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In Barcelona

Vier Monate später warf die Nereide auf der Rückkehr von ihrer dritten Orientfahrt in Barcelona Anker. Tuch für die serbische Armee erwartete sie dort. Doch dieses Mal war es nicht der riesige Verdienst, der Ferragut bewogen hatte, diese Fracht anzunehmen. Etwas anderes zog ihn nach Barcelona: er mußte Cinta wiedersehen.

Das Bild seiner Gattin stieg, lebhaft und anziehend wie in den ersten Zeiten der Ehe, in seiner Erinnerung auf. Keine Wiederkehr der alten Zärtlichkeit – das war unmöglich. Aber das Gefühl der Reue malte sie ihm idealisiert, mit all ihren Eigenschaften der sanften, hingebenden Frau.

Es verlangte ihn, die freundlichen Beziehungen, die vor Estebans Tode zwischen ihnen bestanden hatten, wiederherzustellen, Verzeihung zu suchen für die Vergangenheit. Sie sollte seiner nicht mehr mit Haß gedenken und ihn nicht mehr für den Tod ihres Kindes verantwortlich machen.

In Wirklichkeit war sie ja die einzige Frau, die ihn aufrichtig geliebt hatte – so, wie sie zu lieben verstand, ohne leidenschaftlichen Überschwang, mit der ruhigen Sicherheit der treuen Gefährtin. Die anderen? Ein Gewühl von Schatten, zeitweilig in seiner Erinnerung auftauchende Schemen, mit Formen, aber ohne Farbe. Und die letzte, vom Verhängnis über seinen Weg geführt, diese Freya … wie er sie haßte! Wie er wünschte, ihr heimzuzahlen, was er durch sie erlitten hatte! …

Cinta empfing ihn mit einem blassen Lächeln, in dem man das Werk der Zeit erriet; zu jeder Stunde dachte sie an ihren Sohn, doch mit einer Resignation, die ihre Tränen trocknete und sie, wie ein Uhrwerk, ihr tägliches Leben fortsetzen ließ. Alles wollte sie tun, damit Ulysses ihre vom Schmerz eingegebenen grausamen Worte und jene Szene vergäße, in der sie sich als grimmige Anklägerin gegen ihn erhob.

Und während einiger Tage glaubte Ferragut, daß sein Leben wieder wäre wie ehedem; wie damals, als er vor dem Kauf seines Schiffes für immer an Land zu bleiben beabsichtigt hatte. Cinta war gut zu ihm.

Etwas fehlte aber doch – ein süßer Reiz der Vergangenheit. Und Ulysses bestand auf seinen Rechten. Das Finale war eine wehmütige Traurigkeit. Er konnte sich nicht verhehlen, daß seine Zärtlichkeiten Cinta abstießen, und so würde es immer sein!

Wieder erwartete er ungeduldig die Stunde der Ausfahrt. Nein, hier war für ihn kein Heim mehr!

Fortab saß er viel im Kreise der Verwandten oder auch stundenlang allein in den Cafés des Zentrums. Vormittags ging er am liebsten nach den Blumenständen der Rambla, zwei Mauern frisch gepflückter Blüten, in deren Kelchen noch der Morgentau blinkte. Jeder der eisernen Tische war eine Pyramide in allen Farben der Iris, mit allem Duft, den die Erde so sorgfältig erzeugt. Der Frühling kam. Die alten Bäume der Rambla bedeckten sich mit jungem Grün, in dem Tausende von Vögeln unausgesetzt wie Grillen zirpten und sich von Ast zu Ast verfolgten.

Als er sich an einem sonnigen Morgen wieder einmal durch die Menge der kauflustigen Damen in Spitzenmantilla schob, merkte er, daß eine Frau ihm folgte. Mehrere Male trat sie ihm lächelnd in den Weg, nach einem Vorwand suchend, um ihn anreden zu können. Ulysses schmeichelte ihre Beharrlichkeit durchaus nicht. Denn diese Vierzigerin mit dem stattlichen Busen und den starken Hüften, der ein großer Korb mit Lebensmitteln am Arm hing, war zweifellos eine Köchin.

Da sie allmählich inne wurde, daß Lächeln und einladende Blicke nichts fruchteten, blieb sie schließlich vor ihm stehen.

»Verzeihen Sie die Frage, sind Sie der Kapitän Don Ulysses?«

Ferragut bejahte kurz, worauf die Frau geheimnisvoll fortfuhr, daß eine sehr schöne Dame ihn um drei Uhr nachmittags erwartete. Als Adresse nannte sie eine Villa am Fuß des Tibidabo, und bevor Ulysses Zeit hatte, weitere Fragen an sie zu richten, war sie schon im Gewühl verschwunden.

Ich werde nicht gehen! sagte sich Ulysses. Warum meine Zeit dazu hergeben, das feile Lächeln irgendeines längst vergessenen Gesichtes wiederzusehen? … Dennoch kehrten seine Gedanken beharrlich zu dem Abenteuer zurück, und ebenso eigensinnig wiederholte er sein »Ich werde nicht gehen«.

Nach Tisch wurde er schwankend. Sollte er wieder einen langweiligen Nachmittag bei seinen Verwandten zubringen oder im Café sitzen? Warum nicht gehen? Vielleicht irrte er sich, vielleicht war es eine interessante Bekanntschaft …

Die Neugierde siegte. Um drei Uhr nahm er die Straßenbahn, die ihn zu den neuen Vierteln am Fuß des Tibidabo führte.

Kaufleute und Fabrikanten, die ihr Landhaus haben wollten, um Sonntags auszuruhen, gleichzeitig aber auch, um Staat zu machen mit ihren Mitteln, hatten hier die phantastischsten Blüten der Architektur aufschießen lassen. Es gab gotische und arabische, griechische und persische Bauten. Die Patrioten aber vertrauten sich gewissen Architekten an, deren Inspiration eine katalonische Kunst mit Spitzbogen, Zinnen und Grafenkronen hervorgebracht hatte. Diese mittelalterlichen Grafenkronen, die sogar die Laternen zierten, bildeten das ewig wiederkehrende dekorative Motiv in einer rein industriellen, allen Träumereien abholden Stadt.

Als Ferragut aus der Straßenbahn stieg, faßte er einen Entschluß. Er wollte sich das Haus von außen ansehen; vielleicht gab es Aufschluß darüber, mit wem er zu tun hatte, und ihm stand es dann immer noch frei, weiterzugehen. Indes war er kaum vor der ihm bezeichneten »Torre Traditionelle Bezeichnung eines Landhauses.« angelangt, als sich die Tür öffnete und die rundliche Frau vom Blumenmarkt sichtbar wurde.

»Treten Sie näher, Herr Kapitän.«

Mit verheißungsvollem Lächeln führte sie ihn in eine große Diele. An ihren Wänden hingen neben alten Waffen Radierungen aus München, und gegenüber dem mächtigen gotischen Kamin blickte aus einem schweren Rahmen das Bild Wilhelms II.

Dicke Teppiche und Portieren dämpften jedes Geräusch, so daß er die Rückkehr der Köchin überhörte.

»Darf ich bitten, Don Ulysses?«

Sie öffnete eine Tür, und Ferragut sah als erstes ein breites Fenster, bunt bemalt – eine Walküre, die mit wehendem Haar und hocherhobenem Speer auf einem schwarzen Roß galoppierte. Dann sah er einen Diwan, auf dem sich viele Seidenkissen häuften.

Von diesem weichen Lager sprang eine Frau auf und eilte ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen. Ein bebender Mund, tränengefüllte Augen, ein Lächeln, in dem sich Liebe und Unruhe mischten …

»Du! … Du!« stammelte er zurückweichend.

Seine Beine zitterten. Kalt lief es ihm über den Rücken.

»Ulysses!« seufzte die Frau, indem sie wieder versuchte, ihn zu umarmen.

»Du! … Du!« wiederholte Ferragut mit heiserer Stimme.

Es war Freya.

Er hätte nicht sagen können, welche mysteriöse Macht ihm sein Verhalten diktierte. In dem Bruchteil einer Sekunde sah er das Meer, ein scheiterndes Schiff … seinen zerstückelten Sohn.

»Ah, du H…«

Er hob den Arm, ballte seine schwere Faust. Eine innere Stimme befahl ihm: Keine Schonung! Und er schlug zu, mitleidslos, als hätte er einen Mann vor sich.

»Aii …«

Freya taumelte, dann knickten ihre Knie ein. Schlaff wie ein Wäschebündel sank sie zu Boden. Ihr Kopf schlug gegen die Holzkante eines Sessels und fiel weiter auf ein Diwankissen.

Vom Zorn bis zur Häßlichkeit entstellt, betrachtete Ferragut sein Opfer. Er atmete freier. Dann aber regte sich die Scham. Du Feigling! Eine Frau zu schlagen!

Haß und Reue lag in dem Blick, der sich nicht von Freya losreißen konnte. Sie schien plötzlich um Jahre gealtert zu sein. Der Schmerz hatte ihre Frische, ihre wunderbare Jugend verjagt. Dunkle Ringe zogen sich um die Augen, und die Nase war spitz geworden wie bei Todkranken. Auf die heraldischen Blumen des Kissens aber schlängelten sich rote Fäden, die gierig von der trockenen Seide aufgesogen wurden.

Ferraguts Verwirrung wuchs. Hastig schritt er zur Tür. Warum bleiben? … Nunmehr war jedes Wort überflüssig.

»Bleib, Ulysses!« murmelte eine schwache Stimme. »Es geht um dein Leben.«

In der Angst, er könnte fortgehen, machte sie eine heftige Bewegung. Und stärker floß das Blut; größer, immer größer wurde der dunkle Fleck auf dem Kissen.

Ein Mitleid, wie man es für eine hilflose Unbekannte auf der Straße empfinden mag, bewog den Kapitän zurückzukommen. Seine suchenden Augen fanden eine große Vase, die liebevolle Hände für ihn mit Blumen gefüllt hatten. Die ganze Frühlingspracht flog auf den Teppich. Dann tauchte er sein Taschentuch ins Wasser und wusch sorgsam die Wunde an Freyas Kopf. Als das Blut endlich aufhörte zu fließen und auf ihrer Schläfe eine dunkle Kruste bildete, wollte er sie emporheben.

»Nein, laß mich zu deinen Füßen«, wehrte sie ab. »Bin ich nicht deine Sklavin, dein Ding? … Schlage mich noch mal, wenn das deinen Zorn beruhigt.«

Demütig bot sie ihm ihre Lippen, mit zaghaften Augen um einen Kuß bettelnd.

»Ah, nein! … Das nicht!«

Sein Mitleid verrauchte. Je mehr sie zu sich kam, desto stärker fühlte er wieder den Haß in sich aufsteigen.

Sie mochte seine Gedanken ahnen. Leise begann sie:

»Ich habe lange gezögert, ehe ich dich holen ließ, denn mir bangte vor dieser Auseinandersetzung … Seit ich erfuhr, daß die Nereide im Hafen liegt, bin ich dir nachgegangen, wartete in der Nähe deines Hauses, sah dich im Café, und als ich dich heute morgen auf der Rambla erblickte, konnte ich mich nicht mehr gedulden, sondern schickte dir diese Frau nach. Und dann die grausamen Stunden der Erwartung … Was bedeutet noch dein Hieb? Ich habe dich bei mir, und gut, daß du gekommen bist … Höre, Ulysses, es gibt hier in Barcelona Fanatiker, die dir den Tod geschworen haben.«

Ferragut zuckte verächtlich seine breiten Schultern.

»Lügen, alles Lügen!«

»Nein, Ulysses! Denk an Kramer, dessen Festnahme du veranlaßtest. Ich verstehe deinen Haß: du kommst über den Tod deines Kindes nicht hinweg.« Ihre Stimme verriet eine unerhörte Angst, Angst um ihn, und an ihrer Aufrichtigkeit konnte Ferragut nicht mehr zweifeln. Doch seine Gleichgültigkeit machte jetzt heller Empörung Platz.

»Laß sie kommen!« knirschte er. »Je eher, desto besser …«

»Auch gegen mich hegt man Argwohn«, fuhr Freya fort. »Ich merke es an der Kälte, mit der man mich behandelt. Als man von deinem ›Verrat‹ sprach, protestierte ich gegen dieses Wort. Warum Verrat? … Du bist kein Deutscher – bist ein Vater, der sich rächen will. Und ich habe dich in dieses verhängnisvolle Abenteuer hineingezogen!«

Neapel stieg vor ihr auf, und es drängte sie, ihm alles zu erklären.

»Als ich dich in Paestum traf, warst du mir eine Erinnerung an meine Jugend, an die Zeit, in der ich mich noch nicht für den Nachrichtendienst verpflichtet hatte … Zuerst amüsierte mich dein verliebter Enthusiasmus, denn deine Galanterien à la española und dein Lauern in der Nähe des Hotels, um mir mit Schwüren und Versprechungen zuzusetzen, unterbrachen so hübsch die Langeweile an der Seite der Frau Doktor. Doch eines Tages begriff ich, daß ich mich ernstlich für dich interessierte, daß ich auf dem Wege war, dich zu lieben.«

»Du lügst!« grollte Ferraguts Stimme.

»Sag, was du willst … ich spreche die Wahrheit. Stand ich auf, so führte mein erster Weg zum Fenster, um zu spähen, ob du draußen auf mich wartetest. Ah, da ist er, mein Flirt! lachte ich dann glücklich. Meine Seele wurde jung, naiv wie bei einem Mädchen von siebzehn Jahren … Aber meine Vergangenheit dröhnte wie eine gesprungene Glocke an mein Ohr. Ärmster! In welche Welt von Intrigen hätte ich dich gebracht! … Nein! Nur nicht! Und heimlich schlich ich mich aus dem Hotel. Die Frau Doktor, der ich wohl zu viel von dir sprach, warnte: dieser Don José interessiert dich; Vorsicht, Carmen! … Wie recht sie hatte! Ich erkannte es an dem Tage, als wir uns bei den Polypen trafen. Morgens war ich traurig aufgestanden, krank, krank nach dir. Armer Kapitän, gib ihm ein wenig Glück, dachte ich und küßte dich im Aquarium.«

Nachdenklich schaute sie vor sich hin.

»Erinnere dich aber auch, wie ich dich im Restaurant des Vomero gebeten habe, mich meinem Schicksal zu überlassen. Weil ich ahnte, daß ich dir verhängnisvoll werden würde, wollte ich dich retten und fürchtete gleichzeitig, dich nicht mehr zu sehen. Als die Begierde abends bei dir durchbrach, als ich dir wehrte und meinen Haß gegen die Männer auf dich konzentrierte, habe ich nachts, allein, bitter geweint. Du warst mir verloren, doch wenigstens davor bewahrt, in unser Abenteurerleben mit hineingezogen zu werden … Dann brauchten wir ein Schiff und einen Mann. Ich erhielt Befehl, wieder mit dir anzuknüpfen, und wollte den Gehorsam verweigern. Aber das Opfer war süß – der Egoismus leitet unsere Handlungen. So ging ich zu dir … den Rest weißt du.

Wie habe ich die Tage bis zu deiner Rückkehr gezählt! Statt deiner kam die italienische Kriegserklärung und für uns eine Flucht, Hals über Kopf, nach Spanien. Hier erfuhr ich die Torpedierung der California und den Tod deines Kindes … Ich weinte, weinte viel, um dich, um deinen Sohn, den ich nicht gekannt hatte – und auch um mich, die schuldig geworden war. Seitdem habe ich Monate und Monate auf diesen Moment gewartet.«

Die alte Leidenschaft strahlte aus ihren Augen. Demütige Liebe verschönerte ihr angeschwollenes Gesicht.

»Immer wieder ging ich zum Hafen in der Hoffnung, dein Schiff dort eines Tages zu finden. Meine Augen folgten voller Sympathie den Seeleuten; in allen glaubte ich etwas von dir zu sehen … Liebe ist eigensüchtig. Ich vergaß allmählich den Tod deines Kindes. Einmal muß er kommen, und wir werden wieder glücklich sein wie früher, regte sich die Hoffnung in mir. Ach, Ulysses, wenn dieses Zimmer reden könnte! Wie viele Stunden träumte ich auf diesem Diwan von dir! Jeden Tag ordnete ich frische Blumen in die Vasen, in Gedanken an dich. Und wenn ich mich schmückte – für dich. Da plötzlich ging mein Paradies in Rauch auf. Wir erhielten mit der Nachricht von Kramers Festnahme zugleich die Kunde, daß du den Angeber gespielt hattest … Oh, Ulysses, wie hat mich die Frau Doktor mit Vorwürfen überhäuft!«

Ferragut unterbrach sie. Eine fixe Idee schien ihn zu beherrschen.

»Wo ist die Frau Doktor?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Freya, »vielleicht in Madrid, in Cadiz oder San Sebastian. Sie reist sehr viel, aber mir sagt sie nicht, wohin. Nur weil ich augenblicklich allein bin, wagte ich es, dich rufen zu lassen. Und nun höre gut zu, Ulysses. In Barcelona haben sich deutsche Flüchtlinge aus ganz Südamerika zusammengefunden; verwegene Burschen sind darunter, die in ihrem leidenschaftlichen Patriotismus vor nichts zurückschrecken. Sie kommen in einer Taverne am oberen Hafen zusammen, und ich weiß durch unsere Agenten, daß sie Kramers Tod an dir rächen wollen. Verlaß Barcelona, Ulysses! Dein Leben ist bedroht.«

Wie vorher antwortete ihr nur ein verächtliches Achselzucken.

»Geh fort, Ulysses!« wiederholte sie. »Und wenn du Mitleid hast und ich dir nicht ganz gleichgültig geworden bin – nimm mich mit dir!«

Diese unerwartete Bitte brachte Ferragut außer Fassung. Nochmals sein Leben mit dem ihren verbinden … nach allem? Der Vorschlag dünkte ihn so absurd, daß er düster lächelte.

»Ich tauge nicht mehr für den Nachrichtendienst«, fuhr Freya fort. »Ich will heraus aus diesem Leben. Hilf mir, Ulysses! Ich habe viel nachgedacht in diesen Monaten. Heute sehe ich nicht mehr Franzosen, Engländer oder Deutsche, nur noch Männer, die Mütter, Frauen und Kinder besitzen. Die Kämpfe und Schlächtereien erfüllen mich mit Grauen – ich hasse den Krieg. Nimm mich mit dir, Ulysses! Ohne dich weiß ich nicht, wohin … Ich bin mittellos und stehe allein.«

Der Kapitän blickte sie mit grausamer Ironie an.

»Ich verstehe, Ulysses. Ich weiß, was dein Blick besagt: ich kann mich ja verkaufen. Ah, du glaubst wohl, daß das meine Vergangenheit gewesen ist? Du irrst … dazu tauge ich nicht. Mir fehlt das Talent, etwas zu heucheln, was ich nicht empfinde. Wenn ein Mann mich nicht interessiert, verbittere ich ihm das Leben – bin sein Feind.«

»Du Komödiantin!« lachte Ferragut höhnisch. »Warum das alles? Du wirst mich doch nicht überzeugen.«

Als gäben seine harten Worte ihr neue Kraft, richtete sie sich hastig auf. Ihr Gesicht war in Höhe seiner Augen, und beim Anblick dieser blutigen Schläfe, von der sich die Spur des Faustschlags bis zu dem roten, angeschwollenen Auge hinzog, quälte ihn wieder die Reue.

»Ulysses, wenn du alles weißt, wirst du weniger hart sein. Als wir glücklich waren, bin ich deinen Fragen ausgewichen, da ich meine Vergangenheit vergessen wollte … Freya Talberg ist mein Nom de guerre; ich heiße Beatrice und stamme aus Triest. Mein Vater war ein von riesengroßen Unternehmungen träumender Phantast, der sein ganzes Leben damit zugebracht hat, die Großbanken für seine Pläne zu interessieren und in allen Ministerien ein und aus zu gehen. Ständig auf den Abschluß wunderbarer Kombinationen mit Millionenverdienst lauernd, lebten wir – Vater, Mutter und ich – in einer luxuriösen Armut, immer aber in den besten Hotels.

Wie kannst du, der du aus der ruhigen Behaglichkeit einer wohlhabenden Familie stammst, dir eine Vorstellung machen von solch pomphafter Existenz in den Luxushotels und der Angst, so oft die Rechnungen zu begleichen sind? … Meine Mutter weinte, doch der Glaube an Vaters Können trocknete ihre Tränen. Etwas Puder über die verweinten Augen, dann wie stets hinunter zur Teestunde in die prächtige Halle!

Damals spielte ich mit den Töchtern von Millionären, deren Reichtum man in New York, Paris und London anstaunte, und einige dieser Jugendfreundinnen tragen heute Herzogskronen. Bisweilen glückte meinem Vater auch eins seiner Geschäfte, so daß wir unser Dasein glänzender, kostspieliger Armut fortsetzen konnten, denn dieses Leben im Luxus schien ihm zur Durchführung seiner Projekte unentbehrlich. Der Aufenthalt in den teuersten Hotels, das gemietete Privatautomobil, die französischen Modellkleider für uns, der Modestrand im Sommer, der Wintersport in der Schweiz, alles das bedeutete für ihn eine Art respektabler Garantie, die ihm alle Türen öffnete. Diese Existenz hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Schande, der Tod – alles eher als das Elend. Keine Gefahr vermag mich zu schrecken, aber allein der Gedanke an Armut macht mich feige … Meine Mutter, müde des ewigen Wartens auf ein solides Vermögen, das nie kam, starb, und ich blieb allein mit meinem Vater. Ein junges Mädchen, das nur unter Männern lebte – die Halbjungfrau, die alles weiß, über nichts erstaunt, ihre Reinheit aber hartnäckig bewahrt, um sie sehr teuer zu verkaufen.

Als auch mein Vater starb – meine Toiletten und etwas Schmuck war alles, was ich besaß –, habe ich kaltblütig über mein Schicksal entschieden. In meiner Welt existiert nur eine einzige Tugend: das Geld. Die Mädchen aus dem Volke geben sich mit weniger Leichtigkeit als eine junge, an Luxus gewöhnte Dame, deren einziges Vermögen darin besteht, Klavier zu spielen, gut zu tanzen und ein paar fremde Sprachen zu können.«

Über diesen Abschnitt ihres Lebens ging sie rasch hinweg. Ein Freund ihres Vaters, ein alter Großkaufmann in Wien, war ihr erster Liebhaber gewesen. Dann hatte sie den romantischen Flügelschlag gespürt, dem auch die kälteste, die positivste Frau nicht entgeht, und für einen holländischen Offizier, einen blonden Apollo, mit dem sie in Sankt Moritz Schlittschuh lief, Liebe zu empfinden geglaubt. Sie heiratete ihn. Aber das dumpfe Vegetieren in Batavia zermürbte sie, und als geschiedene Frau kehrte sie nach Europa zurück, um ihr früheres Leben in den mondänen Bädern und Wintersportplätzen wieder aufzunehmen.

»Ah, das Geld! … In keiner sozialen Schicht ist seine Macht furchtbarer als in der, zu der ich mich zählte. Dem jungen Mädchen, dem die Mitgift fehlt – dieses unerläßliche Erfordernis, um eine anständige Frau zu sein und ein Heim zu gründen –, bleibt, wenn es die Misere fürchtet, nur die Prostitution. Verfluchte Armut! Wie ein Verhängnis hat sie auf meinem Leben gelastet! Die Männer, die anfangs gut zu mir waren, entpuppten sich nachher als Egoisten. Als ich mit Professor Talberg von den Anden zurückkehrte, ließ er mich im Stich, um ein häßliches, aber sehr reiches Mädchen zu heiraten. Und wie er beuteten auch andere meine Jugend aus und suchten sich zum Schluß eine Millionenerbin. Ist es verwunderlich, daß ich dahin kam, alle Männer zu hassen? …

Um unabhängig zu sein, ging ich zum Theater, tanzte und sang. Aber die Beifallsstürme galten weniger der Künstlerin als der Frau. Damals machte mir meine alte Freundin, die Frau Doktor, das Anerbieten, in den Nachrichtendienst einzutreten, und von der romantischen Seite dieser Arbeit verlockt, sagte ich zu.

Kein Mann spielte dann mehr eine Rolle in meinem Leben, bis du kamst … Du bist kein Egoist, und ich bin sicher, du hättest mich in meiner Jugend nicht wegen einer reichen Frau verlassen. Ulysses, glaub es, ich verweigerte mich dir, weil ich dich liebte, weil ich dir nicht Böses bringen wollte … Ulysses, mein Liebster, laß uns vergessen! Du bist gut. Hilf mir! Führe mich von hier fort.«

Sie streichelte zaghaft seinen Arm.

»Wohin kann ich gehen, wenn du mich verläßt? …« klagte sie, als Ferragut in seinem verbissenen Schweigen verharrte. »In Spanien stehe ich immer unter der Herrschaft der Frau Doktor. Nach Deutschland oder Österreich ist der Weg versperrt. In den Ländern der Alliierten werde ich füsiliert, sobald man mich ausfindig macht. Wohin, wenn du mir nicht hilfst?«

»Die Welt ist groß. Fahre nach Südamerika; dort gibt es neutrale Republiken.«

»Unmöglich, Ulysses! Meine Mittel sind erschöpft; ich könnte gerade die Reise bezahlen. Und wovon soll ich drüben leben?«

Voll Ironie streifte Ferraguts Blick ihre wundervolle Perlenkette, die großen Smaragden an den Ohren und die blitzenden Brillantringe.

»Ah, ich weiß, woran du denkst«, sagte Freya erregt. »Aber du begreifst nicht, was das hier für mich bedeutet. Es ist meine Uniform, mein Wappenschild – der sichere Geleitbrief, der mir die große Welt aufzusuchen erlaubt. Wir Frauen, die wir unsern Weg allein gehen, haben unsere Juwelen notwendig, um Hindernisse unterwegs zu überwinden! Juwelen! Sie genügen, um jedes Mißtrauen zu ersticken, selbst wenn man mit dem Begleichen einer Hotelrechnung im Rückstand ist … An den Grenzen wird man liebenswürdig behandelt: es gibt keinen besseren Paß. Und in den Hoteldielen tragen sie einem das Wohlwollen der hochmütigsten Damen ein. Was habe ich nicht erdulden müssen, um meine zu erringen! Hungern will ich lieber als sie verkaufen! … Mit meinen Juwelen bin ich jemand, kann mich auch ohne einen Pfennig dort zeigen, wo nur die Reichsten verkehren.«

Ein wenig mitleidig lächelte sie über die Unwissenheit Ferraguts, der ihr eine solche absurde Idee suggerieren wollte.

»Unmöglich, Ulysses, ich wiederhole es … Nimm mich mit an Bord. Ich habe keine Angst vor Unterseebooten. Und wenn es doch unser Schicksal sein sollte – gut, sterben wir zusammen!«

Sie legte beide Hände um seinen Hals und zog ihn zu sich. Ihre Lippen näherten sich seinem Gesicht.

»Würde das Leben mit Freya so schlecht sein? … Bin ich denn eine andere als in Neapel? Erinnerst du dich nicht mehr an die Vergangenheit?«

Nur zu gut erinnerte sich Ulysses. Wie ferne, schwüle, schon halb vergessene Melodien beunruhigte ihn der Duft ihres Körpers.

Freya sah den Kampf in seinen Zügen. Ihre Lippen wölbten sich zum Kuß. Es war derselbe Kuß wie im Aquarium – siegreich, beherrschend.

Ein heftiger Stoß, nicht weniger brutal als der Fausthieb, schleuderte sie zurück. Etwas war zwischen sie geglitten, etwas hatte ihre Umarmung jäh gelöst.

Esteban, der Tote, blieb siegreich.

»Nein! Nein!« brüllte Ferragut wie ein verwundetes, wildes Tier.

»Ulysses! … Ulysses!«

Der verzweifelte Ruf erreichte ihn nicht mehr. Die Haustür war schon krachend ins Schloß gefallen. Ferragut stand auf der Straße.

In der frischen Luft erinnerte er sich der Gefahr, die ihm nach Freyas Worten drohen sollte, und feindselig blickte er die Straße entlang. Still und einsam lag sie im Sonnenschein. Und dennoch hätte er seine Feinde gern zu Gesicht bekommen, sei es auch nur, um den in ihm tobenden Zorn gegen sich selbst an ihnen auszulassen. Diese schändliche Schwäche! Beinahe hätte er nachgegeben …

Begegnete er in den nächsten Tagen Deutschen, so blickte er sie herausfordernd an, um sich gleich darauf dieser Provokation zu schämen. Was sollten diese Kaufleute und Bankangestellten, alles Flüchtlinge aus Südamerika, wohl von dem Kapitän Ulysses Ferragut wissen?

Schließlich lachte er über Freyas Warnungen. »Nichts als Flausen, die mich bewegen sollten, sie mitzunehmen!«

Doch als er eines Morgens an Deck kam, nahm ihn Tòni beiseite.

»Ich bin vergangenen Abend in der Operette gewesen und kehrte gegen ein Uhr zurück. Nur noch vier Meter von der Laufplanke entfernt, hörte ich plötzlich drei Schüsse knallen, und eine der Kugeln pfiff dicht an meinem Ohr vorbei.«

Der Kapitän blieb stumm. Also hatte Freya doch die Wahrheit gesagt!

»Diese Schüsse«, fuhr Tòni fort, »galten nicht mir. Wer sollte einem simplen Steuermann nachstellen? … Sei auf der Hut, Ulysses!«

»Hast du die Sache angezeigt?«

Tòni entrüstete sich über diese Frage. Er besaß den ganzen Dünkel des Südländers, der bei Gefahr niemals etwas von den Behörden wissen mag.

»Hältst du mich für einen Angeber?«

Und mit einem kleinen Augenzwinkern zeigte er dem Kapitän sein »Werkzeug«. Für Feuerwaffen, diese lärmenden Spielzeuge mit ungewissem Erfolg, hatte Tòni nichts übrig. Er liebte den stummen Stoß, die blanke Waffe, die Verlängerung der Hand – mit einer atavistischen Liebe, die vielleicht mit dem Blinken der Enterbeile seiner Vorfahren zusammenhing.

»In den letzten Tagen habe ich schon verschiedentlich sonderbare Burschen hier herumschleichen sehen. Lassen sie sich nochmals blicken, so werde ich ein Wörtchen mit ihnen reden.«

»Du wirst nichts tun«, befahl der Kapitän. »Ich allein übernehme diese Sache.«

Voll Ungeduld erwartete er den Einbruch der Dunkelheit. Wie ein schmerzhafter Nagel hatte sich eine Idee zwischen seine beiden Augenbrauen gebohrt, und taub gegen alle Stimmen der Klugheit, machte er sich in der Dämmerung auf den Weg zu der Taverne, die ihm von Freya genannt worden war.

Als sich unter dem nervösen Druck seiner Hand die Glastür nicht sofort öffnete, trat er wütend gegen die untere Holzfüllung. Die Tür sprang auf, die Glasscheiben aber klirrten zu Boden. Ausgezeichneter Einzug! … Ferragut sah dicken Tabakrauch, durch den die roten Sterne von drei elektrischen Kronen glimmten, und an den Tischen verschiedene Gäste. Hinter dem Büfett stand der Wirt mit aufgekrempelten Hemdsärmeln.

»Ich bin der Kapitän Ulysses Ferragut.«

Stillschweigen. Alles starrte ihn mit weitaufgerissenen Augen an.

Er wählte einen an der Wand stehenden Tisch und sprach zu dem herbeieilenden Kellner absichtlich mit lauter Stimme:

»In dieser Kaschemme verkehren allerlei Leute, die mich gern sehen möchten. Sag ihnen, daß ich jedem zur Verfügung stehe.«

»Sehr wohl, Señor, ich werde es ausrichten«, antwortete der Andalusier und ging zum Büfett, um eine Flasche Wein zu bringen.

Vergebens fixierte der Kapitän die Männer an den benachbarten Tischen. Man beachtete ihn überhaupt nicht oder schaute nach der ersten Überraschung wieder fort, so daß Ferragut seine herausfordernde Haltung allmählich etwas lächerlich vorkam. Verärgert griff er nach einer illustrierten deutschen Zeitung und heuchelte großes Interesse an ihrem Inhalt, ohne jedoch den Revolver in der Hosentasche loszulassen. Ab und zu lachte er höhnisch auf, als läse er etwas, das seinen Spott reizte.

Erst als er die Zeitung beiseitelegte, bemerkte er die große Veränderung in der Taverne. Bis auf vier Bezechte hatten sich während seiner Lektüre alle Gäste leise entfernt. Ferragut zog seine Uhr: schon acht. Was sollte er hier noch herumsitzen? … Er zahlte und ging.

Die Nacht war hereingebrochen. Unter den Kugeln der Bogenlampen hin eilten Straßenbahnen und Automobile zum Innern der Stadt, und Gruppen von Werftarbeitern zogen in derselben Richtung. Barcelona, schimmernd und gleißend, lockte die Menge. Im dunklen Hafenbecken stiegen kleine Lichter an den Masten hoch.

Unentschlossen, ob er zu Hause oder in einem Restaurant der Rambla essen sollte, blieb der Kapitän stehen. Plötzlich durchzuckte ihn ein neuer Einfall. Hieße es nicht seine Unternehmung würdig krönen, wenn er an Bord zurückkehrte und so seinen Feinden – falls sie ihm folgten – die günstige Gelegenheit gab, ihn auf dem öden Kai anzugreifen? Das wird ihnen beweisen, daß du keine Angst vor ihnen hast, flüsterte der Hochmutsteufel in sein Ohr.

Und resolut drehte er ab zu den Kais, überquerte Eisenbahnschienen, umschritt die Mauern großer Schuppen, stieg zwischen aufgehäuften Kollis durch. Anfänglich begegnete er noch kleinen Gruppen, die es zur Stadt trieb, dann vereinzelten Paaren; schließlich trabte hie und da ein Nachzügler an ihm vorbei und endlich niemand mehr. Absolute Einsamkeit!

Die Kandelaber zeichneten helle Kreise auf den Boden. Weiterhin dehnte sich ein Dunkel, das tiefschwarze Silhouetten durchschnitten: Barken, Warenhügel, Berge von Kohlen. In dem düsteren Wasser verlängerten sich die Schiffslichter zu roten und grünen Schlangen. Ein Überseedampfer nahm beim Licht seiner Scheinwerfer noch Ladung über, und dies lebhafte Treiben inmitten der Nacht gemahnte ein wenig an ein venezianisches Fest.

Dann und wann blitzte unter den Straßenlaternen das Gewehr eines Zollwächters auf, der seine Runde machte.

Plötzlich nahm Ferragut das Geräusch gedämpfter Schritte wahr. Er fuhr herum und glaubte einige Männer eiligst aus dem hellen Fleck einer Bogenlampe in den Schatten springen zu sehen.

Man folgte ihm … und bis zur Nereide, die ziemlich am Ende des öden Kais lag, war es noch weit.

»Ich habe eine Dummheit gemacht«, murmelte er. Aber seine späte Reue nützte nichts. Von der Stadt trennte ihn eine noch größere Entfernung als von seinem Schiff. Er zog den Revolver. »Vorwärts also!«

Vielleicht hatten ihm seine Sinne auch einen Streich gespielt, vielleicht war er doch die einzige menschliche Seele in dieser nächtlichen Einsamkeit. Doch nach wenigen Minuten wurde er eines anderen belehrt. Deutlich vernahm sein Ohr, durch die Gefahr geschärft, das Schleichen behutsamer Schritte, und nicht nur hinter sich, sondern auch zu seiner Rechten, jenseits der Barrikade der Kisten und Ballen. Zur Linken aber blinkte der schwarze Wasserspiegel.

Sollte er laufen? Ah, nein! … Er dachte an Kramers vergebliches Todesrennen. Sterben – ja. Aber nimmermehr auf der Flucht.

Weiter! …

Jetzt wurde das Ende des Kais, auf dem keine Waren mehr lagerten, sichtbar, und dunkel stiegen auch die Umrisse seines Schiffes vor ihm empor.

Eine kleine Flamme zuckte auf, ein Knall erdröhnte. Dann drei weitere Schüsse, und Ulysses spürte einen heftigen Schlag an der linken Schulter, als hätte ihn ein heißer Stein getroffen.

Instinktiv warf er sich zu Boden und blieb reglos liegen.

Es war still geworden. Aus dem Dunkel löste sich ein Schatten. Ulysses ließ ihn näher kommen, und erst als der Mann sich über ihn beugte, sprangen zwei Blitze aus Ferraguts Hand. Der Mann fuhr in einem Zucken der Agonie hoch und fiel dann mit ausgebreiteten Armen hintenüber.

Im Nu war der Kapitän auf den Füßen. Er lief, er lief verzweifelt um sein Leben, gebückt, um möglichst wenig Ziel zu bieten.

Der Kugelregen ließ jedoch auf sich warten. Die Angreifer wußten wohl nicht recht, wer auf dem Platz geblieben war. Als sie indes einen Menschen zum Schiff hetzen sahen, wurde es ihnen klar, aber zu spät. Ein paar nachgesandte Kugeln pfiffen harmlos durch die Luft.

»Ich bin es, Tòni«, keuchte Ferragut, über die Laufplanke an Deck stürzend, wo sich ihm sein erster Offizier, die blanke Klinge in der Hand, entgegenstellte.

Auf dem Kai ertönten die Pfeifen der Patrouillen, Alarmrufe, dann das Getrappel von Laufschritt. Und dem Kapitän, der hinter der Reling in die Dunkelheit spähte, schien es, als trüge man einen Menschen fort.

»Blut!« rief Tòni erschreckt, als das Licht der Kajütenlampe auf Ferraguts Schulter fiel.

»Nichts von Bedeutung«, beschwichtigte dieser. »Du siehst, ich kann den Arm bewegen. Caragòl soll mir zu essen bringen, was gerade da ist. So ein Intermezzo macht hungrig!«


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