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Der Oberharz

Wir wandten uns jetzt wiederum nordöstlich und folgten der Straße, die von Herzberg aus, den Knollen und den Übelsberg rechts lassend, zum Dorf Sieber hinaufläuft, dann sich nach Abend beugt, den Königshof, der aus einer Meierei, einem Försterhaus und einer Schenke besteht, passiert und mitten in die südlichste der oberharzischen Bergstädte, in das reiche Andreasberg hinein leitet.

Welche Veränderung der Umgebung trifft schon hier das Auge des Reisenden und mehrt sich mit jedem Schritt höher in das Gebirge! Wir sind im Oberharz; wir traten ein in die eigentliche Schatzkammer des Berges, und wie der Hausherr seine Reichtümer, das Mark seines häuslichen Glücks, nicht in den bunten Gesellschaftssälen, nicht in den zierlichen Frauengemächern auszukramen pflegt, sondern es in der Kiste von Eisen oder im düsteren, feuerfesten Kellergewölbe verwahrt, so tat ihm auch die Natur voraus und umgab ihre Reichtümer mit finsteren, fast abschreckenden Behältern. Nicht an den Leichtsinnigen, an den Augenblicksmenschen, den flüchtigen Fortunat, der nur ein Heute und kein Morgen kennt, will sie ihre Schätze verschleudern. Dem ernsten Sinn, der unerschütterlichen Beharrlichkeit, dem unermüdlichen Fleiß bewahrt sie ihr Bestes auf; dem der Widerstand Sporn ist und der mit Geduld dem Ziel entgegenrückt, dem schenkt sie ihr reichstes Erbgut. –

Vergebens suchten wir die freundliche, wechselvolle Szenerie des Vorharzes, sahen vergebens uns um nach einer erquicklichen Aussicht, die das Gemüt des Reisenden erfrischt und seine Phantasie mit bunten Bildern belebt. Immer finsterer wurde der ununterbrochene Schwarzwald, immer dichter drängten sich die kolossalen Tannenreihen, ungeheure Schirmwände, die das belebende Sonnenlicht verhüllten; runde Bergkuppen legten sich überall aneinander in einfacher, ermüdender Form, gleich einem stummen Friedhof voller riesiger Leichenhügel; unter unseren Füßen verschwand das frische Waldkraut mit seinen mannigfaltigen, niedlichen Blätterformen und seinen zartgebauten Holzblumen; statt dieses buntgewirkten, feinen Teppichs erschien die matte, farblose, am Boden kriechende Moosdecke, erschien das harte, stechende Heidekraut, das das Auge wie den Fuß verwundet. Sehnsüchtig sahen wir jedem menschlichen Anbau entgegen, aber alle Wohnplätze trugen den Charakter der Notwendigkeit; die Erbauer hatten nur selten Maß und Form der Sicherheit überschritten, selten an Bequemlichkeit, an das Vergnügen gedacht; Holzhäuser, verwittert und grau wie das Arbeitskleid der Bewohner, mit dürren Schindeln oder schwarzblauen Schieferplatten gedeckt, simpel gestaltet, eines dem anderen geschwisterlich gleich, zogen sich linienweise auf einer kahlen Bergfläche hin oder füllten eine tiefe, gekrümmte Bergspalte und blickten den Fremden nicht eben einladend an, und die hohlen, mit Steinbrocken überschütteten, rauhen Waldwege belebten sich nur durch die Gestalten wüst aussehender Holzfäller oder mit Ruß bedeckter Kohlenbrenner, die mit dem Meilerbaum auf der Schulter nicht selten etwas Unmenschliches und Gefährliches an sich trugen und an schwarz maskierte Nachtgesellen erinnerten, die mit Rennbaum und Brecheisen wohlverwahrte Gehöfte bedräuen.

Freudig begrüßten wir darum den munter pfeifenden Vogelsteller, wenn er lächelnden Gesichts aus dem Dickicht hervortrat, des wertvollen Lockvogels Bauer an den Arm gehängt, in den Händen das Bündel verführender Leimruten und auf der Schulter den Stab mit einer langen Reihe kleiner Holzkäfige bepflanzt, in den die jüngsten Gefangenen ungebärdig plusterten und mit schwachen Kräften nach der verlorenen Freiheit rangen.

Doch allmählich gewöhnten sich die verwöhnten Sinne an die ernsten Gegenstände. Die Seele setzte sich in ein Gleichgewicht mit ihnen; das Fremde entwich; die wüsten Menschengestalten wandelten sich in treuherzige, ehrliche, gern Antwort und Rat gebende Gesellen; die Phantasie erhob sich an den wolkenansteigenden, majestätisch gewachsenen Urbäumen; der Gedanke, zu wandern auf der Schatzkammer, die das Grundmaterial der Nationalwohlfahrt, der Völkerkraft, des Fürstenglanzes hergibt, vielleicht eben jetzt über einer unterirdischen Welt zu stehen, wo fern vom Sonnenlicht, lebensgefährdet von stürzendem Gestein und giftigem Wetter, Hunderte ein fleißiges Ameisenleben führen, erfüllte den Geist mit fremdartigen und darum reich beschäftigten Bildern und weckte die Lust, weiterzuwandern und möglichst einzudringen in diese verborgene, nur dem Mutigen sich erschließende Welt, von der Millionen Geborener im langen Leben kaum einen schwachen Begriff zu gewinnen wußten. –

Begegnen wir einem Menschen, dessen ausgezeichnete Wohlgestalt oder originelle Außenseite unsere Teilnahme auf sich zieht, so unterbleibt die Frage nach seinen Lebensverhältnissen, nach seinen Schicksalen nicht. Stehen wir betrachtend vor einem Prachtgebäude, vor einem Kunstwerk, vor einem Monument–sei es ein Luxor-Obelisk oder ein einfacher Lützener Schlachtstein –, so forschen wir nach seinem Ursprung, seiner Bedeutung, wer es und wofür es erfunden, ausgeführt, hingestellt wurde. Sollte sich uns nicht eine ebensolche Wißbegier aufdrängen bei einem alten, weltberühmten Kunstbau, wie ihn das Innere des Harzgebirges darbietet? Dürfte man uns nicht einen Vorwurf machen, wenn wir bei der Ausmalung des Äußeren dieser wichtigen Region die Schicksale seines Bergbaus vernachlässigten und zur Seite schöben? Fehlt es dabei an dem Edlen, an der erhabenen, großen Mannigfaltigkeit? Fehlt es dabei selbst an dem Abenteuerlichen und dem Erschütternden? Keineswegs; und deshalb widerspricht ein Abriß der Geschichte dieses Berges auch dem Romantischen nicht, was unser Titel ansagt; sie gleicht dem Roman einer ansehnlichen Familie kargen und dunklen Ursprungs, wachsend und fallend, sich Platz und Rang gewinnend in der Welt, gefährdet durch Weltirren und Wirren, durch geschwisterlichen Unfrieden, durch äußere Neider, aber sich behauptend und befestigend gleich einem Helden, dessen Stärke wächst in der Gefahr und dessen lorbeerbedecktes Ruhebett zuletzt niemand anzutasten wagen mag. –

Schon war der unterharzische Bergbau im reichen Rammeisberg mehrere Jahrhunderte hindurch betrieben, liegengeblieben oft wegen Pest oder Kriegszeit, zwanzig, ja fünfzig Jahre und darüber; dann wieder eifriger aufgenommen und fortgesetzt; aus Trotz gegen Kaiser Friedrich I. von Heinrich dem Löwen zerstört (1177), von Otto IV. wieder begonnen (1209-1349), vom König Philipp der Stadt Goslar als verwaltender Teil überliefert (1203), vom Kaiser Friedrich II. betreffs seiner Zehnten dem Herzog Otto »puer« und seinen Nachkommen für ewig geschenkt (1235), und noch fand sich keine Spur vom Bergbau auf dem Oberharz, wenn auch spätere Schriftsteller den Ursprung der Bergstadt Clausthal auf 1016, von Wildemann auf 1045, von Zellerfeld auf 1070 ohne Beweise zu setzen sich erkühnt haben. Bei diesem Kapitel sind vorzugsweise benutzt worden: Trebras »Erfahrungen vom Innern der Gebirge«, 1785; Gatterers »Anleitung, den Harz mit Nutzen zu bereisen«, 5 Bände, 1785; und Zimmermanns »Das Harzgebirge«, 2 Teile, 1834. Gatterer und Zimmermann geben eine vollständige Literatur des Harzes; letzterer zugleich getreue Abbildungen merkwürdiger Plätze, wie auch Trebra sein berühmtes Werk mit trefflichen kolorierten Bildern zieren ließ.

Der eigentliche Harz lag unangetastet und jungfräulich da in seiner rohen Schönheit; auch die Römer hatten ihn nicht gekannt, denn ihre Sylva Hercynia zog sich vom Bodensee, sechzig Tagereisen lang, an dem Donaustrom hinauf bis in ein unbekanntes Nordland, und ihr feiner Spürsinn würde eine solche Schatzgrube schnell gefunden haben; und hätte man in späterer Zeit von ihr gewußt, so würde der Lehnbrief Kaiser Friedrichs, der dem Löwenherzog den Forst auf dem Harz für ewig zu eigen gab (1157), nicht von dem damaligen Bergbau geschwiegen haben, wie auch ebensowenig die Urkunde, durch die 1235 Kaiser Friedrich II. das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg installierte.

Die erste Spur eines Bergbaus im Oberharz traf man in einer Urkunde vom Jahre 1296, durch die mehrere Privatleute das Recht bekamen, oben am Rupenberg Bergbau zu treiben. »Orig. Guelphie.«, IV, S. 490. Vom Rammelsberg aus mag der Betrieb im oberen Gebirge nach und nach verbreitet worden sein, doch die Pest des Jahres 1347 vernichtete den kleinen Anhang, und sie muß selbst im Innern der Gruben die Arbeiter grausam hingeschlachtet haben, denn wenn man in späterer Zeit den »Alten Mann« (so nennt der Bergmann den verlassenen und verfallenen Eingang) wiederum anrührte, sah man ihn mit menschlichen Gebeinen überlagert. Über ein Säkulum schwieg es im Urwald, nur ein Holzbrand (1437), der eine Strecke von vier Meilen zerstörte, machte von sich reden; aber von da an rührte es sich überall im Oberharz, und ein Bergörtlein tauchte nach dem anderen aus dem Walddunkel auf. Im Jahre 1453 erwähnt die Bergordnung des Rammelsberges eine Grube, Zelle genannt. Herzogin Elisabeth auf der Staufenburg ließ 1500 alte Eisenbergwerke im Ilberg bei Grund wiederaufnehmen, und vier Jahre hernach baute ein Hans Streit die erste Kirche in Grund. Die nächste Stadt, von der die Bücher sprechen, ist dann Andreasberg, 1521 auf damals gräflich-hohensteinischem Gebiet erbaut.

Herzog Heinrich der Jüngere von Wolfenbüttel, der lebhafteste, unruhigste Fürst seiner Zeit, der alles mit Heftigkeit durchführte, was er einmal aufgenommen hatte, und dessen umsichtiger und vorsichtiger Sohn Julius leuchten beide als besondere Patrone des Harzes unter den Fürsten ihres Hauses; beide galten als treffliche Bergmänner und Fundgräber, welche die bedeutenden Unkosten nicht scheuten, aber auch sich zunutze kommen ließen und den Bergbau hinaufzubringen wußten. Rethmeiers »Braunschweigisch-Lüneburgische Chronica«, III, Kap. 62, S. 1008 Wo nur alte Pingen, Halden Pingen = zerrissene und zusammengefallene Mundlöcher verlassener Tagesschächte. Halden = Haufen von Gestein, den Platz bezeichnend, wo man einst das Grubenerz angefahren hat. und Schlackenhaufen sich fanden, ließ Herzog Heinrich nach dem »Alten Mann« forschen und den Schlüssel suchen zur eisernen Tür, d. h. Stollen einschlagen durch das feste Gestein. Viele alte Zechen wurden aufgenommen und belegt, und er zog reiche Edelherren und Städte heran, Kosten und Nutzen zu teilen. Mit dem Wildemann-Stollen begann der neue Bergbau; zwei Bergmeister wurden angestellt, Jakob Fischer und Günther Schmidt, und vom Jahre 1526 datiert sich das erste Bergbuch, ein Index aller Zechen, und am Ilberg allein waren schon sechzehn Gruben im Gange. 1529 erwuchsen die ersten Wohnhäuser des Städtleins Wildemann, und vorzüglich die reichen Magdeburger Gewerke (Aktionäre) wandten große Summen auf, und auf ihren Antrag beschenkte der Herzog den Harz mit der ersten Bergfreiheit. Dieses wichtige Aktenstück vom Jahre 1532 gewährt den Harzern freie Straße und freie Wohnungen, freies Geleit der Bergleute des Auslands, Sicherung vor jeder Gewalt, zollfreie Wochenmärkte, freies Backen, Brauen und Schlachten ohne Zoll, Steuer, Akzise und Hofdienst, Bauholz zu Gruben und Zechen ohne Zins, den Gewerken die Zehnten auf drei Jahre, auch soll jeder bauen dürfen, wo er Platz findet, nur den Vorkauf des Metalls behält sich der Landesherr vor, und in Landesnot hofft er von den Harzern aus gutem Willen ohne Nötigung eine Zubuße.

Diese Bergfreiheit, wodurch der Fürst zeigte, daß er die Schätze des Harzes als Nationalgut betrachtete, die Basis der Gerechtsame der Harzbewohner, hatte eine außerordentliche Wirkung. Bergleute und Gewerke strömten von allen Weltgegenden herzu; die Bergstädte wuchsen im Ansehen; die erste Silberhütte wurde zu Wildemann errichtet, und das älteste Rezeßbuch über Einnahme und Ausgabe der Zechen zählt von 1532 bis 1542 vierundzwanzig Gruben auf zu Wildemann, Zellerfeld, Grund und Lautenthal; es gab schon Bergprobierer, Richter und Geschworene, unter denen in Geschick und Strenge ein Veit Bauer, wegen seines grimmigen Ansehens vom Bergmann der Scheußliche genannt, hervortritt.

Andreasberg glänzte damals vor allen; es hatte 116 Zechen; jeder Raum wurde genutzt, überall öffnete man mit Begier die Erde, und nicht selten unter blutigem Streit, und selbst der Herzog war sehr hitzig auf den Bergbau, befuhr selbst die Gruben und hätte beinahe den Berghauptmann Jakob Reinhard auf der Grube Neufang wegen eines Versehens erstochen.

Wie sehr die Bevölkerung überall zunahm, bezeugt die Erbauung der Kirchen zwischen 1536 und 1543. Andreasberg bekam sein erstes Gotteshaus, Zellerfeld baute seine Kirche auf den Mauern des Klosters Zell, ließ sich vom katholischen Herzog aber keinen Mönch aufdrängen, und auch Wildemann, wo der Prediger von Zellerfeld bislang aus dem Wirtshausfenster gepredigt hatte, indes hinter ihm die wüsten Bergknappen würfelten und becherten, erhielt ein anständiges Bethaus.

Des Herzogs unglückliche Feldzüge gegen Sachsen und Hessen, seine Flucht nach Bayern, seine Gefangenschaft unterbrachen leider die Blüte des Bergbaus fünf Jahre hindurch; die Bergstädter flüchteten Vieh und tragbare Habe in die unzugänglichen Täler, und die bös gesinnten Nachbarn zu Goslar, die schon im Sommer 1527 ihre neidische Lust durch die Einäscherung der nahen Klöster und Kirchen, die außer ihren Mauern lagen, wie durch die grausame Mißhandlung der herzoglichen Hüttenleute, die von ihnen in barbarischer Weise in die glühenden Schmelzöfen geworfen wurden, gebüßt hatten, benutzten zweimal die Verwirrung, überfielen Zellerfeld und verwüsteten es, plünderten später Wildemann aus, wurden jedoch von den Bewohnern von Zellerfeld, Grund und Gittelde mit blutigen Köpfen in ihre Mauern zurückgetrieben.

Kaum hatte die Schlacht bei Mühlberg (1547) den Herzog Heinrich aber aus dem Turm von Ziegenhain erlöst, so betrieb er das einstige Lieblingswerk mit doppeltem Eifer. Er ließ sich neuerdings von den Bergstädten huldigen, gab Zellerfeld ein Rathaus, setzte die eingedrängten Bergoffiziere wieder ab, verbesserte den Bau des »Alten Mannes« durch den Frankenscharner Stollen, ließ jedoch die Harzer in ihrem Luthertum ungekränkt – eine Erscheinung, die, bei seiner bekannten Intoleranz in Glaubenssachen, seine Vorliebe für die Bergbewohner am klarsten ausspricht.

Um diese Zeit bemühte sich auch eine andere Linie der Braunschweiger, Heinrichs Verdienste um den Harz zu teilen. Herzog Ernst II. von Grubenhagen nahm im Verein mit seinen Brüdern sich der Gruben um Clausthal an (1554). Er ließ das keimende Bergstädtlein das an dem Ort erwachsen war, wo einst eine Einsiedlerklause, später eine zum Kloster gehörige Kapelle gestanden hatte, auf zeichnen und messen, gab ihm seinen Namen und das Siegel mit der Kapelle, ließ die alten Bergwerke aufräumen, Stollen bauen und beschenkte Clausthal mit seiner ersten Bergfreiheit, in der sich die Fürsten jedoch auf jeder Zeche vier Kuxen (Aktien) im voraus behielten. Der Tod Heinrichs des Jüngeren (1568) wirkte nicht nachteilig auf die Blüte des Harzes, denn Herzog Julius führte das väterliche Werk mit gleichem Eifer und vermehrter Überlegung weiter. Die Verbesserung des Puchwesens verdankt man ihm. Man zerschlug nämlich anfangs das Erz durch große Steine, zerstieß es in späterer Zeit durch Stempel und Rad; 1570 ließ Herzog Julius die nassen Puchwerke einführen und durch einen Kunststeiger Springer Wasserkünste und Pumpwerke anlegen. Er befahl ebenfalls, die Salzquelle unter dem uralten Schloß Harzburg zu untersuchen, die Ader aufzunehmen und stiftete so das schöne Salzwerk Juliushall, dessen Sole, ohne gradiert zu werden, versotten wird und zur Genüge für den ganzen Harz ein schönes Salz liefert. Er gab Zellerfeld sein Amtssiegel, ließ zu Gittelde aus den Eisenschlacken Kugeln gießen, von denen das Volk glaubte, sie machten unheilbare Wunden, und die Ausbeute der Bergwerke war unter ihm so ansehnlich, daß der Faktorhof zu Braunschweig von Bergwaren überfüllt, die Kanzleistraße von Tonnen und Kisten, den Verkehr sperrend, bedeckt stand und die Kaufleute den Herzog zum Verkauf unter dem Preis drängten.

Doch wie jedes Irdische dem Wechsel Untertan ist, so hatte auch diese schöne Zeit böse Zwischenspiele. Wolkenbrüche schadeten viel; innere Wasser brachen verwüstend durch; Straßenräuber zeigten sich im Wald und ängsteten die Bergstädter durch Brandbriefe; und 1577 brach abermals eine Pest aus, woran zu Goslar allein 2600 Menschen starben und von der wunderbarerweise Grund und Lautenthal allein verschont blieben. Zu Andreasberg besonders zeigten sich die schlimmsten Folgen dieser mordenden Seuche. Ganze Familien starben aus, die Häuser standen leer, der Bergbau ging lahm, der Verkehr stockte, und die wüsteste Zuchtlosigkeit riß dermaßen ein, daß eine große Zahl der Arbeiter, in Raub- und Mordbanden verknüpft, die Straßen verlegten, die Vorwerke plünderten, ja sogar Bergoffiziere töteten oder verjagten. Honemanns »Altertümer des Harzes«, II, S. 153.

Daß aber nicht überall der Unfug um sich fraß oder lange andauerte, ergeht aus manchen in den Bergblättern bemerkten Fortschritten jener Zeit. So wurde 1584 Altenau erbaut und bekam 1594 Stadtrecht; Clausthal wurde mit einer Kirche beschenkt, zu Zellerfeld ein Spital für arme oder beschädigte Bergleute errichtet. In der Regierung des Harzes machte aber der Schluß des sechzehnten Jahrhunderts bedeutende Veränderungen.

Herzog Wolfgang von Grubenhagen, dem 1593 Lauterberg und Andreasberg als erledigte Lehen zugefallen waren, starb zwei Jahre nachher, betrauert vom ganzen Gebirge als der beste Schirmherr; sein Bruder Philipp folgte ihm ein Jahr darauf in die Vätergruft; Herzog Julius nahm den ganzen Harz in Besitz, sein Sohn Friedrich Ulrich mußte jedoch nach einem Reichsspruch anno 1616 die grubenhagenschen Landesteile den lüneburgischen Vettern wieder ausliefern, und Herzog Christian von Celle trat als Herr ein.

Wem sind nicht die Greuel bekannt, durch die der sogenannte Dreißigjährige Krieg das deutsche Reich in einen Pfuhl des Lasters und der Untaten, des Jammers und Verderbens verwandelte? Selbst die natürlichen Verschanzungen des Gebirges konnten die Kriegsflut nicht abhalten. Den ersten Stoß bekam der Bergbau dadurch, daß die auswärtigen Gewerke (Aktionäre) die Baulust verloren hatten oder, durch die Kriegszeit selbst verarmt, keine Zubuße zu zahlen vermochten. Als der Krieg näher kam, erschien mit ihm sein gewöhnliches Gefolge: Teuerung und Kriegspest; die Städte verfielen und verarmten; 1626 verwüsteten die Kaiserlichen Grund und plünderten und mordeten im Städtchen auf die empörendste Weise; Tilly behandelte einen Monat später Zellerfeld, Wildemann und Lautenthal um nichts besser, indes Clausthal mit einer großen Einquartierung davonkam und die übrigen lüneburgischen Bergstädte Schutzbriefe erhielten; 1632 brandschatzten Pappenheim und Merode abermals im Harz, wobei Clausthal 8500 Taler und Osterode 10 000 Taler zahlen mußten. Schlechte Aufsicht und Bau auf Raub machte den Bergbetrieb immer tiefer sinken, das Bergamt zu Andreasberg wurde aufgehoben, und nur der Oberbergmeister Georg Illing verhinderte noch einigermaßen den völligen Stillstand. Mit dem Bösen kam auch etwas Gutes, nämlich die neue Gewinnungsart der Erze durch Schießen mit Pulver aus Ungarn, da bislang nur Feuersetzen und die sauere Arbeit mit Fimmel und Fäustel (Schlegel und Eisen) im Gebrauch gewesen waren (1632). –

Es folgen nun in der Geschichte des Harzes zwei wichtige Veränderungen in Absicht des Besitztums, und zwar die erstere im Jahre 1635, nach dem Tod Friedrich Ulrichs von Wolfenbüttel. Drei Zweige des braunschweigischen Fürstenstammes stritten sich in Erbschaftssachen, bis ein Vergleich zu Meinersen den Herzögen Augustus junior und Julius Ernst aus dannenbergischer Linie das Fürstentum Wolfenbüttel, den Herzögen Augustus senior, Friedrich und Georg aus cellischer Linie Göttingen und Calenberg, den Herzögen Wilhelm und Otto harburgischer Linie Hoya, Diepholz, Regenstein, Blankenburg und Hohenstein zusprach. In diesem Vergleich wurden auch die Harzangelegenheiten festgestellt, die Einteilung in einseitigen und Kommunionsharz angenommen und zu letzterem die Bergwerke und Städte Zellerfeld, Wildemann, Lautenthal und Grund, das Salzwerk Juliushall und das Hüttenwerk zu Gittelde gerechnet, unter der Hoheit aller drei Linien, mit jährlich wechselndem Regiment der cellischen und wolfenbüttelschen Linien. Sieben Jahre später (1642) wurde diese Kommunion durch das Erlöschen der harburgischen Linie vereinfacht, und Braunschweig-Lüneburg gewann jetzt statt der vorigen drei Teile vier Siebtel, Wolfenbüttel statt seiner zwei Teile drei Siebtel der Kommunionseinkünfte.

Brände in Bergstädten und Gruben, strenge, zerstörende Winter, Mangel an Bergleuten und Puchknappen, so daß man Herumstreicher und selbst Frauensleute als sogenannte Knüppelmägde zum Bau gebrauchen mußte, verringerten in diesem Zeitraum die Ausbeute des Gebirges; doch ließen die wackeren Fürsten trotzdem nicht nach, dem Bergvolk ihre Zuneigung, ihre Vorliebe tätlich zu beweisen. Herzog Christian Ludwig von Celle besuchte in eigener Person den Harz mit siebzig Personen und sechzig Pferden (1656), wobei die Bemerkung der Chronik der Anführung wert ist, daß der ihm und seinem starken Gefolge zu Andreasberg bereitete Schmaus, dessen Prachtschüssel ein welscher Hahn war, nur 46 Taler und seine Zehrung zu Clausthal 125 Taler Kosten verursachte. O schöne Zeit bescheidener und einfacher deutscher Frugalität!

Solche Reisen mit ihrer Selbstbeschauung blieben nicht ohne nützliche Folgen. So war bis dahin der arme, kranke Bergmann, trotz seines gefahrvollen Brotgeschäfts, nur durch elende Bader versorgt worden und das Marienbild zur Harzburg sein Oberarzt gewesen. Man nahm das Bild samt den Krücken und Wachsgliedern, die es umgaben, hinweg und stellte statt seiner zu Clausthal einen Bergarzt Dr. Craul und einen Chirurg Samuel Zimmermann an; ein Unterbergamt wurde zu Andreasberg errichtet, aber auch ein Galgen für betrügende Bergbeamte hingestellt, und unter Herzog Ernst August beschäftigte sich sogar der Philosoph Leibniz mit den Bergsachen und ließ, leider ohne Erfolg, mit einer Windkunst Versuche anstellen 1685).

Auch das achtzehnte Jahrhundert war in fortgesetzter Sorgfalt für das getreue Harzvolk nicht lässiger. Die Errichtung von großen Kornmagazinen in Osterode, Harzburg und Goslar sicherte vor Brotmangel; dagegen kostete der Siebenjährige Krieg, obgleich das Freikorps des tapferen Luckner den Franzosen nach zweimal versuchter Invasion den Waldkrieg verleidete, den Gewerken eine Kriegssteuer, die sich über 32 000 Taler belief. 1772 führte der Berghauptmann von Reden statt der gebräuchlichen Krummöfen die hohen Öfen ein; 1777 begann man den Bau des tiefen Georgsstollens von Grund nach Clausthal hinauf, und 1788 kam der wichtige Austausch des Kommunionharzes zustande, durch den Wolfenbüttel seine drei Siebtel an Hannover abtrat, das dadurch den Besitz des ganzen Oberharzes und seiner sieben Bergstädte gewann, wogegen Wolfenbüttel 7000 Morgen Wald und die Saline Juliushall als alleiniges Eigentum erhielt, die Kommunion am Unterharz übrigens ihren Fortbestand hatte.

Was seitdem für den Harz geschehen ist, liegt zutage. Die Knappschaftskassen und Hüttenbüchsen für beschädigte Arbeiter, die Bergbaukasse für allgemeine bergmännische Unternehmungen, die Clausthaler Berg- und Forstschule zur Erziehung tüchtiger Bergoffiziere, die Sammlungen von Mineralien und naturhistorischen Schätzen, die Modellkammer zu Clausthal, die Berghandlung zu Hannover und die Errichtung mehrerer Faktoreien im Land sind Institute, die das Möglichste für die Erhaltung und den Flor des großen Nationalinstituts zu schaffen sich bemühen; und die Aneignung jeder nützlichen Erfindung betreffs des Maschinenwesens und Kunstbaus – sei sie einheimisch oder fremdländisch –, der Aufwand für das Hüttenwesen, besonders betreffs der Gebäude, und die wundersam schnelle Anlage der Kunststraßen zum bequemsten Verkehr geben Zeugnis des kräftigen Willens der Regenten für das großartige, ihnen von wackeren Ahnen vererbte Werk und müssen die Aufmerksamkeit des Auslands auf dieses norddeutsche Gebirge immer wachhalten. –

Der artige und zuvorkommende Bergbeamte, der sich im Andreasberger Schützenhaus zu uns gesellt und unser Frühstück geteilt, hatte uns durch die Mitteilung der Geschichte des Harzes ein lehrreiches Stündchen bereitet und obendrein, um unserer Wißbegierde völlig Genüge zu tun, dazu von seiner nahe gelegenen Wohnung ein Notizbuch herbeigeschafft. Seine Gefälligkeit ging noch weiter, denn er lud uns ein, seine Bibliothek und seine geognostischen Sammlungen zu besehen, und erbot sich hernach zu unserem Cicerone für die Sehenswürdigkeiten der Gegend. Das Vorzüglichste, was wir aus dem Museum des Ehrenmannes mitnahmen, möge hier ein Plätzchen finden, da es das Innere unseres Berges aufdeckt.

Als Kern des ganzen Gebirges ist der zweiköpfige Brocken anzunehmen mit seinem bunten, aber in ernsten Farben prunkenden Urgranit; er ist die Wurzel und die Säule zugleich, von der die tragenden Schwibbogen ausgehen. Auf seiner Nordseite gegen Ilsenburg stürzt sich der Brocken steil hinab, und die Formation der ihn umschließenden Bergkuppen und in welcher Weise und Gattung die Steinarten sich dort durch Osten bis zum Süden an den Urkern anschließen, wurde bereits bei den betreffenden Punkten erwähnt. Für den Oberharz bildet der Brocken den östlichen Eckstein, und er beschützt an seiner Westseite das sich dicht an seinen Fuß schmiegende Brockenfeld, eine umfangreiche sumpfige Moorfläche, das Wassermagazin des Harzes, dessen Moosdecke gleich einem Schwamm Regen, Nebel und Schnee einsaugt, sorgsam bewahrt und in vielen unversiegbaren Bächen nach allen Weltgegenden hin ausströmen läßt.

Jenseits dieser etwa zwei Stunden langen und einer Stunde breiten sumpfigen Ebene beginnt der Bruchberg, ein merkwürdiger Bergrücken, der sich, ohne durch Täler unterbrochen zu werden, fast ganz in südlicher Richtung an vier Stunden lang hinunterzieht, mit seiner unteren Spitze dann westlich gegen Osterode krümmt und den Oberharz in zwei fast gleiche Teile schneidet. Niemals wurde Bergbau im Bruchberg betrieben, sein Inneres ist unangetastet, Granitmasse macht seinen dem Brocken zugewandten Fuß aus, an den sich weiter hinunter jener bekannte, überall im Harz vorkommende Tonschiefer anschließt, und auf seinem Rücken erheben sich ein Dutzend mächtiger Sandsteinköpfe in einer geregelten Bogenreihe, die ihm ein ganz eigenes, abenteuerliches Ansehen geben. Ehe wir die beiden durch diesen Bergzug geschiedenen Teile des Gebirges eines Überblicks würdigen, müssen wir dem merkwürdigsten Fossil des Harzes einige Aufmerksamkeit widmen. Es ist die Grauwacke, ein Fossil, das nirgendwo sonst angetroffen wird, das die wichtigste und verbreitetste Steinart der harzischen Erzgebirge ausmacht und hier die Stelle und Funktion des Gneis der kursächsischen Gebirge einnimmt. Diese Grauwacke besteht aus einem Gemisch von Quarz und blauschwarzem Ton in der subtilsten Mengung, doch beständig mit vorwiegendem Quarzgehalt. Eine Varietät von ihr zeigt sich auch wohl mit Quarz und Tonschieferstückchen, linsen- oder bohnengroß durchknetet. Diese eigene Masse, von den Mineralogen den porphyrartigen Gesteinen zugeteilt, legt sich auf den Granit und dehnt sich aus durch das ganze Hochgebirge. An sie schließt sich der dunkelblaue Tonschiefer, der überall die Felsart der reicheren Bergregionen ausmacht, doch findet man diesen weiterhin noch oftmals in kleinen Partien wechselnd mit der Grauwacke, ohne daß beide ihre Natur verändern, der Schiefer immer seine tafel- und scheibenartige, die Grauwacke ihre ungeregelte oder kugelige oder kubische Normalform behält. Auffallend ist, daß, wo der Schiefer sich an letztere anschließt, Abdrücke von Schilf und Kräutern nicht selten sind, wie auch, daß sowohl auf der Grauwacke wie auf dem Schiefer überall im Oberharz der Glimmer fehlt, der doch im Brockengranit und ebenfalls in dem grauen Schiefer des Vorgebirges seinen silberweißen Schmuck sehen läßt. Selbst mitternächtlich vom Brocken bis zur Schatzkammer des Rammeisbergs mangelt die Grauwacke nicht, und sie bildet hier oft auf das seltsamste das Hangende oder die Decke des Ganges, indes das Liegende, die Sohle, aus Schiefer geformt ist und fußstarke Bänke von Konchylien oder Korallengewächsen die Zwischenräume ausfüllen. Die reichen und edlen Punkte werden im Harz beständig am Abhang nach sanften Tälern hin oder auch in diesen selbst angetroffen, höchst selten und nie bedeutend edel setzen sich die Erzgänge in hohen und fortlaufenden Gebirgsrücken fest. Die Hauptgangarten der streichenden Gänge sind Kalkspate in der prächtigsten und mannigfachsten Drusenform, weniger Quarz, am seltensten Schwerspat.

Gehen wir jetzt vom Allgemeinen auf das Besondere über, so stoßen wir auf eine neue Sonderbarkeit, eine eigene Laune der Natur. Indes der unterharzige, am nördlichsten liegende Rammelsberg der einzige Fleck am Harz ist, der Gold darbringt Im Bett der Ilse und der Ecker soll sich ehedem auch Gold gefunden haben. Beide kommen vom Brocken, und wer weiß, was man fände, könnte man das Ungetüm einmal von seinem Faulbett rücken. – etwa jährlich zehn bis zwölf Mark – und Silber an 4000 Mark liefert, ist der nordwestlich vom Bruchberg liegende Teil des Oberharzes arm an reichen Silbererzen – Fahlerze und Zundererze ausgenommen –, jedoch bleibt er deshalb nicht weniger geehrt, denn sein unermeßlicher Reichtum an Bleiglanz der schönsten Gattung, dem auch Silber beiwohnt, seine wertvollen weißen und grünen Bleispate, seine schön kristallisierten Blenden, seine in den herrlichsten Farben stolzierenden Kupfererze, Atlas und Samterz und schönblaue Kupferlasur, sind des Bergmanns Lust, und der geringe Raum, der die Gruben Dorothea, Carolina, Bergmannstrost und Kranich umschließt, möchte sich durch seinen Gehalt an wertvollem Bergprodukt den Namen des nützlichsten Flecks am Harz mit Recht vorwegnehmen dürfen.

Die zweite, südöstlich vom Bruchberg liegende Sektion des Oberharzes schaut freilich stolzierender zu dem Zwillingsbruder hinauf, und auch sie sitzt im Recht nach der alten Weltordnung, durch die der Nutzen vor dem Glanz zurücktreten muß. Kaum hat eine Talschlucht sich zwischen den Bruchberg und den Rehberg eingesenkt, so nehmen schon die reichen Andreasberger Gruben ihren Anfang. Die Gebirgsart besteht aus dem schon genannten Tonschiefer, die erzhaltigen Gänge sind schmaler und enger, setzen aber dabei auf die merkwürdigste Art bis in große Tiefe nieder und durchkreuzen sich zuweilen zugleich wunderbarerweise, woher man auch den Namen Andreaskreuz, den eine der ältesten Gruben erhielt, herleiten will. Der Bergbau ist hier bei weitem schwerer und die Kräfte zehrender, aber die Ausbeute lohnt die Verschwendung. Hier finden sich die reichsten Silbererze in jeder Gestaltung, gediegen in Zacken und Blättern, als köstliches Rotgülden mit seinen rubinfarbenen Knospen oder als pyramidalisches Weißgülden, ja das seltenere Haarsilber sowie Glaserz und Buttermilchsilber kommen vor, und mit dem edleren Bruder mischt sich der Arsenik, der sich in der oberen Sektion nicht sehen läßt. Wie außerordentlich anfangs der verborgene Reichtum dieser Gegend gewesen ist, ergibt sich daraus, daß die Arbeiter angehalten wurden, den Schlamm an Schuh und Strumpf abzuwaschen, um seinen Silbergehalt nicht zu verlieren; daß man das trübe Stollenwasser, das die Grashalme versilbert, in künstlichen Sümpfen auffing und den Niederschlag benutzte; daß man Stufen gediegenen Silbers ausgrub, die ein Gewicht von 80–100 Pfund zeigten (1728) und daß noch jetzt die Erze in verschlossenen Tonnen an das Tageslicht gefördert werden.

Eine Anekdote, die uns hierbei ins Gedächtnis tritt, wollen wir dem Leser nicht vorenthalten, um der ernsthaften Unterhaltung dieser letzten Blätter, die nicht zu beseitigen stand, eine humoristische Beimischung zu geben. Eine jener kostbaren Silberstufen, vielleicht gar die genannte, wurde auf dem Göttinger Museum in einem eleganten Kasten verwahrt, der ehrliche Sinn der Vorstände hatte diesem jedoch einen Platz im Erdgeschoß, dazu in der Nähe eines Fensters zugeteilt. Eines Morgens fand sich das Fenster erbrochen, die Kiste geöffnet, auf der Straße nur ein Rest von Brocken des zerschlagenen Kleinods, und mit bleichen Angesichtern umstanden die ratlosen Professoren ihr geleertes Schatzkästlein.

»Was sollen wir nun mit dem Kasten anfangen?« unterbrach da einer der Herren in seiner Gemütszerschlagenheit die Todesstille.

»Die Nase hineinlegen, die von Hannover kommen wird!« antwortete der launige Kästner dem naiven Frager.

Die kostbare Stufe aber blieb geraubt, und man will später in russischen Sammlungen Teile von ihr wiedererkannt haben. –

Doch nicht allein das gepriesene Silber füllt hier die Tiefen der Erde, sondern zu ihm gesellen sich der wertvollen und gesuchten Fossile gar manche. Analzime, Ichthyophthalme, Datholithe, rote Kobalte, Kupfernickel, Magnetkies, gediegener Arsenik, Flußspat schmücken dieses Gnomenhaus mit buntem Zierat, und des Kenners Auge ergötzt sich an dem nett gestalteten Kalkspat, an den stämmigen Kanondrusen, an dem in den Schiller des Regenbogens spielenden Doppelspat und an dem wundersamen Harmotom, der seine Kreuzkristalle über die milchweißen Drusen verstreut. Von Andreasberg südlich legen sich dann die Flözgebirge an, die bei Lauterberg die schon erwähnten, wenn auch nicht in Ausbeute, doch in Güte vorzüglichen Kupfergruben enthalten, die leider jetzt fast gänzlich eingestellt sind. –

Befriedigt schieden wir von dem gefälligen Bergherrn, Zeitverlust und Verzug nicht beklagend – was wir ebenfalls von den geehrten Lesern wünschen –, und beeilten uns, damit wir recht bald die nähere Bekanntschaft der Gegend machen möchten, die uns interessanter geworden ist, seitdem ihr Innerstes, wenn ich so sagen darf, ihr Seelenleben sich uns erschlossen hatte.

Die Bergstadt Andreasberg, offen und ohne Tore gleich ihren sechs Schwestern, liegt auf einer kahlen Bergfläche, aber fast noch höher als Clausthal. Ihre nächste Umgebung ist reizlos und kahl, ja fast traurig; die kleinen grauen, einförmigen Häuser, dicht aneinandergestellt, aber in krummen Linien sich hinziehend, erinnern, von fern aus geschaut, an die leichten und flüchtigen Ansiedlungen wilder Stämme, wie sie Cooper uns so lebendig schildert, da das Rathaus und andere ansehnlichere Gebäude von den Rändern der Schlucht verdeckt werden, in die sich die Stadt hinabsenkt. Nur die Kirche und der üppige grüne Wiesenteppich, aus dem sie aufzusteigen scheint und der sich am Glockenberg dicht über der Stadt bis zum Glockenhäuschen hinaufzieht, mildert die Härte des Anblicks. Aber diese Wiesenpracht ist Werk des menschlichen Fleißes; seiner trefflichen Rinderherde zugunsten pflegt sie der unermüdliche Harzer bis zu dieser kräftigen Ergiebigkeit und bezeugt dadurch das Herrscherrecht des Menschen über die widerspenstige Natur auch hier. – Auf eine andere Weise vertreibt er die Öde im Inneren seines Städtchens; aus seinen Hütten tönen alle nur möglichen Waldgesänge zur Straße heraus, und die gelben Vögelchen der Zuckerinseln schmettern dazwischen ihre einstudierte Musik, denn nirgends am Harz treibt der Bergmann die gemeinsame Liebhaberei für Vogelfang und Vogelzucht so hitzig wie in Andreasberg. Einzeln im Feld oder auf der Höhe sieht man die Taggebäude und die Gaipel oder Schulzhütten der Gruben, und weiter südlich hinab schaut aus den Berghängen die Silberhütte hervor, in deren beiden Hochöfen bereits ein kaum zu messender Reichtum verschmolzen sein mag und wo man jetzt auch Arsenik aus den niedergeschlagenen Dämpfen bereitet.

Unser Weg führte uns bald in ein zusammengedrücktes, von Bergen verdunkeltes Tal, das sich in zwei andere Täler spaltete; und aus jedem rauschte uns ein Wässerchen entgegen, und beide strömten eilig, als hätten sie sich lange gesucht, zusammen. Die Sieber und die Steinrenne waren diese sich in sapphischer Zärtlichkeit umschlingenden Najaden. Die Steinrenner Eisenhütte nebst den Bergleuten der sie umgebenden Eisengruben machten die Hochzeitsmusik, und die Farbe, welche Kleider und Gesichter der Arbeiter, ja die ganze Gegend umher angelegt hatten, paßte überraschenderweise zu solchem Fest, denn alles glänzte seltsam vom brennendsten Rot, das der Staub des Blutsteins und des Glaskopfes rundum verbreitet hatte. Die Natur schminkt massiv, wenn sie falsch zu malen gelaunt ist; die derben Gesellen sahen aus wie die alten Hofdamen des vorigen Jahrhunderts, merkten aber nicht auf unser wohlweislich verhehltes Lächeln. Der Eisenstein hat hier das Eigentümliche, daß er in der Grauwacke aufsetzt.

Am Rehberg standen wir jetzt und unter seinen düsteren Tannen, die ein Werk beschatten, das sowohl dem, der es erdacht, als auch dem, der es ausgeführt hat, eine gleiche Ehre brachte. Dem starken Betrieb zu Andreasberg gebrach es besonders in trockenen Jahren am nötigen Wasser, und die Arbeit mußte deshalb zuzeiten unterbrochen werden. Zum Gipfel des Gebirges, zu jenem unerschöpflichen Wasserschwamm – zum Brockenfeld – wandte sich der suchende Blick der kundigen Bergmeister, und in der Nähe des Forsthauses Oderbrück, wo aus vielen kleinen Quellästen sich die Oder bildet, begannen sie ihr Meisterwerk. Quer durch die Enge des Tals legten sie einen gewaltigen Damm, eine Bastion von 60 Fuß Höhe, von einem Durchmesser, der von siebzig bis fünfzig Fuß nach oben abläuft und 325 Fuß in die Länge streicht. Eiserne Klammern mußten die ungeheuren Granitblöcke untereinander verbinden, aus denen der Damm besteht, und mit zerfallenem Granitsand wurden die Lücken ausgefüllt.

Hinter diesem unzerstörbaren Wall wurde ein Teich geschaffen, 5000 Fuß lang, 500 breit und 60 tief, und die Wässer des Brockenfeldes füllten ihn dienstbar. Durch einen Graben, der an der östlichen Seite des Rehbergs mehrere Stunden lang hinabgeleitet worden ist, bekommen die Andreasberger Bergwerke das nötige Wasser in geregelter Masse, und im Teich selber ist oberhalb eine Niederung seines Randes vorhanden, die, sobald das Bassin überfüllt ist, die wilde Flut ausläßt und der in der Nähe fließenden Oder zuführt. Auch der 3767 Lachter lange Rehberger Graben ist durch Holzbau und Granitmassen geschützt, endet in einem 400 Lachter Ein Lachter ist ein Maß von 80 Zoll oder etwa 3 Ellen. langen Kanal durch den Röhrenberg, und nachdem sein Wasser die Andreasberger Kunsträder bediente, füllt es unterhalb der Bergstadt die sogenannte Sperrlutter, die dem Oderfluß das ihm Abgeborgte wiederum zurückzahlt. Neun Jahre wurde an diesem höchst wichtigen Werk gearbeitet, 1722 wurde es vollendet, und die Kosten beliefen sich auf 37 000 Taler. Aber dafür leistete es bereits über ein Jahrhundert seinen Dienst, und nur an seinem Jubiläum feierte es und machte sich einen lässigen Sonntag, denn die Dürre des Jahres 1822 trocknete den

Oderteich

völlig aus, so daß man Zeit hatte, die bei seiner Anlage abgehauenen Baumtorsen und riesigen Wurzeln aus seinem Grund hervorzuroden.

Die eigentliche Fahrstraße von Andreasberg nach Clausthal biegt bei der Steinrenner Hütte links ab und bestreicht die westliche Seite des Rehbergs; aber es lohnt die Mühe, den schmäleren östlichen Pfad am Rehberger Graben hin – eigentlich nur ein sogenannter Herrenweg, den der Plebs nicht befahren darf – zu verfolgen und das ganze Meisterwerk in Augenschein zu nehmen.

Dieser Weg am Graben hinauf wurde von uns allen für eine der düstersten, ja schaurigsten Partien erkannt, die auf der Reise uns begegnet waren. Alles ringsumher ist schwarzer Tannenwald, ausgezeichnet kräftige Bäume, die mit ihren zahllosen pyramidalischen Spitzen wolkenan stolzieren und an den mächtig hohen Berglehnen, indem die hinteren Glieder gleichsam die Vordermänner neidisch überbieten, hinanstreben. Von dem bequemen Pfad blickt man andererseits in die tiefe, zackige Bergspalte hinab, die der Oder als Bett dient und von der diese an mehreren Stellen ganz verdeckt wird. Die Einförmigkeit dieser Wildnis wird zuerst linker Hand durch den kahlen Trümmerkopf des Rehbergs und seine wilde Klippe unterbrochen, später steigt rechts der Hornfelskegel der Achtermannshöhe himmelhoch aus dem Waldbett empor, abstechend von den runden Bergkuppen durch seine vulkanische Form, obgleich nirgends im und am Harz eine Spur von vulkanischen Eruptionen anzutreffen ist, und links faulenzt der kahle Sonnenberg und sieht aus, als möchte er die Straße, die über seinen Rücken gelegt ist, gern abschütteln.

Noch eine kleine Strecke höher und der Oderdamm ist erreicht, man steht auf der mit Geländern gesicherten Fahrstraße, die man ihm als Nebendienst aufgebürdet hat, und blickt über den durch Menschenschlauheit erschaffenen Wasserspiegel hin, dessen Umfang das Auge, seiner Buchten und der in ihn hineinragenden Baumgruppen wegen, nicht abmessen kann, der aber einen solch überraschenden Anblick darbietet, daß er für den Romantiker und Maler zu den anziehendsten Punkten im Gebirge gezählt werden muß. O du edles und doch im flachen Landstrich so oft verachtetes Naturprodukt, du farbloses, schmiegsames Wasser, vergeudet und zum schmutzigen Dienst verdammt, wie hält dich der Harzer hoch und ehrt dich als seinen nützlichsten Waffenbruder und spart und wahrt dich; der Sybarit bewacht den Tokajer und Hochheimer seines Kellers nicht sorgfältiger! – Man durchkreuze dieses Hochgebirge, man sehe diese Dammgräben, diese Wasserleitungen, diese Sammelteiche – im Clausthaler und Zellerfelder Revier allein zweiundsechzig an der Zahl –, und man erstaunt über die Fürsorge und Ausdauer der diese Kunstbauten leitenden Meister; doch steht der Oderteich gleich einem in der Wiege vertauschten Riesenkind zwischen seinen Halbbrüdern. –

Wir bedurften der Aufregung, die uns dieser Glanzpunkt des Oberharzes gab, denn der Pfad am Graben, so zusagend er einem Hoffmann oder Grabbe gewesen sein möchte, hatte uns mürbe gemacht, ja – o schlimmste Krankheit eines Reisenden! – wir hatten uns zuletzt gelangweilt. Die Hauptursache lag jedoch weder in uns noch an der Gegend, sondern kam von oben herab. Das Wetter hatte sich nicht zu seinem und unseren Gunsten gewandelt; der Herbst ließ sich durch seine Herolde anmelden; scharfe Winde rauschten in den Gipfeln des Nadelholzes, und ihre kalten Finger fühlten wir durch die leichten Reisekleider; graue Wolken trieben vor der Sonne, und feine Regen – der Harzer nannte sie nur Nebel – näßten uns fast unsichtbar, doch je allmählicher, je durchdringender. Überdies blieb der Weg völlig menschenleer; hätten nicht die Baumwipfel gemurrt, ein bunter Specht nicht an den Tannenstämmen gehämmert, ein Paar geschmeidiger Falken sich nicht über dem Wald in den Lüften getummelt und mit zänkischem Geschrei zu den Steinklippen hinaufgejagt, so hätten wir den trüben Traum dreier Schiffbrüchiger auf einem verlassenen Waldeiland träumen können.

Auf dem Oderdamm, wo die Clausthaler und Elbingeroder Chausseen zusammentreffen, empfing uns jedoch eine rege, versöhnende Geselligkeit; Gesellschaft vollauf und von aller Sorte, Karossen und Lastträger, selbst ein Stück der galanten Welt – Herren und Damen – belebte den Paß, teilte unsere Neugier, unsere Bewunderung; wir konnten uns aussprechen, und das Frage-und-Antwort-Spiel ist ja das gemeinsamste auf dem ganzen Erdboden und ein Bedürfnis auch der großen Kinder.

Mutiger und rascher wurde von da an der Rest unserer Tagereise zurückgelegt. Wir überstiegen den Sonnenberg und blickten von ihm durch das Sonnental hinunter, das sich am langen Bruchberg hindehnt, bis da, wo sein gebogener Teil der »Auf dem Acker« genannt wird. Die langgegliederte Reihe seiner seltsamen Sandsteinköpfe übersahen wir hier mit einem Blick, die Iwenköpfe, die Sösenklippe, von deren Westseite die Osteroder Söse entspringt, und die hohe Hans-Kühnen-Burg, die von einem gefährlichen Diebeshauptmann ihren Namen haben mag. Nachdem wir ein Stück des Bruchbergs auf der erst neu angelegten Steinstraße überstiegen, lenkte der Sperberhaier Damm unseren Marsch zur Rechten. Eine gleiche Bestimmung wie der Oderteich hat diese Anlage für die Clausthaler Bergbauzüge und sammelt für sie die Wasser des Gerlachbaches vom Bruchberg; der Damm wurde 1734 fertiggestellt und kostete mit seinen Gräben 30 000 Taler. Der Zweck dieser Blätter gestattet uns nicht, das große Wassernetz, das diese Höhen durchzieht, noch mehrmals zu erwähnen, doch um dem Laien einen Begriff von ihm zu geben, zeichnen wir nur auf, daß die Länge sämtlicher Gräben im Clausthaler und Zellerfelder Revier in eine Linie gelegt sechsundzwanzig Meilen beträgt und daß die unterirdischen Kanäle, die mit den Gräben verwebt sind, eine Länge von 6000 Lachtern bilden. Vom Dammkrug, wo ein Grabenaufseher wohnt, schritten wir nordwärts gerade auf Altenau zu und quartierten uns in dem Gasthaus, das, wenn ich nicht irre, zugleich auch das Schützenhaus des Bergstädtchens ist, ein.

Es war Sonnabend; die Betglocke klang recht feierlich aus der Talschlucht zu den Bergen hinauf, und das von den einzelnen Feierklängen aufgeschlossene Herz empfand einen tieferen Gefühlseindruck, als wir am Fenster ausruhend die langen Züge der wackeren Hüttenleute heimkehren sahen von ihrem schweren und ernsthaften Tagesgeschäft. Eine Arbeitswoche lag hinter ihnen, der ersehnte Ruhetag vor ihnen; selbst der Sonnabend ist schon ein halber Feiertag, wenn sie nicht zu viele Bußen nachzuarbeiten haben; der Schichtmeister hatte die Löhnung gezahlt, daheim wartete schon die Frau mit der warmen Biersuppe, dem kräftigen Schwarzbrot und dem kleinen saftigen Handkäse, und vor allem durfte nun die Tabakspfeife, des Harzers Seelenfreundin, glühen einen ganzen Tag lang, ohne Furcht vor der Geldstrafe, die in der Grube auf solche dort gefährliche Luft gesetzt worden ist. Die Leute gingen mehr oder weniger sichtlich ermüdet daher, manche trugen den Rücken gekrümmt; die schwarzen, leinenen Puffjacken waren staubig, die Gesichter selbst von Schweiß und Schmutz entstellt, aber auf den meisten lag der Widerschein des Feierabends, wenn auch wie Mondschein, der über einen Friedhof streift. Nach und nach verschwanden sie hierhin und dorthin in die niederen Haustüren der kleinen Hütten, und unsere Einbildungskraft ließ uns ihnen folgen. Wir sahen sie das erworbene Geld ausschütten vor der Frau, mit ihr überrechnen, was die nächste Woche für Speise und Getränk, Tabak und Licht und etwa auf Borg genommene Krämerware forderte; den Rest steckte der Mann zu sich, um nach alter, übler Sitte ihn morgen in der Schenke totzuschlagen, und wenn die Frau etwa murrte, ging der häusliche Krieg los und die »Tunnerwatters« nahmen kein Ende, und der Jammerkröte und dem »Krail« und »Kallerkaschspenst« flogen wie gewechselte Traubenkugeln in heißer Kanonade ein »Laps« oder »Kalchentiep« und »alter Tapich« Greuel, Kellergespenst, Kraftloser, Galgendieb, alter Teppich. entgegen. Einzelnen sprang ein Rudel halbnackter, nur von einem Hemdchen bedeckter Kinder entgegen und nahm ihnen das eiserne Gezähe ab, und der Mann herzte sie und nickte dem Weib zu, das ihm in die Tür entgegentrat, und diese mochten es sein, die nach der Abrechnung des Bedarfs für die nächste Woche den Rest in ein graues Beutelchen wickelten und auf dem Boden des besten Krugs, den ihr Wandbrett trug, verbargen; aber diese waren leider in der Minderheit.

Die Bilder, die uns am Abend bis zum Schlafengehen beschäftigt hatten, mußten sympathetisch auf uns gewirkt haben. Wir schliefen auf dem bescheidenen Lager der Dachkammer einen wahrhaft narkotischen Schlaf, die Wirtsleute kümmerten sich nicht um uns, und so weckte uns erst die schon hoch stehende Sonne, indem sie durch die kleinen Fenster mit scharfen Strahlen unsere Gesichter kitzelte, gleich einem mutwilligen Burschen, der mit der rauhen Kornähre die faule Spinnerin weckt.

Als wir hinabstiegen, fanden wir das Unterhaus gar sehr zu seinem Vorteil umgestaltet. Alles war gewaschen und geputzt; die braunen Pfeiler und Türen glänzten von ihren jährigen Schmutzdecken befreit; die gründlichen Fensterscheiben spielten zwischen ihren Bleirahmen in allerlei Regenbogenfarben; Vorplatz und Gastsaal hatte man mit feinen und frischen Sägespänen ausgestreut; eine ansehnliche Tafel stand frühzeitig gedeckt mit gerade nicht feinem und blendendem, aber reinlichem Tischtuch belegt und mit Tellern von mancherlei Gut – Ton, Porzellan und Zinn – bestellt, auch fehlten auf ihr die großen tönernen Henkelkrüge mit blankem Metalldeckel nicht und waren in zwei Paradegliedern aufmarschiert. Am Kochherd rührten sich Wirtin und Magd; die Flammen prasselten, Topf und Kessel standen bereit, Kohl und Rüben und mancherlei große Fleischstücke aufzunehmen, die den Küchentisch beschwerten, und der Wirt rumorte auf der schmalen Kellertreppe mit Fäßchen und Kannen. Am geputztesten erschien jedoch die Hauspforte:, sie glich einem bunten Ehrentor, zum Einzug einer Fürstin aufgestellt, von jungen Tannenzweigen gebaut, reich geziert mit Dolden der hochroten Vogelbeeren und steifen Sonnenblumensternen, und über ihr hüpfte im großen Holzkäfig ein glatter Kolkrabe, der aus seinem krummen Schnabel von Zeit zu Zeit die Worte deutscher Gastlichkeit: »Hiehar Kevatter! Napper! Hiehar!« schnarrend ertönten ließ. Wir fragten. – »Se hahn heit ä Hochzig«, war die Antwort. »Dar Breiting is ä Schichtmästers Suhn, än rarer Bursch; se is us 'n Tol. De Kuppelliring is in der Kerch, nocher kommen s' eile hiehar un schlucken 's Suntigsbrud. Hot mer än Lüstel un Beliewing, blei mer do; decht mersch, on Bockschpring un Knieng wärd's ah nit fahlen.« »Sie haben heute eine Hochzeit. Der Bräutigam ist eines Schichtmeisters Sohn, ein schöner Bursch; sie ist aus dem Tal. Die Trauung geschieht in der Kirche. Nachher kommen sie alle hierher und speisen die Sonntagsmahlzeit. Haben Sie Lust und Belieben, so bleiben Sie da. Ich meine, an Kurzweil und Vergnügen wird's auch nicht fehlen.«

Der Wirt riet uns ebenfalls, vormittags eine Tour in die Berge zu machen und später das Fest einmal mit anzusehen. Wir frühstückten tüchtig, füllten außerdem Korbflasche und Reisetasche und wanderten bergein. Wir drangen in das Polstertal, wo es Eisensteingruben gibt und der Blatterstein vorkommt; wir besuchten die Silberhütte und die Eisenhütte, die den Altenauern den meisten Erwerb geben, indem die eigenen Gruben fast gänzlich eingestellt sind, besahen eine nahe Stuterei, bestiegen den doppelt gehörnten Ochsenberg, strichen gegen das Okertal hin bis zur Försterei, die von der steilen, mit lieblichen Hangbirken bekränzten Wand des Arensbergs beschattet wird, suchten am Spitzenberg nach dem berühmten Magnetstein und bogen am Schulenberg wieder in den gemachten Kreis. Die Gegend ist felsig und wild und bot eben nichts Neues, außer den beiden Hubkünsten am Polsterberg und den im Grünstein gebetteten Eisensteinen; aber eine feierliche Sonntagsstille herrschte in dem rauhen Gebirge, eine Festsonne vergoldete den Wald und versöhnte mit dem kältenden Boreas, und zuweilen schlich sich das feine Geläut einer fernen Turmglocke in die Schluchten. Wir alle drei empfanden, daß man auch ohne Bethaus, Litanei und Priesterspruch recht andächtig zu sein vermag; unsere Gespräche wurden zu Cherubsfittichen, und einer hob den andern.

Da störte uns recht unwillkommen ein leichter Feuerblitz am Berghang und dessen weißes Wölkchen, denen später der Knall nachkam. Etwas weiter dieselbe Erscheinung. Es waren Sonntagsjäger, die den längst ersehnten Aufgang der Herbstjagd widerrechtlich nutzten. Der Herr gab seine Schöpfung in des Menschen Hände; ahnte der Allweise nicht, daß der Mensch es dem gierigsten Raubtier zuvortun würde? – Unsere Sonntagsfeier war verdorben, und am Rande der Oker tafelten wir und kamen heim, als es längst Mittag geworden war.

Welche Veränderung war mit unserem stillen Nachtquartier vorgegangen! Der Bergmann tafelt noch früh nach der Vätersitte. Der Tisch war bereits verschwunden und hatte anderen Freuden Platz gemacht. Das Hackbrett, die schreiende Pfeife und die kreischende Geige waren in voller Arbeit, und selbst der Chor der berühmten Hornbläser des Okertals war vom reichen Bräutigamsvater herzitiert worden. Dazwischen klirrten die Gläser und klapperten die Krüge, und das Geschrei, Gejauchze und Gelächter aus einem halben Hundert gesunder Bergkehlen vervollständigte dieses echte Höllenkonzert.

Wir wagten, uns zu nähern, doch gelang es nur mit Mühe, den Heerhaufen zu durchbrechen, der die Pforte umlagerte und der aus den mutwilligsten Puchbuben und Kindern zusammengeknäuelt war, zwischen denen sich auch mehrere dem Harz eigene Unglückliche befanden, durch die Hüttenkatze Die Bleikolik, welche Zehrung, Kontraktur und Paralyse der Glieder nach sich zieht. Neuerdings trefflich beschrieben vom Bergmedikus Brokman zu Clausthal in den »Hannoverschen Annalen der Heilkunde für 1837«. gelähmte Opfer, auf Händen und Fersen kriechend oder sich gar auf einem Rollbrett fortschleifend, um vom Festbraten und Festtrunk ein Teilchen zu erbetteln. Eine Kompanie Fuhrleute, weit scheinend und elegant durch ihre schneeweißen Leinenkittel, machte außerdem soeben vor dem Haus ihre Aufwartung mit einer knallenden Peitschensymphonie, deren Taktfestigkeit sie als Virtuosen erkennen ließ, den Puchbuben wegen der seitwärts abfallenden Schwunghiebe jedoch lästig zu sein schien. Den niederen Saal füllte ein Staubgewölk, aber die Stattlichkeit der Hochzeitsgäste machte die kleine Unbequemlichkeit vergessen. Alle waren im höchsten Staat; die weitärmeligen Puff Jacken waren neu, und rote Tuchkamisole mit blanken Knopfreihen brannten durch den Brustschlitz vor; dazu die Leder von Glanzkorduan, die Strümpfe so weiß wie die eines fürstlichen Lakaien und besser ausgefüttert, und zwischen dem Getümmel schimmerte sogar an manchem Schachthut die silberne Stickerei durch, und die Häkelstöcke kündeten, daß mehrere Standespersonen sich zu dem gemeinen Bergmann gesellt hatten.

Vor allen zogen jedoch die Braut und ihre Kranzjungfern die Augen auf sich. Im hochroten, schreienden Seidenkleid stolzierte die Glückliche; das reiche Haar hatte sich zu einem babylonischen Turmbau hergeben müssen, auf dessen Spitze das kleine grüne Jungfrauenkrönlein von Seide thronte und der mit einer Puderdecke reichlich überschüttet einer beschneiten Bergkuppe ähnelte; gleichermaßen waren die Kranzhüterinnen kostümiert, und die Magazine der goslarischen Judäer hatten sicherlich ihre besten Garderobestücke für diesen Tag ausgeliehen.

Der aufmerksame Bräutigam, ein frischer, untersetzter Bursch, dem neben der blanken Gürtelschnalle seines Leders der künstlich gestickte Gewürzbeutel nicht fehlte – das gewöhnliche Neujahrspräsent der Braut, von dessen Inhalt sich der Bergmann in der Grube erquickt –, erspähte gerade unsere Ankunft, als er auch nicht säumte, die Fremden zu ehren. Er führte die Braut uns vor, und Gustav, als der Schlankste und Jüngste, bekam den ersten Tanz mit ihr; wir griffen nach den schmucksten unter den Tänzerinnen und stürzten uns dem Paar nach in den Wirbel. Gleich anfangs hatte aus dem Gesicht der Braut uns etwas Bekanntes angeleuchtet. Kaum konnten wir jedoch unserer Lachlust den nötigen Zaum anlegen, als während eines Stillstands unsere Blicke den Freund betrachteten, dessen blasse Wangen ein Morgenrot überzogen, und dann seine Tagliolina, die zur Päonie geworden war. Obgleich die weißen Säulen ihrer Beine vom Seidenschlepp versteckt waren, obgleich die dunklen Haarschweife nicht wie damals ihre Schultern umflossen und der runde Arm im langen weißen Handschuh stak – bei allen Berggeistern: es war die schöne Ilse, die Stellvertreterin der Prinzessin im Ilsetal, die uns dort mit dem saftigen Spätgericht des Holzes bewirtete. Die Morgenröte auf Gustavs Wangen wurde uns jetzt erklärlich, und in fremdländischer Sprache mußte er manches stachlige Witzwort von seinen Nachtretern anhören. Die Szene änderte sich zu seiner gewünschten Erlösung fast jeden Augenblick. Die Krüge kreisten, und der Bräutigam stimmte die Zither und sang:

»Unnern Napper Matz sei Gretel,
Das gefallt mer, trafflich wull.
Is vorwahr ä schtahtlich Mädel,
Es macht Bett un Arme vull;
Is su bambet Bambet = üppig gebaut. un su schien;
Noch dan Mädel will ich giehn.

Mutter, käft mer Hus un Kittel,
Brängt mer ah ä Lader mit!
Mutter, schafft mer Rot un Mittel,
Daß es wos zu prunken gitt.
Mutter, ich gieh of de Freit!
Teifel hui mich! Es is Zeit.« »Harzgedichte« von G. Schulze. Clausthal 1833.

Er warf die Zither einem Nachbarn in die Arme, sprang zur Braut, herzte seine »Schänste« tüchtig und gab ihr hundert heiße »Schnuhtels« Schnuhtels = Küsse. zum Ergötzen der Gäste.

Der Mann, der das Saitenspiel nun bekommen hatte, ließ sich nicht weniger rührig finden; er war ein putziger alter Geselle, in jeder Falte seines Antlitzes saß ein Satyr, und wundersam machte ihn das grüne Haar, das rund geschnitten Ohren und Nacken umhing und ihm das Aussehen eines Flußgottes gab. Menschen, die lange Jahre in Kupferwerken arbeiteten, zeigen zuweilen diese kuriose Erscheinung. Der neue Sänger schien der Taddädel oder Harlekino der Gegend, denn der komischen Strophen strömten zahllose von seinen aufgeworfenen Lippen, und zuletzt richtete er folgende Strophe an uns:

»He, Kunradsel, sah mol, dar Harr dort, dar lacht,
Die Junfer ward blutrut; das nam ich in Acht.
War wäß, wos wull hie for Pardiesvugel flieng!
Se sän wull net schichtern, se lossen sich krieng.
O daß dich dos Meisel beiß! Nu sah ich's ein,
Dar Harr dort, dar ward wull än Vugelschtell'r sein.«

Der Applaus überstieg alle Grenzen und verwirrte auch unsere Sinne; der Zufall weckte uns aus dem Taumel zu rechter Zeit. Wir hatten uns der Tür genähert, um der frischen Luft möglichst nahe zu kommen, da berührte etwas eisig Kaltes meine heiße Hand; eine Erinnerung zuckte in meinem Kopf, ich sah seitwärts, und der traurige Brocken-Invalide stand bei mir. »Sie ist es nicht!« sagte er halblaut und betrübt, drückte meine Hand und wandte sich zum Fortgehen.

Ein Steiger fragte mich, ob ich den armen Alten kenne, und setzte hinzu, daß er jede Hochzeit besuche und in der Braut immer sein verlorenes Kind zu treffen wähne.

Der alte Erdenpilger kehrte jedoch nochmals zurück, betrachtete uns unheimlich mit seinen hohlen Augen und ließ besonders auf dem erhitzten Gustav seine starren Blicke haften. »Ihr werdet sicherlich auch in die Erde fahren und Gottes Wunder in der Tiefe beschauen«, sprach er mit tiefem Ernst. »Nehmt den da nicht mit in den Schacht. Solch rote Backen bleichen in der kalten Erde und der Bergmönch und die boshaften Zwerge haben sie gar lieb und greifen gerade nach solchen zuerst.«

Dann ging er seines Weges, und wir fühlten den Rausch, den der gemeinsame Jubel dieses Naturvölkchens in uns erregt hatte, bedeutend herabgestimmt.

Nach einem Geschenk, das wir der glühenden Braut in den Schoß gelegt hatten, stahlen wir uns aus dem Gedränge; doch der fröhliche Tumult drang noch lange bis zu unserem Kämmerchen, obgleich der nächtliche Wächter schon lange geblasen hatte. –

Nichts ist nüchterner und kahler als ein Festplatz am folgenden Morgen; ein Schlachtfeld, von dem Sieger und Besiegte fortgezogen sind, das Leichenhaus eines Reichen nach der Beerdigung; der Ort, der den schönsten Tag der Ilsenprinzessin gesehen hatte, widerte uns fast an, und wir beeilten uns, ihn zu verlassen und über die Roten Berge der Hauptstadt des Oberharzes, dem weithin bekannten

Clausthal,

entgegenzupilgern. Sie und das dicht neben ihr liegende Zellerfeld blicken den Fremden wie eine gemeinsame Stadt an, nur der kleine, leicht zu übersehende Zellbach scheidet sie, und wo die Häuser der einen aufhören, fängt die Häuserreihe der anderen an. Und dennoch war die eine schon lange da, als man der anderen noch nicht gedachte, und diese jüngere Schwester ist der älteren an Größe und Ansehen vorausgeeilt, wie das nicht selten in der Welt zu geschehen pflegt. Clausthal wird, wie schon gesagt, ein volles Jahrhundert später namhaft gemacht als Zellerfeld, und doch hat ersteres jetzt über 9000 Einwohner und zählt nahe an 900 Häuser, indes letzteres kaum die Hälfte dieser Zahlen zu addieren vermag.

siehe Bildunterschrift

Clausthal

Clausthal ist die Residenz der Berghauptmannschaft und des Bergamts, des Ober- und des Untergerichts für den Harz; jene führt die Aufsicht über den ganzen Harzhaushalt und das ganze Dienstpersonal wie auch die königlichen Hauptkassen; diesem obliegt unter dem Vorsitz der Berghauptmannschaft die spezielle Fürsorge des Betriebes sämtlicher Werke und Forste nebst den Verwaltungsangelegenheiten. Dem neuen Staatsgrundgesetz zufolge wird hierbei eine Veränderung eintreten, nämlich durch die Errichtung eines Oberbergamts und eine Zuteilung der städtischen Obergerichtspflege an die Landdrostei Hildesheim, indem bislang auch die Magistrate der Bergstädte der Berghauptmannschaft zugeordnet und untergeordnet waren. Die Berghauptmannschaft besteht aus dem Berghauptmann, zwei Oberbergräten und einem Assessor; das Bergamt teilt sich in die Herren von der Feder, die Studierten, und die Herren vom Leder, die Praktiker. Zu jenen werden gezählt: Bergrat, Bergsyndikus, Zehntner, Bergsekretär, Oberhütteninspektor, mehrere Assessoren, der Hüttenraiter, der Bergregistrator und einige Auditoren; zu diesen der Oberbergmeister und die Bergmeister, der Markscheider, der Maschinendirektor, Obergeschworener und Geschworene, der Puchverwalter, der Maschineninspektor und mehrere Einfahrer. Die Bergamtsdeputation zu Andreasberg wird durch einen Bergsekretär und einen Bergmeister geleitet. Bis zum Jahre 1817 hatte Zellerfeld noch sein abgesondertes Bergamt, obgleich es schon seit 1788 durch den angeführten Rezeß aus der herzoglich-braunschweigischen Kommunion an das Kurhaus übergegangen war.

Dem königlichen Bergamt sind auch die gewerkschaftlichen Interessen anvertraut; es hat dabei die kunstgerechte Betriebsführung wie die Rechte des Landesherrn zu beaufsichtigen, und auch die Eisensteingruben sind von dieser Aufsicht nicht ausgeschlossen, desgleichen die Verwaltung der Eisenhütten als rein königliche Anstalten. Der Bergbau auf dem Harz ist von dem Landesherrn durch Freigabe des Regals meistenteils den Baulustigen überlassen, und die Ausbeute wird nach Maßgabe der Zubuße auf die Kuxen oder Aktien verteilt. Das Recht des Metallankaufs um bestimmte Preise und die Zehnten bleiben dem Landesherrn, und die Berghandlung zu Hannover betreibt den Verkauf des Bleis und des Kupfers, weshalb sie mit mehreren Faktoreien des In- und Auslands verbündet ist. Nur die Eisenwaren sind direkt auf den Hütten zu erstehen, und für ihre Artikel hat man fünfzehn von der Berghandlung völlig unabhängige Faktoreien in den größeren hannoverschen Städten etabliert.

Außer jenen Gewerkschaften trifft man auch noch Lehnschaften am Harz, wo die Verwaltung, Ökonomie und Berechnung den Privaten überlassen ist, doch finden diese nur bei dem Eisensteinbau statt, und es besteht auch da das Ankaufsrecht des gewonnenen Materials für die königlichen Eisenhütten.

Clausthal und Zellerfeld strecken sich in der Ausdehnung von mehr als einer Viertelmeile auf einem kahlen Bergzug hin, die Hauptstraße der ersten senkt sich südlich in die Berghänge hinab, aber die Gegend hat doch ihre Anmut, denn frisch und frei und rein weht die Luft wie nirgends sonst, und die sich an die Geschwisterstädte schließenden Berglehnen sind mit dem schönsten Kräutergrün Übergossen. Ich erinnere mich noch einer Reise im Hochsommer, wo wir auf einem solchen Berganger den Fußpfad zwischen den kniehohen Grashalmen und von Bienen umschwärmten Blumenknöpfen kaum zu finden vermochten und aus dem Graswald steigend die ersten Häuser der Bergstadt überrascht ganz dicht vor uns sahen.

Clausthal liegt 1740 Pariser Fuß über dem Spiegel der Ostsee; dagegen 1749 Pariser Fuß unter der Brockenspitze. Spärlich bewässert wird die Stadt durch die im nahen Bärenbruch entspringende Innerste, einen der größeren Harzflüsse, der auch Wildemann und Lautenthal bespült, aber trüb, fischarm, ja dem Vieh tödlich und durch seinen Puchsand bei Überschwemmung die Äcker verderbend über Hildesheim der Leine zuströmt. Außerdem sind gute Brunnen vorhanden, und fast zahllose Teiche und Gräben durchziehen die nächste Gegend. Berge erheben sich überall in der Nähe der Bergstadt. Als der höchste wird der Heiligenstock bezeichnet; die Brennerhöhe an der westlichen Seite gewährt den deutlichsten Überblick der beiden Städte und ihrer Werkgebäude, und die Windmühle auf ihr wurde von uns mit Freude als eine heimatliche Erscheinung begrüßt.

Regel und Linie lassen sich in einer Harzstadt nicht erwarten, die Gassen laufen zuweilen steil hinauf, steil hinunter, aber die Residenz des Gebirgsstaates kann mit einer bedeutenden Anzahl ansehnlicher Gebäude groß tun, und ihre Bauart ist nicht eng und gewährt Durchsichten auf Wiesen und Umgegend. Das Amtshaus, der Sitz des Berghauptmanns, ist massiv und hat seinen Balkon; die Münze, worin wöchentlich über 8000 Taler Silber gemünzt, auch das Rammelsberger Gold geschlagen wird; Otto I. ließ schon aus dem Silber des Rammelsbergs Münzen schlagen, Ottolinen, Brakteaten, Hohlmünzen, vermutlich die ersten Münzen, welche man in Deutschland prägte, 1005. – Im 14. Jahrhundert schlug man zu Goslar Silberpfennige mit dem Marienbild (Mariengroschen) und halbe mit dem Bild des St. Matthias, des Stadtpatrons Matthier). Im 16. Jahrhundert schlug Goslar Gulden usw. der Zehnten, das ansehnliche Rathaus, worin man sonnabends zuschauen kann, wie die Schichtmeister unter Aushängung der Bergfahne den Bergleuten an 5000 Taler Wochenlohn zahlen, und worin sich auch das militärische Wachthaus befindet; zwei Kirchen – die eine am Markt einfach, aber ehrwürdig durch ihr schwarzes Schiefergewand, die andere auf dem Gottesacker –; die Bergschule, im Anfang des neunzehnten Säculums gestiftet und mit einer Forstschule verbunden, die 1811 eingesetzt wurde, gemeinsam im Eckhaus des Marktplatzes, das die sehenswerten Sammlungen und Modellkammern bewahrt; drei Schulen, ein Waisenhaus, das Schützenhaus, auf dem höchsten Punkt gelegen, mehrere gute Gasthöfe – das sind die städtischen Bauten, die den Fremden zu unterhalten vermögen.

Das merkwürdigste Gebäude umschließt jedoch Zellerfeld, es ist seine mit Kupfer gedeckte, völlig massive Sankt-Salvator-Kirche. Den Platz des vormaligen Klosters Zelle, das sogar seinen Ursprung in einem Bethäuschen, von Bonifaz erbaut, gefunden haben soll, bedeckt jetzt ein Brauhaus, und die einstige Münze wurde zu einer Emaillierfabrik für eisernes Kochgeschirr, das die Stadt Altenau produziert, umgewandelt. Übrigens schien uns Zellerfeld bei weitem regelmäßiger als Clausthal gebaut.

Nachdem wir unser Hauptquartier auf mehrere Tage im Gasthof Zur Goldenen Krone aufgeschlagen, den genannten Sehenswürdigkeiten unsere Aufmerksamkeit gewidmet und einige treffliche Mineraliensammlungen angestaunt hatten, warben wir uns einen kräftigen Wegweiser für den Teil des Harzes, den wir noch zu durchstreifen gesonnen waren. Unser erster Besuch galt respektvoll der Frankenscharner Hütte im nächsten Tal, mit den die Clausthaler mit Recht Staat machen. Dreizehn Pochwerke passiert man bis dahin, seltsamen Anblicks von einer Kinderwelt umgeben, die sich selber im nassen Element der Schlämmgräben schon mühevoll ihr tägliches Brot verdient; neckische Knaben, unverdrossen und mutwillig, aber keinen Fremden ohne Tribut vorüberlassend, den man auch willig und bestochen durch die blanken Augen der gewandten Puchbuben in bescheidener Kupfermünze entrichtet. Hier begegneten wir der jungen Eisenbahn, die von der Grube »Silberner Segen« nach den Puchwerken und weiter zur Frankenscharner Hütte gelegt ist. Der vierrädrige Wagen, in dem auch sechs Personen Platz finden können, flog erzgeladen an uns vorüber, ein dem Hannoveraner bis jetzt fremdes Schauspiel. Viele solcher Schienenbahnen sind neuerdings auf dem Oberharz zur Bequemlichkeit des Erztransports eingerichtet, sowohl über als unter der Erde, und der Führer versicherte uns, daß die zusammenaddierte Länge der Wege im Clausthal« Tal bereits 2600 Lachter, also über 17 000 Fuß betrüge. –

Nachdem man eine halbe Stunde lang im Puchtal wanderte, kündet sich die Nähe der Hütte schon durch die erkrankte Natur an. Ein wahrer Vorhof des Orkus tut sich auf, jeder Grashalm verschwindet, kein Busch grünt zwischen den Schlackenhügeln, das Pflanzenleben ist vergiftet durch die tötenden Dämpfe, die gleich einer schwarzen Wetterwolke wachsend und fallend, dichter sich wälzend und dann im Windzug verdünnter fliehend, aber unablässig über einer großen Gruppe von Gebäuden ruhen, die der Unwissende für ein Städtchen zu halten verführt wird. Da gibt es Brennhütten, Schmelzhütten und Treibhütten, in denen die gewaltigen Öfen nie erkaltend eine Höllenhitze verbreiten; da sind Röst-, Saiger-, Puch-, Kohlen- und Spritzenhäuser, Schmieden, Magazine, Mühlen und allerlei Schuppen, und das Ganze beherrscht das sich in der Mitte des gepflasterten Hüttenhofes erhebende massive und zweistöckige Hüttenhaus, die bequeme Wohnung der Oberaufseher, wo sich zugleich die Meisterhalle, die Probierstube und das Laboratorium befinden.

Der Anblick dieser Gebäude erweckte in mir die lebhafteste Erinnerung, wie ich einst als blutjunger Bursche hier einmal das große Fest der Bleiwaage mitfeiern durfte. Zuerst führte man uns damals in das Steinhaus der hohen Schmelzöfen; die ungeheuren, rauchfanggleichen Öfen hauchten eine unerträgliche Glut aus, vor ihnen hielten die langen, ausgedörrten, todbleichen Schmelzer Wache, statt der Hellebarde eine tüchtige Stange in der Hand. Einer derselben zeigte uns die glühende »Nase« vor dem Gebläse, einen Ansatz von Schmelzmaterial, an dessen Länge und Beschaffenheit der Schmelzer den Fortschritt der Schmelze erkennt. Dann stach der Mann mit seinem Eisenstab die untere Öffnung des Ofens auf, und das glühende Metall schoß heraus und sammelte sich in den trogartigen, auf dem Boden eingemauerten Formen so lange, bis er es für gut fand, durch eine tonige Breimasse mittels seiner Stange das höllische Spundloch wiederum zu verstopfen. Mitleidig betrachtete damals der frische Jüngling den dürren, gefälligen Hüttenmann, den das Gift schon so bleich geschminkt hatte. Dann ging es zu einem anderen weitläufigen Gebäude, wo das Wiegen einer Menge schwerer Bleiwürfel vorgenommen wurde, man jedem Stück eine Nummer einschlug und die Hüttenschreiber Zahl und Gewicht in große Folianten einschrieben. Eine frugale Tafel folgte oben im Saal des Hüttenhauses; alle Honoratioren der Gegend tafelten mit, ein weißlockiger Oberförster brachte humoristische Trinksprüche aus, und eine blauäugige Nachbarin nahm sich meiner an und führte als mitleidige Ariadne mich durch die bösen Labyrinthe des Tischgesprächs. Trotzdem war mir jedoch der Abruf des bestellten Schürknechts willkommen, der mich zum Treibofen beorderte, um den ersehnten Anblick des poetischen Silberblicks zu genießen. Die wogende Erzmasse blendete das Auge; »Acht gehabt!« rief der Abtreiber, und wie ein weißes Taschentuch wälzte es sich über die Mitte der glühenden Wellen, dann erschien an dessen Statt, doch nur auf wenige Augenblicke, ein wundersames Regenbogenspiel; und kaum war der köstliche Moment vorüber, so löschte und kühlte der Hüttenmann die Glut mit heißem Wasser; das schwere Silber hatte sich in die Mitte des Ofens gesenkt, und der Schatz lag erstarrt dort in Form eines weißlichen Kuchens. Der Hüttenreuter, der Dirigent der Anstalt, an meiner Wißbegier sich erfreuend, ließ später im Laboratorium mich selbst nochmals den Silberblick auf einem kleinen Ofen erschaffen, und das Produkt bewahre ich treulich noch heute in meiner mineralogischen Sammlung auf.

Die Frankenscharner Silberhütte wurde 1554 erbaut und empfing ihren Namen von den fränkischen Metzgern, die an diesem Platz ihre Fleischbude hatten. Die Innerste treibt die Räder der Werke. Von der Silberhütte folgten wir dem Lauf dieses Flusses nach Wildemann, bogen aber zu einem steilen Berg hinauf, in den Wald hinein und standen nach einem Stündchen auf einer ziemlich freien Bergfläche, vom Harzwitz der »Schweinebraten« genannt, und schauten über einen abgetriebenen, nur von Baumstümpfen besetzten Platz gerade in das Städtchen hinab, wie es sich zwischen das enge Tal der Innerste eingeklemmt hat. Es glich in der Ferne dem zerstreuten Hüttenkral kunstfertiger Biber. Zwei Stollenmundlöcher öffnen sich in seiner Nähe, auf einem derselben ist ebenfalls eine englische Schienenbahn zur Ausfuhr der Erze angelegt; auch werden zwei Pochwerke betrieben, sein Bergbau ist jedoch sehr gesunken. Von idealer Schönheit ist in diesem Bergstrich nichts zu finden, aber er hat seine eigentümlichen Reize. Le Vaillant erhob seine Hottentottin zu einer braunen Anadyomene.

Im Spiegeltal, voll Spuren alten Bergbaues, betrachteten wir am Hoffnungsschacht die neue Versuchsmaschine, um die Ein- und Ausfahrt tiefer Schächte zu erleichtern; sie wird durch zwei Kunstgestänge mit Staffeln gebildet, und wir hatten das hübsche Modell schon zu Clausthal bewundert.

Fast eine Meile war bereits zurückgelegt, die uns nur durch die Jovialität des Führers, seine Schelmlieder, Bergschnurren und Spukgeschichten verkürzt wurden, da traten wir in den tiefen Steinkessel, der Lautenthal versteckt, schon städtischer mit seinen zwei Kirchen als Wildemann und doppelt so groß und lange gelobt wegen seiner, wenn auch unreineren Silbererze. Die schönsten Zinkblenden trifft man in seinen Gruben, und seit 1717 hat es auch eine Silberhütte nach kleinerem Maßstab.

Östlich uns wendend wallfahrten wir in Hahnenklee, einem Bergmannsdörfchen, zu dem alten Steinbild des Steigers Meermann – desselben, der einst Herzog Julius die erste Erzstufe des neuen Bergbaus vorlegte –, nahmen ein Stückchen Speckstein mit, der hier selten die Gangart bildet, sammelten beim Forsthaus Auerhahn einige Petrefakten voller Turbiniten und bestaunten auf der Bockswiese die vielen Halden und Rudera des alten Bergbaues. Unsere Vorfahren haben diese reichen Kammern fast ausgeplündert, doch ist der Zug dieser Gegend auch noch jetzt der ergiebigste des Zellerfelder Bezirks. Auf der bequemen goslarischen Kunststraße gelangten wir alsdann tüchtig ermüdet, doch befriedigt wieder in unserem gekrönten Hauptquartier an. –

»Es gibt mehr Unsichtbares als Sichtbares in der Welt!« sagt ein orientalischer Spruch. Um wenigstens von dem relativ Unsichtbaren unserem Auge ein Stückchen mehr sichtbar zu machen, beschlossen wir, auch einen Teil des inneren Gebirges uns aufschließen zu lassen, nachdem wir sein Äußeres so genau und von allen Seiten beliebäugelt hatten.

Ein frischer Morgen dämmerte eben, und die Luft strich scharf. Wir freuten uns beider, denn die Backofenhitze, mit der die Harzer, reich und arm, ihre Zimmer füllen, ist jedem Fremden lästig. Der Bergmann kann sie nicht missen; gleich dem Hamster im heißen Erdlogis ist er nicht behaglicher, als wenn er in seiner kleinen Spelunke am glühenden Ofen sich und seine feuchten, dunstenden Kleidungsstücke trocknet, in einem Qualm mannigfacher Ausdünstungen sitzt, die er mit einem Halbdutzend Kindern, einer Legion von Singvögeln, die in ihren kleinen Käfigen einen Mordsspektakel machen, und mehreren Taubenpaaren, die auf dem Wandbrett und am Herdrand nisten, zu teilen gewöhnt ist.

Wir traten hinter Zellbach, welchen Namen auch die Häuserreihe führt, durch die Clausthal und Zellerfeld in Verbindung stehen, ins Feld und unterrichteten uns in dem eigentümlichen Steinbruch, von dem Trebra eine kolorierte schöne Zeichnung lieferte, über das schichtweise Vorkommen der Grauwacke und des Tonschiefers. Von dort an ist der Berghang überall mit Schächten und ihren Gaipeln oder Schachthäusern übersät, da von hier aus sich der Burgstädter Zug östlich von den Städten hinstreckt, der einst 32 Schächte umfing, von denen noch 7 betrieben werden. Der Stufentaler Hauptzug, einst mit 24, jetzt mit 5 offenen Schächten, beginnt westlich von Zellerfeld, der Turm-Rosenhofer Zug mit ehedem 12, jetzt mit 3 Schächten, westlich unterhalb Clausthal, doch ist dieser Zug seit 1817 durch die bedeutende Grube »Silberner Segen« bereichert worden, und seit 1820 schließt sich der silberne Aaler Zug ihm an, der bis jetzt zwar nur eine, aber dafür zweischächtige Grube, die »Bergwerkswohlfahrt«, besitzt, die jedoch schon Ausbeute gibt; und zuletzt öffnet der fast eingestellte Spiegeltaler Zug seine fünf Schächte über Wildemann, wird aber nur noch versuchsweise betrieben.

Die ganze Gegend war lebendig von rüstigen Bergknappen, die ihren Bauhütten entgegeneilten, um die Nachtmänner abzulösen, und die Fähnlein auf den Gaipeln, mit denen man solche Gruben ziert, die Ausbeute geben, bewegten sich lustig im Morgenwind. Dazu regten sich die Feldgestänge der Wasserkünste auf der langen Bergfläche mit ihrem taktförmigen, geheimnisvollen Leben, und eine eiserne Laufbahn, worauf in glatten Schienen der keuchende Bergmann seinen vierrädrigen Karren, »Hund« genannt, bequemer fortschob, senkte auch hier sich uns entgegen. Diese Schienenbahn der Grube Dorothea wurde 1807 als die erste im Harz angelegt, und ihre Länge bis zur Erzwäsche beträgt 300 Lachter.

Wir hatten fast ein halbes Stündlein zu gehen, ehe wir am Rande eines schieren Tannengehölzes und nicht weit von drei mächtigen Teichen zu unserem Ziel gelangten. Hier öffneten sich nämlich die Schächte der drei äußersten, aber ehedem reichsten Gruben, der Dorothea, Carolina und der neuerlich ganz eingestellten Benedikta; und die erstere, den Reisenden empfohlen durch ihre bequeme, vielbefahrene Einfahrt, sollte auch mit unserem Besuch beehrt werden. Im Zechenhaus sammelten sich die Bergleute, und der Obersteiger sprach das Morgengebet. Die andächtige Stille, mit der die dunkel gekleideten Männer im Kreis standen, der Gedanke, zu welchem gefahrvollen Tagewerk sie sich auf gute Weise bereiteten, stimmte auch uns recht ernst. Bergvölker sind meist religiös, der Harzer ist es trotz seines Fluchens und seines Jähzorns, und auch die Puchknaben katechisiert ein älterer Bergmann in ihren Mußestunden täglich zweimal. Still schritten dann die dunklen Gestalten hinweg, und nachdem man uns mit einem vollständigen Bergmannsanzug ihnen ähnlich gemacht hatte, folgten wir ihren Tritten.

Der Gaipel gleicht einer großen Kornscheuer; der geräumigere Treibschacht mit seiner mächtigen Winde oder Haspel und der enge Fahrschacht, aus dem die erste Leiter, hier Fahrt genannt, hervorsah, werden von diesem Überbau vor dem Wetter geschützt; große Erzhaufen, welche die Tonne des Treibschachtes zutage bringt, bedeckten die weiten Räume. Es ist eine eigene Empfindung, mit der man zum ersten Mal die zerbrechlichen Sprossen betritt, um an steiler Wand mehrere hundert Ellen tief in den Schoß der Erde zu fahren und ihr Inneres anatomisch zu studieren; Erwartung, Neugier mögen bei dem Herzklopfen mitwirken, doch läßt sich dann noch eine andere Gemütsbewegung nur von einem Traso leugnen. Einem jeden von uns stieg ein Steiger voran, der sein brennendes Lämpchen, sein Grubenlicht, am Schirm des Schachthutes befestigt hatte, weil beide Hände für die Sprossen der Fahrt gebraucht werden müssen. Immer tiefer wird die Finsternis; das Schachtgestänge, ein Pumpwerk, welches das Wasser aus den Tiefen hebt, stieg in ununterbrochener Bewegung dicht neben unserer Bahn auf und ab und bedrohte die Hände der Unvorsichtigen.

Aber groß war unser Schreck an einer Stelle, wo Treib- und Fahrschacht dicht nebeneinander liegen und wir einen scheuen Seitenblick in die gewaltige Tonne warfen, die an knarrenden Tauen uns zur Seite heraufstieg. Nicht schimmerndes Erz bewahrte der Behälter, nein, ein bleicher Bergmann lag darin, beleuchtet vom matten Lampenlicht, eine frische Leiche, starr und mit geschlossenen Augen, blutbefleckt an der Stirn und auf dem weißen Hemd.

»Ä Verunklickter! Er hott än lanken Obschied genummen!« brummte der Mann über mir und trieb zur Weiterfahrt.

Wer könnte uns die verhehlte Erschütterung als Schwäche anrechnen? Unsere angestrengten Knie lahmten, und wir waren erfreut, sie unten angelangt, strecken zu dürfen. Aber unseren Gustav vermißten wir, blickten vergebens ihn erwartend an den schmutzigen feuchten Leitern hinauf, bis nach langem Zögern sein Führer nachkam und uns berichtete, der Junker sei unwohl geworden und wieder zutage gefahren. »Die Leiche hat den Poetenmut in die Flucht geschlagen, oder die Prophezeiung des Brockeninvaliden ist ihm plötzlich eingefallen!« lächelte Ernst. –

Wer sie nie selbst sah, diese unterirdische Welt, der wird auch durch Griffel nur eine vage Idee von ihr erhalten; diese langen Strecken, bald eng, bald weit, bald hoch, bald niedrig, nur erleuchtet durch eine Menge zerstreuter Grubenlichter, die fern wie kleine Sterne schimmern und glauben lassen, auch diese Unterwelt habe ihren Himmel; und dieses Ameisenleben darin, das sich von Minute zu Minute zu neuen Gruppierungen umgestaltet. Hier liefen die Männer mit ihrem »Hund«, gefüllt mit bunt blinkendem Gestein, das sie zum Treibschacht förderten; dort bereitete ein schwarzes Dioskurenpaar den neuen Gewinn, der eine bohrte kniend mit scharfem Eisen, der andere führte des Schlegels Kraft auf das Werkzeug des Gefährten; hier traten wir auf eine Strecke, geräumiger als gewöhnlich, ein Wald behauener Tannen in ihrer vollen Länge bildete links die schräge Wand zur Stütze des bröckligen Erdgrundes, und eine Menge Zimmerer beschäftigten sich mit der gefahrvollen Ausbesserung. Unser Steiger meinte, als wir den kühnen Bau bestaunten, es läge vielleicht ebensoviel Holz im Harz unter der Erde, als auf ihm im Licht grüne.

An einem anderen Ort stellte der Mann sein Grubenlicht in eine Wandöffnung und forderte uns auf, den Kopf in dieses Raritätenkästlein zu schieben. Es war ein Drusenloch von der seltensten Schönheit. Das geblendete Auge fand sich wie mitten in einen großen geschliffenen Diamant versetzt, so blitzten die Kristalle und brachen den Schein des Grubenlichts in die entzückendsten Farbenspiele.

Doch auf einmal klang der hohle Ruf »Fahr' hie niemand her!« uns entgegen wie eine Posaunenstimme des Letzten Gerichts, und die Führer schoben uns ohne Aufschub hinter einen schirmenden Vorsprung. Ein furchtbarer Knall folgte alsbald, den Boden unter uns erschütternd und so gewaltig, als sei die Erde geborsten; und es war fast so, denn nachdem wir durch den Pulverqualm nähergeschritten waren, trat ein Arbeiterpaar hinter seinem Felsschirm hervor und zeigte uns den Platz, wo sie Wand und Decke mit der Patrone des Bohrlochs durchschossen hatten und der Boden mit blinkenden Trümmern bedeckt dalag.

Im Schauen all dieses Neuen und Unbekannten hatte sich unser Bangen gänzlich verwischt, gemütsfrei schritten wir zwischen diesen Unbefangenen umher, und es betrübte uns fast der frühe Abschied, als wir an einem der inneren Eingänge des tiefen Georgsstollens standen, durch den wir den bequemeren Rückweg nehmen sollten, und der vorsichtige Steiger uns mit Wasserstiefeln versah.

So betraten wir denn jetzt dieses großartigste Werk der Bergbaukunst, das allen klassischen Bauwerken dieser Art, ja den römischenAquädukten an die Seite gesetzt zu werden verdient und in überwundenen Schwierigkeiten diese überbietet. Die zunehmende Tiefe der meisten Gruben machte es mit der Zeit unmöglich, sie vom Grundwasser zu befreien; die Hebung desselben durch Wasserkünste wurde immer kostbarer und beschwerlicher; mehrere Zechen mußten bereits die Arbeit einstellen, und ein völliges Erliegen des Bergbaus dieser Gegend war vorauszusehen. Da kam der damalige Berghauptmann von Reden auf die kühne Idee, einen drei Stunden langen Stollen mitten durch das Gebirge herauf zu den Gruben zu führen und so den Wassern eine natürliche Abzugsbahn zu bereiten. Fünf Jahre kämpfte der hochherzige Mann mit der Ängstlichkeit der Kollegien und Behörden; da entschied sich König Georg III. für den großen Plan und übernahm den größten Teil der Kosten, die bis auf 400 000 Taler anwuchsen. Am 26. Juli 1777 tat unter feierlichen Zeremonien, Kanonendonner und Musik der Berghauptmann die erste Handarbeit mit Schlegel und Eisen am Mundloch des Georgsstollens, und am 5. September 1799, nach einer zweiundzwanzigjährigen, unter der Oberaufsicht des Oberbergmeisters Stelzner ununterbrochen fortgesetzten Arbeit, geschah der letzte Durchschlag, und bald darauf verkündete Kanonendonner auf der Brennerhöhe den großen Sieg über die widerspenstigen Felsen und erfüllte jedes Harzers Herz mit stolzer Freude. Der Nutzen dieses ruhmvollen Unternehmens bewährte sich sofort, die Fortdauer des Bergbaus, Wohlstand und Unterhalt der Harzer waren gerettet, und solange der Harz steht, wird man die Namen der Urheber dieses Baus mit Ehre und Segnung preisen, und sie selbst haben ihr unauslöschliches Gedächtnismal dem Felsen eingeätzt. –

Wir wanderten in dem Gewölbe abwärts, begleitet von dem Wasserband, das in seiner Mitte hinabrieselt, hie und da sein Bett übertritt und den Weg befeuchtet. An mehreren Stellen hat die rissige Sohle oder der Boden mit eichenen Rosten und mit eisernem Gefluder gesichert werden müssen, die baldige Erneuerung verlangen; auch trifft man Plätze, wo festes Mauerwerk die Wände schützt und festhält; eine Menge Lichtlöcher, oft aus großer Höhe durch Schächte dem Stollen zugeführt, reinigen seine Luft und führen die bösen Wetter ins Freie.

Unser Steiger, ein verständiger und gesprächiger Mensch, wußte diesen langen unterirdischen Marsch auf angenehme Weise vergessen zu machen. Seltsam regte er uns auf, als er uns bemerklich machte, daß wir jetzt unter der Stadt Clausthal, jetzt unter ihrer Marktkirche hinwanderten; als er aber von einer unterirdischen Schiffahrt im Harz zu reden begann, die er noch »ein aparter Stuck« nannte als den Erbstullen, meinten wir, unsere Verwunderung habe den Gebirgsmann aufgereizt, seinen Mutterwitz an uns zu üben. Doch er log nicht. In dem letzten Dezennium hat man nämlich in einer bedeutenden Tiefe, noch 300 Lachter tiefer als der Georgsstollen, eine sogenannte tiefe Wasserstrecke getrieben, welche die Clausthaler und Zellerfelder Gruben in Verbindung setzt und ihre Grundwässer dem Kunstschacht des »Silbernen Segens« zuführt, wo sie durch die Kräfte zweier Wassersäulenmaschinen zum Georgsstollen gehoben werden. Dieser unterirdische Kanal von mehr als anderthalb Lachter Höhe wird nun auch zum Transport der Erze benutzt. Auf seinem beladenen Kahn schwimmt der einsame Bergknappe in dem Gewölbe hinab; ein ausgespanntes Seil, an dem er sich und seinem Schifflein forthilft, dient ihm als Ruder und Steuer, und das kleine Grubenlicht ist sein Arkturus, sein Polarstern auf der grausigen Fahrt. Das Bild des stillen Schiffers, fremdartiger und schauriger als alles, was uns bisher begegnet war, wurde so lebhaft in uns, daß Neugier und mutwillige Eitelkeit den Wunsch einer Mitfahrt weckten, die aber unser Harzmann mit Lächeln zu beseitigen wußte, indem er uns den Unfall zweier Engländer erzählte, die durch ihre Unbeholfenheit bei einer kürzlich vorgenommenen Mitfahrt den Kahn umgestürzt und ihren Vorwitz durch ein sehr kühles Bad im sechs Fuß tiefen Wasser bezahlt hatten.

Ein gleichfalls neueres Werk besteht in einem Seitenzweig des Georgsstollens, den man vom Zellerfelder Hauptzug ab nach den Gruben des Bockswieser Zuges 1600 Lachter lang unter dem Spiegeltal hin getrieben hat und der 1835 zum Durchschlag kam. Noch im Jahre 1816 wurde eine Grube dort von dem Unglück betroffen, daß der Schacht zu Bruch ging, wobei zwölf Menschen, verschüttet, abgeschnitten von Sonnenlicht und Hilfe, ohne Ausweg ein jammervolles Ende fanden. Dieser Stollen hätte sie zu retten vermocht, wäre der Fluchtweg damals schon geöffnet gewesen.

Der Wechsel unseres Phantasiespiels schob Neugier und Eitelkeit schnell zur Seite; aber wir dachten nicht ohne Stolz: »Adams Sohn, dem Erdenkloß entsprungen und bald wieder Staub, du wirkst doch Großes aus deinem kleinen Schädel heraus und darfst dich wohl König und Nachschöpfer nennen auf Erden!« –

Als Knabe hatte unser Steiger der Vollendung des Georgsstollens beigewohnt. Mit der Lebhaftigkeit des Gebirgsmannes erzählte er, wie bei dem Durchschlag der Oberbergmeister ein frohes »Glückauf!« ausgestoßen und einem alten Bergmann namens Schmid – dem einzigen, der von den Arbeitern, welche den Stollenbau mit begonnen hatten, noch am Leben gewesen war – die Hand gedrückt und nun ein allgemeiner Jubel durch das Innere der Felsenkluft weit und weiter hinauf getönt habe. Wie aber bald der Jubel zur Feierstille geworden sei, als der Meister nach einem »Gelobt sei Gott!« mit Rührung des Stifters des herrlichen Werkes gedacht, der, früher von der Erde abberufen, die Freude der Vollendung nicht mehr zu teilen vermochte. Er erzählte ferner von den Festlichkeiten, die dem Tag der Vollendung gefolgt seien, von dem Glockengeläute, der Turmmusik, ein Tedeum in der Kirche, der Einweihung des Stollens durch eine Befahrung sämtlicher Beamter; von dem großen Zug der Bergleute zum Mundloch, alle geputzt mit grünen Schachthüten und mit brennenden Grubenlichtern und flatternden Bergfahnen; von der Festrede des Berghauptmanns von Meding; von den frommen Gesängen, den deklamierten Gedichten und dem lustigen Mahl unter geschmückten Zelten. Er erinnerte sich auch noch, wie der Oberbergmeister mit einer Ehrenmedaille beschenkt, ein Geschworener gleichen Namens, der sich besonders hervorgetan hatte, zum Bergmeister gemacht und der einzig übriggebliebene Bergmann Schmid mit dem Ruheplatz eines Steigers und Stollenaufsehers über Tag belohnt worden sei.

Wer hätte nicht gern dem schlichten Mann zugehört, der mit natürlicher, ungekünstelter Begeisterung von dem sprach, was ihm so nahe am Herzen lag; und wahrlich, die frische Luft und der helle Tagesschimmer strömten uns durch das sechs Ellen hohe Mundloch entgegen, ehe wir es vermutet hatten. Mit einem stattlichen Portal, aus Sandstein gehauen, ist der Eingang geschmückt, mit vergoldeter Inschrift versehen, und mit Linden bepflanzte Terrassen umgeben ihn und den offenen Kanal, der das hervorströmende Grubenwasser aufnimmt und weiterschafft. Unser Steiger machte uns zuletzt noch aufmerksam auf den links im Eingang eingesetzten Stein, der den ersten Schlag des Schlegels empfing und der durch ihre Namenszüge ein Gedächtnisstein der Stifter geworden war. »Beschreibung von dem merkwürdigen Bau des tiefen Georgsstollens am Oberharz« von J. B. Gotthard dem Jüngeren. Wernigerode 1801.

Wir schauten um uns. Wie durch einen Zauber von seinem Gipfel hierher versetzt, standen wir nahe dem Fuß des Oberharzes, unter dem Eichelberg im Mühlental, und die untersten Häuser der Bergstadt Grund lagen dicht vor uns. Der Bote, den wir mit unseren Kleidungsstücken hierher bestellt hatten, wartete bereits, und nachdem wir uns metamorphosiert hatten und die Glieder noch ganz geschmeidig fanden, wurde beschlossen, dem Nächstgelegenen sofort die gebührende Visite zu machen. Das Bergstädtchen Grund, das älteste und westlichste, liegt, von Bergen fast zusammengedrückt, dicht an der braunschweigischen Grenzmark, über die es durch das ihm verbundene Dorf Laubhütte hinüberstreift, da die Länderscheide durch letzteres läuft. Sieben Bergkuppen zäunen es ein, und der Bergbau, gleichfalls der älteste am Oberharz, war vorzeiten gar reich an edlen Metallen und soll in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts mehr Silber und Kupfer gebracht haben als Zellerfeld und Wildemann. Viele Jahre begnügte man sich am Eisenbau; doch kürzlich wurde die Grube, mit Hilfe Gottes, wiederaufgenommen, und sie verspricht guten Gewinn an silberhaltigem Bleiglanz. Gar nett ist die Wasserkunst dieser Grube; vom östlichen Berghang strömt das Wasser in eisernen Röhren herab, treibt eine Fontäne im Tal, steigt dann wieder in gleichen Röhren bergauf und fällt oben auf das Kunstrad.

Drängt man sich zwischen den das Städtchen einkerkernden Bergwänden durch, so erhebt das Kalksteingebirge drei Häupter grell und riesig vor uns, den Iberg, den Winterberg und den

Hübichenstein

Letzterer gestaltet sich am merkwürdigsten. Wie ein Doppelkristall, dessen eine Spitze abgebrochen ist, steigt er 120 Fuß frei aus dem Muttergestein und ragt über die Tannen, die neben ihm aufgeschossen sind, gar hoch hinaus. An seinem Fuß ist eine Eisengrube, deren Erzgang das Felsengebilde während seines Entstehens in zwei Schößlinge gespalten zu haben scheint, aber der Eingang des kleinen, engen Gewölbes mit dem karrenden Pygmäen macht den Zwillingskoloß noch ansehnlicher; man denkt unwillkürlich an eine Pyramide der hochmütigen Pharaonen, die man über den winzigen Sykomorensarg einer Mumie aufgestellt hat. Die höchste der Spitzen krümmt sich oben ein wenig und gleicht dadurch dem riesigen Hauer eines schwarzborstigen Keilers; sie ist unbesteigbar, und nur die Bergadler sind auf ihr zu Hause. Der um ein Drittel kürzere Seitenkegel kann bestiegen werden und erlaubt gegen Mittag hin eine anmutige Aussicht.

siehe Bildunterschrift

Der Hübichenstein

Doch was ruht dort auf hohem Berg wie ein graues Nebelgebilde und wiegt sich auf den Gipfeln des dunklen Gehölzes im Strahlenbad der hochstehenden Sonne? Auch hier noch solche Trümmer aus der alten Ritterzeit dicht neben der armseligen hölzernen Hütte des fleißigen Bergmanns? Oder sind wir im Kreislauf zu der Meta gekehrt, von wo wir ausliefen, und erscheint uns etwas schon Bekanntes? – Nein, es ist die alte

Stauffenburg,

und der gemütliche Finkler mit der Kaiserkrone begegnet uns nochmals am Ende unserer Fahrt in einer seiner vielen Schöpfungen. Heinrich der Vogelsteller sehnte sich hinauf zum Gipfel des Berges, den noch niemand bestiegen hatte, und ein Bergmann schlug ihm Stufen in den Berg, und wie der freundliche Fürst sich droben umgeschaut und ergötzt hatte an dem Blick auf die reichhaltige Landschaft, die hier die wilden Höhen und spröden Wälder des Harzes schauen ließ, dort umsäumt von sanfterem und saftigerem Laubholz die Feldfluren und reichen Matten des ebenen Landes entfaltete, stellte er eine Burg hinauf und weilte gern auf ihr. Ganz nahe den Trümmern dieser Burg liegt eine Schlucht oder ein Paß, heute noch der Heinrichswinkel genannt, und hier soll es gewesen sein, wo der fürstliche Vogelsteller, wie Cincinnatus zur Diktatur vom Pflug, zum deutschen Kaiserthron von seinem Vogelherd berufen wurde.

siehe Bildunterschrift

Die Stauffenburg

Nachdem die Grafen von Katlenburg und Heinrich Leo späterhin auf dieser Feste gehaust hatten, wurde ihr Name nur noch durch drei Personen, die dem schöneren Geschlecht angehörten, der Vergessenheit entrissen. Elisabeth, die Witwe des Herzogs Wilhelm, fand eine edle Beschäftigung darin, ihre Trauertage durch die Belebung des gesunkenen Bergbaus zu erheitern (1495); von ihrem Leibgedinge schoß sie die Kosten vor, ließ durch stolbergsche Bergleute die alten Gruben öffnen und baute Hochöfen und Hammerwerke im nahe liegenden Flecken Gittelde.

Die zweite Bewohnerin der Stauffenburg führte ein geheimeres Leben in den alten Mauern. Es war jene Eva von Troth, das schönste Hoffräulein der Herzogin von Wolfenbüttel, die aus Liebe zu dem heißblütigen Herzog Heinrich dem Jüngeren der Pracht der höfischen Feste, den Ansprüchen ihrer überall gepriesenen Reize, den lachenden Freuden der Jugend entsagte, sich einsargen ließ in diese steinerne Gruft, ihren Namen selber auslöschte vor der Welt, um nur der Liebe und dem Geliebten zu leben, eine Julia, welche jedoch ihren Romeo glücklicher wieder umarmte. Auf einer Reise zu ihren Verwandten ließ man das Fräulein zu Gandersheim erkranken; der Amtmann Scharfenstein zu Stauffenburg, seine Mutter, die alte Dankwerthsche, und eine Magd waren mit im Geheimnis, ein Italiener hatte die künstlichste Wachsmaske bereitet, und der Küchen- oder Kuchelschreiber Christopher fingierte das feine Kunstwerk mit schwarzen Pestflecken aus seinem Tintenfaß. Die schöne Eva wurde als an der gräßlichen Pest verstorben bejammert, die Marionette im Barfüßerkloster mit allen heiligen Zeremonien begraben, indes ihr lebendes Urbild droben auf Schloß Stauffenburg Tage einer seligen Klausnerin durchlebte, dem Herzog sieben leibliche Kinder schenkte und erst 1541 als eine Matrone in seinen Armen von ihrem stillen Glück den ewigen Abschied nahm. Ein seltenes Opfer, eine fast unglaubliche Entsagung, die unter den schönen Schwestern kaum eine Nachahmung finden dürfte.

Die Kinder der schönen Eva wurden nach dem nahe liegenden Ort Kirchberg getauft, und Eitel Heinrich von Kirchberg, des Vaters Augapfel, war von diesem zum Erben seines herzoglichen Hutes bestimmt, den der hochherzige Junker jedoch zum Frommen des lutherischen und deshalb vom Herzog bis auf den Tod gehaßten Prinzen Julius ausschlug, ja selbst die Versöhnung zwischen Vater und Sohn bewirkte.

Das feingesponnene Geheimnis kam später doch an die Sonne; die Familie der Troths klagte bei Kaiser und Reich, die lutherischen Fürsten verkündeten durch giftvolle Druckschriften, die mit den Kraftausdrücken jener Zeit überwürzt sind, die Greueltat, die Schändung des Grabes und der Kirche, doch niemand wagte den krausbärtigen Fürsten anzutasten, den gelüfteten Schleier völlig wegzuziehen, und die Stauffenburg blieb das geheimnisvolle, verschlossene Haus, das Rätsel der Zeit, bis der Tod, der sonst alles auf ewig verhüllt, diese Hülle hinwegnahm. Die »Schmalkaldischen Akten«, gesammelt und bewahrt in der königlichen Bibliothek zu Hannover, enthalten umständliche und sehr ergötzliche Skripten über diese Begebenheiten. Durch sie entstanden zwei Novellen von W. Blumenhagen, »Eva von Troth« und »Fürst und Bürger« betitelt.

Und noch eine dritte sollte auf der Stauffenburg ihres Daseins Ziel finden, aber ein schreckliches. Auch sie führte in diese umwaldete Einsamkeit die Liebe, dieser veredelte und vermenschlichte Trieb, der wie ein Samson in seiner Glut aller menschlichen Institutionen spottet, nur sich selbst Gesetz ist und eher sich und seine Widersacher unter den gebrochenen Säulen begräbt, als seinem Streben abschwört. Margarethe von Warberg, eine Äbtissin von Gandersheim, die ihr Klostergelübde verletzt hatte, büßte hier jahrelang (bis 1588) in einem steinernen Sarg lebendig eingemauert, doch grausam gefüttert, bis ein milderer Richter sie erlöste. O wenn diese grauen, bemoosten Mauern, dieser zerbröckelte Turm erzählen könnten welch ein tragisches Konzert, gemischt aus Klagetönen und Liebeslauten, aus Entzückungsseufzern und Verzweiflungskreischen, herzerschütternder als Paganinis diabolisches Saitenspiel, würde der sausende Westwind, der von dort herüberstrich, zu uns hergetragen haben! – Freunden der Vorzeit ist noch ein Buch zu empfehlen: »Die Burgen und Bergvesten des Harzes«, von Hofmann, Quedlinburg 1836, worin jeder bemooste Mauerbrocken im und am Harz seine topographische, historische und romantische Würdigung bekommt. Gelungene Bilder finden sich darin.

Wir flüchteten vor dem Sturm des aufgeregten Mitgefühls zum Iberg und in seine sehenswerten Klüfte. Seinen Namen, Ibenberg, soll er den vielen Eibenbäumen (Taxus baccata), die auf ihm wachsen, verdanken. Der ganze Berg ist ein Höhlenkonvolut, und doch steht er fest, obgleich man ihn von innen skelettiert und seine Eisenadern mehrere hundert Jahre hindurch ihm auszuschälen bemüht war. Die Gruben sind Eigentum der Grunder Bürger; sie liefern in Nestern, Nieren und Drusenlöchern auch Glaskopf und Spiegeleisen, Braunstein, kristallisierten Arragonit, herrliche Schwerspatdrusen und Erdpech. Das Material wird auf den Öfen der Teichhütte und der Neuenhütte bei Gittelde geschmolzen, die auch viele Eisenwerkzeuge für den Oberharz liefern und eine Niederlage von Eisenwaren ausstellen. Bei Gittelde findet sich noch das Mundloch des alten Laubhüttenstollens, der jedoch nicht zu seinem Ziel getrieben worden ist.

Wir entstiegen soeben den beiden Prunksälen des Ibergs, einem Paar offener Höhlen, deren Wände mit schimmernden Tropfsteinen tapeziert strahlen und auf deren Boden wie in einem arabischen Schloß klare Wasser springen und Kühlung aushauchen, da bemerkten wir einen Menschen fern auf der Wildemanner Straße, der auf einem Hügel stand, wie erschöpft sich an einen Baumstumpf lehnte und, sowie er uns erblickt hatte, mit Hut und Sacktuch vielfache Notsignale zu machen schien. Eine böse Ahnung trieb uns mit Eile zu ihm.

Es war ein Knecht aus unserem Gasthof, seine Botschaft galt uns, und er hatte mühsam unsere Spur gesucht. Bald nachdem er den Schacht der Dorothea verlassen, hatte Gustav einen Blutsturz bekommen und war einem Sterbenden gleich von den mitleidigen Harzweibern in die Stadt zurückgeschleppt worden. Welch eine Nachricht für die Sorglosen! Ein Blitz aus blauem Himmel! Unsere Erschütterung zu schildern, würden die Worte nicht ausreichen; ohne Ausruf oder Gegenrede begannen wir den Eilmarsch über Berg und Tal, und der Wind lieh uns seine Fittiche, denn er blies kräftig auf unsere Rücken. Die kalten Schauer, die er auf unsere erhitzten Glieder warf, und die Länge des rauhen Weges, die unsere Eile hemmte, ließen uns die verlorene Besinnung, wenn auch langsam, wiedergewinnen.

»Glaube mir, William«, sagte Ernst, tief Atem schöpfend, »ich habe dergleichen geahnt, seit wir die Szene auf dem Falkenstein durchspielten. Der Zwiespalt, der Kampf im Gemüt des armen Burschen wurde mit jedem Tag sichtlicher. Lag nicht an jedem Morgen die weiße Todesflagge auf seinem Antlitz und die Zerstörung der Seele im glanzlosen Auge, und brannten nicht an jedem Abend die roten Mordfackeln der wieder angeregten Leidenschaft auf seinen Wangen? Die Leidenschaft tyrannisiert, zertritt, sobald sie nicht gehorcht. Auch er ist ihr Opfer, und die nagende Erinnerung an ein selbst verscherztes Glück mischt ihm die langsame Aqua Toffana in jeden Morgenbecher.«

»Er hätte nicht mit uns weiterwandern dürfen«, antwortete ich mit schmerzlichen Selbstvorwürfen. »Wir hätten ihn mit Zwang von uns stoßen und zur Ruhe treiben sollen; aber mein Mund verstummte, weil das Wort frische Wunden bluten machen konnte.«

»Seltsam ist die Austeilung der Empfindungsskalen in den Menschenstämmen«, entgegnete Ernst düster. »Der Espagnol rast und mordet, was seiner Leidenschaft Ketten anlegt; der Italiener läßt es heimlich kochen in der grollenden Brust, bis es übersiedet, und löscht dann in schweigender Nacht mit Messer und Gift; der Engländer entrinnt seiner Unbehaglichkeit durch einen Pistolenschuß auf die eigene Stirn; der Franzose trällert und tanzt seine Grillen fort, und Dieffenbach schreibt wahr von ihnen: ›Hätten sie ein Wort für Gemüt, so hätten sie auch Gemüt. Ihre Amour ist nicht Liebe; sie haben oft mit Sympathie zu tun, aber es ist auch diese etwas anderes, als wir es nennen.‹ Dem armen Deutschen aber gab Mutter Natur zuviel der Tiefe des Gemüts, er versenkt, was ihn drückt, in sich selbst wie die Kindesmörderin das Zeugnis ihrer Doppelsünde in den tiefsten See, und hält es für männlich, die verborgene Schlange zu dulden, zu bekämpfen, bis sie ihn totgebissen hat. Dem Gustav wäre eine Franzosennatur zu wünschen gewesen, die die ganze Geschichte als eine pikante Bagatelle betrachtet haben würde. So ist er hin, und unsere Reise endet widerwärtig gleich einer Tragödie.«

Wir erreichten die Bergstadt, wir stürmten zum Gasthof, doch im Vorzimmer trat zu unserer höchsten Verwunderung der Onkel Namenlos uns entgegen.

»Erholen Sie sich von Ihrem Schrecken, meine Herren«, sagte er mit seiner ehrlichen Stimme, indem er uns die Hände reichte und unsere erregten Gesichtszüge musterte. »Mit Gott wird unserem Freund nicht von Bergknappen sein letztes Bett in diese Felsen gehauen werden. Zwei tüchtige Ärzte waren um ihn beschäftigt und erklärten den gefahrvollen Zufall nur für eine Krisis, welche die Natur selbst herbeigeführt hatte, um nahenden, vielleicht tötenden Sturm abzuwenden. Der Kranke ist in guter Gesellschaft, die vielleicht mehr für seine Heilung wirkt als Kühltränke und Pülverchen. Er bedarf strenger Ruhe, doch wünscht er Ihre Gegenwart.«

Wir traten zweifelnd an dem Trostwort und bangend in das Zimmer, wo Dämmerung waltete, und begrüßten den blassen Kranken: »Armer Gustav!«

»Reicher Gustav!« antwortete er halblaut und streckte uns die Hand entgegen. »Reicher Gustav, müßt ihr glückwünschend sprechen. Die Brust ist frei und leicht geworden; im Kopf ist alles so licht; o seit Jahren habe ich mich nicht so wohl gefühlt.«

Sein Auge wandte sich seitwärts, und neben dem Bett erkannten wir die schöne Lilie vom Stubenberg. Es war Pauline, ihre Hand lag auf seinem Arm, ihr Auge lächelte durch Tränen, und als wir überrascht umherblickten, sahen wir auch die Mutter, die freundliche Matrone, die am Seitentisch einen kühlenden Zitronenapfel für den Kranken in Scheiben zerschnitt.

Ohm Namenlos gebot mit Strenge Stillschweigen und trieb uns nach kurzer Weile von dannen. Gustavs Brief der Zerknirschung und Selbstanklage hatte in der Seele des Mädchens die böse Vergangenheit getilgt, und das dringende Begehren seines Lieblings bestimmte den Oheim zur Nachreise, sobald die Nichte sich von jenen Erschütterungen des unvermuteten Wiederfindens erholt hatte. »Die Weiber«, setzte der Alte hinzu, »haben eine eigene Rechtspflege, die von unserem Jus gewaltig abweicht. Wir pflegen bei jedermann das Böse vorauszusetzen, sie das Gute. Wir mißtrauen dem einmaligen Sünder, sie üben gern philanthropische Besserungskünste an ihm; wir verurteilen gnadenlos den Verbrecher, sobald er gestanden hat; ihnen ist das Eingeständnis ein Abschwören der Sünde auf ewig, und ihre höchste Lust ist das Verzeihen und Absolvieren. Ob wir sie deshalb besser halten müssen als uns oder nur schwächer, bleibt die Frage für eine Preisaufgabe.« –

Wir verlebten eine fast schlaflose und ängstliche Nacht. Der flinke Aufwärter berichtete uns, wie die fremden Damen, welche gestern spätabends im Goldenen Löwen angekommen waren, in derselben Minute auf die »Krone« zugewandelt seien, als man den ohnmächtigen, mit Blut begossenen Herrn herbeigetragen habe. Der Wirt hätte voller Schrecken drei Leichen zugleich auf seinem Vorplatz gesehen, denn die Damen wären nicht viel anders gewesen, und der alte lange Herr habe seine Last gehabt, die bestürzten Hausleute zu kommandieren, habe die Sache jedoch perfekt verstanden und in Ordnung gebracht. Nach dem ersten Schock und emsigem Beistand kamen die Damen wieder zur Besinnung, das jüngere Fräulein aber warf sich über den ohnmächtigen Gustav unter herzzerreißenden Klagen, welche die Augen des ganzen weiblichen Hauspersonals unter Wasser setzten, und als der alte Herr ihr mit Ernst zusprach, umschlang sie seine Knie und beschwor ihn, den Toten zu erwecken, und machte ihm in den rührendsten Worten linde Vorwürfe, daß er ihre Reise verzögert habe, daß sie durch seine Schuld zu spät erschienen sei. In Paulines Umarmung erwachte Gustav, der Tau ihrer Tränen brach das Todeseis auf seiner Stirn, im Sonnenschein ihrer Augen öffneten sich die seinigen. – Der gutmütige Harzsohn hatte selber nasse Augen, als er uns das Jubelgeschrei der Harzfrauen, das die Straße wach gemacht hatte, und die ganze Szene in seiner einfachen Manier beschrieb.

Am nächsten Tag war Gustav um vieles gebessert und erschien uns selber gefahrlos.

»Reisen Sie nur, mein Herr«, sprach Ohm Namenlos, »da Ihre Zeit abgelaufen ist. Als ein alter Praktikus beteuere ich Ihnen, Ihr Freund hat den besten Heilkünstler zur Seite, und je mehr er mit ihm allein ist, je schneller wird seine junge Natur die vormalige Kraft zutage fördern. Bei solchen Übeln spielt der verrufene Magnetismus eine Triumphatorenrolle! Sie sind durch Ihre Reise in die Sanskritsprache der Bergpriester genugsam eingeweiht worden, um mich zu verstehen. Unseres Freundes Krankheit gleicht dem ›Alten Mann‹, der in den eigenen Flüssigkeiten seines Bergreichs ertrunken dalag. Nur ein natürlicher Durchbruch derselben oder ein künstlicher Stollenbau vermochte zu helfen. Aber ist das Mundloch durchschlägig gemacht, so wird der Erzgang frei und gelöst. Wer könnte leugnen, daß in der Tiefe der Herzensbergwerke die Weiber bislang sich immerdar als die kundigsten Bergmeister und Markscheider dargetan haben. Paulinchen wird die Wünschelrute kunstgerecht handhaben, aufschürfen, wo sie Vorteil wittert, und die rechtmäßige Vermutung nicht versäumen. Legen wir darum des Freundes Schicksal getrost in Gottes und der Botin Hand, die er zu Gustavs Bett geschickt hat. Und was bliebe uns monströsen Naturprodukten mit Gigantenköpfen auf zerbrechlichen Pygmäenfüßen anderes übrig?«

Gustav saß im Bett aufrecht, als wir eintraten. »Ich glaube von jetzt an eine Auferstehung«, sagte er mit heiterer Miene. »Seid versichert, ich war wirklich gestorben, und ein Himmelsbürger, mein Genius, rief mich wach und trug mich in ein schöneres Dasein. Ernst, William, ich wünsche euch allen desgleichen!« –

Wir schieden von dem Freund auf baldiges Wiedersehen; die errötende Pauline schien bei dem Wunsch eine Art von Widerspruch im Blick zu verraten. Hinunter stiegen wir vom Gebirge, doch das Interesse an der Umgebung war einem höheren und menschlicheren gewichen. Das Dörfchen Buntebock, berühmt durch seine Kakerlakenfamilie (Albinos), der sich seltsamerweise noch ein anderes Kakerlakengeschlecht, die Schabe der indischen Wälder (Blatta gigantea), zugesellt, die in den Hütten heimisch geworden ist und im Siebenjährigen Krieg durch indische, in die Berge geflüchtete Warenmagazine hergebracht worden sein soll, ließen wir hinter uns, und nur das Bergdorf Lerbach, in dem es viele Kröpfe gibt und wo gerade an einer neuen Eisenhütte gebaut wurde, zog unseren letzten Blick auf sich durch seine wahrhaft romantische Lage. Zwischen scharf eingekerbten Felswänden streckt es sich lang und schmal, als wäre es soeben erst von der Höhe hinabgeglitten und stritte sich mit dem Bächlein unten um den schmalen Raum.

Ein halbes Stündchen später zogen wir ein in die Stadt Osterode und in des Vetters Haus, rasteten behaglich in der lang entbehrten Bequemlichkeit, welcher Seele und Leib bedurften, und durch mehrfache Botschaft über den Freund beruhigt, sagten wir dem herrlichen Gebirge, dessen innige Bekanntschaft wir mit vermehrtem Stolz auf das schöne Vaterland gemacht hatten, ein trauliches Valet und wanderten in das flachere Land zurück, dem alten Joch und dem gewohnten Frondienst des Lebens entgegen. Aber als wir in der Nähe des Schlosses Söder uns nochmals zurückwandten und dem rötlich strahlenden Gipfel des Gebirges einen letzten Gruß zuwarfen, sprachen wir dem größten deutschen Sänger nach:

»Reiner nehm' ich mein Leben von deinem reinen Altare,
Nehme den fröhlichen Mut hoffender Jugend zurück!
Ewig wechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig
Wiederholter Gestalt wälzen die Taten sich um;
Aber jugendlich immer in immer veränderter Schöne
Ehrst du, fromme Natur, züchtig das alte Gesetz.«

Hier schließt sich das Tagebuch meines Freundes, das mir zur Benutzung anvertraut wurde und das ich mit meinen eigenen, älteren Reisejournalen und den Exzerpten aus den besten Schriftstellern über den Harz zusammenschmolz, um, soweit es Zweck und Raum erlaubte, etwas Vollständiges zu liefern. Daß ich die kleinen Abenteuer und Episoden nicht ausmerzte, wird man mir hoffentlich nicht verübeln; sie gleichen den Staffagen, mit denen der Maler seine Landschaften belebt, sie sind Ruhepunkte für Schriftsteller und Leser und verwischen jene ermüdende Monotonie, die sich leicht jedweder Reisebeschreibung beimischt. Dem Tagebuch des Freundes fand sich noch ein Blättchen angeheftet, das ich dem Auge der schönen Leserin wohl nicht verhehlen darf; es ist ein Brief Gustavs, und er schrieb:

»Ich bin gesundet. Jugend, Freude und Liebespflege haben alles überwunden, verjagt, hergestellt. Mein Leben ist wieder Sonnenschein, Frühling, Blütenpracht, Fruchtsegen in solchem Übermaß, daß ich oftmals bange und bebe, es möchte Traum sein, dem ein recht trauriges Erwachen folgen müsse, denn die Stimme innen spricht, daß ich nicht verdient habe, was mich beglückt. Unser Bergspuk, der treffliche Onkel, hat sich in einen Oberbergdirektor und besonderen Günstling des Königs von ... verwandelt, und durch die Verwendung dieses an Herz und Geist so ausgezeichneten Mannes ist Euer armseliger Gustav Privatsekretär des Prinzen F... geworden und wird, gewarnt von seiner Vergangenheit, jede Kraft, die in ihm wohnt, aufbieten, sich der gewonnenen Ehre und Hochstellung wert zu machen. Unsere Wanderung durch das Gebirge erscheint mir wie eine Reinigungsfahrt in den nachtumhüllten Tempeln und Pyramiden des ägyptischen Osiris; die segensreiche Isis führte mit unsichtbarer Hand den Akolyten durch alle Prüfungen, durch Feuer, Blut und Wasser; der heißblütige Felix spielte den Fackelträger, und Ohm Namenlos reichte zuletzt als Hierophant mir die unverdiente Lotoskrone. Damit aber dem schönen Bau der Kranz auf dem Giebel nicht mangele, seid Ihr alle hiermit im Nachsommer des nächsten Jahres zur Hochzeitsfeier geladen, und zwar oben auf die Höhe des Stubenbergs, an demselben Tage, wo die Wende meines Schicksals begann. Der Onkel hat den Platz gewählt, und möchte doch auch der verirrte Franziskus sich bis da wiedergefunden haben und von Euch der Teilnahme an dem schönsten Tage Eures Gustav würdig befunden werden. Eine Marschalltafel soll übrigens nicht fehlen, an der Ihr den Brocken-Invaliden, Prinzessin Ilse nebst Gemahl, den Korporal Colero, Mütterchen Baucis und den ehrlichen Traugott Faber wiederfinden dürftet. Bis dahin: Glück auf!«


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