die Ursache seiner selbst enthalten und nach prop. 5. aus einem verschiednen Attribut bestehen, so daß aus einer Substanz mehrere gebildet werden könnten, was nach prop. 6. absurd ist. Wenn man noch hinzunimmt, daß die Teile mit ihrem Ganzen nichts gemein haben würden und das Ganze ohne seine Teile sein und begriffen werden könnte, so wird an dieser Absurdität Niemand zweiflen.

Im letzteren Fall müßte die ganze Substanz nachdem sie in gleiche Teile geteilt worden, ihr Wesen als Substanz aufgeben und ablegen. Beides ist also ungereimt.

 

Anmerkung.

Da Proposition 5 falsch ist, kann ich auch den aus ihr abgeleiteten Grund nicht anerkennen, ich sehe nicht ein, warum nicht bei einer Teilung der Substanz die einzelnen Teile die Natur der Substanz behalten könnten,

1.) da das Ganze ewig ist müssen auch die einzelnen Teile ewig sein, da ja das Ganze aus ihnen besteht.

2.) die Unendlichkeit der Substanz wird von Spinoza nur daraus hergeleitet, daß nur Gleiches Gleiches einschränkt und daß die Substanz unendlich sein müsse, weil es nicht mehrere Substanzen von gleicher Natur geben könne, da aber letzteres keineswegs erwiesen ist, so kann auch aus dem Umstande, daß durch die Teilung des unendlichen Ganzen die einzelnen Teile sich gegenseitig einschränken (und) endlich werden, nicht geschlossen werden daß sie somit von dem Wesen der Substanz etwas verlieren würden.

3.) ist es keineswegs nötig, daß die einzelnen Teile ein verschiednes Attribut d.h. ein verschiednes Wesen haben müßten, weil ja, wie schon gesagt, Spinoza keineswegs erwiesen hat, daß es nicht mehrere Substanzen von gleicher Natur geben könne.

4.) würden aus einer Substanz keineswegs mehrere Substanzen gebildet werden, was freilich dem Wesen der Substanz widersprechen würde, sondern die Substanz wäre nur ein aus einzelnen gleichartigen Substanzen bestehendes Kollektivwesen, was wieder in seine natürlichen Teile zerfiele, ohne sich zu ändern, ein Phänomen, das sich eben nur bei der Substanz, aber sonst nirgends bei einem Ganzen und seinen Teilen zeigen kann.

 

XIII.

Die absolut unendliche Substanz ist unteilbar.

Beweis. Wenn sie nämlich teilbar wäre, würden, die Teile, worin sie geteilt werden würde, die Natur der absolut unendlichen Substanz behalten, oder nicht. Wäre Ersteres so gäbe es mehrere Substanzen von gleicher Natur, was absurd ist. Wäre Letzteres, so könnte die absolut unendliche Substanz zu sein aufhören, was ebenfalls absurd ist.

Anmerkung.

Der Beweis ist fast der nämliche, wie der vorhergehende(;) das in voriger Anm. gegen jenen Vorgebrachte gilt auch gegen diesen.

Corollarium. Daraus folgt, daß keine Substanz und somit auch keine körperliche Substanz, insofern sie Substanz ist teilbar sei.

 

Anmerkung.

Von der körperlichen Substanz kann eigentlich allein in diesem Paragraphen hier die Rede sein, bei einer geistigen Substanz fällt der Begriff Teil ganz weg.

Scholium. Die Unteilbarkeit der Substanz kann noch einfacher daraus bewiesen werden, daß die Substanz nicht anders, als unendlich gedacht und unter einem Teil der Substanz nichts andres als eine endliche Substanz verstanden werden kann, was offenbar einen Widerspruch enthält.

 

Anmerkung.

Die Unendlichkeit der Substanz bezieht sich offenbar hier auf ein räumliches Verhältnis, denn das zeitliche Verhältnis kann durch das Zerlegen eines Ganzen in seine Teile nicht verändert werden; nur bei einer körperlichen Substanz können bei ihrer Zerlegung die einzelnen Teile räumlich endlich d.h. begrenzt werden, während das Ganze unbegrenzt war.

Übrigens steht und fällt dieser Satz mit der 5. Proposition. Die räumliche Unendlichkeit der Substanz folg(er)t Spinoza nur daraus, daß nur Gleiches von Gleichem begrenzt werden könne und daß es nicht mehrere Substanzen von gleicher Natur gäbe und somit die Einschränkung einer Substanz unmöglich sei. Da aber die Unmöglichkeit mehrerer gleicher Substanzen nicht erwiesen ist, so fällt auch der aus ihr gefolgerte Schluß.

 

XIV.

Außer Gott kann es keine Substanz geben oder begriffen werden.

Gott ist das absolut unendliche Sein, dem kein Attribut, welches das Wesen der Substanz ausdrückt, abgesprochen (Prop. 6.) werden kann, und existiert notwendigerweise (Prop. 11.). Vergleiche Cogitat. met., P. II. Wenn es eine Substanz außer Gott gäbe, so müßte durch irgend ein Attribut Gottes ausgedrückt werden, so daß es zwei Substanzen von gleichen Attributen geben würde, was nach Prop. 5. absurd ist; folglich kann es außer Gott keine Substanz geben oder gedacht werden. Denn wenn sie gedacht werden könnte, so müßte sie notwendig als seiend gedacht werden, was nach dem ersten Teil dieser Demonstration absurd ist. Es kann also außer Gott keine Substanz geben noch gedacht werden. Q.E.D.

 

Anmerkung.

Der Beweis lautet mit andern Worten so. Da Gott die aus unendlichen Attributen bestehende Substanz ist, so müßte eine Substanz, die neben Gott existiert, durch ein Attribut Gottes ausgedrückt werden, was unmöglich ist, weil es nach Prop. 5. nicht mehrere Substanzen von gleichem Wesen d.h. von gleichen Attributen geben kann. Was aber bereits gegen die 5. Prop. ist eingewendet worden findet hier wieder seinen Platz.

Überhaupt ist wie schon in der Anmg zur 10. Proposition gesagt wurde, Substanz und Attribut eins und im Fall die Substanz mehrere Attribute habe, nur ein Kollektivwesen, das aber für sich als was Besondres genommen keinen Inhalt oder Bedeutung hat.

Gott ist der Kollektivbegriff der (der Zahl nach) unendlichen Attribute und wird mit dem Namen Substanz umfaßt. Der von Spinoza vorgebrachte Beweis ist eigentlich ganz überflüssig, denn mit dem Worte die aus unendlichen Attributen bestehende Substanz ist schon Alles gesagt, es kann ihm gemäß keine Substanz außer Gott geben, denn eine Substanz besteht ja aus Attributen, da nun Gott aus unendlichen Attributen besteht, so muß ja jedes Attribut mit Gott vereinigt sein und es ist dann undenkbar wie es noch eine Substanz außer Gott sollte geben können. Übrigens ist mir nicht klar warum, weil Gott die aus unendlichen Attributen bestehende Substanz ist, deswegen auch jedes Attribut in ihm enthalten sein müsse. Hätte Spinoza gesagt Alles, was durch sich ist, ist die göttliche Substanz, so wäre die einzige Substanz bewiesen, denn es würde dann keine Substanz oder vielmehr kein Attribut geben können, die dann nicht zu dem Kollektivbegriff Gott gehörten.

Corollarium. Daraus folgt aufs Bestimmteste,

  1. daß Gott einzig sei, d.h. daß es in der Natur der Dinge nur eine Substanz gibt und daß dieselbe absolut unendlich ist, wie wir im Scholium zur 10. Prop. schon angedeutet haben.
  2. daß das ausgedehnte und das denkende Ding, entweder die Attribute, oder die Affektionen der Attribute Gottes sind. (Axioma. I.)

 

XV.

Alles, was ist, ist in Gott und nichts kann ohne Gott sein, noch gedacht werden.

Beweis. Außer Gott kann es keine Substanz geben oder gedacht werden (Prop. 14.) d.h. per def. 3. ein Ding, was in sich ist und durch sich selbst begriffen wird. Die Modi aber können ohne Substanz weder sein noch begriffen werden (Def. 5.), deswegen können sie auch nur in der göttlichen Natur sein und durch dieselbe begriffen werden. Es gibt aber nichts als Substanzen und modi (Ax. 3.). Es kann also nichts ohne Gott sein noch begriffen werden. Q.E.D.

Scholium. Es gibt Leute, die Gott sich wie einen Menschen aus Leib und Seele bestehend und mit Leidenschaften versehen, vorstellen. Aber auf diese nehme ich keine Rücksicht: Denn Alle, welche über die göttliche Natur nur einigermaßen nachgedacht haben, leugnen, daß Gott körperlich sei. Sie beweisen das ganz leicht dadurch, daß wir unter Körper irgend eine lange, breite, und tiefe Quantität verstehen, welche durch eine bestimmte Form begrenzt ist, so daß wir von Gott, als dem absolut unendlichen Wesen, nichts absurderes behaupten könnten. Nichtsdestoweniger beweisen sie unterdes aus andern Gründen, daß die körperliche oder vielmehr die ausgedehnte Substanz durch die göttliche Natur bewegt werde und von Gott selbst geschaffen worden sei. Durch welche göttliche Kraft sie aber hätte geschaffen werden können, wissen sie nicht, woraus deutlich hervorgeht, daß sie das, was sie selbst sagen, nicht verstehen.

Ich habe wenigstens, nach meinem Dafürhalten, deutlich bewiesen, daß keine Substanz von einer andern hervorgebracht, oder erzeugt werden könne. Ferner habe ich in der 14. Prop. gezeigt, daß es außer Gott keine Substanz gäbe oder gedacht werden könne; und daraus schlossen wir, daß die ausgedehnte Substanz eines von den unendlichen Attributen Gottes sei. Zur vollständigen Erklärung aber werde ich die Argumente der Gegner widerlegen, welche sämtlich auf Folgendes hinauslaufen:

1.) meinen sie die körperliche Substanz, bestehe als Substanz aus Teilen und leugnen daher, daß sie unendlich und folglich göttlich sein könne. Und dies belegen sie mit vielen Beispielen, wovon ich das eine oder das andre anführen will. Wenn die körperliche Substanz unendlich ist, so stelle man sich sie in 2 Teile geteilt vor, es ist dann jeder Teil entweder endlich oder unendlich. Ist jenes so besteht das Unendliche aus 2 endlichen Teilen, was absurd ist. Ist dagegen dieses der Fall, so gibt es ein Unendliches, was doppelt so groß ist, als ein andres Unendliche, was ebenfalls absurd ist.

2.) Wenn eine unendliche Quantität nach Füßen gemessen würde, so müßte sie aus unendlich soviel Teilen bestehen, das nämliche würde der Fall sein, wenn man sie nach Zollen mäße; daraus würde nur folgen daß eine unendliche Zahl 12 mal größer sei, als eine andere unendliche.

3.) Wenn man annähme es würden von einem Punkte einer unendlichen Quantität aus zwei Linien ab, ac in bestimmter Entfernung von einander verlängert; so ist es klar, daß die Entfernung zwischen b und c fortwährend zunehmen und endlich aus einer bestimmten eine unbestimmtere werden müsse. Da nun, wie sie meinen aus der Annahme einer unendlichen Quantität diese Absurditäten folgen, so schließen sie, die körperliche Substanz müsse endlich sein und könne folglich nichts mit dem Wesen Gottes gemein haben.

Ein fernerer Grund wird noch aus der Vollkommenheit Gottes herbeigeholt. Denn Gott kann nicht leiden, weil er die höchste Vollkommenheit ist. Die körperliche Substanz kann dagegen leiden in sofern sie teilbar ist; es folgt daher daß sie dem Wesen Gottes fremd ist.

Dies sind die Gründe, die ich bei den Schriftstellern finde und woraus sie zu beweisen suchen, daß die körperliche Substanz der göttlichen Natur unwürdig sei und mit derselben nichts gemein haben könne. Wer aber recht Acht gibt wird einsehen, daß ich darauf schon geantwortet habe, insofern nämlich diese Gründe sich nur darauf stützen, daß man damit (annimmt) die körperliche Substanz bestünde aus Teilen eine Annahme deren Absurdität ich (Prop. 12.) schon gezeigt habe. Außerdem wird man auch leicht einsehen, daß alle jene Absurditäten, woraus man folgern will, daß die ausgedehnte Substanz endlich sei, nicht sowohl daher komme, daß man eine unendliche Quantität annimmt: als daher, daß man sich die unendliche Quantität als meßbar und aus endlichen Teilen bestehend vorstellt; weshalb man auch aus den Absurditäten, die daraus folgen, nichts andres schließen kann, als daß die unendliche Quantität nicht meßbar sei und daß sie aus endlichen Teilen nicht zusammengesetzt sein könne. Dies ist nun grade das, was wir schon oben in der 12. Propos. gezeigt haben, so daß die Gründe, die sie uns entgegengestellt haben, auf sie selbst zurückfallen.

Wenn sie also aus diesen Absurditäten dennoch schließen wollen, die ausgedehnte Substanz müsse endlich sein, so tun sie nichts andres, als wenn man aus der Annahme ein Zirkel habe die Eigenschaften eines Quadrates, schließen wollte der Zirkel habe kein Zentrum, woraus alle zum Umfang gezogenen Linien gleich seien. Denn um schließen zu können die körperliche Substanz, welche nicht anders als unendlich, einzig und unteilbar gedacht werden kann, sei endlich, nehmen sie an dieselbe bestünde aus endlichen Teilen, sei vielfach und teilbar.

So gibt es auch Andre, welche nachdem sie angenommen, die Linie bestehe aus Punkten, doch viele Gründe aufzufinden wissen, um zu beweisen die Linie könne nicht in's Unendliche geteilt werden.

Und wahrhaftig, es ist nicht weniger absurd anzunehmen, die körperliche Substanz bestünde aus Teilen, als zu sagen ein Körper bestünde aus Oberflächen, die Oberfläche aus Linien und die Linie endlich aus Punkten. Nur alle, welche wissen, daß die reine Vernunft untrüglich sei und namentlich die, welche leugnen, daß es einen leeren Raum gäbe, müssen dies zugestehen. Denn wenn die körperliche Substanz so geteilt werden könnte, daß ihre Teile in Wahrheit getrennt wären (von einander unterschieden); warum sollte denn dann nicht ein Teil vernichtet werden können, während die übrigen, wie zuvor unter sich verknüpft bleiben? und warum sollten alle so zusammenpassen, daß es nichts Leeres gäbe? Es kann doch wahrhaftig unter Dingen, die in der Wirklichkeit von einander unterschieden sind, eines ohne das andere sein und in seinem Zustande verharren. Da es nun nichts Leeres in der Natur gibt (wovon ich später sprechen werde) sondern da alle Teile dazu beitragen müssen, daß es nichts Leeres gäbe; so geht auch hieraus hervor, daß dieselben in der Wirklichkeit nicht unterschieden werden können d. h. daß die körperliche Substanz insofern sie Substanz ist, nicht geteilt werden könne. Sollte man jedoch vielleicht fragen, warum wir von Natur aus so sehr geneigt seien die Quantität zu teilen? so antworte ich, daß die Quantität auf zweierlei Art von uns begriffen wird nämlich abstrakt oder oberflächlich nämlich entweder so wie wir sie uns vorstellen, oder so wie sie vor der Vernunft allein erscheint. Wenn man daher die Quantität so nimmt, wie sie in unserer Vorstellung sich gibt, was uns oft und leicht geschieht, so finden wir sie endlich, teilbar und aus Teilen zusammengesetzt; nehmen wir sie aber wie sie vor der Vernunft erscheint und betrachten wir sie als Substanz, so finden wir sie, wie ich schon hinlänglich gezeigt habe, unendlich, einzig und unteilbar. Allen, welche zwischen Einbildung und Vernunft einen Unterschied zu machen wissen, wird dies hinlänglich deutlich sein, namentlich, wenn man noch dazunimmt, daß die Materie überall dieselbe ist und man keine Teile in ihr unterscheiden kann, wenn man sie nicht in ihren verschiednen Modifikationen nimmt, wonach als dann ihre Teile nur dem modus aber nicht der Wirklichkeit gemäß unterschieden werden.

Z. B. Wasser kann in so fern es Wasser ist, als teilbar gedacht werden, aber nicht in so fern es zur körperlichen Substanz gehört. Außerdem wird das Wasser als Wasser erzeugt und zerstört, aber insofern es Substanz ist wird es weder erzeugt noch zerstört.

Hiermit glaube ich auch auf den zweiten Grund geantwortet zu haben: insofern auch in ihm behauptet wird, daß die Materie, insofern sie Substanz ist teilbar sei und aus Teilen bestehe. Und wenn es auch nicht so wäre, so sehe ich doch nicht ein, warum es der göttlichen Natur unwürdig sei: insofern es außer Gott keine Substanz geben kann, durch welche derselbe leiden könnte. Alles, sage ich, ist in Gott und Alles, was geschieht, geschieht nur durch die Gesetze der unendlichen Natur Gottes und aus der Notwendigkeit seines Wesens; deshalb kann man auch nur dann sagen, Gott leide durch etwas Andres oder die ausgedehnte Substanz sei der göttlichen Natur unwürdig, so lange man die Ausdehnung als teilbar annimmt, während sie doch als ewig und unendlich gedacht werden muß.

 

Anmerkung

Gegen den Satz, daß Alles in Gott sei, führt man an die Materie müsse denn auch in Gott sein, und sucht dann zu beweisen die Materie müsse endlich sein, was gegen das Wesen Gottes streite.

Spinoza widerlegt die dafür angeführten Gründe, indem er sagt, wenn man einmal die Materie als eine Substanz und somit als unendlich annähme, so könne man auf sie den Begriff des Teils nicht mehr anwenden und Alles was man über ihre Teilung gesagt sei somit gar nicht (zu) berücksichtigen. Sein Weg dabei ist folgender:

  1. Gleiches kann nur durch Gleiches begrenzt werden.
  2. Nun gibt es aber keine 2 gleichen Substanzen nach Prop. 5.; die ausgedehnte Substanz ist also unendlich.
  3. Wollte man die unendliche Substanz teilen, so behielten die Teile entweder die Natur der Substanz oder nicht. Im ersten Fall müßte es mehrere gleiche Substanzen geben, was nach dem vorigen Satze unmöglich ist, im letzten Fall müßte die Substanz ihr Wesen als Substanz aufgeben, was eben so unmöglich ist; also die unendliche Substanz ist unteilbar und Alles, was man gegen die Unendlichkeit der Substanz aus der Teilung der unendlichen Substanz vorbringt ist Unsinn.

Gibt man einmal Spinoza die Unendlichkeit der Substanz zu, so muß man auch das Übrige zugestehen, diese Unendlichkeit beruht aber auf der 5. Prop. nämlich darauf, daß es keine 2 gleichen Substanzen gäbe, weil man sie nicht voneinander unterscheiden könne, weil sie dann indem sie sich gegenseitig begrenzen in Eins zusammenfließen würden.

Dies nicht unterscheiden Können berechtigt aber doch nicht zu dem Schluß, daß es nicht in der Wirklichkeit so sein und daß wir es uns nicht denken könnten. Dies Unterscheiden bezieht sich bloß auf einen körperlichen aber nicht auf einen geistigen Akt, der Geist kann ja noch immer die Trennung machen, wenn es auch das körperliche Auge nicht im Stande ist. Auf dem transzendenten Standpunkte fragt es sich bloß, können wir uns 2 oder mehrere gleiche Substanzen nebeneinander denken und Spinoza gibt keinen Grund an der diese Möglichkeit unmöglich machte. Er hat also von seinem eignen System aus noch keineswegs die Unendlichkeit der ausgedehnten Substanz bewiesen.

Übrigens ist mir noch nicht klar ob nicht ein Ganzes unendlich sein und dennoch aus endlichen Teilen bestehen kann, indem es eine unendliche Anzahl solcher endlichen Teile einschließt. Es ist hier nur von Substanzen oder Attributen d. h. von Dingen die durch sich sind die Rede; denn bei modis wäre ein unendliches Ganze aus endlichen Teilen bestehend Unsinn. Da wir bis jetzt noch immer mehrere gleiche Substanzen annehmen müssen, so könnte die ganze Ausdehnung als aus einer unendlichen Anzahl körperlicher Substanzen bestehen, deren Ganzes unendlich ist, indem, da das Eine, ihrer Gleichheit wegen, das Andre eben so sehr begrenzt, als es von ihm begrenzt wird, und somit keines das Andere abschließt, sie sich wieder ins Unendliche begrenzen.

Deshalb braucht aber nichts Leeres zwischen ihnen zu sein, denn ihrer Natur gemäß müssen sie sich ja so weit ausdehnen bis sie einander begrenzen, so daß also kein leerer Raum bleiben kann. Auch paßt hier die Frage nicht mehr, warum nicht eins vernichtet werden könne, da ja jedes für sich bestehe, 1. aus Etwas wird nicht Nichts und umgekehrt und 2. ist jedes Substanz.

Wir hätten somit ein unendliches Ganze aus sich gegenseitig begrenzenden und in sofern endlichen Teilen, die aber Substanzen sein müßten, denn sonst wäre diese Behauptung so absurd, als die Gegner Spinozas sagten. Denn als dann, ich wiederhole es, müssen sie sich ins Unendliche begrenzen, weil Keines das andre abschließen kann.

Wir hätten dann nur eine Ausdehnung mit Spinoza aber aus unendlichen (Zahl) Substanzen oder vielmehr Attributen, ein räumlich unendliches Meer aus der Zahl nach unendlichen Quellen, doch paßt dies nur insofern als überhaupt ein Bild in philosophische Deduktion paßt.

Wir können diese Ausdehnung so wenig als die Spinozas körperlich teilen, weil ja Eins das Andre ins Unendliche begrenzt, eigentlich um mich bildlich auszudrücken, Eins dem Andern parallel ist, aber wir können sie geistig in ihre unendlichen Attribute zerlegen.

 

XVI.

Aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur muß Unendliches auf unendliche Weise d.h. Alles, was als unendlich gedacht werden kann, hervorgehen.

Beweis. Diese Proposition muß für Jeden erwiesen sein, wenn er bedenkt, daß aus der gegebenen Definition einer Sache die Vernunft auf mehrere Eigenschaften schließt, welche aus derselben (insofern sie das Wesen eines Dinges ausdrückt) notwendig folgen und daß deren um so mehr sind, je mehr Wirklichkeit (Realität, Sein) das Wesen der definierten Sache involviert. Da nun die göttliche Natur absolut unendliche Attribute hat, wovon jedes Einzelne ein unendliches Wesen in seiner Art ausdrückt, so muß aus ihrer eignen Notwendigkeit Unendliches auf unendliche Weise (d.h. Alles, was, als unendlich gedacht werden kann) hervorgehen.

Corollarium I. Daraus folgt, daß Gott die wirkende Ursache aller Dinge, welche, als unendlich betrachtet werden können, sein muß.

Coroll. II. Es folgt ferner, Gott sei durch sich, aber nicht per accidens die Ursache.

Corolla. III. Es folgt endlich, Gott sei die absolut erste Ursache.

 

XVII.

Gott handelt nur nach den Gesetzen seiner Natur und ohne durch irgend was gezwungen zu sein.

Beweis. Daß aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur allein, oder (was dasselbe ist) aus den Gesetzen ihrer Natur, absolut Unendliches hervorgehe, habe ich in der 16. Prop. nachgewiesen, und in der 15. Prop. habe ich gezeigt, daß nichts ohne Gott sei, noch ohne ihn begriffen werden könne, sondern daß Alles in Gott sei; deshalb nun kann nichts außer ihm sein, wodurch er zum Handeln bestimmt oder gezwungen würde, so daß Gott nur nach den Gesetzen seiner Natur handelt und ohne durch irgend was gezwungen zu sein.

I. Coroll. Daraus folgt, daß es keine Ursache, als die Vollkommenheit seiner Natur gibt, welche Gott extrinsece oder intrinsece zum Handeln zwingen könne.

II. Coroll. Es folgt ferner, Gott allein sei die freie Ursache. Denn Gott allein ist nach der Notwendigkeit seiner Natur und handelt nur durch die Notwendigkeit seiner Natur. Also ist er allein die freie Ursache.

Scholium. Manche glauben Gott sei dadurch die freie Ursache, daß er, wie sie meinen, machen kann, daß das, von dem wir sagten, daß es aus seiner Natur folge, nicht geschehe oder vielmehr durch ihn nicht hervorgebracht werde. Das ist aber grade so, als wenn sie sagten, Gott könne machen, daß aus der Natur eines Dreieckes nicht folge, daß 3 Winkel 2 rechten gleich seien, oder, daß aus einer gegebenen Ursache keine Wirkung folge, was absurd ist. Ferner werde ich weiter unten zeigen, daß weder Vernunft, noch Willen zu der göttlichen Natur gehören. Ich weiß, daß es mehrere gibt, welche meinen, sie könnten zeigen, daß die höchste Vernunft und freier Wille zur göttlichen Natur gehörten; denn, wie sie sagen, können sie Gott nichts Vollkommneres zuschreiben, als was in uns selbst das Vollkommenste ist. Ferner, obgleich sie Gott als die höchste Intelligenz betrachten, glauben sie doch nicht, er könne machen, daß Alles existiere, was er denkt, denn dadurch meinen sie die Allmacht Gottes zu zerstören. Sie sagen nämlich, wenn Gott Alles geschaffen hätte, was er denkt, so würde er nichts weiter haben schaffen können, was denn doch der Allmacht Gottes zuwider wäre; deshalb wollten sie Gott als ein indifferentes Wesen denken, das nichts weiter schuf, als was gleichsam durch einen absoluten Entschluß zu schaffen beschlossen.

Ich aber glaube deutlich genug gezeigt zu haben, daß aus der höchsten Kraft Gottes oder vielmehr aus der unendlichen Natur Unendliches auf unendliche Weise d. h. Alles notwendigerweise hervorgegangen sei oder aus derselben Notwendigkeit immer hervorgehe, so wie aus der Natur eines Dreiecks von Ewigkeit zu Ewigkeit folgt, daß die 3 Winkel desselben 2 rechten gleich sind.

Deshalb war Gottes Allmacht von Ewigkeit wirkend und wird in Ewigkeit auf dieselbe Weise wirkend bleiben. Und auf diese Weise wird, nach meiner Meinung, Gottes Allmacht weit vollkommner dargetan. Die Gegner aber, um offen zu reden, scheinen Gottes Allmacht zu leugnen. Sie müssen nämlich zugestehen, daß Gott unendliches zu Erschaffendes denke, was er aber nie schaffen könne. Denn sonst, wenn er nämlich Alles, was er denkt, schüfe, würde er nach ihnen seine Allmacht erschöpfen und unvollkommen werden.

Um daher Gott vollkommen zu machen wenden sie sich so, daß sie zugleich zugeben müssen, Gott könne nicht Alles tun, was in seiner Macht liegt, was doch auch eine Meinung des absurdesten und der Allmacht Gottes widerstrebendsten ist, was man sich einbilden kann.

Ferner, um hier auch über die Vernunft und den Willen, welche man Gott gewöhnlich zuschreibt, etwas zu sagen; wenn zu dem göttlichen Wesen Vernunft und Wille gehören, so muß unter jedem dieser Attribute, doch was andres verstanden werden, als die Menschen gewöhnlich annehmen. Denn Vernunft und Wille, welche das Wesen Gottes ausmachten, müßten von unsrer Vernunft und unsrem Willen himmelweit verschieden sein und können nichts, als im Namen damit zusammenfallen; denn sie sind eben so eins, als der Hund, das göttliche Gestirn, und der Hund, das bellende Tier. Dies will ich so beweisen. Wenn die Vernunft zur göttlichen Natur gehört so kann sie nicht, so wie unsere Vernunft, später (wie die Meisten wollen) oder zugleich ihrer Natur nach mit den gedachten Dingen sein, weil Gott der Kausalität nach eher ist, als alle Dinge; denn das wahre und formale Wesen der Dinge ist nur deswegen ein solches, weil es so objektiv in der göttlichen Vernunft existiert. Deshalb ist die göttliche Vernunft, insofern sie zum Wesen Gottes gehörig gedacht wird, in der Tat die Ursache der Dinge, so wohl, was ihr Wesen, als was ihr Dasein anbelangt; was auch von denen geahnt worden zu sein scheint, welche behaupteten Gottes Vernunft, Wille und Macht seien eins und dasselbe. Da nun die göttliche Vernunft die einzige Ursache der Dinge ist, sowohl ihrem Wesen, als ihrem Dasein nach, so muß sie notwendigerweise von ihnen, sowohl dem Wesen, als dem Dasein nach, verschieden sein. Denn die Wirkung unterscheidet sich von ihrer Ursache gerade in dem, was sie von der Ursache erhalten hat. Ex. gr. ein Mensch ist die Ursache für das Dasein, aber nicht für das Wesen eines anderen Menschen, was eine ewige Wahrheit ist; deswegen nun können sie in ihrem Wesen übereinstimmen, müssen aber in ihrem Dasein verschieden sein; deswegen, wenn das Dasein des Einen aufgehoben wird, wird das des Andern deswegen nicht mit zu Grunde gehn, wenn aber das Wesen des Einen vernichtet werden kann, so kann auch das des Andern vernichtet werden. Deswegen muß das Ding, welches sowohl dem Dasein, als dem Wesen nach, die Ursache einer Wirkung ist, von dieser Wirkung, so wohl dem Dasein, als dem Wesen nach verschieden sein. Gottes Vernunft nun ist dem Wesen und dem Dasein nach die Ursache unserer Vernunft: also ist die göttliche Vernunft von der unsrigen sowohl dem Wesen, als dem Dasein nach verschieden und fällt damit in Nichts, als dem Namen nach zusammen, wie wir zu zeigen gesucht haben. Hinsichtlich des Willens gilt der nämliche Beweis, wie leicht Jedermann einsehen kann.

 

XVIII.

Gott ist die immanente, nicht aber die vorübergehende Ursache aller Dinge.

Beweis. Alles, was ist, ist in Gott und kann nur durch Gott begriffen werden. Außerdem kann es außer Gott keine Substanz geben d. h. kein Ding, welches außer Gott in sich ist. Gott ist also die immanente und nicht bloß die vorübergehende Ursache aller Dinge.

 

XIX.

Gott oder alle Attribute Gottes sind ewig.

Beweis. Gott ist die Substanz welche notwendigerweise existiert (II.  Prop.) d. h. deren Natur Dasein involviert oder (was dasselbe ist) aus deren Definition folgt, daß sie existiere, also (def. 8) ist er ewig.

Außerdem muß man unter den Attributen Gottes das verstehen, was das Wesen der göttlichen Substanz ausdrückt (def. 4) d. h. das was zur Substanz gehört. Zum Wesen der Substanz nun gehört Ewigkeit (7.) also muß ein jedes der Attribute Ewigkeit involvieren, also sind sie sämtlich ewig.

Scholium. Diese Proposition geht auf's deutlichste aus der Art hervor, womit ich (prop. (11)) das Dasein Gottes nachgewiesen habe und woraus hervorgeht, daß Gottes Essenz und Existenz eine ewige Wahrheit sei. Außerdem habe ich (prop. 19. principiorum Cartesianorum) noch auf eine andre Art die Ewigkeit Gottes nachgewiesen und habe also nicht nötig es hier zu wiederholen.

 

XX.

Gottes Existenz und Essenz sind eins und dasselbe.

Beweis. Gott und alle seine Attribute sind ewig d. h. (def. 8) jedes seiner Attribute drückt Dasein aus. Also drücken Gottes Attribute, welche Gottes ewige Essenz ausdrücken, auch zugleich dessen ewige Existenz aus d. h. dasjenige, was Gottes Essenz konstituiert, konstituiert zugleich dessen Existenz, also sind Essenz und Existenz eins und dasselbe. Q. E. D.

Corollarium I. Daraus folgt, Gottes Wesen und Gottes Dasein sei eine ewige Wahrheit.

Coroll. II. Es folgt ferner, Gott oder vielmehr alle Attribute Gottes seien unveränderlich. Denn, wenn sie hinsichtlich ihrer Existenz verändert würden, so müßten sie auch hinsichlich ihrer Essenz verändert werden, d. h. es müßte Wahres falsch werden können, was absurd ist.

 

XXI.

Alles, was aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes hervorgeht, muß immer und unendlich dasein, oder muß durch das Attribut selbst ewig und unendlich sein.

Beweis. Stelle dir vor, wenn es möglich ist, daß aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes, was hervorgehen könne, was endlich sei und eine begrenzte Existenz oder Dauer habe, z. B. die Idee Gottes im Denken. Das Denken nun, insofern es als ein Attribut Gottes betrachtet wird, ist notwendigerweise seiner Natur nach unendlich.

Ferner kann das, was aus der Notwendigkeit eines Attributes hervorgeht, keine bestimmte Dauer haben. Denn wollte man es leugnen, so müßte man annehmen in einem Attribute gäbe es eine Sache z. B. die Idee Gottes im Denken, welche aus der Notwendigkeit des Attributes hervorginge und dennoch einmal nicht existiert hätte, oder nicht existieren würde. Da aber das Denken als ein Attribut Gottes gesetzt wird, so muß es auch notwendigerweise und unveränderlich existieren. Nimmt man nun an, die Idee Gottes habe einmal nicht existiert oder würde einmal nicht existieren, so müßte es über die Grenzen der Dauer der göttliche Idee hinaus, ein Denken ohne Idee geben; dies geht aber gegen die Voraussetzung, nach welcher aus dem gegebnen Denken notwendigerweise die göttliche Idee hervorgeht. Also kann die göttliche Idee im Denken oder irgend was, das notwendigerweise aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes hervorgeht, keine bestimmte Dauer haben, sondern es ist durch das Attribut selbst ewig. Man merke sich, daß das von Allem dem gilt, was in irgend einem Attribute Gottes, aus der absolut göttlichen Natur notwendig hervorgeht.

 

XXII.

Was aus irgend einem Attribute Gottes, in so fern es durch eine Modifikation modifiziert ist, welche durch dasselbe (Attribut) ewig und unendlich existiert, hervorgeht, muß auch notwendig und unendlich existieren.

Beweis. Der Beweis stützt sich auf das Nämliche, wie der vorhergehende.

 

XXIII.

Jeder Modus, welcher sowohl ewig als auch unendlich existiert, muß notwendig entweder aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes, der aus irgend einer Modifikation eines Attributes, welche sowohl ewig, als notwendig existiert, hervorgehen.

Beweis. Der Modus ist in etwas Andrem, wodurch er begriffen werden muß d. h. er ist in Gott allein und kann nur durch Gott begriffen werden. Wenn daher ein Modus notwendig existiert und unendlich begriffen wird, so muß man daraus notwendig schließen er werde durch ein göttliches Attribut begriffen, insofern es Unendlichkeit und Notwendigkeit des Daseins d. h. Ewigkeit ausdrückt (def. 6. prop.  19.) d. h. insofern es absolut betrachtet wird. Ein Modus also, der notwendig und unendlich existiert, muß aus der absoluten Natur irgend eines göttlichen Attributes hervorgehen und zwar entweder unmittelbar oder durch eine Modifikation, die aus der absoluten Natur derselben hervorgeht d. h. welche notwendig und unendlich existiert.

 

XXIV.

Das Wesen der von Gott hervorgebrachten Dinge involviert nicht Dasein.

Beweis. Geht aus der ersten Def. hervor. Denn nur das, dessen Natur Dasein involviert, ist die Ursache seiner selbst und existiert durch die Notwendigkeit seiner Natur.

Corollarium. Daraus geht hervor, Gott bringe nicht nur alle Dinge hervor, sondern er sei auch die Ursache daß sie in ihrem Dasein beharren.

Denn mögen jetzt die Dinge vorhanden, oder nicht vorhanden sein, sobald wir ihr Wesen betrachten, finden wir, daß es weder Dasein, noch Dauer involviert, deshalb kann das Wesen der Dinge, weder die Ursache seiner Existenz noch seiner Dauer sein; sondern nur Gott, dessen Natur allein Dasein involviert.

 

XXV.

Gott ist nicht nur der Grund der Existenz, sondern auch der Essenz eines Dinges.

Beweis. Wenn man es leugnet, so nimmt man an Gott sei nicht die Ursache des Wesens der Dinge; also kann das Wesen der Dinge ohne Gott begriffen werden, was absurd ist. Q.E.D.

Scholium. Diese Proposition geht deutlicher aus der 16. Proposition hervor.

Corollarium. Die besondern Dinge sind nichts, als die Affektionen der göttlichen Attribute oder modi, durch welche die göttlichen Attribute auf eine gewisse und bestimmte Weise ausgedrückt werden. (Prop. 15. et def. 5.)

 

XXVI.

Ein Ding, was zu irgend einer Handlung bestimmt worden ist, wurde notwendigerweise von Gott so bestimmt; und was von Gott nicht bestimmt worden ist, kann sich nicht selbst zum Handeln bestimmen.

Beweis. Das, wodurch irgend etwas zum Handeln bestimmt wird, ist notwendigerweise etwas Positives, also ist Gott durch die Notwendigkeit seiner Natur, die Ursache seiner Essenz und Existenz. Hieraus geht auch das Zweite auf's deutlichste hervor. Denn wenn das, was durch Gott nicht bestimmt ist, sich selbst bestimmen könnte, so wäre der erste Teil falsch, was absurd ist.

 

XXVII.

Das Ding, was durch Gott zu einer Handlung bestimmt wurde, konnte sich nicht selbst zur Untätigkeit bestimmen.

Beweis. Geht aus dem 3. Axiom hervor.

 

XXVIII.

Jedes Ding, welches endlich ist, und ein begrenztes Dasein hat, kann nicht existieren noch zum Handeln bestimmt werden, als durch eine Ursache, die ebenfalls endlich ist und ein begrenztes Dasein hat: und diese Ursache selbst wieder kann nicht existieren, noch zum Handeln gezwungen werden, als durch eine andere, die ebenfalls endlich ist und ein begrenztes Dasein hat.

Beweis. Was zum Dasein und Handeln bestimmt ist, ist von Gott so bestimmt worden. Nun kann das, was endlich ist und ein bestimmtes Dasein hat, von der absoluten Natur eines göttlichen Attributes nicht hervorgebracht werden können; denn was aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes hervorgeht, ist ewig und unendlich. Es müßte also aus Gott, oder aus einem seiner Attribute, insofern es als auf irgend eine Art affiziert betrachtet wird, hervorgehen; denn es gibt nichts als die Substanz und ihre modi, und die modi sind nichts, als die Affektionen der göttlichen Attribute. Aber aus Gott oder aus einem seiner Attribute, insofern es auf eine ewige und unendliche Weise modifiziert ist, kann es eben so wenig hervorgehen. Es müßte also zum Dasein und Handeln von Gott bestimmt werden, oder irgend einem Attribute desselben, insofern es modifiziert ist durch eine Modifikation, welche endlich ist und ein bestimmtes Dasein hat: diese Ursache oder dieser Modus müßte ebenfalls von einer anderen bestimmt werden, die ebenfalls endlich ist und ein bestimmtes Dasein hat und diese wieder von einer andren und so fort in's Unendliche.

Scholium. Da Einiges von Gott unmittelbar hervorgebracht werden muß, das nämlich was aus seiner absoluten Natur notwendig hervorgeht, so folgt: daß Gott die absolut nächste Ursache der unmittelbar von ihm hervorgebrachten Dinge sei; nicht aber nur in seiner Art, wie Manche behaupten. Denn die Wirkung Gottes kann ohne ihre Ursache weder sein noch gedacht werden. Es folgt ferner daraus, daß Gott nur insofern die entfernte Ursache der einzelnen Dinge genannt werden kann, als wir ihn dadurch von denen die er unmittelbar hervorbrachte oder die vielmehr, aus seiner absoluten Natur hervorgehen, unterscheiden. Denn unter einer entfernten Ursache verstehen wir eine solche, welche mit ihrer Wirkung auf keine Weise verbunden ist. Aber Alles, was ist, ist in Gott und hängt so von Gott ab, daß es ohne Gott weder sein, noch gedacht werden kann.

 

XXIX.

In der Natur der Dinge gibt es nichts Zufälliges; sondern Alles ist durch die Notwendigkeit der göttlichen Natur zu einer bestimmten Art des Daseins und Handelns bestimmt worden.

Beweis. Alles was ist, ist in Gott: Gott kann aber nichts Zufälliges genannt werden. Denn er existiert notwendig und nicht zufällig. Die Modi der göttlichen Natur gehen aus derselben nun ebenfalls notwendig und nicht zufällig hervor und zwar insofern die göttliche Natur entweder als absolut oder als auf eine gewisse Weise zum Handeln bestimmt, betrachtet wird. Gott ist nun die Ursache dieser modi, nicht nur insofern sie dasind, sondern auch insofern sie als in ihrem Wesen bestimmt betrachtet wird.

Deshalb ist Alles durch die Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt sowohl zum Dasein, als auch zu einer gewissen Art des Daseins und Handelns und es gibt nichts Zufälliges.

Scholium. Ehe ich weiter gehe, will ich hier erklären, was ich unter natura naturans und natura naturata verstehe.

Aus dem Vorhergehenden, denke ich, geht schon hervor, daß wir unter natura naturans das verstehen, was in sich ist und durch sich begriffen wird oder vielmehr die Attribute der Substanz, welche eine ewige und unendliche Wesenheit ausdrücken, d.h. Gott, insofern er, als eine freie Ursache betrachtet wird. Unter natura naturata verstehe ich hingegen Alles, was aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur oder eines göttlichen Attributes hervorgeht, d.h. alle modi der Attribute, insofern sie als Dinge betrachtet werden, die in Gott sind und ohne Gott nicht begriffen werden können.

 

XXX.

Die actu endliche, oder actu unendliche Vernunft muß die Attribute Gottes und die Affektionen desselben begreifen und nichts sonst.

Beweis. Eine wahre Idee muß mit ihrem Gedachten übereinstimmen d.h. das was objektiv in der Vernunft enthalten ist, muß notwendig in der Natur gegeben sein: in der Natur nun gibt es nur eine Substanz, nämlich Gott; und keine andren Affektionen, als die in Gott sind und ohne Gott weder sein noch gedacht werden können; also muß die Vernunft die Attribute Gottes und die Affektionen desselben begreifen und nichts sonst.

 

XXXI.

Die Vernunft sei sie nun actu finita oder infinita, wie der Wille, die Begierde, die Liebe e.c.t. gehört zur natura naturata und nicht zur natura naturans.

Beweis. Unter Vernunft verstehe ich nicht das absolute Denken, sondern nur einen gewissen modus des Denkens, der von andern modi, nämlich der Begierde, der Liebe e.c.t. verschieden ist und somit durch das absolute Denken begriffen werden muß, nämlich durch irgend ein Attribut Gottes, welches das ewige und unendliche Wesen des Denkens ausdrückt, und ohne welches er weder sein noch begriffen werden kann; deshalb gehört er wie die übrigen modi des Denkens zur natura naturata und nicht zur natura naturans.

Scholium. Ich spreche hier nicht von dem intellectus actu, weil ich zugebe es gäbe irgend einen intellectus potentia; sondern weil ich alle Verwirrung vermeiden will.

 

XXXII.

Der Wille kann nicht eine freie Ursache genannt werden; sondern nur eine notwendige.

Beweis. Der Wille ist nur ein gewisser modus des Denkens, so wie die Vernunft, so daß jeder besondere Wille (28. Prop.) nicht dasein und nicht zum Handeln bestimmt werden kann, als durch eine andre Ursache, und diese wieder durch eine andre und sofort in's Unendliche. Wird aber der Wille als unendlich angenommen muß er auch zum Dasein und Handeln von Gott bestimmt werden, nicht insofern er die absolut unendliche Substanz ist, sondern insofern er ein Attribut hat, welches das unendliche und ewige Wesen des Denkens ausdrückt.

Mag der Wille nun also, als endlich oder als unendlich betrachtet werden, so stößt man immer auf eine Ursache, wodurch er zum Dasein und Handeln bestimmt wird; so daß er nicht eine freie, sondern eine notwendige oder gezwungene Ursache genannt werden kann.

Corollarium I. Daraus geht hervor, daß Gott nicht nach freiem Willen handelt.

Corollarium II. Ferner geht daraus hervor, daß der Wille und die Vernunft sich zur Natur Gottes so verhalten, wie Bewegung und Ruhe; und absolut, wie alles Natürliche was von Gott zum Dasein und Handeln bestimmt werden muß. Denn der Wille hat, wie Alles übrige eine Ursache nötig, wodurch er zum Handeln und Dasein bestimmt wird. Und obgleich aus dem gesetzten Willen oder Verstand Unendliches hervorgeht, so kann man doch deswegen ebensowenig sagen Gott handle nach freiem Willen, als man wegen dessen, was aus der Bewegung und Ruhe hervorgeht (denn das ist ebenfalls Unendliches) sagen kann, es handele nach der Freiheit der Bewegung und der Ruhe. Deswegen gehört der Wille zur göttlichen Natur nicht mehr, als das übrige Natürliche; sondern er verhält sich zu derselben auf die nämliche Weise, wie Bewegung und Ruhe und alles Übrige, was aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur hervorgehe und von derselben zum Dasein und Handeln auf eine gewisse Weise bestimmt werden muß.

 

XXXIII.

Die Dinge konnten auf keine andere Weise, noch in einer anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden, als sie hervorgebracht worden sind.

Beweis.Alle Dinge sind aus der gegebenen Natur Gottes notwendig hervorgegangen und sind durch die Notwendigkeit der göttlichen Natur zu einer gewissen Art des Daseins und Handelns bestimmt worden. Wenn daher die Dinge eine andere Natur hätten haben oder auf eine andere Weise um Handeln bestimmt werden können, so daß die Ordnung der Natur anders wäre, so müßte auch danach die Natur Gottes anders sein können, als sie bereits ist und dann müßte auch diese Natur existieren und es müßte also 2 oder mehrere Götter geben können, was absurd ist.

Scholium I. Nachdem ich somit aufs deutlichste gezeigt habe, daß es absolut nichts in den Dingen gibt, weshalb sie zufällig genannt werden könnten, so will ich noch mit wenigen Worten auseinandersetzen, was unter zufällig, notwendig und unmöglich zu verstehen sei.

Ein Ding wird notwendig genannt, entweder hinsichtlich seines Wesens, oder hinsichtlich seiner Ursache. Denn das Dasein eines Dinges geht entweder aus seinem Wesen d.h. seiner Definition, oder aus einer gegebenen Ursache notwendig hervor. Ferner heißt ein Ding unmöglich, weil entweder sein Wesen d.h. seine Definition einen Widerspruch enthält, oder weil es keine äußere Ursache für sein Dasein gibt. Zufällig hingegen heißt ein Ding nur durch den Mangel in unserem Denken. Denn ein Ding, von dem wir nicht wissen, ob sein Wesen einen Widerspruch oder von dem wir wissen, daß es keinen enthält, über dessen Dasein wir jedoch nichts Gewisses sagen können, weil wir die Ordnung der Ursachen nicht kennen, erscheint uns weder als notwendig, noch als unmöglich, so daß wir es entweder zufällig, oder möglich nennen.

Scholium II. Aus dem Vorhergehenden geht deutlich hervor, daß die Dinge in der höchsten Vollkommenheit von Gott geschaffen worden sind: indem sie nämlich aus der vollkommensten Natur notwendig hervorgegangen sind. Dies zeiht jedoch Gott keinesweges einer Unvollkommenheit, denn seine Vollkommenheit selbst zwingt uns dies anzunehmen. Ja sogar aus dem Gegenteil würde deutlich hervorgehen, daß Gott nicht das höchst vollkommene Wesen sei; weil, wenn die Dinge auf eine andere Art entstanden wären, Gott eine andere Natur müßte zugeschrieben werden, verschieden von der, welche wir nach der Betrachtung des vollkommensten Wesens ihm zuschreiben müssen. Ich zweifle nicht, daß es Viele geben wird, welche diesen Gedanken als absurd verwerfen werden, und zwar aus keiner andern Ursache, als weil sie Gott (eine) Freiheit beizulegen gewohnt sind, weit verschieden von derjenigen, welche wir ihm zuschreiben, nämlich den absoluten Willen. Ich zweifle jedoch nicht, daß sie, wenn sie (die) Sache überlegen und die Reihe unserer Demonstrationen erwägen wollten, eine solche Freiheit, wie sie sie Gott zuschreiben, als ein großes Hindernis der Wissenschaft verwerfen werden. Es ist nicht nötig, daß ich hier das wiederhole, was ich in dem Scholium zur 17. Prop. gesagt habe: Nichts destoweniger will ich noch zeigen, daß, wenn man auch zugäbe, der Wille gehöre zum Wesen Gottes, aus seiner Vollkommenheit nichts destoweniger hervorgehen würde, daß die Dinge auf keine andre Weise und in keiner andren Ordnung von Gott hätten geschaffen werden können; ich kann dies leicht dartun, wenn wir zuerst annehmen, wie sie es auch selbst zugeben, es hänge nur von dem Entschluß und Willen Gottes ab, daß jedes Ding das sei, was es ist. Denn sonst würde Gott nicht die Ursache aller Dinge sein. Wenn wir ferner annehmen, daß alle Entschlüsse Gottes in Ewigkeit von Gott selbst gefaßt worden sind, denn sonst würde man ihn der Unvollkommenheit und Unbeständigkeit zeihen. Da es nun in dem Ewigen weder ein vor- noch ein nachher gibt, so geht aus der Vollkommenheit Gottes allein hervor, daß Gott nichts andres beschließen jemals kann, noch jemals konnte oder daß Gott vor seinen Beschlüssen nicht gewesen, sei und ohne dieselben nicht hätte sein können. Sie sagen jedoch, daß, wenn man auch annähme, Gott hätte die Natur der Dinge anders gemacht, oder er hätte von Ewigkeit an anders über die Natur und ihre Gesetze beschlossen, doch daraus keine Unvollkommenheit Gottes folgen würde. Wenn sie aber dies sagen, so geben sie auch zu, Gott könne seine Beschlüsse ändern. Denn wenn Gott hinsichtlich der Natur und ihrer Ordnung anders beschlossen hätte, als er getan, d. h. wenn er anders gewollt hätte, so müßte er notwendiger Weise einen andren Verstand und einen andren Willen haben. Und wenn man Gott einen andren Verstand und einen andren Willen zuschreiben darf, ohne eine Veränderung in seinem Wesen und seiner Vollkommenheit; warum sollte er dann nicht auch seine Entschlüsse hinsichtlich der geschaffenen Dinge ändern und dennoch gleich vollkommen bleiben können?

Endlich geben alle Philosophen, die ich kenne, zu, Gott habe keinen Verstand potentia, sondern nur actu; da nun ferner sein Verstand und sein Wille von seinem Wesen nicht verschieden sind, was ebenfalls Alle zugeben, so geht daraus auch hervor, daß wenn Gott einen andren Verstand actu und einen andren Willen gehabt hätte, sein Wesen auch notwendig anders sein müßte, ich schließe also, daß wenn die Dinge anders, als sie eben sind, von Gott geschaffen worden wären, Gottes Verstand und Wille und somit sein Wesen anders, als es ist, sein müsse.

Da nun also die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden konnten, so kann ich mich auf keine Weise überzeugen, daß Gott nicht Alles so vollkommen, als es in seiner Vernunft ist, hätte schaffen wollen. Dagegen sagt man in den Dingen gäbe es nichts Vollkommnes, noch Unvollkommnes; sondern das, was in ihnen ist und weshalb sie vollkommen oder unvollkommen, gut oder schlecht heißen, hänge nur von dem Willen Gottes ab, so daß es hätte geschehen können, wenn Gott gewollt hätte, daß das, was vollkommen ist, die höchste Unvollkommenheit sei und umgekehrt. Das heißt aber doch offen gestehen, Gott welcher das, was er will, notwendigerweise begreift, könne durch seinen Willen machen, daß er ein Ding anders begriffe, als er es begreift, was sehr absurd ist. Deshalb können wir ihre eigenen Argumente auf folgende Weise gegen sie selbst wenden. Alles hängt von der Kraft Gottes ab. Sollten daher die Dinge anders sein können, so müßte Gottes Wille auch anders sein können, was er aber nicht kann, wie ich aus der Vollkommenheit Gottes bewiesen habe. Also können die Dinge nicht anders sein.

Ich gestehe übrigens, daß die Ansicht, welche Alles einem indifferenten Willen Gottes unterwirft, der Wahrheit näher liegt als die, wonach Gott Alles um des Guten willen, hinsichtlich des Guten (sub ratione boni) tut. Denn diese scheint etwas außerhalb Gottes zu setzen, was von Gott nicht abhängig ist, wonach jedoch Gott in seinem Handeln, wie nach einem Ziele strebt. Das heißt wahrlich nichts anders, als Gott dem fatum unterwerfen.

 

XXXIV.

Die Kraft (Macht Gottes) ist sein Wesen selbst.

Beweis. Aus der Notwendigkeit des göttlichen Wesens geht hervor, daß Gott die Ursache seiner selbst und aller Dinge ist. Also ist die Kraft Gottes, wodurch er und Alles ist, sein Wesen selbst.

 

XXXV.

Alles, von dem wir begreifen daß es in der Macht Gottes ist, ist notwendig.

Beweis. Denn was in der Macht oder Kraft Gottes ist muß in dem göttlichen Wesen so begriffen werden, daß es notwendig daraus hervorgeht.

 

XXXVI.

Es existiert nichts aus dessen Natur nicht irgend eine Wirkung hervorginge.

Beweis. Alles, was ist, drückt Gottes Natur oder Wesen auf eine gewisse und bestimmte Weise aus d. h. Alles, was existiert, drückt die Macht Gottes, welche die Ursache aller Dinge ist, auf eine gewisse und bestimmte Weise aus, so daß aus ihnen irgend eine Wirkung folgen muß. (Prop. 16.)

Anhang

Unter Folgendem habe ich die Natur und die Eigenschaften Gottes begriffen: Gott existiert notwendigerweise; er ist einzig; er ist und handelt nur durch die Notwendigkeit seiner Natur; er ist die freie Ursache aller Dinge; Alles ist in Gott und hängt so von ihm ab, daß es ohne ihn weder sein, noch gedacht werden kann; Alles war von Gott vorherbestimmt, nicht durch freien Willen, oder ein absolutes Gutdünken, sondern durch seine absolute Natur und unendliche Macht. Außerdem suchte ich überall, wo sich die Gelegenheit darbot, die Vorurteile, welche das Verständnis meiner Demonstrationen stören konnten, wegzuräumen; da es aber bis jetzt noch viele Vorurteile gibt, die nicht immer verhindern können, daß man die Reihe der Dinge so auffaßt, wie ich sie erklärt habe, so halte ich es für nötig sie hier noch dem Urteil der Vernunft zu unterwerfen.

Und weil alle Vorurteile, welche ich hier anführen werde, vorzüglich davon herrühren, daß die Menschen ge(mei)niglich annehmen alle Dinge handelten, wie sie selbst, eines Zweckes halber und da sie, als ganz gewiß voraussetzen, Gott sogar tue Alles nur eines gewissen Zweckes wegen (Gott habe Alles um des Menschen willen geschaffen, den Menschen selbst aber damit er ihn verehre) so will ich dies vorerst betrachten, indem ich erstens die Ursache suche, warum die meisten Menschen dies Vorurteil annehmen, dann will ich zeigen wie falsch es ist und endlich will ich nachweisen, wie aus ihm Vorurteile hinsichtlich des Guten und Bösen, des Verdienstes und der Sünde, der Ordnung und der Unordnung, der Schönheit und der Häßlichkeit u. d. gl. m. hervorgegangen sind.

Dies aus der Natur der menschlichen Seele herzuleiten, ist hier nicht der Ort; es wird genügen, wenn ich mich darauf berufe, daß alle Menschen geboren werden ohne die Ursache der Dinge zu kennen und daß (sie) bei jedem Dinge nur nach seinem Nutzen fragen, daraus geht erstens hervor, daß die Menschen sich einbilden sie seien frei, weil sie ihrer Entschlüsse und Begierden bewußt sind und weil sie über die Ursachen, durch die sie zum Wollen und Begehr bestimmt werden, weil sie sie nun einmal nicht kennen, auch im Schlafe nicht nachdenken.

Daraus folgt ferner, daß die Menschen Alles nur des Zweckes d. h. des Vorteils halber, den sie begehren, tun, woher es denn rührt, daß sie bei den Dingen nur nach ihren Endzwecken fragen und sich beruhigen, wenn sie darüber Aufschluß erhalten haben, weil sie dann ja keinen Beweggrund mehr haben, um weiter zu forschen.

Können sie aber darüber keinen Aufschluß erhalten, so bleibt ihnen nichts übrig, als auf sich selbst zurückzugehen und an die Zwecke, durch die sie bestimmt werden, zu denken und so von sich auf einen Anderen zu schließen. Da sie ferner in und außer sich nicht wenig Dinge finden, die ihnen zur Erreichung dessen, was ihnen nützlich ist, nicht wenig behülflich sind wie die Augen zum Sehen, die Pflanzen und Tiere zur Nahrung e.c.t. so betrachten sie alle Dinge als Mittel nur zu ihrem Nutzen vorhanden, und da sie nur wissen, daß diese Dinge von ihnen gefunden, nicht aber geschaffen worden, so glauben sie es müsse irgend ein Andrer sein, der dieselben zu ihrem Nutzen geschaffen hätte. Denn da sie einmal die Dinge als Mittel betrachten, so können sie nicht annehmen, daß dieselben sich selbst hervorgebracht hätten; sondern aus dem was sie sich selbst zu bereiten pflegen, schließen sie es müsse Jemand geben, mit menschlicher Freiheit begabt, der ihnen Alles verschafft hätte und zu dessen Nutzen Alles geschähe. Und auch den Geist dieses beurteilen sie nach dem ihrigen und schließen daraus Gott leite Alles zum Nutzen der Menschen, damit er von ihnen verehrt würde; woher es auch kommt, daß sich ein jeder verschiedene Arten Gott zu verehren ausgedacht hat, damit Gott ihn vor dem Anderen liebe und die ganze Natur zum Vorteil seiner blinden Begierden und unersättlichen Habsucht leite. Und dieses Vorurteil hat sich so in Aberglauben verkehrt und so tiefe Wurzeln geschlagen, daß jeder die Endursache aller Dinge einzusehen und sie zu erklären wagte. Indem sie aber zu zeigen suchten, die Natur tue nichts umsonst (d h. nichts, was den Menschen nicht nützlich sei) haben sie wahrhaftig nichts weiter nachgewiesen, als daß die Natur, daß Gott und Menschen wahnwitzig wären.

Man sehe, wohin die Sache endlich führt!

Unter so vielen Vorteilen, welche die Natur gewährt, mußten sich auch nicht wenige Nachteile finden, wie Stürme, Erdbeben, Krankheiten e.c.t. und so schließen sie nun, es rühre daher, daß die Götter wegen Beleidigungen oder wegen Nachlässigkeit in ihrer Verehrung erzürnt seien; und obgleich die Erfahrung täglich nachwies, daß Vorteil und Nachteil den Guten und Bösen auf gleiche Weise zu Teil wurde, so ließen sie doch deswegen das alte Vorurteil nicht fahren, denn es fiel ihnen leichter dies unter noch Andres, dessen Nutzen ihnen unbekannt war, zu zählen, als das ganze System umzureißen und ein neues zu ersinnen. Sie schlossen daraus, die Beschlüsse der Götter können von der menschlichen Vernunft nicht begriffen werden und dies allein würde genügt haben, um die Wahrheit dem menschlichen Geschlecht auf ewig zu verhüllen, wenn nicht die Mathematik, die nicht von dem Zweck, sondern von dem Wesen und den Eigenschaften der Körper handelt, ein andres Wahrheitsgesetz den Menschen gezeigt hätte. Außer der Mathematik könnten jedoch noch andere Ursachen (die hier aufzuzählen überflüssig ist) nachgewiesen werden, durch die es möglich wurde, daß die Menschen auf diese Vorurteile aufmerksam und zur wahren Erkenntnis der Dinge getrieben wurden.

Hierdurch habe ich zur Genüge nachgewiesen, was ich vorerst versprochen hatte.

Um aber auch zu zeigen, daß die Natur keinen bestimmten Zweck habe und daß alle Endzwecke, menschliche Erdichtungen sind, brauche ich nicht viel zu sagen. Ich denke dies geht schon hinlänglich sowohl aus der Ursache, von der ich dies Vorurteil herleitete, als auch aus der 16. Prop. et Corollar. 32. Prop. und außerdem aus allem dem hervor, wodurch ich nachwies, daß Alles in der Natur aus einer ewigen Notwendigkeit und der höchsten Vollkommenheit hervorgehe. Doch will ich noch Folgendes hinzufügen, nämlich, daß diese Lehre von dem Zweck die ganze Natur umkehre. Denn das was die Ursache ist, betrachtet sie als die Wirkung und umgekehrt. Dann macht sie das, was (in) der Natur früher da ist zu dem, was später da ist. Und endlich macht sie das Höchste und Vollkommenste zum Unvollkommensten.

Denn (nach Prop. 21. 22. 23.) ist die Wirkung die vollkommenste, welche unmittelbar aus Gott hervorgeht und sie ist um so unvollkommner, jemehr Zwischenursachen zu ihrem Hervorbringen nötig sind. Wenn aber die Dinge, welche unmittelbar aus Gott hervorgehen, nur geschaffen wären damit Gott seinen Zweck damit erreichte, so wären notwendigerweise die letzten, um derenwillen die ersten geschaffen wurden, die vorzüglichsten. Außerdem hebt diese Lehre die Vollkommenheit Gottes auf: denn wenn Gott um eines Zweckes willen handelt, so strebt er notwendigerweise nach etwas, das ihm fehlt. Und obgleich die Theologen und Physiker zwischen dem Zweck der Bedürfnisse und dem Zweck der Assimilation unterscheiden, so gestehen sie doch zu Gott habe Alles um seiner selbst willen, aber nicht der zu erschaffenden Dinge halber getan, weil sie vor der Schöpfung nichts anführen können, um dessen willen Gott geschaffen habe; sie müssen also doch notwendigerweise zugestehen Gott habe das, um dessen willen er gehandelt hat, entbehrt und begehrt. Man muß hier nicht vergessen, daß die Anhänger dieser Lehre, welche im Herausklauben von Zwecken für die Dinge ihren Geist zu zeigen suchten, um diese Doktrin zu beweisen eine neue Art von Beweis aufbrachten, indem sie sich nämlich nicht auf das Unmögliche, sondern auf die Unwissenheit beriefen. Denn wenn z. B. von einem Hause ein Stein Jemand auf den Kopf fiel und ihn tötete, so bewiesen sie auch auf folgende Weise, daß dieser Stein herabgefallen sei um den Menschen zu töten. Denn, wenn er nicht durch den Willen Gottes zu diesem Zweck gefallen sei, wie hätten soviele Umstände zu dem Fall zusammentreffen können. Wenn man ihnen nun antwortete, es sei dies geschehn weil der Wind wehte und der Mensch vorbeigegangen sei, so würden sie fragen: warum wehte der Wind zu der Zeit? Warum ging der Mensch zu der Zeit vorbei?

Wenn man nun wiederum antwortete, der Wind entstand, weil das Meer sich den vorigen Tag zu regen anfing und weil der Mensch von einem Freunde eingeladen war, so würden sie abermals fragen, warum das Meer zu der Zeit unruhig geworden und warum der Mensch von einem Freunde eingeladen worden sei? Und so würden sie fortfahren nach den Ursachen der Ursachen zu fragen bis sie zum Willen Gottes d. h. zum Asyl der Unwissenheit gelangen. So staunen sie auch, wenn sie den Bau des menschlichen Körpers sehen und schließen daraus, daß sie die Ursache von soviel Kunst nicht wissen, derselbe sei nicht durch mechanische, sondern durch göttliche und übernatürliche Kunst entstanden und so eingerichtet, daß kein Teil den andren verletze. Daher kommt es auch, daß der, welcher nach den Ursachen der Wunder forscht und sie wie ein Weiser begreifen und nicht wie ein Tor anstaunen will für ein Ketzer und Ruchlosen gehalten und von denen ausgeschrieen wird, welche der Pöbel als die Ausleger Gottes und der Natur verehrt. Denn sie wissen, daß wenn es einmal mit der Unwissenheit zu Ende ist der Aberglauben, die einzige Stütze ihres Ansehens, fallen wird. Ich gehe aber jetzt davon ab und fahre weiter fort, mit dem, was ich drittens zeigen wollte.

Nachdem die Menschen sich einmal überzeugt hatten Alles, was geschieht, geschehe wegen ihnen, so erklärten sie das für das Vorzüglichste, was ihnen am nützlichsten war, und das schätzten sie vor Allem am Höchsten, wodurch sie am Angenehmsten affiziert wurden. Daraus mußten sie sich nun die Begriffe bilden, wodurch sie das Wesen der Dinge bezeichnen, nämlich, gut und bös, Ordnung und Verwirrung, kalt und heiß, schön und häßlich: und da sie sich für frei halten, so entstanden auch daraus die Begriffe von Lob und Tadel, Sünde und Verdienst; diese nun werde ich weiter unten, nach dem ich von der menschlichen Natur gesprochen, betrachten, jene aber werde ich hier erklären.

Alles nämlich, was zum Wohlbefinden und zur Verehrung Gottes hinführt, nennt man gut, was ihm aber entgegengesetzt ist, bös.

Weil ferner diejenigen, welche von der Natur der Dinge nichts wissen, die Dinge sich nur vorstellen und ihre Einbildung für das Werk der Vernunft halten, so glauben sie fest es gebe eine Ordnung in den Dingen. Denn wenn die Dinge sich so verhalten, daß sie sich unserem Gedächtnis leicht eindrücken und wir sie uns leicht wieder vorstellen können, wenn sie durch die Sinne uns kund werden, so nennt man sie wohl geordnet; ist aber das Gegenteil der Fall, so heißen sie schlecht geordnet oder verwirrt. Und weil uns die angenehm sind, welche wir uns leicht wieder vorstellen können, so ziehen wir die Ordnung der Verwirrung vor, als ob in der Natur eine Ordnung nicht nur hinsichtlich unserer Einbildung und unserer Sinne vorhanden wäre. Man sagt sogar Gott habe Alles nach der Ordnung erschaffen, und legt damit Gott sogar menschliche Einbildung bei, wenn man nicht annehmen will, Gott habe, indem er die menschliche Einbildung vorauswußte, Alles so angeordnet, daß die Menschen es auf das Leichteste sich vorstellen könnten, worauf man aber antworten kann, daß man unendlich viel findet, was weit über unsre Einbildung (Vorstellungsvermögen?) hinausgeht und Vieles, was geradezu wegen ihrer Schwäche, verwirrt. Doch genug hiervon.

Auch die übrigen Begriffe, die von unseren Vorstellungen und der Art des Eindrucks, den sie auf unsere Einbildung machen, sind nichts und werden doch von den Unwissenden, als die vorzüglichsten Attribute der Dinge betrachtet, weil sie, wie schon gesagt glauben, alle Dinge seien nur wegen ihnen da und das Wesen eines Dinges gut oder bös, schön oder häßlich nennen, je nachdem sie von ihm affiziert werden.

Es zeigt dies hinlänglich, daß jeder nur nach seiner Einbildung von den Dingen urteilt und die Eindrücke auf seine Einbildung für die Dinge selbst nimmt.

Wir sehen also, daß alle Gründe, wodurch man sich gewöhnlich die Natur zu erklären sucht, nur Einbildungen aber nichts von der wahren Natur irgend eines Dinges enthalten.

Viele pflegen nämlich folgendermaßen zu schließen. Wenn Alles aus der Notwendigkeit der vollkommensten Natur Gottes hervorgegangen ist, woher denn soviel Unvollkommenheiten in der Welt? Nämlich Fäulnis, Häßlichkeit, die Ekel erregt, Verwirrung, Übel, Sünde e.c.t. Aber, wie gesagt, sie sind leicht zu widerlegen. Denn die Vollkommenheit der Dinge darf nur nach ihrer Natur und Kraft gemessen werden, und die Dinge sind deswegen nicht mehr oder weniger vollkommen, weil sie die Sinne der Menschen ergötzen oder beleidigen; weil sie der menschlichen Natur zusagen, oder ihr widerstreben. Denen aber, die fragen, warum Gott alle Menschen nicht so erschaffen, daß sie nur von der Vernunft geleitet würden? antworte ich nichts weiter, als daß es ihm nicht an Stoff fehlte Alles vom höchsten bis zum tiefsten Grad der Vollkommenheit zu erschaffen; oder um eigentlicher zu sprechen, weil die Gesetze seiner Natur weit genug waren, um zum Schaffen von Allem zu genügen, was von einer unendlichen Vernunft begriffen werden kann. (16. Prop.)

Zur Methode

Was war Spinozas Ziel? Er sagt es deutlich im tractatus de emendatione intellectus. Er sagt wie er erst sich um Irdisches bemüht und dann gesehen habe, daß die Glückseligkeit nur im Besitz des Ewigen zu finden sei. Videbantur porro ex hoc orta esse mala, quod tota felicitas, aut infelicitas in hoc solo sita est; videlicet in qualitate objecti, cui adhaeremus amore. Nam propter illud, quod non amatur, nulla orientur lites, nulla erit tristitia, si pereat, nulla invidia, si ab alio possideatur, nullus timor, nullum odium, et, ut verbo dicam, nullae commotiones animae; quae quidem omnia contingunt in amore eorum, quae perire possunt, uti haec omnia de quibus modo locuti sumus. Sed amor erga rem aeternam et infinitam sola laetitia pascit animum, ipsaque omnis tristitiae est expers; quod valde est desiderandum, totisque viribus quaerendum.

Ferner heißt es: Ich will hier nur kurz sagen, was ich unter dem wahren Guten und dem höchsten Gut verstehe. Vorerst merke man sich, bös und gut kann nur relativ gesagt werden; jedes Ding kann in verschiednen Beziehungen gut oder bös, vollkommen oder unvollkommen heißen. Denn nichts ist an und für sich gut oder bös, vollkommen oder unvollkommen, weil Alles nach einer ewigen Ordnung und ewigen Gesetzen geschieht. Da aber die menschliche Schwäche diese Ordnung in ihrem Denken nicht umfassen kann und der Mensch indes sich die Idee von einer der seinigen weit überlegnen menschlichen Natur bildet und zugleich kein Hindernis sieht, warum er einer solchen Natur nicht teilhaftig werden könne, so sucht er nach Mitteln, um zu solcher Vollkommenheit zu gelangen, und Alles, was als Mittel dazu dienen kann, heißt bei ihm das wahre Gute; das höchste Gut für ihn ist aber ut ille cum aliis individuis, si fieri potest, tali natura fruatur. Quaenam autem illa sit natura ostendemus suo loco, nimirum esse, cognitionem unionis, quam mens cum tota natura habet. Hic est itaque finis, ad quem tendo, talem scilicet Naturam acquirere, et, ut multi eam mecum acquirant, conari, hoc est, de mea felicitate etiam est operam dare, ut alii multi idem, atque ego intelligant, ut eorum intellectus et cupiditas prorsus cum meo intellectu et cupiditate conveniant; utque hoc fiat, necesse est tantum de natura intelligere, quantum sufficit, ad talem naturam acquirendam; deinde formare talem societatem, qualis est desideranda, ut quamplurimi quam facillime et secure eo perveniant. Porro danda est opera Morali Philosophiae, ut et Doctrinae de puerorum educatione; et quia Valetudo, non parvum est medium ad hunc finem assequendum, concinnanda est integra Medicina; et quia arte multa, quae difficilia sunt, facilia redduntur, multumque temporis et commoditatis in vita ea lucrari possumus, ideo Mechanica nullo modo est contemmenda. Unde quisque jam poterit videre, me omnes scientias ad unum finem et scopum velle dirigere, scilicet, ut ad summam humanam perfectionem perveniatur; et sic omne illud, quod in scientis nihil ad finem nostrum nos promovet, tanquam inutile erit rejiciendum, hoc est, ut uno verbo dicam, omnes nostrae operationes, simul et cogitationes ad hunc sunt dirigendae finem.

Diese Stelle enthält ein bedeutendes Geständnis, ganz im Sinne seines Systems, und doch zugleich einen Widerspruch. Nur die menschliche Schwäche, nur der Mangel an Erkenntnis macht, daß wir nach etwas Vollkommnem streben, denn in der Natur gibt es kein Werden, nur Sein, kein Streben, sondern schon Besitzen, überall eine Vollkommenheit, wie sie aus der ewigen Ordnung der Dinge folgt. Und doch, wie kann er von menschlicher Schwäche reden? Eben so, wie er in seiner Metaphysik das Endliche aus dem Unendlichen, wie er das Böse aus unsern Vorstellungen herleitet. Der ewige Widerspruch zwischen dem, was ist in der Endlichkeit und dem Ewigen, an das wir dasselbe zu knüpfen suchen.

Einige hierher gehörige Stellen finden sich im tractatus theologicopoliticus, so Cap. III. p. 193 (Paulus). Omnia quae honeste cupimus ad haec tria potissimum referuntur, nempe res per primas suas causas intelligere, passiones domare, sive virtutis habitum acquirere, et denique secure et sano corpore vivere.

Ferner, wo das Ziel alles Strebens noch näher bezeichnet wird, Cap. IV. p. 208: Da die Vernunft (intellectus) unser höchstes Gut ist, so ist es gewiß, daß wir streben müssen, sie so vollkommen als möglich zu machen, wenn wir auf unser wahrhaftes Glück bedacht sind; denn nur in ihrer Vollkommenheit soll unser höchstes Gut bestehn. Ferner, weil unsre Erkenntnis und die Gewißheit, welche wahrhaft jeden Zweifel hebt, von Gottes Erkenntnis allein abhängt, (da ja ohne Gott nichts sein noch begriffen werden kann und wir an Allem zweifeln können, so lange wir von Gott keine klare und deutliche Idee haben), so folgt, daß unser höchstes Gut und unsre höchste Vollkommenheit von der Erkenntnis Gottes abhängen e. c. t. Ferner, da nichts ohne Gott weder sein, noch begriffen werden kann, so ist es gewiß, daß Alles, was in der Natur ist, den Begriff Gottes hinsichtlich seiner Essenz und seiner Vollkommenheit involviere und ausdrücke und daß wir also, je mehr wir die natürlichen Dinge erkennen, auch eine um so vollkommnere Erkenntnis Gottes erlangen, oder (weil die Erkenntnis der Wirkung durch die Ursache nichts andres ist, als eine Eigenschaft der Ursache erkennen) je mehr wir die natürlichen Dinge erkennen, um so vollkommner erkennen wir die Essenz Gottes (der ja die Ursache aller Dinge ist); und so hängt unsere ganze Erkenntnis, das heißt unser höchstes Gut, nicht nur von der Erkenntnis Gottes ab, sondern liegt sogar einzig in ihr; dies ergibt sich auch aus Folgendem, je besser und vollkommner die Sache, welche der Mensch vor Allem liebt, um so besser und vollkommner ist er selbst; der ist also notwendigerweise der vollkommensten und der höchsten Seligkeit teilhaftig, welcher die intellektuale Erkenntnis des vollkommensten Wesens d.i. Gottes über Alles liebt. S. die Fortsetzung. Ferner Cap. (IV.), p. 209, p. 210.

So liegt also schon über den ersten Rissen des Spinozismus eine unendliche Ruhe. Alle Glückseligkeit ist allein im Anschauen des Ewigen, Unveränderlichen; nicht von dem Endlichen soll zum Unendlichen, nicht von den Dingen soll zu Gott fortgeschritten, sondern aus Gott heraus soll Alles erkannt werden. Aber jetzt kommt die eigentümliche Wendung des Spinozismus, diese Erkenntnis soll nicht das absolute Anschauen des Mystikers, es soll eine intellektuale Erkenntnis sein. Hier ist die große Kluft zwischen Malebranche und Spinoza. Beide haben nur unter Voraussetzung des Cartesius eine wissenschaftliche Bedeutung, beide setzen das Fundament des Cartesianismus nur voraus, aber Malebranche wird seinem Lehrer untreu, er wendet sich zur Anschauung, er sieht alle Dinge in Gott, aber unmittelbar ohne Räsonnement, ohne Schluß, Spinoza dagegen bleibt treu, die Demonstration ist ihm das einzige Band zwischen dem Absoluten und der Vernunft, ja er ist kühner als Cartesius, er dehnt das Recht der Demonstration weiter aus, der demonstrierende Verstand ist Alles und ist Allem gewachsen, wie dies sich aus der Vorrede Meyers zu den principiis philosophiae Cart. ergibt: praetereundum etiam hic nequaquam est, in eundem censum venire debere, hoc est, ex Cartesii mente tantum dici, quod aliquibus in locis reperitur, nempe hoc aut illud captum humanum superare. Neque enim hoc ita accipiendum, ac si ex propria sententia talia proferret noster autor. Judicat enim ista omnia, ac etiam plura alia magis sublimia atque subtilia non tantum clare ac distincte a nobis concipi, sed etiam commodissime explicari posse: si modo humanus intellectus alia via, quam quae a Cartesio aperta atque strata est, in veritatis investigationem rerumque cognitionem deducatur: atque adeo scientiarum fundamenta a Cartesio eruta, et quae iis ab ipso superaedificata sunt, non sufficere ad omnes ac difficillimas, quae in Metaphysicis occurrunt, quaestiones enodandas atque solvendas: sed alia requiri, si ad illud cognitionis fastigium intellectum nostrum cupimus evehere.

Hierher gehören noch folgende Stellen: tract. theologpol. Cap. XIII. p. 337. »Der wahrlich spricht Unsinn, welcher behaupten wollte es sei nicht nötig die Attribute Gottes zu begreifen (intelligere) sondern es genüge sie ganz einfach ohne Demonstration zu glauben, denn die unsichtbaren Dinge, welche nur Objekte der Seele sind, können durch keine andern Augen gesehen werden, als durch die Demonstration; wer nicht im Besitz dieser letzteren ist, der sieht von jenen Dingen nichts und was er über dieselben nach dem Hörensagen urteilt, hat nicht mehr Wert als die Worte eines Papagei oder eines Automaten.«

Ferner zieht Spinoza in dem tractatus theologicopoliticus eine scharfe Grenzlinie zwischen dem Glauben (der Religion) und der Philosophie. Den ersteren beschränkt er rein auf das praktische Gebiet, der letztren allein spricht er das Recht und die Fähigkeit zu, die theoretischen Fragen zu lösen. So:

Cap. XV. p. 354. Die Vernunft ist das Reich der Wahrheit und der Weisheit, die Theologie das Reich der Frömmigkeit und des Gehorsams.

Cap. XIV. p. 343; p. 344. 345-348.

Cap. XV. p. 358.

Cap. VI. p. 239.

Auffallend ist das Zugeständnis, welches Spinoza in dem tractatus theologp. hinsichtlich der praktischen (ethischen) Fragen dem Glauben und der Theologie macht.

V. Cap. XV. 355. »Wir schließen daher absolut, daß man weder die Vernunft der heiligen Schrift, noch die Schrift der Vernunft anzupassen suchen muß. Man könnte uns einwerfen: Können wir mittelst der Vernunft nicht demonstrieren, ob die Grundlehre der Theologie hinsichtlich des Gehorsams wahr oder falsch sei, warum glauben wir denn an dieselbe? Nehmen wir sie blindlings und ohne Vernunftgründe an, so handeln wir ja töricht und ohne Urteil. Nähmen wir dagegen an, diese Grundlehre könne durch Vernunftgründe demonstriert werden, so machten wir die Theologie zu einem integrierenden Teil der Philosophie. Ich antworte dagegen auf das bestimmteste: die Grundlehre der Theologie könne auf natürlichem Weg nicht nachgewiesen werden, oder es habe wenigstens bisher Niemand getan und deswegen sei die Offenbarung höchst notwendig gewesen. Nichtsdestoweniger können wir uns unserer Urteilskraft bedienen um dem Geoffenbarten wenigstens moralische Gewißheit zu geben.«

An einer andern Stelle scheint er diese Behauptung wieder einzuschränken, indem er sagt, daß es Einige, wenn auch sehr Wenige gäbe, welche bloß durch den Gebrauch der Vernunft zur Tugend gelangt seien, während dagegen alle Übrigen die Offenbarung absolut notwendig hätten. V. Cap. XV. p. 359.

Diese Widersprüche lassen sich leicht erklären, wenn man bedenkt, daß der tractatus theologicopoliticus zu einer Zeit erschien, wo Spinoza wohl die Grundlinien seines Systems gezogen haben mochte, aber wahrscheinlich noch nicht alle seine Konsequenzen entwickelt hatte. Außerdem ist es wohl möglich, daß er seine Gedanken noch nicht ganz unverhohlen auszusprechen wagte und dem Glauben noch Konzessionen machte, die er später zurücknahm.

Der Spinozismus ist der Enthusiasmus der Mathematik. In ihm vollendet und schließt sich die Cartesianische Methode der Demonstration, erst in ihm gelangt sie zu ihrer völligen Konsequenz. Erst unter Voraussetzung des Cartesianismus erhält, wie ich schon gesagt habe, der Spinozismus sein wissenschaftliches Fundament.

Den deutlichsten Übergang zwischen beiden Systemen hat man in den den principiis philosophiae Cartesianae, angehängten Cogitatis metaphysicis. Am besten aber sieht man, wie Spinoza durch Cartesius ergänzt werden müsse, in der Wissenschaftslehre des Spinoza. Dieselbe ist größtenteils in dem tractatus de emendatione intellectus enthalten. Wir entwickeln sie hier, denn erst durch sie erhält die Metaphysik ihre wissenschaftliche Bedeutung. Doch muß ich bemerken, daß die erwähnte Abhandlung unvollendet geblieben und wie die Vorrede beweist, noch nicht gehörig ausgearbeitet und geordnet ist.

Es gibt 4 Arten von Erkenntnis:

  1. Erkenntnis durch das Hören und willkürliche Zeichen.
  2. Erkenntnis aus unbestimmter Erfahrung, d.h. aus einer Erfahrung, welche nicht determinatur ab intellectu, sondern uns zufällig aufstößt und uns für etwas Gewisses gilt, weil wir keine andre ihr widersprechende Tatsache kennen.
  3. Erkenntnis des Wesens einer Sache, welche durch einen, jedoch nicht adäquaten, Schluß aus dem Wesen einer andern Sache erlangt wird; wie dies geschieht, wenn man von einer Wirkung auf die Ursache, oder von dem Allgemeinen, das ja doch immer irgend eine Eigenschaft enthält, auf das Besondre schließt.
  4. Erkenntnis einer Sache aus ihrer bloßen Essenz, oder aus ihren nächsten Ursachen; wenn ich z.B. daraus, daß ich etwas erkannt habe, weiß, quid hoc sit aliquid nosse, (was es heißt etwas erkannt haben oder worin das Wesen der Erkenntnis besteht) oder wenn ich aus dem Wesen der Seele erkenne, sie sei mit dem Körper vereinigt.

Nur diese vierte Art der Erkenntnis kann zum Erforschen der Wahrheit dienen, denn nur solus quartus modus comprehendit (begreift) essentiam rei adaequatam et absque erroris periculo; ideoque maxime erit usurpandus.

Da wir nun wissen welche Kenntnis uns notwendig ist (nämlich die des Ewigen, Gottes) so müssen wir den Weg und die Methode suchen, mittelst der wir die unbekannten Dinge durch die vierte Erkenntnisweise begreifen können. Diese Untersuchung setzt jedoch nicht voraus, daß wir von der Methode wieder die Methode aufsuchen müßten und so fort in's Unendliche, denn so könnten wir nie zu einer Erkenntnis gelangen, sed intellectus vi sua nativa(R6) facit sibi instrumenta intellectualia, quibus alias vires acquirit ad alia opera intellectualia, et ex iis operibus alia instrumenta, seu potestatem ulterius investigandi; et sic gradatim pergit, donec sapientiae culmen attingat.

Daran schließt sich nun die Untersuchung über die Wahrheit und Falschheit der Ideen. Unter Wahrheit der Ideen versteht Spinoza zweierlei, 1. die logische Richtigkeit einer Idee, ob sie nichts Widersprechendes, einander Aufhebendes enthalte, und 2. die objektive Realität, oder die Frage, ob der Idee in der Wirklichkeit etwas entspreche. Er unterscheidet also zwischen formaler und materialer Wahrheit. Er sagt: denn was die Form des Wahren anbelangt, so ist es gewiß, daß der wahre Gedanke sich von dem falschen, nicht nur durch ein äußeres, sondern zumeist durch ein inneres Verhältnis unterscheide. Denn sinnt ein Künstler eine Maschine aus, die weder je existiert hat noch je existieren wird, so ist sein Gedanke doch wahr und der nämliche, diese Maschine mag nun existieren oder nicht, und umgekehrt wenn Jemand sagt Peter existiert, ohne zu wissen ob Peter wirklich existiert, so ist dieser Gedanke hinsichtlich seines Wissens falsch oder vielmehr nicht wahr, obgleich Peter in der Wirklichkeit existiert. Der Ausspruch: Peter existiert, ist also nur hinsichtlich (für den) desjenigen wahr, welcher wirklich

(F6: Per vim nativam intelligo illud, quod in nobis a causis externis non causatur, quodque postea in mea philosophia explicabimus.) weiß, daß Peter existiert. Es folgt daraus, daß es in den Ideen selbst etwas Reales gibt, wodurch die wahren sich von den falschen unterscheiden, dieses Reale muß nun gesucht werden, damit wir die beste Norm der Wahrheit haben und die Eigenschaften unseres Verstandes erkennen. Man sage nicht, dieser Unterschied rühre daher, daß bei einem wahren Gedanken die Sache durch ihre nächste Ursache erkannt wird, denn auch der Gedanke ist wahr, welcher das Wesen eines Prinzips involviert, das keine Ursache hat und durch sich und in sich erkannt wird. Es muß daher die Form des wahren Gedankens in dem Gedanken selbst ohne alle Beziehung auf andere liegen, nicht das Objekt zur Ursache haben, sondern allein von dem Vermögen und Wesen des Verstandes abhängen. Denn wenn wir annehmen ein Verstand denke sich ein neues Objekt, was niemals existiert hat, (so wie manche sich den Verstand Gottes vorstellen, eh' er die Dinge schuf) und leite aus diesem Gedanken andere Gedanken richtig ab, so wären alle diese Gedanken wahr und hingen nur von dem Vermögen und Wesen des Verstandes ab, ohne durch irgend ein äußeres Objekt bedingt zu werden.

Deshalb muß dasjenige, was die Form des wahren Gedankens ausmacht, in dem Gedanken selbst gesucht und von dem Wesen des Verstandes hergeleitet werden: und die Falschheit besteht also nur darin, daß etwas von einer Sache ausgesagt wird, was in dem Begriff, den wir uns von ihr gebildet haben, nicht enthalten ist. Es folgt daraus, daß alle einfachen Gedanken wahr sein müssen, wie z.B. die Idee der Bewegung, der Quantität e.c.t., denn die Bejahungen, welche sie enthalten erstrecken sich nicht über ihren Begriff hinaus und entsprechen demselben. Folglich können wir ohne Besorgnis eines Irrtums einfache Ideen nach Belieben bilden.

Nun zur materialen Wahrheit. Diese Untersuchung führt uns zur Identitätslehre und so zur Höhe des Spinozismus.

Idea vera (habemus enim ideam veram) est diversum quid a suo ideato; nam aliud est circulus, aliud idea circuli. Idea enim circuli non est aliquid, habens peripheriam et centrum, uti circulus, nec idea corporis est ipsum corpus; et cum sit quid diversum a suo ideato, erit etiam per se aliquid intelligibile; hoc est, idea, quoad suam essentiam formalem, potest esse objectum alterius essentiae objectivae, et rursus haec altera essentia objectiva erit etiam in se spectata quid reale, et intelligibile et sic indefinite. Petrus ex. gr. est quid reale; vera autem idea Petri est essentia Petri objectiva et in se quid reale et omnino diversum ab ipso Petro. Cum itaque idea Petri sit quid reale, habens suam essentiam peculiarem, erit etiam quid intelligibile, id est, objectum alterius ideae, quae idea in se habet objective omne id, quod idea Petri habet formaliter et rursus idea, quae est ideae Petri, habet iterum suam essentiam, quae etiam potest esse objectum alterius ideae, et sic indefinite. Quod quisque potest experiri, dum videt se scire, et rursus scit se scire, quod scit e.c.t. Unde constat, quod, ut intelligatur essentia Petri, non sit necesse ipsam ideam Petri intelligere et multo minus ideam ideae Petri; quod idem est, ac si dicerem, non esse opus ut sciam, quod sciam me scire; non magis, quam ad intelligendam essentiam trianguli, opus sit essentiam circuli intelligere. Sed contrarium datur in his ideis. Nam ut sciam me scire, necessario debeo prius scire. Hinc patet, quod certitudo nihil sit praeter ipsam essentiam objectivam; id est, modus quo sentimus essentiam formalem, est ipsa certitudo. Unde iterum patet, quod ad certitudinem veritatis nullo alio signo sit opus, quam veram habere ideam. Ex quibus rursum patet, neminem posse scire, quid sit summa certitudo, nisi qui habet adaequatam ideam aut essentiam objectivam alicujus rei; nimirum quia idem est certitudo et essentia objectiva. Cum itaque veritas nullo egeat signo; sed sufficiat habere essentias rerum objectivas, aut, quod idem est, ideas, ut omne tollatur dubium; hinc sequitur, quod vera non est Methodus signum veritatis quaerere post acquisitionem idearum; sed quod vera Methodus est via, ut ipsa veritas, aut essentiae objectivae rerum, aut ideae debito ordine quaerantur. Rursus methodus necessario debet loqui de Ratiocinatione, aut de intellectione; id est, Methodus non est ipsum ratiocinari ad intelligendum causas rerum, et multo minus est intelligere causas rerum; sed est intelligere, quid sit vera idea, eam a caeteris perceptionibus distinguendo, ejusque naturam investigando, ut inde nostram intelligendi potentiam noscamus, et mentem ita cohibeamus, ut ad illam normam omnia intelligat, quae sunt intelligenda; tradendo tanquam auxilia, certas regulas et etiam faciendo ne mens inutilibus defatigetur. Unde colligitur, Methodum nihil aliud esse, nisi cognitionem reflexivam aut ideam ideae; et quia non datur idea ideae, nisi prius detur idea; ergo Methodus non dabitur nisi prius detur idea. Unde illa bona erit Methodus, quae ostendit, quomodo mens dirigenda sit ad datae verae ideae normam. Porro cum ratio, quae est inter duas ideas, sit eadem cum ratione quae est inter essentias formales idearum illarum; inde sequitur, quod cognitio reflexiva, quae est ideae entis perfectissimi, praestantior erit cognitione reflexiva caeterarum idearum; hoc est, perfectissima ea erit Methodus, quae ad datae ideae Entis perfectissimi normam ostendit, quomodo mens sit dirigenda. Ex his facile intelligitur, quomodo mens plura intelligendo, alia simul acquirat instrumenta, quibus facilius pergat intelligere. Nam, ut ex dictis licet colligere, debet ante omnia in nobis existere vera idea, tamquam innatum instrumentum, qua intellecta intelligatur simul differentia, quae est inter talem perceptionem et caeteras omnes. Qua in re consistit una Methodi pars. Et cum per se darum sit, mentem eo melius se intelligere, quo plura de natura intelligit; inde constat, hanc Methodi partem eo perfectiorem fore, quo mens plura intelligit et tum fore perfectissimam, cum mens ad cognitionem entis perfectissimi attendit, sive reflectit. Deinde, quo plura mens novit, eo melius et suas vires et ordinem naturae intelligit: quo autem melius suas vires intelligit, eo facilius potest se ipsam dirigere et regulas sibi proponere; et quo melius ordinem naturae intelligit, eo facilius potest se ab inutilibus cohibere. Adde quod idea eodem modo se habet objective, ac ipsius ideatum se habet realiter. Si ergo daretur aliquid in Natura, nihil commercii habens cum aliis rebus, ejus etiam si datur essentia objectiva, quae convenire omnino deberet cum formali, nihil etiam commercii haberet cum aliis ideis, id est, nihil de ipsa poterimus concludere; et contra, quae habent commercium cum aliis rebus, uti sunt omnia, quae in natura existunt, intelligentur, et ipsorum etiam essentiae objectivae idem habebunt commercium, id est, aliae ideae ex eis deducentur, quae iterum habebunt commercium cum aliis et sic instrumenta, ad procedendum ulterius, crescent. Porro ex hoc ultimo, quod diximus, scilicet quod idea omnino cum sua essentia formali debeat convenire patet iterum quod, ut mens nostra omnino referat naturae exemplar, debeat omnes suas ideas producere ab ea, quae refert originem et fontem totius naturae, ut ipsa etiam fons sit caeterarum idearum.

Resümieren wir also dieses Räsonnement. Wir haben wahre Ideen. Eine materialiter wahre Idee ist eine solche, deren objektives (subjektives) Wesen mit dem formalen (objektiven) ihres Objekts übereinkommt, mit ihm eins ist. Die materiale Wahrheit beruht also in der Identität des Gedankens mit dem Gedachten (d.h. seinem Objekt). De emend. p. 384. Ad ideam veram simplicem esse ostendimus, aut ex simplicibus compositam, et quae ostendit, quomodo, et cur aliquid sit, aut factum sit, et quod ipsius effectus objectivi in anima procedunt at rationem formalitatis ipsius objecti; id, quod idem est, quod veteres dixerunt, nempe veram scientiam procedere a causa ad effectus; nisi quod nunquam, quod sciam, conceperunt animam secundum certas leges agentem et quasi quod automa spirituale.

Was aber eine wahre Idee sei, erkennt man erst aus dem Besitz einer wahren Idee. Die beste Methode ist also diejenige, welche nicht erst nach einer wahren Idee sucht, denn das kann sie nicht, sondern die welche nachdem eine wahre Idee gegeben, nach der Norm derselben die übrigen wahren Ideen sucht, und die allerbeste diejenige, welche aus der Idee des höchsten Wesens alle übrigen Ideen ableitet. Denn so wie die Idee des höchsten Wesens eine notwendige objektive Realität involviert, so werden auch alle diejenigen Ideen, welche richtig aus ihr abgeleitet werden, die nämliche Notwendigkeit involvieren, und werden dann aus der Idee Gottes, die Ideen von den Dingen eben so entwickeln, wie die Dinge aus Gott in der Wirklichkeit hervorgegangen sind. Der Satz Malebranche's von dem Schauen aller Dinge in Gott, mathematisch demonstriert!!

Vielleicht ließe sich nach diesem Gedankengang die ganze Identitätslehre Spinozas an den Satz knüpfen: Wenn Gott ist, weil wir ihn denken, so muß offenbar Denken und Sein eins sein.

Kuhn sagt dagegen: »Mir kommt es vor, als drücke man das Prinzip des Spinozismus, die absolute Erkenntnisart, nicht in seiner höchsten Form aus, wenn man sagt, es sei in dem Satze enthalten, daß Denken und Sein eins sei. Dieser Satz scheint mir ein abgeleiteter zu sein und die absolute Erkenntnisart des Spinoza in der intuitiven Erkenntnis des absoluten Seins, außer welchem kein anderes Sein ist, zu liegen. In dieser Erkenntnisart, als der allein wahren, liegt auch der vollendetste Widerspruch gegen den Reflexionsstandpunkt den Spinoza beabsichtigte und auf den er durch Cartesius geleitet wurde. Auf dem Reflexionsstandpunkte gibt es wahrhaft Verschiedenes, Auseinanderliegendes, Aufeinanderfolgendes: auf dem Standpunkte der absoluten Erkenntnisart ist überall nur Eines. Lauter Licht, kein Schatten, keine Farbe e. c. t.«

Ich glaube Herr Kuhn irrt sich, ich habe es schon einmal gesagt der Spinozismus ist der Enthusiasmus der Mathematik. Nur mathematisch gewisse Erkenntnis konnte ihn befriedigen von intuitiver Erkenntnis kann bei ihm nicht die Rede sein, zeigt ihm einen falschen Schluß und er läßt sein ganzes System fallen. Alles(,) Wissenschaftslehre und Metaphysik(,) hängt an dem einen Satz; wir können uns das vollkommne Wesen nicht anders als seiend denken, es existiert also notwendigerweise. Die Wissenschaftslehre, denn aus ihr gibt sich die Identität des Denkens und Seins; die Metaphysik, denn es ist die einzige Möglichkeit die Realität eines Objekts zu beweisen, und so ist das ganze metaphysische System eine konsequente Entwicklung, dessen, was sich aus dem Begriff des höchsten Wesens herleiten läßt. So sagt Spinoza de emend. intell. p. 381. Quod autem attinet ad cognitionem originis naturae, minime est timendum, ne eam cum abstractis confundamus: nam cum aliquid abstracte concipitur, uti sunt omnia universalia, semper latius comprehenduntur in intellectu, quam revera in natura existere possunt eorum particularia. Deinde cum in natura dentur multa, quorum differentia adeo est exigua, ut fere intellectum effugiat, tum facile (si abstracte concipiantur) potest contingere, ut confundantur; at cum origo naturae nec abstracte sive universaliter concipi possit, nec latius possit extendi in intellectu, quam revera est, nec ullam habeat similtudinem cum mutabilibus, nulla circa ejus ideam metuenda est confusio, modo normam veritatis habeamus; est nimirum hoc ens, unicum, infinitum, hoc est, est omne esse, praeter quod nullum datur esse.

Bei diesem Satze wird jedoch immer die ganze Schlußreihe, die demselben im Cartesianischen System vorhergeht, vorausgesetzt und daß Spinoza ihn nur unter dieser Voraussetzung annahm läßt sich nachweisen, in seinem Standpunkte ist also nichts Neues im Verhältnis zu Cartesius. So sagt er in den cogitatis metaphysicis: incipiamus igitur ab ente, per quod intelligo id omne, quod cum clare et distincte percipitur, necessario existere, vel minime existere posse reperimus.

Dies clare et distincte sagt genug, er fängt da an, wo Cartesius bewiesen hat, daß wir nicht irren können wenn wir etwas klar und deutlich erkannt haben.

Hierher gehört eine Stelle im tractatus de emendatione welche den direktesten Beweis liefert: Unde sequitur, nos non posse veras ideas in dubium vocare, quod forte aliquis Deus deceptor existat, qui vel in maxime certis nos fallit, nisi quamdiu nullam habemus claram et distinctam ideam, hoc est, si attendamus ad cognitionem, quam de origine omnium rerum habemus, et nihil inveniamus, quod nos doceat, eum non ( non, wahrscheinlich Druckfehler) esse deceptorem eadem illa cognitione, qua, cum attendimus ad naturam trianguli, invenimus ejus tres angulos aequales esse duobus rectis; sed si talem Dei cognitionem habemus, qualem habemus trianguli, tum omnis dubitatio tollitur. Et eodem modo quo possumus pervenire ad talem cognitionem trianguli, quamvis non certo sciamus, an aliquis summus deceptor nos fallat, eodem etiam modo possumus pervenire ad talem Dei cognitionem, quamvis non certo sciamus an detur aliquis summus deceptor, et, modo eam habeamus, sufficiet ad tollendam, uti dixi, omnem dubitationem, quam de ideis claris et distinctis habere possumus. – So wiederholt also Spinoza nicht nur den Cartesius, sondern ergänzt ihn auch noch, indem er durch das modo eam habemus den bekannten Zirkel, den Cartesius in seiner Schlußreihe macht, zu umgehen sucht.

Ich sehe also keinen neuen, keinen absoluten Standpunkt, in der Art, wie Spinoza die Identitätslehre an die Spitze seines Systems stellt. ( Ethic. I, I. Def. Per causam sui intelligo id, cujus essentia involvit existentiam; sive id, cujus natura non potest concipi, nisi existens.

Axiom. VI. Idea vera debet cum suo ideato convenire.

Axiom. VII. Quicquid, ut non existens, potest concipi, ejus essentia non involvit existentiam.)

Er fängt da an, wo Cartesius die Identität des Gedankens mit seinem Objekt aus der Wahrhaftigkeit Gottes schließt. Cartesius war so gut als Spinoza Identitätsphilosoph, wie es überhaupt jeder dogmatische Philosoph sein muß. Spinoza setzt beständig die Schlußreihe des Cartesius vom cogito ergo sum an, voraus, die er nicht wiederholte, weil er sie als erwiesen ansah, und er kann es nicht anders, wenn er die mathematische Evidenz, auf die er beständig Anspruch macht, behaupten will.

Außer dem Erfordernis der Klarheit und Deutlichkeit gibt übrigens Spinoza kein Kriterium der material wahren Ideen; er sagt nur, was eine wahre Idee sei, lerne man erst aus dem Besitz derselben kennen. Per aeternam veritatem talem intelligo, quae si est affirmativa, numquam poterit esse negativa. (Unde iterum patet, quod ad certitudinem veritatis nullo alio signo sit opus, quam veram habere ideam; nam, uti ostendimus, non opus est, ut sciam quod sciam me scire. Ex quibus rursum patet neminem posse scire, quid sit summa certitudo, nisi qui habet adaequatam ideam aut essentiam objectivam alicujus rei; nimirum, quia idem est certitudo et essentia objectiva.)

Doch zieht er eine scharfe Linie zwischen dem ens reale und dem ens rationis und ens fictum, und gibt die Unterschiede zwischen den wahren und den erdichteten, falschen oder zweifelhaften Ideen an. Die Untersuchung über das Erstere findet sich in den cogitatis metaph. I. Cap. I. Chimaera, ens fictum et ens rationis nullo modo ad entia revocari possint. Nam Chimaera (id cujus natura apertam involvit contradictionem) ex sua natura existere nequit. Ens vero fictum claram et distinctam perceptionem secludit; quia homo ex sola mera libertate et non, ut in falsis, insciens, sed prudens et sciens connectit, quae connectere, et disjungit, quae disjungere vult. Ens denique rationis nihil est praeter modum cogitandi, qui inservit ad res intellectas facilius retinendas, explicandas atque imaginandas.

Zu den Denkweisen, welche ad res retinendas dienen, gehören die Art und Gattungsbegriffe ad res explicandas, die Begriffe von Zeit, Zahl, Maß e.c.t. (ad rem deinde explicandam etiam modos cogitandi habemus, determinando scilicet eam per comparationem ad aliam.)

Diese Begriffe selbst aber dienen wieder zur Erklärung von anderen (horum autem tempus inservit durationi explicandae, numerus quantitati discretae, mensura quantitati continuae). Causa autem, ob quam hi modi cogitandi pro ideis rerum habentur, est, quia ab ideis entium realium tam immediate profiscuntur et oriuntur, ut facillime cum ipsis ab iis, qui non accuratissime attendunt, confundantur. Hincque facile videre est, quam inepta sit illa divisio, qua dividitur ens in ens reale et ens rationis; dividunt enim ens in ens et non-ens, aut in ens et modum cogitandi.

Man muß sich wohl hüten die entia rationis mit dem ens reale zu verwechseln, denn: aliud est inquirere in rerum naturam, aliud in modos, quibus res a nobis percipiuntur.

Das Übrige wird in dem tractatus de int. emend. abgehandelt.

Die eingebildete Idee unterscheidet sich von der falschen, wie aus den cogitatis metaphys. hervorgeht, dadurch, daß die erste durch einen Akt der Willkür und mit Bewußtsein des Irrigen oder wenigstens des Ungewissen (indem ich z. B. sage Peter ist zu Haus, ohne daß ich weiß, ob er wirklich zu Haus ist, oder wenn ich gar das Gegenteil weiß (letztes ist eigentlich die Lüge) hervorgebracht wird. (Ens fictum nihil aliud est, quam duo termini connexi ex sola mera voluntate, sine ullo ductu rationis. Cog. met. I. I. Ferner De int. emend. p. 377. Nam inter ideam falsam et fictam nulla alia datur differentia, nisi quod haec (scil. falsa?) supponat assensum, hoc est, quod nullae offeruntur causae, dum repraesentamina ipsi offeruntur, quibus, sicut fingens, possit colligere, ea non oriri a rebus extra se, et quod fere nihil aliud sit quam oculis apertis, sive dum vigilamus, somniare.)

Da jede Sache entweder unter dem Begriff ihrer Existenz oder ihrer Essenz vorgestellt wird, so beziehen sich auch alle Erdichtungen und Irrtümer auf diese beiden Begriffe. Hinsichtlich des ersteren, des Begriffs der Existenz, können Dichtungen und Irrtümer nur bei dem Möglichen, nicht bei dem Notwendigen und Unmöglichen Statt finden. Denn: rem impossibilem voco, cujus natura implicat contradictionem, ut ea existat: necessariam, cujus natura implicat contradictionem, ut ea non existat; possibilem, cujus quidem existentia ipsa sua natura, non implicat contradictionem, ut existat, aut non existat; sed cujus existentiae necessitas, aut impossibilitas pendet a causis nobis ignotis, quamdiu ipsius existentiam fingimus; ideoque si ipsius necessitas, aut impossibilitas, quae a causis externis pendet, nobis esset nota, nihil etiam de ea potuissemus fingere.

Absichtliche Erdichtungen (d. h. Lügen) bestehen darin, daß ich mittelst des Gedächtnisses mich an Irrtümer erinnere, die ich früher hatte oder haben konnte.

Erdichtungen und Irrtümer hinsichtlich des Unmöglichen, sind eigentlich nicht als solche zu betrachten sondern sie sind eigentlich durch Abstraktion hervorgebrachte verae, ac merae assertiones.

Was die Dichtungen und Irrtümer hinsichtlich der Essenz der Dinge anbelangt, so ist es klar daß die Ideen der Dinge entweder einfach oder aus einfachen Ideen zusammengesetzt sein müssen. Eine einfache Idee nun kann nicht falsch sein, also kann der Irrtum auch nicht in einer einfachen Idee bestehen, sed fiat ex compositione diversarum idearum confusarum, quae sunt diversarum rerum, atque actionum in natura existentium, vel melius ex attentione simul sine assensu ad tales diversas ideas. (NB. Fictio in se spectata non multum differat a somnio, nisi quod in somniis non offerantur causae, quae vigilantibus ope sensuum offeruntur: ex quibus colligunt illa repraesentamina illo tempore non repraesentari a rebus extra se constitutis. Error autem est vigilando somniare; et si sit admodum manifestum delirium vocatur.) Die Verwirrung entsteht daraus, daß die Vernunft ein Ganzes und Zusammengesetztes nur teilweise erkennt, das Bekannte von dem Unbekannten nicht unterscheidet und auf das Mannigfaltige, was in jeder Sache enthalten ist, auf einmal ohne alle Unterscheidung reflektiert. Wenn nur die erste Idee nicht falsch oder erdichtet ist und aus ihr die übrigen richtig hergeleitet werden, so wird aller Irrtum vermieden. Es ist daher nicht zu besorgen, daß man etwas erdichte, so lange man eine Sache klar und deutlich vorstellt.

Was nun die zweifelhaften Ideen anbelangt so findet kein Zweifel an und für sich in der Seele statt. Hoc est, si tantum unica sit idea in anima, sive ea sit vera, sive falsa nulla dabitur dubitatio, neque etiam certitudo, sed tantum talis sensatio. Der Zweifel entsteht erst durch eine andere Idee, welche nicht so klar und deutlich ist, daß wir aus ihr etwas Gewisses hinsichtlich der bezweifelten Sache schließen können d.h. die Idee, welche uns zum Zweifel brachte, ist nicht klar und deutlich. Daraus folgt, daß wir wahre Ideen nicht in Zweifel ziehen können, quod forte aliquis Deus deceptor existat. (S. S. 341f)((streichen??))

Dubitatio nihil aliud est, quam suspensio animi circa aliquam affirmationem, aut negationem, quam affirmaret aut negaret, nisi occurreret aliquid, quo ignoto cognitio ejus rei debet esse imperfecta. Unde colligitur, quod dubitatio semper oritur ex eo, quod res absque ordine investigentur.

Die erdichteten, falschen und zweifelhaften Ideen haben ihren Grund in der Einbildungskraft d.h. sie entstehen durch gewisse zufällige und losgerissne Eindrücke, welche nicht aus dem Vermögen der Seele selbst hervorgehen, sondern durch äußere Ursachen bedingt werden, je nachdem der Körper im Schlaf oder im Wachen verschiedne Eindrücke empfängt. Vel si placet, hic per imaginationem, quicquid velis, cape, modo sit quid diversum ab intellectu et unde anima habeat rationem patientis.

Deinde cum verba sint pars imaginationis, hoc est, quod prout vage ex aliqua dispositione corporis componuntur in memoria, multos conceptus fingamus, ideo non dubitandum, quin etiam verba aeque, ac imaginatio, possint esse causa multorum, magnorumque errorum. Adde quod sint constituta ad libitum et captum vulgi; adeo ut non sint nisi signa rerum, prout sunt in imaginatione, non autem prout sunt in intellectu; quod clare patet ex eo, quod omnibus iis, quae tantum sunt in intellectu, et non in imaginatione, nomina imposuerunt saepe negativa, uti sunt, incorporeum, infinitum e.c.t. et etiam multa, quae sunt revera affirmativa, negative exprimunt, et contra, uti sunt increatum, independens, infinitum, immortale e.c.t. quia nimirum horum contraria multo facilius imaginamur; ideoque prius primis hominibus occurrerunt, et nomina positiva usurparunt.

Alles bisher Gesagte gehört zum ersten Teil der Methode, was soll im zweiten behandelt werden?: Scopus est claras et distinctas habere ideas, tales videlicet, quae ex pura mente, et non ex fortuitis motibus corporis factae sint. Deinde, omnes ideae ad unam ut redigantur, conabimur eas tali modo concatenare et ordinare ut mens nostra, quoad ejus fieri potest, referat objective formalitatem naturae, quoad totam et quoad ejus partes.

Zu dem Ersten gehört nun, daß man die Dinge entweder bloß aus ihrem Wesen (Essenz) oder ihrer nächsten Ursache begreift. Ist das Ding in sich, oder, wie man gewöhnlich sagt, Ursache seiner selbst, so muß es aus seinem Wesen begriffen werden; ist es aber nicht in sich, sondern erfordert es eine Ursache, so muß es aus dieser nächsten Ursache begriffen werden. Daraus geht hervor, daß wir nie etwas aus Abstracten schließen dürfen und daß wir uns sehr hüten müssen das, was nur in dem Verstand ist, mit dem, was in den Dingen ist zu verwechseln. Sed optima conclusio erit depromenda ab essentia aliqua particulari affirmativa, sive a vera et legitima definitione. Denn von den allgemeinen Axiomen kann der Verstand nicht bis zu dem Einzelnen dringen, da die Axiome sich auf das Unendliche beziehen und den Geist nicht mehr zum Betrachten eines Besondern, als eines Andern bestimmen. Daher besteht der rechte Weg darin, aus einer gegebnen Definition Gedanken bilden und dies wird um so glücklicher und leichter von Statten gehn, je besser wir eine Sache definiert haben.

Eine vollkommne Definition muß das innerste Wesen einer Sache erklären, aber nicht Statt desselben nur einige besondere Eigentümlichkeiten angeben. Zu einer guten Definition ist also Folgendes erforderlich:

1.) Ist der Gegenstand ein erschaffnes Ding, so muß in der Definition seine nächste Ursache enthalten sein.

2.) Die Definition muß von der Art sein, daß man von ihr auf alle Eigenschaften des Dinges schließen kann.

Ist der Gegenstand ein unerschaffnes Ding, so muß: 1. Die Definition jede Ursache ausschließen d.h. das Objekt hat zu seiner Erklärung nichts andres als sein eignes Sein nötig.

2. Es muß durch die Definition die Möglichkeit der Frage: ob das Ding sei? aufgehoben sein.

3. Sie darf, dem Sinn nach, keine Substantive gebrauchen, welche adjektivisch genommen werden können, d.h. sie darf durch keine abstracta erklären.

4. Endlich müssen alle Eigenschaften des Dinges aus der Definition folgen.

Was das zweite, nämlich die Ordnung und Verknüpfung unsrer Erkenntnisse anbelangt, so müssen wir sobald als möglich suchen, ob es ein Wesen gibt und welches, das die Ursache aller Dinge und dessen objektives Wesen auch die Ursache aller unsrer Ideen sei(;) denn alsdann wird unser Geist so weit als möglich die Natur wiedergeben, denn sie wird ihr Wesen, ihre Ordnung und Verbindung objektiv besitzen. Dazu ist es nötig, daß wir alle unsre Ideen von physischen d.i. realen Dingen ableiten, indem wir so weit als möglich nach der Reihe der Ursachen von einem Realen zum andern fortschreiten. Unter der Reihe der Ursachen und realen Wesen verstehe ich aber hier nicht die Reihe der einzelnen, veränderlichen Dinge, sondern nur die der ewigen und unveränderlichen. Denn der menschlichen Schwäche ist es nicht vergönnt die Reihe der veränderlichen Dinge zu verfolgen, wegen ihrer jede Zahl übersteigenden Menge, und wegen der unzählichen Umstände, die machen können, daß eine Sache sei oder nicht, da ja die Existenz derselben nicht zu ihrem Wesen gehört. Auch ist dies nicht nötig, da ja das Wesen der veränderlichen Dinge nicht von dieser Reihe, die uns nichts andres darbietet als äußere Benennungen, Verhältnisse und Umstände, sondern von den unveränderlichen und ewigen Dingen herzuleiten ist, nach deren Gesetzen alle einzelnen Dinge entstehen und geordnet werden, und so wesentlich von ihnen abhängen, daß sie ohne dieselben weder sein, noch begriffen werden können. Unde haec fixa et aeterna, quamvis sint singularia, tamen ob eorum ubique praesentiam ac latissimam potentiam erunt nobis, tamquam universalia, sive genera definitionum rerum singularium mutabilium et causae proximae omnium rerum.

Die Reihe der einzelnen Dinge nun zu finden, ist höchst schwierig, denn alle zugleich zu umfassen übersteigt, wie schon gesagt, die menschlichen Kräfte, und auf der andern Seite kann man sie auch wieder nicht von den ewigen Dingen herleiten. Ibi enim omnia haec sunt simul natura. Wir müssen uns daher nach andren Hülfsmitteln umsehen und wo möglich durch richtigen Gebrauch der Sinne, durch die Erfahrung auf den rechten Weg zu kommen suchen.

Was dagegen die Erkenntnis der ewigen Dinge anbelangt, so haben wir, um zu ihr zu gelangen, nichts nötig, als daß, wenn wir unsre Aufmerksamkeit auf einen Gedanken richten, wir denselben durchdenken und alle Folgen entwickeln, welche sich aus ihm ergeben. Ist er falsch, so wird sich die Falschheit als dann ergeben, ist er richtig, so wird man ohne Unterlassung fortfahren die wahren Ideen daraus herzuleiten.

Wollen wir nun das erste aller Dinge untersuchen, so haben wir dazu ein Fundament nötig. Da aber die Methode die reflexive Erkenntnis ist, so kann dies Fundament nichts anderes sein, als die Erkenntnis dessen, was die Form der Wahrheit ausmacht und die Erkenntnis des Verstandes (intellectus) seiner Eigenschaften und seiner Kräfte.

Die Form der Wahrheit ist bereits abgehandelt, was dagegen Letzte anbelangt so merke man sich: intellectus proprietates hae sunt:

  1. Quod certitudinem involvat, hoc est, quod sciat res ita esse formaliter, ut in ipso objective continentur.
  2. Quod quaedam percipiat, sive quasdam formet ideas absolute, quasdam ex aliis. Nempe quantitatis ideam format absolute, nec ad alias attendit cogitationes; motus vero ideas non, nisi attendendo ad ideam quantitatis.
  3. Quas absolute format, infinitatem exprimunt; at determinatas ex aliis format.
  4. Ideas positivas prius format, quam negativas.
  5. Res non tam sub duratione, quam sub quadam specie aeternitatis percipit et numero infinito; vel potius ad res percipiendas, nec ad numerum, nec ad durationem attendit; cum autem res imaginatur, eas sub certo numero, determinata quantitate et duratione percipit.
  6. Ideae, quas claras et distinctas formamus, ita ex sola necessitate nostrae naturae sequi videntur, ut absolute a sola nostra potentia pendere videantur; confusae autem contra. Nobis enim invitis saepe formantur.
  7. Ideas rerum, quas intellectus ex aliis format, multis modis mens determinare potest.
  8. Ideae, quo plus perfectionis alicujus objecti exprimunt, eo perfectiores sunt.

Ideae fictae et falsae nihil positivum habent, per quod falsae aut fictae dicuntur: sed ex solo defectu cognitionis, ut tales, considerantur. Ideae ergo falsae et fictae, quatenus tales, nihil nos de essentia cogitationis docere possunt; sed haec potenda ex modo recensitis proprietatibus positivis, hoc est, jam aliquid commune statuendum est; ex quo hae proprietates necessario sequantur, sive quo dato hae necessario dentur, et quo sublato haec omnia tollantur.

Hinsichtlich der Frage, wie falsche Ideen in uns überhaupt entstehen können, tut Spinoza eine Äußerung, welche mir für sein System von Bedeutung scheint: p. 380. Quod si de natura entis cogitantis sit, cogitationes veras, sive adaequatas formare, certum est, ideas inadaequatas ex eo tantum in nobis oriri, quod pars sumus alicujus entis cogitantis, cujus quaedam cogitationes ex toto, quaedam ex parte tantum nostram mentem constituunt.

Sollen also die wahren und deutlichen Ideen diejenigen sein, welche ex toto die Seele bilden und die undeutlichen und falschen die ex parte. Dagegen sagt er an einem andern Ort die unklaren Ideen entstünden ohne unsren Willen; also durch etwas in uns, über das wir nicht Herr sind. Ist das nicht ein Widerspruch?

Überhaupt ist die ganze in dem tractatus de emend. angestellte Untersuchung höchst mangelhaft und zum Teil verworren, nur das was am Deutlichsten hervortritt ist die Wissenschaftslehre und die Angabe der Methode, wonach er sein System einrichtete.

Ein eigentlicher Übergang von der Wissenschaftslehre zur Metaphysik findet sich nicht bei Spinoza, doch könnte man ihn vielleicht in dem finden, was er in dem ersten Teil des Tractatus de emend. intellectus über die Art sagt, wie ein metaphysisches System aus der Alles umfassenden Idee des höchsten Wesens hergeleitet werden müsse.

Auch kann man fortwährend das Räsonnement des Cartesius von dem cogito ergo sum an, bis zum Beweis für das Dasein Gottes aus seiner Idee, die Dasein involviere, voraussetzen.

Zum Verständnis der Metaphysik muß man übrigens sich beständig die Identitätslehre zurückrufen. So steht eigentlich vor dem ganzen System das 6. Axiom: idea vera debet cum suo ideato convenire.

Der erste Teil der Ethik enthält die Grundlage des Systems. Die synthetische Methode ist in ihm verfolgt, es wird Alles in Axiomen, Definitionen, Propositionen und Demonstrationen vorgetragen.

Ich folge nicht genau dem Gang des Spinoza, weil dies in zu große Weitläufigkeiten führen würde, doch hoffe ich, den Grundgedanken richtig zu entwickeln.

Das ganze System fängt eigentlich mit dem auf den Satz des ausschließenden Dritten gegründeten I. Axiom an: Omnia, quae sunt, vel in se, vel in alio sunt. Ferner: II. Ax.: Id, quod per aliud non potest concipi, per se debet concipi.

(Ob ein Sein überhaupt sei fragt er also nicht erst, wie Cartesius.)

Was ist nun das, was in se ist und per se debet concipi? Die Substanz nach der 3.Definition. (Vergleiche 1. Definition) und die Attribute der Substanz (4.Def.).

(VI.Axiom) Idea vera debet cum suo ideato convenire.

I. Omnia quae sunt vel in se vel in alio sunt (1. Axiom).

II. (2. Axiom.) Id quod per aliud non potest concipi per se debet concipi.

1. Was ist nun das, was in se est und per se debet concipi?

Die Substanz (def. 3.) und ihr Attribut (def. 5 und prop. 10). (Was ist aber der Unterschied zwischen Substanz und Attribut? In der Definition der Substanz heißt es die Substanz muß durch sich selbst begriffen werden, in der Definition des Attributs heißt es, das Attribut ist das, was das Wesen der Substanz ausmacht, zum Wesen der Substanz gehört aber durch sich selbst begriffen zu werden, dies ist das einzige was wir von ihr wissen, und aus der 10. Prop. geht endlich die nämliche Definition für die Substanz und das Attribut hervor. Also sind die Begriffe von Substanz und Attribut identisch, eins von beiden ist ein leeres, inhaltloses Wort. Das Attribut ist also eigentlich selbst Substanz. Tennemann sagt darüber: »zwei real verschiedne Attribute, von denen keines die Folge des andern ist, welche von Ewigkeit immer in der Substanz beisammen gewesen, bringen eine ewige und wesentliche Trennung der Substanz hervor, welche mit der Einheit der Substanz streitet. Denn drückt das Attribut das Sein der Substanz aus, so hat die Substanz ein doppeltes, realverschiedenes Sein, wenn es zwei realverschiedene Attribute der Substanzen gibt, welches notwendig auf zwei Substanzen hinführt.« – Selbst Spinoza scheint dies gefühlt zu haben, indem er Attribut mit Substanz identifiziert wie dies aus der Definition von Gott hervorgeht.)

2. Was ist zweitens das, was in alio est?

Der Modus (affectus) def. 5.

III. Was ist nun das Wesen dessen, was in se est, oder der Substanz?

1. Duae substantiae diversa attributa habentes, nihil inter se commune habent (Prop. 2).

(Axioma 5. Prop. 3).

2. In rerum natura non possunt dari duae, aut plures substantiae ejusdem naturae (Prop. 5). Der Beweis dieses Satzes ist sehr unphilosophisch, er gründet sich auf das nicht unterscheiden Können, was aber nicht einmal in der Identitätslehre Gültigkeit hat, da dieselbe nur von einem nicht denken Können sprechen kann. Spinoza tritt hier aus seinem eignen System heraus. Tennemann sagt darüber: »Außerdem liegt auch noch in dem fünften Satze ein Fehlschluß verborgen, der mit dem Wesen des rationalen Dogmatismus sehr enge zusammenhängt und aus welchem Leibnitzens Grundsatz des Nichtzuunterscheidenden herfloß. Der Beweis desselben stützt sich auf den Grundsatz, daß dasjenige, was nicht unterschieden wird, auch nicht verschieden ist, und was nicht verschieden ist eine und dieselbe Sache ist, welches nur in der Sphäre des Denkens, aber nicht für die Objektenwelt gilt. Daher folgt weder das erste noch zweite Glied des Beweises. Und wenn Spinoza daraus, daß mehrere Substanzen, welche sich nur durch ihre Attribute unterscheiden, gedacht werden, schließt folglich kann es von jedem Attribut nur eine Substanz geben, so folgt daraus eigentlich nur, daß es ebensoviel Begriffe von Substanzen gibt, als verschiedne Attribute gedacht werden, aber in Ansehung der Objekte, welchen jene Begriffe zukommen, folgt gar nichts. Denn, wie Spinoza selbst einsah, eine wahre Erklärung drückt nichts weiter als das Wesen einer Sache aus, entscheidet aber nichts über die Anzahl der Individuen


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