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Frau Norden wirtschaftete in der Küche sehr verstimmt und verdrießlich.

Pauline war von München zurückgekommen, ohne die erwünschte Stellung erhalten zu haben. Da hatte sie nun wieder ihre letzten Ersparnisse verreist und verbraucht, ohne etwas erreicht zu haben.

Frau Norden schrak ordentlich zusammen, als plötzlich ein bärtiger junger Mann fast ohne zu klopfen, eintrat und kurz und energisch nach Pauline fragte. Er kam ihr bekannt vor, aber sie wußte doch nicht recht, was mit ihm beginnen.

Er schien gar nicht auf ihre Antwort gehört zu haben, sondern trat in die Wohnstube ein, wo Pauline am Fenster saß und wieder ihre Goldstickerei vor hatte.

Mit einem Freudenschrei sprang sie auf, ohne ein Zeichen der Ueberraschung, denn sie hatte ihn erwartet. Er mußte ja kommen, der Retter aus den unaussprechlichen Qualen und Sorgen der jüngsten Vergangenheit: er mußte kommen, der Verkünder eines neuen, fabelhaften Glückes. Und gerade hier in der engen Arbeitsstube mußte er sie aufsuchen, mußte er sie finden. Auf den ersten Blick sah sie es ihm an, er wußte alles!

Eine ganze Weile sahen sie einander ins Auge, ohne zu sprechen, strahlenden Blickes. Sie verstanden sich. Nun sagte er mit bewegter Stimme: »Ich habe alles erfahren und alles begriffen, Pauline. Sie haben sich für mich aufgeopfert mit einem Großmut ohnegleichen. Wie es Ihnen möglich war, das begreife ich nicht. Vielleicht war jene Erbschaft, mit der wir Sie damals neckten, eingetroffen, und Sie hatten sie weggeworfen für mich: hier ist Geld – nehmen Sie es wieder. Gleichviel wie es zuging, Sie sind eine große Seele, eine wahre Heldennatur, die nicht vor dem zurückschreckt, was kleine Seelen, kleine Menschen zittern macht. Sie sind das hochgesinnte Weib, dessen Empfinden weit über die Alltäglichkeit hinausreicht. Bisweilen habe ich von einem solchen Weibe geträumt, aber ich glaubte, daß es nirgends existierte. Josepha, das gute, einfältige Kind, war es nicht, auch nicht »Ariadne« mit dem ideal schönen Kopfe, dem leeren, kalten Herzen. Sie sind es, Pauline. Sie sind das Weib ohnegleichen, und Sie – o unfaßbares Glück! – Sie lieben mich – Sie haben mich immer geliebt?!«

Stolz, freudig, ohne Zögern versetzte sie: »Ja!«

Entzückt faßte er ihre Hand. »Noch bin ich Deiner nicht wert, Pauline, aber ich will mir Mühe geben, es zu werden. Komm mit mir, mein Wagen wartet unten; ich will Dich auf der Stelle zu meinem edlen Pflegevater führen. Auch er ist ein starker, ganz und gar ungewöhnlicher Geist; er wird Dich als meine Braut lieben, verstehen, und in seinem Hause, welches nun auch das meine ist, willkommen heißen.«

Frau Norden hatte in der Küchentür gestanden und alles gehört; aber sie hatte nichts verstanden. Was hatte Pauline da nur wieder hinter ihrem Rücken angezettelt, ohne daß ihre leibliche Mutter eine Ahnung davon hatte?

Der fremde junge Herr schien der totgesagte Karl Hilmar zu sein, und Pauline war gar nicht überrascht davon, daß er erschien. Sie wußte also von der Geschichte.

Und nun führte er sie fort, angeblich als seine Braut!

»Sei nicht böse, Mutter,« sagte Pauline im Vorübergehen, »daß ich Dir jetzt nichts erkläre. Ich werde es später tun, und Du wirst dann zufrieden sein.«

Und fort war sie.

Dazu hatte Pauline nicht einmal ihr gutes, blaues Kleid an, sondern nur ihr Hauskleid; zum Glück war es erst heute früh aufgeplättet worden.

Zu toll war das alles! Frau Norden kam sich vor wie die Henne, die ein Entlein ausgebrütet hat, und nun erschrocken hin und her läuft, weil das Entlein fortschwimmt.

*

Das erste der glücklichen Paare, welches vor den Altar trat, waren Armin Bode und Josepha Hilmar. Sie waren ein fabelhaft glückliches Brautpaar. Karl Hilmar war Brautführer, Pauline Norden Brautjungfer.

In wenigen Wochen wollten auch sie den Bund für das Leben schließen, sobald Karl in München seine Studien beendet haben würde. Herr Brennus hatte Karl förmlich adoptiert und zu seinem Erben eingesetzt; er ist ganz einverstanden mit der Wahl seines Stiefsohnes, denn ihm gefallen Menschen und Dinge, die vom Gewöhnlichen abweichen.

Das dritte Paar waren Oskar von Waldenburg und die wirkliche Baronin mit dem langen, altadeligen Stammbaum.

Gleich an jenem Tage, da der Chef von der gerichtlichen Vernehmung nach Hause kam, war er plötzlich entlassen worden. Hilmar verzichtete jedoch darauf, feindselige Schritte anderer Art gegen den Denunzianten zu unternehmen, einerseits, weil dessen heftige Eifersucht als mildernder Umstand für sein Verhalten gelten konnte, andererseits, weil die ganze peinliche Episode ja in Vergessenheit geraten sollte.

Sein Onkel, der Herr Major a. D., der ja auch in den Kreisen, in denen sein Neffe bisher gelebt hatte, eine schwere Kränkung erfahren hatte, verzieh ihm die häßliche Rache an Karl Hilmar und erbarmte sich des brotlos Gewordenen.

Er verschaffte ihm die damals versprochene Anstellung bei der Sportzeitung.

Oskar von Waldenburg kehrte also nun in die aristokratischen Kreise zurück, für welche ihn »seine Geburt« bestimmt hatte.«

Seine Braut war noch einen Kopf kleiner als er, also unverhältnismäßig klein für ihren großen Stammbaum.

Oskar war jetzt sehr zufrieden, daß er der Verlockung widerstanden hatte, eine Bürgerliche zu heiraten.

Auch der Major von Waldenburg hatte den Bürgerlichen abgeschworen, die unter Umständen so undankbar waren, wie Pauline Norden.

Er mußte übrigens zugeben, daß Karl Hilmar, jetzt Brennus genannt, ein überaus netter Mensch sei, der auch alle Aussicht habe, als Künstler berühmt zu werden. –

Nicht lange, nachdem Karl und Pauline von ihrer Hochzeitsreise wieder nach Berlin zurückgekehrt waren, erhielten sie von Benno ein freundliches Schreiben, indem dieser sie einlud, der ersten Aufführung seiner Oper beizuwohnen; zwei Opernhausbillets waren beigelegt.

Das Werk hatte bei seinen Aufführungen an einem süddeutschen Hoftheater so großen und nachhaltigen Beifall gefunden, daß es jetzt auch für die Berliner Hofoper angenommen worden war, wo es ebenfalls einen großartigen Erfolg errang, dem Karl und seine junge Frau beiwohnten.

Sie machten am nächsten Tage dem überglücklichen Komponisten einen Gratulationsbesuch, bei dem sich die beiden Männer erst eingehend gegenseitig auseinandersetzten, wie merkwürdig ihre beiderseitigen Schicksale miteinander verknüpft gewesen waren.

Auch die beiden Frauen gefielen einander ausnehmend.

Hanna war in heiterster Stimmung, denn jetzt waren ihre Eltern, das freiherrlich von Bötzowsche Ehepaar, nicht nur mit ihrer Wahl einverstanden, sondern sogar stolz auf den zu Ruhm und Ehren gelangten Schwiegersohn.

Als man Abschied nahm, sagte Benno zu dem so lange von ihm Totgeglaubten und mit so schweren Gewissensbissen Beklagten:

»Lassen Sie uns Freunde sein!«

Karl schlug freudig in die ihm gebotene Rechte ein.

 

Ende.


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