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Naturwissenschaftliche Schrift

Über Schädelnerven

5. November 1836

Probevorlesung

Hochgeachtete Zuhörer!

(...) Es treten uns auf dem Gebiete der physiologischen und anatomischen Wissenschaften zwei sich gegenüberstehende Grundansichten entgegen, die sogar ein nationelles Gepräge tragen, indem die eine in England und Frankreich, die andere in Deutschland überwiegt. Die erste betrachtet alle Erscheinungen des organischen Lebens vom teleologischen Standpunkt aus; sie findet die Lösung des Rätsels in dem Zweck der Wirkung, in dem Nutzen der Verrichtung eines Organs. Sie kennt das Individuum nur als etwas, das einen Zweck außer sich erreichen soll, und nur in seiner Bestrebung, sich der Außenwelt gegenüber teils als Individuum, teils als Art zu behaupten. Jeder Organismus ist für sie eine verwickelte Maschine, mit den künstlichen Mitteln versehen, sich bis auf einen gewissen Punkt zu erhalten. Das Enthüllen der schönsten und reinsten Formen im Menschen, die Vollkommenheit der edelsten Organe, in denen die Psyche fast den Stoff zu durchbrechen und sich hinter den leichtesten Schleiern zu bewegen scheint, ist für sie nur das Maximum einer solchen Maschine. Sie macht den Schädel zu einem künstlichen Gewölbe mit Strebepfeilern, bestimmt, seinen Bewohner, das Gehirn, zu schützen, – Wangen und Lippen zu einem Kau- und Respirationsapparat, – das Auge zu einem komplizierten Glase, – die Augenlider und Wimpern zu dessen Vorhängen; – ja die Träne ist nur der Wassertropfen, welcher es feucht erhält. Man sieht, es ist ein weiter Sprung von da bis zu dem Enthusiasmus, mit dem Lavater sich glücklich preist, daß er von so was Göttlichem, wie den Lippen, reden dürfe.

Die teleologische Methode bewegt sich in einem ewigen Zirkel, indem sie die Wirkungen der Organe als Zwecke voraussetzt. Sie sagt zum Beispiel: soll das Auge seine Funktion versehen, so muß die Hornhaut feucht erhalten werden, und somit ist eine Tränendrüse nötig. Diese ist also vorhanden, damit das Auge feucht erhalten werde, und somit ist das Auftreten dieses Organs erklärt; es gibt nichts weiter zu fragen, – die entgegengesetzte Ansicht sagt dagegen: die Tränendrüse ist nicht da, damit das Auge feucht werde, sondern das Auge wird feucht, weil eine Tränendrüse da ist, oder, um ein anderes Beispiel zu geben, wir haben nicht Hände, damit wir greifen können, sondern wir greifen, weil wir Hände haben. Die größtmöglichste Zweckmäßigkeit ist das einzige Gesetz der teleologischen Methode; nun fragt man aber natürlich nach dem Zwecke dieses Zweckes, und so macht sie auch ebenso natürlich bei jeder Frage einen progressus in infinitum.

Die Natur handelt nicht nach Zwecken, sie reibt sich nicht in einer unendlichen Reihe von Zwecken auf, von denen der eine den anderen bedingt; sondern sie ist in allen ihren Äußerungen sich unmittelbar selbst genug. Alles, was ist, ist um seiner selbst willen da. Das Gesetz dieses Seins zu suchen, ist das Ziel der, der teleologischen gegenüberstehenden Ansicht, die ich die philosophische nennen will. Alles, was für jene Zweck ist, wird für diese Wirkung. Wo die teleologische Schule mit ihrer Antwort fertig ist, fängt die Frage für die philosophische an. Diese Frage, die uns auf allen Punkten anredet, kann ihre Antwort nur in einem Grundgesetze für die gesamte Organisation finden, und so wird für die philosophische Methode das ganze körperliche Dasein des Individuums nicht zu seiner eigenen Erhaltung aufgebracht, sondern es wird die Manifestation eines Urgesetzes, eines Gesetzes der Schönheit, das nach den einfachsten Rissen und Linien die höchsten und reinsten Formen hervorbringt. Alles, Form und Stoff, ist für sie an dies Gesetz gebunden. Alle Funktionen sind Wirkungen desselben; sie werden durch keine äußeren Zwecke bestimmt, und ihr sogenanntes zweckmäßiges Aufeinander- und Zusammenwirken ist nichts weiter, als die notwendige Harmonie in den Äußerungen eines und desselben Gesetzes, dessen Wirkungen sich natürlich nicht gegenseitig zerstören.

Die Frage nach einem solchen Gesetze führte von selbst zu den zwei Quellen der Erkenntnis, aus denen der Enthusiasmus des absoluten Wissens sich von je berauscht hat, der Anschauung des Mystikers und dem Dogmatismus des Vernunftphilosophen. Daß es bis jetzt gelungen sei, zwischen letzterem und dem Naturleben, das wir unmittelbar wahrnehmen, eine Brücke zu schlagen, muß die Kritik verneinen. Die Philosophie a priori sitzt noch in einer trostlosen Wüste; sie hat einen weiten Weg zwischen sich und dem frischen grünen Leben, und es ist eine große Frage, ob sie ihn je zurücklegen wird. Bei den geistreichen Versuchen, die sie gemacht hat, weiter zu kommen, muß sie sich mit der Resignation begnügen, bei dem Streben handle es sich nicht um die Erreichung des Ziels, sondern um das Streben selbst.

War nun auch nichts absolut Befriedigendes erreicht, so genügte doch der Sinn dieser Bestrebungen, dem Naturstudium eine andere Gestalt zu geben. Hatte man auch die Quelle nicht gefunden, so hörte man doch an vielen Stellen (den Strom in der) Tiefe rauschen und an manchen Orten sprang das Wasser frisch und hell auf. Namentlich erfreuten sich die Botanik und Zoologie, die Physiologie und vergleichende Anatomie eines bedeutenden Fortschritts. In einem ungeheuren, durch den Fleiß von Jahrhunderten zusammengeschleppten Material, das kaum unter die Ordnung eines Kataloges gebracht war, bildeten sich einfache, natürliche Gruppen; ein Gewirr seltsamer Formen unter den abenteuerlichsten Namen, löste sich im schönsten Ebenmaß auf; eine Masse Dinge, die sonst nur als getrennte, weit auseinander liegende facta das Gedächtnis beschwerten, rückten zusammen, entwickelten sich auseinander oder stellten sich in Gegensätzen gegenüber. Hat man auch nichts Ganzes erreicht, so kamen doch zusammenhängende Strecken zum Vorschein und das Auge, das an einer Unzahl von Tatsachen ermüdet, ruht mit Wohlgefallen auf so schönen Stellen, wie die Metamorphose der Pflanze aus dem Blatt, die Ableitung des Skeletts aus der Wirbelform; die Metamorphose, ja die Metempsychose des Fötus während des Fruchtlebens; die Repräsentationsidee Oken's in der Klassifikation des Tierreichs u. d. gl. m. In der vergleichenden Anatomie strebte Alles nach einer gewissen Einheit, nach dem Zurückführen aller Formen auf den einfachsten primitiven Typus. (So gelangte man ... zur) Deutung der Gebilde des vegetativen (Nervensystems als Entsprechung) des Skeletts; nur für das (Gehirn ließ sich bis) jetzt kein so glückliches Resultat zeigen. (Wenn Oken) gesagt hatte: der Schädel ist eine Wirbelsäule, so mußte man auch sagen das Hirn ist ein metamorphosiertes Rückenmark und die Hirnnerven sind Spinalnerven. Wie aber dies im Einzelnen nachzuweisen sei, bleibt bis jetzt ein schweres Rätsel. Wie können die Massen des Gehirns auf die einfache Form des Rückenmarks zurückgeführt werden? Wie kann man die in ihrem Ursprung und Verlauf so verwickelten Nerven des Gehirns mit den so gleichmäßig mit ihrer doppelten Wurzelreihe längs des Rückenmarks entspringenden und im Ganzen so einfach und regelmäßig verlaufenden Spinalnerven vergleichen, und w(ie) endlich ihr Verhältnis zu den Schädelwirbeln dartun? Mancherlei Antworten wurden auf diese Fragen versucht. Eine besondere Mühe verwendete Carus darauf. Hier die Art wie er die Hirnnerven in seinem Werke von den Urteilen des Knochen und (Schalen)gerüstes ordnet. Das Gehirn hat nach ihm drei Hauptanschwellungen: die Hemisphären, die Vierhügel und das kleine Gehirn.

Diesen entsprechen drei Paar Schädelnerven. Jeder Schädelnerv entspringt gleich den Spinalnerven mit zwei Wurzeln, einer hinteren und einer vorderen, die sich aber nicht zu einem gemeinschaftlichen Stamm vereinigen, sondern jede für sich einen eigentümlichen Nerven bilden. Die drei hinteren Wurzeln sind nun der Riech, Seh und Hörnerv, die vorderen dagegen das fünfte Paar entsprechend dem Sehnerven, und das zehnte Paar entsprechend dem Hörnerven, während die vordere Wurzel des R(iechnerven durch das infundibulum) nur rudimentär angedeutet ist. D(ie übrigen Hirnnerven erweisen) sich als Unterabteilungen dieser W(urzelstämme.) (So zerfällt die hintere) Wurzel des zweiten Schädelnerven (in den opticus und patheticus) und die vordere in den facialis, oculomotorius, (abducens und den) eigentlichen trigeminus, und so zerfällt die vordere Wurzel des dritten Schädelnerven in den glossopharyngeus, hypoglossus, accessorius Will(is) und eigentlichen vagus. Man braucht nur aufmerksam zu machen, wie unpassend es sei zwei so deutliche Empfindungsnerven wie den vagus und trigeminus zu isolierten motorischen Wurzeln zu machen, um das Ungenügende dieser Anordnung nachzuweisen.

Der bedeutendste Versuch ist wohl der, welchen Arnold machte. Er zählt zwei Schädelwirbel; daraus ergeben sich zwei Intervertebrallöcher und somit zwei Paar Schädelnerven. Die vordere oder die motorische Wurzel des ersten Schädelnerven bildet die drei Muskelnerven des Auges und die kleine Portion des trigeminus; die hintere dagegen die große Portion dieses Nerven. Was den zweiten Schädelnerven betrifft so geht seine vordere Wurzel in den hypoglossus und den Beinerven und seine hintere in den vagus über. Die Knoten des vagus und trigeminus entsprechen den Spinalknoten. Der facialis wird zum vorderen, der glossopharyngeus zum hinteren Schädelnerven gerechnet, ohne daß sie jedoch einer von beiden Wurzeln beigezählt würden, sondern sie werden als gemischte, aus Bewegungs- und Empfindungsfäden zusammengesetzte Nerven betrachtet. Die obere Augenhöhlenspalte und das zerrissene Loch bilden die zwei Intervertebrallöcher, das ovale und runde Loch werden als zu der ersteren, das Gelenkhügelloch als zu dem letzteren gehörig (betrachtet. Die Nerven des Gesicht)s, Geruchs und Gehörs machen (eine besondere Gruppe aus; sie) werden nicht als eigentliche (Hirnnerven, sondern als) Ausstülpungen des Gehirns betrachtet, (eine Anschauung, die) auf ihre Entwicklung beim Fötus, ihren Mangel an Knoten, die den Spinalknoten entsprächen und auf ihr Unvermögen eine andere Empfindung, als die ihres eigentümlichen Sinnes, zur Erkenntnis zu bringen, basiert wird. Gegen diese Einteilung, welche sich, wie man auf den ersten Blick sieht, im höchsten Grade durch ihre Einfachheit empfiehlt, erheben sich jedoch mehrere bedeutende Gründe, namentlich macht das Absondern der drei höheren Sinnesnerven Schwierigkeiten. Die passive Seite des Nervenlebens erscheint unter der allgemeinen Form der Sensibilität; die sogenannten einzelnen Sinne sind nichts als Modifikationen dieses allgemeinen Sinnes, Sehen, Hö(ren,) Riechen, Schmecken sind nur die feineren Blüten desselben. So ergibt es sich aus der stufenweisen Betrachtung der Organismen. Man kann Schritt für Schritt verfolgen, wie von dem einfachsten Organismus an, wo alle Nerventätigkeit in einem dumpfen Gemeingefühl besteht, nach und nach besondere Sinnesorgane sich abgliedern und ausbilden. Ihre Sinne sind nichts neu Hinzugefügtes, sie sind nur Modifikationen in einer höheren Potenz. Das Nämliche gilt natürlich von den Nerven, welche ihre Funktionen vermitteln; sie erscheinen unter einer vollkommneren Form, als die übrigen Empfindungsnerven, ohne deswegen ihren ursprünglichen Typus zu verlieren. Jeder Empfindungsnerv charakterisiert sich aber bei den Wirbeltieren als ein aus den hinteren Marksträngen entspringendes Wurzelbündel, und somit sind die 3 höheren Sinnesnerven nichts weiter als isoliert gebliebne sensible Wurzeln. Bei den Fischen wird dies Verhalten ziemlich deutlich und bei den Cyprinen glaube ich ihren Ursprung von den hinteren Marksträngen oder den oberen Pyramiden gleich den übrigen Empfindungsnerven nachgewiesen zu haben. Übrigens würde mich die weitere Diskussion dieser Frage, über die noch Vieles zu sagen wäre, zu weit führen.

Es dürfte wohl immer verg(eblich sein, die Lösung des Problems in der) verwickeltsten Form, nämlich bei dem (Menschen zu versuchen.) Die einfachsten Formen leiten immer am Sichersten, we(il in) ihnen sich nur das Ursprüngliche, absolut Notwendige zeigt. Diese einfache Form bietet uns nun die Natur für dieses Problem entweder vorübergehend im Fötus, oder stehen geblieben, selbst ständig geword(en) in den niedern Wirbeltieren dar. Die Formen wechseln jedoch beim Fötus so rasch und sind oft nur so flüchtig angedeutet, daß man nur mit der größten Schwierigkeit zu einigermaßen genügenden Resultaten gelangen kann, während sie bei den niedrigen Wirbeltieren zu einer vollständigen Ausbildung gelangen und uns so die Zeit lassen sie in ihrem einfachsten und bestimmtesten Typus zu studieren. Es fragt sich also in unserem Falle, welche Schädelnerven treten bei den niedrigsten Wirbeltieren zuerst auf, wie verhalten sie sich zu den Hirnmassen und den Schädelwirbeln und nach welchen Gesetzen wird, die Reihe der Wirbeltiere durch bis zum Menschen, ihre Zahl vermehrt oder vermindert, ihr Verlauf einfacher oder verwickelter? Faßt man nun die Tatsachen, welche die Wissenschaft uns bis jetzt an die Hand gibt zusammen, so findet man 9 Paar Schädelnerven, nämlich: den olfactivus, opticus, die 3 Muskelnerven des Auges, den trigeminus, acusticus, vagus und hypoglossus bei allen Klassen der Wirbeltiere, während die drei (übrigen Schädelnerven, nämlich der facialis, glossopharyngeus) und accs Willisii, bald (als selbständige Nerven ausgebildet sind, bal)d nur als Äste des vagus (oder des trigeminus auftrete)n, oder gänzlich verschwinden. (So t)ritt bei den Fischen der facialis, als der Deckelast des 5. Paares auf, verschwindet dann bei der Mehrzahl der Reptilien und Vögel, und zeigt sich wieder bei den Säugetieren in dem Maße als die Physiognomie mehr Ausdruck bekommt und die Nasenrespiration bedeutender wird. So tritt der glossoph(aryngeus) bei den Fischen zwar als ein selbstständiger Stamm auf, verhält sich jedoch durch seine Verteilung an die erste Kieme ganz wie ein Ast des vagus, verschmilzt dann bei den Batrachiern und Ophidiern mit dem vagus, dessen ramus lingualis er bildet, isoliert sich wieder bei den Cheloniern und bleibt endlich bei den Vögeln und Säugetieren ein selbstständiger Nerv. So zeigt sich bei den Fischen und Batrachiern keine Spur von einem Beinerven, indem der vagus selbst die motorischen Fäden abgibt; erst bei den Sauriern, Cheloniern und Vögeln fängt er an sich zu isolieren und selbst bei den Säugetieren ist er im Allgemeinen eigentlich nicht von dem vagus getrennt. Ich nenne diese drei Nervenpaare abgeleitete Nerven und betrachte sie, wo sie selbstständig auftreten als isolierte Zweige des vagus und trigeminus, deren Isolation von der mehr oder weniger gesteigerten Funktion ihres Primitivnervenstammes abhängt. Damit wird das Problem viel einfacher, und (es erhebt sich nun die Frage: Wie lassen) sich die übrigen Paare auf den (Typus der Spinalnerven) zurückführen? Jeder Spinalnerv entspringt, w(enn er den Rückenmarkkanal verläßt,) 2 Wurzelbündeln, einem vorderen die Bewegung, (einem) hinteren die Empfindung vermittelnden. Beide Wurzeln vereinigen sich in einer gewissen Distanz vom Mark zu einem gemeinschaftlichen Nervenstamm. Je zwei Spinalnerven bilden durch ihre Insertion einen Markabschnitt, dem ein Wirbel entspricht. Dies das einfachste Verhältnis. Auf welche Weise kann nun dasselbe modifiziert werden?

  1. Beide Wurzeln vereinigen sich nicht mehr zu einem gemeinschaftlichen Stamm, sondern jede bleibt isoliert und bildet einen eignen, rein motorischen oder rein sensibeln Nerven.
  2. Beide Wurzeln vereinigen sich zwar, doch tritt eine partielle Trennung in ihren Fäden ein, so daß in den Ästen, welche der von ihnen zusammengesetzte Nerv abgibt die motorischen und sensibeln Fäden nicht mehr gleichmäßig verteilt sind. Dies Verhalten bildet den Übergang zu dem vorhergehenden.
  3. Eine von den Wurzeln avortiert, so daß sich nur die andere entwickelt.
  4. So wie von den zwei Wurzeln jede einen besonderen Nerven bilden kann, so kann dieser Nerv selbst wieder in mehrere isolierte Stämme zerfallen.

Auf diese 4 Modifikationen nun lassen sich, wie ich sogleich nachweisen werde, die Unterschiede zwischen den Schädel und (Spinalnerven zurückführen. Mit ihr)er Hülfe lassen sich 6 (Hirnnervenpaare unterscheiden,) denen entsprechend ich 6 Schädelwirbel (annehme, wie ich sie speziell bei den Fischen g)efunden zu haben glaube.

(Die) 6 Paar Schädelnerven sind: der Zungenfleischnerv, der (vag)us, der Hörnerv, das 5. Paar, der Sehnerv mit dem Muskelnerv des Auges und der Riechnerv.

Nichts ist leichter, als nachzuweisen, daß der hypoglossus ursprünglich mit einer hintern Wurzel und einem Spinalknoten versehen sei, und somit so gut als jeder andre Spinalnerv als ein selbstständiger Nervenstamm betrachtet werden müsse. Bei den Fischen entspringt der letzte Schädelnerv mit einer vorderen breiten und einer hinteren feinen mit einem Knoten versehenen Wurzel. Er tritt durch ein eignes Loch aus der Schädelhöhle und teilt sich darauf in zwei Äste, einen vorderen und einen hinteren. Der vordere läuft indem er einen Bogen bildet nach vorn zu den Muskeln des Zungenbeins, der hintere vereinigt sich mit dem ersten Spinalnerven und geht zur vorderen Extremität. Die Bedeutung dieses Nerven als hypoglossus ergibt sich fast auf den ersten Blick, indem der vordere Ast dem Bogen, der hintere der ansa entspricht. Der Frosch liefert übrigens den direkten Beweis. Zwischen dem vagus und dem ersten Spinalnerven entspringt ein Nerv mit zwei Wurzeln gerade wie bei den Fischen; er teilt sich ebenfalls in zwei Äste, einen (vorderen, der sich an die Muskulatur der) Zunge verteilt und (einen hinteren, der bei den Fischen und bei den höheren Wirbeltieren) zur vorderen Extremität geht. (Es ist ohne weiteres klar, daß dieser) Nerv dem hypoglossus der höheren Tiere entspricht und (eben) so evident, daß er mit dem fraglichen Nerven der Fische identisch ist. Bei den Fischen und Fröschen erscheint also der hypoglossus als ein selbstständig(er) Nerv (und zeigt) auf das deutlichste den Typus eines Spinalnerven. (Ja, noc)h mehr, bei dem Frosch ist er eigentlich der (erste) Spinalnerv, indem der ihm entsprechende Schädelwirbel (sic)h wieder in einen Rückenwirbel verwandelt hat und somit der vagus der letzte Gehirnnerv ist. Außerdem hat Maier selbst bei verschiednen Säugetieren und einmal sogar bei dem Menschen, eine feinere, hinten mit einem Knötchen versehene Wurzel des hypoglossus gefunden. – Bei dem hypoglossus des Menschen tritt also die dritte der erwähnten Modifikationen ein, die Empfindungswurzel ist avortiert und nur die motorische hat sich entwickelt, ein Verhältnis das übrigens schon bei dem Fisch und Frosch durch das Überwiegen der vorderen Wurzel über die hintere angedeutet ist.

Was den trigeminus anbelangt, so ist selbst bei dem Menschen, aus dem eigentümlichen Verhältnisse seiner portio major und minor, seine Analogie mit dem Spinalnerven unverkennbar und längst anerkannt.

(Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den) Fischen, wo außerdem (eine enge Beziehung zwischen dem trigeminus und dem facialis besteht, und wo die eigen)artigen Gebilde des (ramus opercularis vorhanden sind, der als hauptsächlich motorischer Ast der vorderen Wurzel der) Spinalnerven entspricht.

(Mit dem) vagus hat die Sache bei den höheren Tieren mehr Schwier(igkei)t, doch helfen auch hier die niederen Formen. So entspringt bei dem Hecht zum Beispiel der vagus aufs Deutlichste mit 2 Wurzeln, einer vorderen und hinteren, die sich erst nach ziemlich langem Verlauf bei ihrem Austritt aus der Schädelhöhle (vereinigen) und daselbst einen Knoten zeigen. Dieser Spinalknoten (des) vagus ist bei vielen Fischen von enormer Größe und (findet) sich, wie bekannt, noch bei dem Menschen. Vagus und trig(eminus) bieten die zweite Modifikation dar, nämlich die partielle Trennung der motorischen und sensibeln Fäden in den Stämmen, in welche diese Nerven sich teilen, nämlich den facialis, glossopharyngeus und access. Will. wie ich bereits gezeigt habe. Im vagus wird diese Trennung vollständiger als beim trigeminus, wenigstens scheint dies aus dem Verhältnis des Beinerven zum vagus hervorzugehen, indem letzterer wirklich ohne alle motorische Fäden zu sein scheint. – Das 10. und 5. Paar zeigen in der ganzen Reihe der Wirbeltiere eine auffallende Symmetrie. Der vagus verhält sich zur Brust und Bauchhöhle wie der trigeminus zur Wiederholung dieser Höhlen am Kopf, nämlich der Mund und Nasenhöhle. Kurz, der trigeminus ist ein vagus in einer höheren Potenz. Dies Verhältnis wird bei den Säugetieren besonders deutlich. Das 10. Paar teilt sich in 3 Nervenstämme, den acc. Will., den eigentlichen vagus und den glossopharyngeus; das 5. Paar ebenfalls in drei(,) den facialis, den (eigentlichen trigeminus und den Zungenast des trigeminus, den) man eben so gut als (vollständig selbstständigen Nerven auffassen kann.) Wie der acc. Will. Atemnerv (des Halses und eines Teiles der Brusthöhle ist, so ist) der facialis Respirationsnerv des Kopfes; wie der (Vagusstamm der Empfindungsnerv des) Darmkanals ist, so ist der Zungenast des trigeminus der (sensible Nerv der Zunge,) diesem vollkommensten Teile des Darmkanals, diesem Organe (des Eingeweidesinnes,) wie Oken so sinnreich den Geschmack nennt. Endlich wie de(r vagus den) glossopharyngeus al(s Geschmack)snerven zur Zunge, so schickt der trigeminus den ge(trennt verlaufenden ophthalmicus) als Hülfsnerven zur Nase und dem Auge.

Es bleibt mir jetzt noch die Analogie der drei höheren Sinnesnerven mit den (Spin)alnerven nachzuweisen. Der acusticus und olfactivus sind als hintere Wurzeln zu betrachten, deren vordere avortiert ist. Die Analogie, woraus ich dies schließe, liefert der hypoglossus, dessen hintere bei den Fischen, Fröschen und manchen Säugetieren vorkommende Wurzel bei dem Menschen avortiert, während nur die vordere sich entwickelte. Das Umgekehrte ist bei dem acusticus und olfactivus der Fall. Nur die hintere Wurzel entwickelt sich und die vordere avortiert.

Für beide wird die motorische Wurzel durch den facialis ersetzt. Für den acusticus erklärt sich dies leicht, wenn man bedenkt in welchem Verhältnis der, dem facialis entsprechende Deckelast der Fische zu der Kiemenhöhle steht. Oken hat nämlich nachgewiesen, das Ohr mit Ausnahme des Labyrinths sei nur eine metamorphosierte Kiemenhöhle und so sieht man leicht, daß die Fäden, welche der facialis bei Vögeln und Säugetieren dem äußeren und inneren Ohr gibt, das Verhältnis des Deckelastes zur Kiemenhöhle wiederholen. –

In dem Sehnerven und den Muskelnerven des Auges treten endlich beide Wurzeln als isolierte Nerven auf, die hintere als zweites, die vordere als 3., 4. und 6. Paar, indem diese letzteren der vierten Modifikation, (wo eine Wurzel wieder in besondere isolierte Nervenstämme zerfällt, entspricht.) Das 3. und 6. Paar (entspringen ganz nahe beieinander und ungefähr auf gleicher Höhe,) das eine vor dem (anderen, und bilden so zwei Fäden einer gemeinsamen Wur)zel, von denen der eine (etwas früher als der andere aus dem) Mark tritt. Das vierte Paar macht dagegen (größere Schwierigkeiten,) doch sein Verhalten bei manchen Fischen hebt sie größtenteils. (Es entspringt bei) den Cyprinen und dem Hecht vom äußeren Rand der vorderen Pyram(idenstränge, fol)glich vom nämlichen Markstrang wie das dritte und sechste.

In dem (Augenm)uskelnerv erreicht der Nerv als solcher seine höchste Entfaltung, er v(erhä)lt sich, um ein Beispiel zu geben, zu den übrigen Nerven wie der Huf (des Pferdes zu) der Hand des Menschen. Was in dem ersteren noch verbunden liegt, glie(dert) sich in der letzteren im schönsten Verhältnis ab. Diese Entwicklung fäl(lt) mit der Bedeutung des Auges zusammen, von dem Oken wahrhaftig mit Recht (sagt,) es sei das höchste Organ, die Blüte oder vielmehr die Frucht aller organischen Reiche.

So wären denn 6 Paar Schädelnerven gefunden: 1. der Riechnerv, 2. der Sehnerv mit dem 3., 4. und 6. Paar, 3. der trigeminus, 4. der acusticus, 5. der vagus, 6. der hypoglossus.

Ihre rechte Begründung kann übrigens diese Einteilung der Schädelnerven erst durch ihre Vergleichung mit den Schädelknochen erhalten. Diese jedoch auszuführen und nachzuweisen, wie ich diesen 6 Paaren 6 Schädelwirbel entsprechend, gefunden zu haben glaube, erlaubt die Zeit nicht.

Vergleicht man endlich die Schädelnerven untereinander, so findet man, daß sie sich in zwei Gruppen teilen. Die eine, gebildet vom acusticus und opticus, diesen Nerven des Schalls und des Lichts, ist der reinste Ausdruck des animalen Lebens; die andere, bestehend aus dem hypoglossus, vagus, trigeminus und olfactivus, erhöht das vegetative zum animalen Leben. So werden wir uns des Aktes der Verdauung und der Respi(ration durch den vagus bewußt, so wird die Zunge als) ein wesent(licher Bestandteil des Verdauungskanals durch den Einfluß) des hypoglossus dem Willen un(terworfen und dadurch ein) wahres Glied des Kopfes; so entwickeln sich (Geschmack und Ger)uch als die Sinne des Darm und des Atemsystem(s unter dem) Einflusse des trigeminus und des olfac(tivus. Die Nerven) dieser letzteren Gruppe unterscheiden sich jedoch dadurch (nicht) wesentlicher von den übrigen Spinalnerven, als die Lendennerven, welche zu den Organen der Zeugung gehn. Die ersteren verhalten sich zur Verdauung und Respiration, wie die letzteren zu den Geschlechtsverrichtungen. Außerdem sind ja alle Spinalnerven durch ihren Einfluß auf die Respirationsbewegungen ebenfalls an das vegetative Leben geknüpft.


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