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IX.

Massen kam vom Morgenritt nach Hause. Er war guter Laune; der Reitlehrer hatte ihn gelobt.

»Sie haben Fühlung mit dem Tier, Herr Massen.«

»Fühlung mit dem Tier – Fühlung mit dem Tier,« summt Massen, während er die Reitpeitsche auf den Klubsessel am Fenster wirft. Johan Lind sieht sie fallen, die Tür steht einen Spalt breit offen.

Darauf hört er die Haushälterin sagen, daß ein Herr da sei.

Jetzt steht er mit meiner Karte in der Hand und denkt: Zum Teufel, was will der Mensch von mir?

Es dauert eine Weile, dann geht die Tür auf.

»Guten Morgen!«

Dort steht Herr Börsenmakler Massen mit Morgenfrische aus Wald und Feld, mit seinem bekannten Lächeln unter dem Faltennetz des linken Auges, das ihm den Beinamen »Die Grimasse« eingetragen hat.

»Was steht zu Diensten?« sagt er und deutet mit der Hand auf den nächsten Stuhl.

Johan Lind betrachtet den Stuhl bedenklich, bevor er sich setzt, denn er ist sehr niedrig und tief.

Massen nimmt ihm gegenüber Platz, indem er das eine gelbe Reithosenbein über das andere schlägt.

Er betrachtet seinen Gast mit hervortretenden, klaren Augen. Die weiße Halsbinde ist hübsch und elegant gebunden. Das junge Kinn glänzt von sorgfältiger Barbierpflege. Das dichte, blonde Haar ist in der Mitte gescheitelt und legt sich in Wellen über die lange Schläfe.

»Sie wünschen?« sagt er etwas ungeduldig, während er den merkwürdigen Gast, der so versonnen dasitzt, zu taxieren versucht.

»Eigentlich komme ich in der Angelegenheit eines anderen,« sagt Johan Lind schließlich, und rückt auf seinem Stuhl.

»Privat, nicht wahr?«

Massen beugt sich hastig vor, stützt den Ellbogen auf den Tisch und läßt seine schlanke Hand elegant über das Knie fallen; diese Geste ist ihm zur Gewohnheit geworden, er denkt nicht mehr darüber nach.

Der Rock seines Gastes ist blank an den Kanten, die Beinkleider sind lange nicht gebügelt worden, Massen wirft einen verstohlenen Blick auf die Visitenkarte, die auf dem Tisch liegt, aber es steht nur der Name darauf.

»Lassen Sie uns ohne Umschweife zur Sache gehen.« sagt Johan Lind und richtet sich in dem tiefen Sessel auf.

Massen lächelt mit seinem Faltennetz und wirft den Kopf keck in den Nacken.

»Ich bitte darum!« sagt er. »Mit wem habe ich die Ehre?«

»Ich bin derjenige, der in der Unglücksnacht zu dem Weichensteller von Verantwortung und Abrechnung gesprochen hat, so daß der Mann verwirrt wurde und fehlgriff.«

Massen ist sofort auf dem Laufenden. In der Zeitung stand ja, »ein Mann, der wie ein Geistlicher oder Philosoph aussieht«. Das stimmt.

»Wie kam es eigentlich, daß Sie die Notbremse zogen?«

Massen unterdrückt sein Erstaunen, weltmännisch wie er ist, und sagt freundlich:

»Ich wollte bei meinem Landsitz aussteigen.«

»War das wirklich der einzige Grund?«

»Was sonst?«

»Ja, das ist nicht so einfach zu sagen. Etwas – wie soll ich mich ausdrücken – etwas, was niemand kennt, trieb mich zu jener Zeit in die Nacht hinaus und ließ mich die Worte zu dem Mann sagen. Darum möchte ich gern wissen, ob nicht auch in Ihnen etwas vorgegangen ist, das Sie Ihren Gewohnheiten zum Trotz veranlaßte, die Reise zu unterbrechen und die Notbremse zu ziehen?«

Massen gibt sich keine Mühe mehr, sein Erstaunen zu verbergen. Er überlegt einen Augenblick und sagt dann zögernd:

»Nicht, daß ich wüßte.«

»Nein, natürlich.« Johan Lind nickt zustimmend. »Sie sind noch so jung. Und Sie spielen.«

Massen sieht ihn scharf an. Das eine Bein gleitet herab. Was will dieser Mann?

Johan Lind antwortet, bevor er noch gefragt hat.

»Diese Frage hat mit meiner eigentlichen Angelegenheit nichts zu tun. Das ist nur ein persönliches Interesse, das ich an dem Ereignis nehme – durch Sie kann ich also auch nicht klüger werden.« fügt er mit einem Seufzer hinzu.

Massen wirft einen Blick auf die hübsche Tafeluhr – Empire mit Alabastersäulen – und sagt mit seinem höflichen Lächeln: »Und Ihr eigentliches Anliegen?«

»Betrifft den Weichensteller.«

»Was ist's mit ihm?«

»Er ist in Not mit seinen acht Kindern; seine Frau liegt im Sterben.«

»Wieviel wollen Sie haben?«

Massen greift nach seiner Brusttasche.

»Es handelt sich nicht um Geld. Der Mann ist drauf und dran, seelisch zu verbluten.«

Massen blickt teilnahmsvoll, aber ohne Verständnis auf.

»Er ist sich keiner Schuld bewußt. Er ahnt nicht, wie das Unglück geschehen ist. Nun frage ich Sie: Haben wir ein Recht, uns an ihm zu rächen, weil er dazu ausersehen wurde, den Fehlgriff zu tun?«

»Uns rächen?«

»Für etwas, was wir bis auf weiteres als einen Zufall bezeichnen müssen. – Ich frage, wo liegt der Grund zu dem Unglück?«

»Weil der Mann fehlgriff, nehme ich an.«

»Schön. Aber wenn das Unglück nichts als ein zufälliger Fehlgriff war, so ist es auch nichts anderes als ein Zufall, daß es Euer Hochwohlgeboren beliebte, die Notbremse zu ziehen, und dadurch das Unglück verhütete.«

Massen stutzt einen Augenblick bei dem Hochwohlgeboren. Lächelt darauf liebenswürdig:

»Das mag wohl sein.«

»Der Zufall, daß Sie den Zug halten ließen, um bei Ihrem Landsitz auszusteigen, war ein Vergehen.«

Massen lächelt nachsichtig.

»Ja. Ich habe Strafe dafür zu zahlen.«

»Nun kann ich aber beim besten Willen zwischen Ihnen und dem Weichensteller keinen anderen Unterschied sehen, als daß sein Zufall ihm Pech brachte, und Ihnen der Ihrige Glück. Sein Zufall war, wenn ich mich so ausdrücken darf, ein unglücklicher, und Ihrer ein glücklicher Fehlgriff. Er steht wie ein Verbrecher da, Sie als Retter.«

Johan Lind kneift die Augen zusammen und betrachtet Massen mit einem seltsamen Lächeln.

»Wie ist Ihnen als zufälligen Retter so vieler Menschenleben zumute?«

»Großartig!«

Es kam strahlend, tief aus dem Herzen.

»Die ersten Männer des Landes waren mit im Zuge.«

Wieder das seltsame Lächeln.

»Nicht wahr? – Wo wären die heut, wenn ich mein kleines Vergehen nicht begangen hätte?«

Massens Augen werden größer und runder, seine Backen röten sich; die Halsader schwillt hinter der weißen Binde.

»Sehen Sie her« – er springt auf und nimmt eine Mappe von seinem Schreibtisch –, »diese Mappe ist voll von Dankschreiben. Hier: Von dem Sekretär – Sie wissen, Glarby –, er dankt mir auf seine scherzhafte Weise für meinen ›unter anderen Gesichtspunkten so verwerflichen Notbremsezug. Sie haben dem Vaterlande und der internationalen Valuta-Kommission viele kostbare Leben bewahrt‹.«

Johan Lind blickt lange vor sich hin, dann sagt er ernst:

»Was alles also haben Sie ihm zu verdanken?«

»Wem?«

»Dem Weichensteller. Denn wenn sein Zufall nicht zuerst gekommen wäre, dann wäre der Ihre ja nur ein dummer Jungenstreich gewesen.«

»Na, na,« sagt Massen und lacht gutmütig.

»Man hätte in den Zeitungen weidlich auf Sie geschimpft. Und das hohe Komitee, das Sie aufzuhalten gewagt hätten, würde Sie aufs strengste verurteilt haben. Ihrer Stellung an der Börse und bei der Bank würde es sicher geschadet haben.«

»Unbedingt!«

»Stattdessen wurden Sie der Retter aller. Sie zogen die Notbremse, – die Vorsehung erbarmte sich der Passagiere durch Sie.«

»Ja, das ist wahr.«

Seine Augen strahlen, er reibt sich vergnügt die Hände. Plötzlich aber hält er inne. Ist etwas in den Augen des Gastes, das ihn nachdenklich macht? Er scheint so sonderbar durch ihn hindurchzusehen. Massen wittert so etwas wie einen Hinterhalt. Dieser Mann da sieht aus, als ob er etwas wüßte, was kein anderer weiß. Massen möchte ihn fragen, wagt es aber nicht.

»Sie haben Glück im Spiel!« sagt Johan Lind schließlich einfach.

Massen atmet erleichtert auf.

»Ja,« sagt er ernst, »es war die größte Chance meines Lebens.«

Er bedenkt sich einen Augenblick, denn der Mann ist ja ein Fremder, und wenn er auch kein Geschäftsmann ist – aber er kann nicht länger an sich halten.

»Ich will Ihnen nämlich sagen, die Leute sind wie toll, alle wollen mir ihr Geld anvertrauen. Sie müssen ja ein Riesenglück haben, sagen alle. Ich habe mehr Leute engagieren müssen, weil mein Personal die Arbeit nicht mehr bewältigen konnte. Die alte Baronesse, die mit im Zuge war, kam zu mir, um mir die Hand zu drücken – sie vergoß Tränen. Ich hätte ihr Leben gerettet, und jetzt soll ich für sie spekulieren. Ich sei der einzige, dem sie ihr Geld anvertrauen möchte. Ein Propst war auch da. Er spiele sonst nicht, niemals, prinzipiell nicht, – doch bei einem, der dazu begnadet sei, so viele Menschenleben zu retten, könne das Spekulieren unmöglich eine Sünde sein. Er nannte mich ›Der Begnadete‹. Und ein kleiner Journalist aus der Provinz sandte mir sein Erspartes, lumpige 500 Kronen, die er auf mich setzen will. Und sogar Ludwig N. Petersen, der Millionär, wissen Sie, kam vorgestern zu mir an der Börse und sagte: »Hören Sie mal, Sie Glückspilz und Erretter –«

Massen verstummt, er ist ja drauf und dran, Geschäftsgeheimnisse zu verraten.

»Kurz gesagt – ich habe alle Hände voll. Wenn ich bedenke –«

Fast hätte er sein Geheimnis verraten. Johan Lind kann es ihm ansehen. Ihre Augen begegnen sich in einem prüfenden Blick.

»Wenn die Not am größten, –« sagt der Gast und nickt bedeutungsvoll.

Massen stutzt und wird rot bis unter die Augen.

»Sind Sie Geschäftsmann?«

»Nein!«

»Ehrenwort?«

»Auf Ehre!«

»Na schön,« sagt er ernst, »es stimmt. Woraus aber schlossen Sie das?«

»Ich hatte eine Ahnung.«

Massen beugt sich vor. Seine Stimme wird leise und vertraulich, während er sein Gemüt erleichtert. Er hat es noch niemandem zu sagen gewagt.

»Ich hatte keinen ruhigen Augenblick mehr. Ich wagte nicht einzuhalten, nicht nachzurechnen. Mein einziger Trost war: du bist erst vierundzwanzig Jahre alt! Ach, es ist schrecklich, wenn man Leute trösten und ermuntern, ihnen ehrlich in die Augen sehen soll, während man bei sich denkt, morgen sind sie mit ihren paar Groschen hereingefallen. Denn ein Outsider an der Börse, verstehen Sie, hat ja meistens mit kleinen Sparern, zu tun. Angestellten und dergleichen. Man hat nie genug Geld in den Händen, um eine Chance, wenn sie endlich da ist, auszunutzen. Aber jetzt – jetzt endlich kommen die reichen Leute mit ihren großen Summen zu mir, Leute, die etwas wagen, und einen Verlust tragen können, sie drängen sich mir geradezu auf. Und es ist eine bekannte Tatsache, daß diejenigen, die einen Verlust tragen können, meistens gewinnen. Ich kann so viel Kapital bekommen, wie ich will. Sogar der bekannte Millionen-Petersen kam zu mir während der Börse –«

Das aber ist Geschäftsgeheimnis. Massen stockt, hebt die Arme wie befreit über den Kopf, und streckt die langen, weißen Finger wie zum Opfer oder Gebet gen Himmel.

»Sie hatten also eine Notbremse nötig!« sagt Johan Lind, betrachtet die weiße Hand, und denkt an jenen begnadeten Augenblick, als sie sich nach dem kleinen roten Handgriff unter der Decke reckte.

»Das ist wahr!«

Massen sieht erstaunt, wie die grauen Augen seines Gastes ihn plötzlich zu vergessen scheinen und in die Ferne blicken.

Sollte das der Sinn sein, denkt Johan Lind.

»So hat also doch etwas dahinter gesteckt,« sagt er, und blickt in die klaren, kurzsichtigen Knabenaugen.

»Was denn?«

»Sie sollten gerettet werden.«

Massen versucht die Stimmung von sich abzuschütteln, er ist kein Liebhaber von Mystik: doch kann man nicht leugnen, daß das Unglück sein Glück geworden ist.

»Wieviel soll ich ihm geben?«

»Dasselbe, das Sie gerettet hätte, wenn Sie keine Notbremse gefunden und mit Ihren kleinen Sparern zum Teufel gegangen wären.«

»Und was ist das?«

»Selbstvertrauen. Bestätigen Sie ihm, daß nicht Sie die Ursache zur Rettung, sondern nur das unfreiwillige Werkzeug waren, wie er nicht die Ursache zum Unglück, sondern nur das unfreiwillige Werkzeug war, das es hervorrief. Daß nicht mehr Grund vorliegt, ihn für das Unglück verantwortlich zu machen, als Sie für die Rettung zu ehren. Daß wir alle Werkzeuge sind, nicht dazu berufen, einander zu richten. Daß Sie darum ihm als Weichensteller trauen, wie jedem anderen, eher mehr, da es nicht wahrscheinlich ist, daß er zweimal als Werkzeug ausersehen ist. Denn das würde jede Vorstellung von einer Vorsehung in uns zunichte machen, würde uns in die blinde Oede zurückzwingen, wo jede Strafe, jede Verantwortung überhaupt sinnlos wäre.«

»Sehr richtig!« sagt Massen und nickt.

Den Schluß hat er nicht verstanden. Aber es schadet nichts. Dem Weichensteller soll geholfen werden. – aber wie? Nur das Praktische an der Sache interessiert Massen.

»Glauben Sie, daß man ihm seine Stellung erhalten kann?«

»Nein, das glaube ich nicht, denn die Menschen verfolgen das Unglück ebenso, wie sie hinter dem Glück herjagen. Er wird abgesetzt, Sie befördert werden.«

»Was ist dabei zu machen?« sagt Massen etwas verletzt, »ich bin bereit zu helfen, wenn Sie mir nur sagen, wie Sie es sich gedacht haben.«

»Sie sollen ihm helfen seine Selbstachtung zu bewahren, sonst verblutet er sich.«

»Wie soll ich das machen?«

»Geben Sie ihm eine Erklärung, daß Sie bereit sind, sich seiner Weichenstellung ein andermal wieder anzuvertrauen. Und lassen Sie diese Erklärung von vielen Passagieren, die damals mit im Zuge waren, unterschreiben, am liebsten von allen.«

Massen prüft den Vorschlag einen Augenblick.

»Sagen Sie all Ihren Kunden.« fährt Johan Lind fort, »daß sie dem Weichensteller ihr Glück zu verdanken haben, und daß der von Glück Begünstigte den von Unheil Betroffenen nicht vergessen darf.«

Massen stellt sich die Baronesse und den Propst und den Millionen-Petersen vor.

»Das ist nicht logisch, mein Herr, denn wer mich meines Glückes wegen aufsucht, muß den Weichensteller konsequent seines Peches wegen verfolgen. Das haben Sie ja selbst gesagt: darum wird keiner diese Erklärung unterschreiben.«

»Das ist wahr! Dann müssen Sie eben die Leute veranlassen. nicht auf Sie und Ihr Glück zu setzen, dann stimmt das Rechenexempel.«

Massen wirft sich zurück und lacht herzlich.

»Und wenn die Baronesse und die anderen nicht bei mir spielen, dann verdiene ich kein Geld, bin nicht mehr der Glückspilz und kann nicht helfen.«

»Da sieht man. –« Johan Lind lächelt müde, »wie untrennbar alle Dinge zusammenhängen. Sie müssen also lügen, müssen den Leuten klar machen, daß das Glück Ihnen nicht treu bleiben wird, wenn Sie dem Weichensteller nicht helfen.«

Johan Lind erhebt sich mühsam aus dem niedrigen Stuhl. Er ist müde, aber er hat auch gesagt, was er wollte.

»Ja,« sagt Massen und reicht ihm die Hand, »das will ich tun, ich verspreche es Ihnen. Ich will eine Adresse aufsetzen, und als Erster unterschreiben.«

Der Gedanke sagt ihm zu. Massen, der Erretter aller, vergißt den nicht, der das Unglück verschuldete. Seht einer den Massen, wird man auf der Börse sagen. Massen hat Herz, werden seine Freunde sagen.

»Ja, alle sollen unterschreiben. Ich lege die Adresse vor, wenn sie mit ihren Aufträgen kommen: Bitte, hier erst unterschreiben, ein Scherflein für die Unglücklichen! Sonst haben wir kein Glück bei unserem Geschäft. Wenn ich erst die großen Namen habe, kommen die anderen schon von selbst. Die Namen und Adressen von den Leuten, die im Zuge waren, haben ja in der Zeitung gestanden.«

Es ist sonderbar, wie ihm seit jenem Tage alles gelungen ist. Sollte es möglich sein, daß die Vorsehung seinetwegen alles arrangiert hat? Aber wäre das nicht zu viel? Massen ist nicht eingebildet. Es sei denn, daß es sich um einen Diskont handelt. Wenn es so gemeint war, sollte der Alte dort oben – wenn er wirklich da war – nicht betrogen werden. Er wollte sein Bestes tun. Daß es gleichzeitig ein gutes Geschäft war, konnte nicht schaden. Warum sollten Barmherzigkeit und Geschäft nicht zusammengehen?

»Mit den Unterschriften aber ist es noch nicht getan,« sagt Massen. »Geld gehört auch dazu: denn seine Stellung verliert er, und von Selbstachtung kann er mit Frau und acht Kindern nicht leben.«

»Wir machen also eine Liste, und ich eröffne sie mit einer runden Summe. Ihre Adresse müssen Sie mir noch geben.«

»Danmarksgade 27.«

Massen stutzt, notiert die Adresse auf der Visitenkarte und blickt dann mit unschuldiger Miene auf.

»Verzeihung, Herr Lind, stand nicht in der Zeitung, daß Sie Geistlicher oder Professor seien?«

»Ich bin keines von beiden,« sagt Johan Lind, bereits in der Tür.

»Na, Philosoph sind Sie auf alle Fälle!« sagt Massen und lächelt mit seinem Faltennetz, »das können Sie nicht leugnen.«

»Also schön.« – Johan Lind sieht ihn freundlich an – »meinetwegen.«

»Haben Sie etwas dagegen, daß ich der Baronesse und den anderen erzähle, daß Sie hier gewesen sind?«

»Ist das notwendig?«

»Es macht die Sache interessanter, wenn ich den Leuten sage, daß der Nachtwanderer mir den Gedanken eingegeben hat. ›Der Philosoph aus der Danmarksgade‹ – ha ha – das klingt famos.«

Johan Lind verzieht den Mund.

»So sind die Leute nun einmal!« versichert Massen.

Er dankt Johan Lind für seinen Besuch, drückt ihm noch einmal die Hand und sagt, während er ihm von der Entreetür zunickt, daß er jetzt alle Hände voll zu tun bekomme.


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