Hugo Bettauer
Faustrecht
Hugo Bettauer

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Achtes Kapitel

»Ich weiß ganz genau, was du mir sagen willst,« erklärte Grace lachend, während sie Fels den Mund mit der Hand verschloß. »Du willst jetzt sehr feierlich das tun, was die übrigen Ehrenmänner hier und in Europa tun würden, und mir mitteilen, daß du nach den gestrigen Ereignissen es für deine Pflicht hältst, unseren Bund nun auch vor Gesetz und Altar zu knüpfen.« Und als Fels sie zustimmend auf die Augen küßte, fuhr sie fort:

»Ich aber sage dir darauf etwas, was allerdings die anderen hundert Millionen Mädchen, besonders wenn sie sich in einer sozialen Stellung befinden, nicht sagen würden: Ich erkläre nämlich hiemit ebenso feierlich, daß der gestrige Tag an meinen Ansichten und Plänen nichts ändern kann. Liebster, runde nicht die Stirn, das steht dir gar nicht gut, zeig' mir lieber dein frivoles Lachen, mit dem du mich gefangen genommen hast, – so ist es gut – und nun höre mich an: Ich bin dein und ich glaube, daß ich auch dein bleiben werde. Du kommst jetzt mit uns nach den Catskills oder, falls du anderes vor hast, kommst du nicht mit. Und immer, wann es mir und dir paßt, werden wir uns hier in New York oder in meiner Heimat in New-Orleans oder in Paris, London, Berlin oder Wien treffen. Und dann werden wir wundervolle, schöne Tage miteinander verbringen, immer wird uns ein neues Glück erblühen. Und wir werden uns unseres Glückes tausendfach freuen, weil wir es nur verstohlen genießen werden können, und jedes Zusammensein wird uns ein anderes herrliches Abenteuer sein. Und vielleicht werde ich dich eines Tages nicht mehr mögen oder du wirst genug von mir haben, dann werden wir uns das als freie Menschen ehrlich und offen eingestehen und ohne Groll auseinandergehen. Oder wir werden uns immer lieben und so in unserer freien, ungebundenen Liebe älter und ruhiger werden und beide das Bedürfnis haben, im eigenen Heim beieinander zu bleiben, dann können wir uns noch immer verheiraten und unseren Lebensabend als wohlanständige Menschen beschließen. Aber jetzt dürfen Menschen, wie wir es sind, sich noch nicht binden. Glaube mir, es wäre jammerschade, wenn wir unsere schöne, sonnige, herrliche Liebe einkochen und auf Vorrat konservieren wollten. Ich weiß ganz genau, daß das alles so banal enden würde, wie bei den anderen Leuten, über die wir uns so gerne lustig machen. Eines Tages würde ich dir etwas erzählen und du würdest ein wenig gähnen und dich dann mit Abspannung entschuldigen, oder du würdest etwas sagen und ich würde gereizt erwidern, daß du das schon mehrmals gesagt hast, und dann müßte der Tag kommen, wo jeder die Gedanken und Weisheiten des anderen auswendig kennt, und damit beginnt dieses gegenseitige Sich-Belauern, um Unschönes aneinander zu entdecken, dieser furchtbare Überdruß, der vertausendfacht wird, weil man einander nicht entgehen kann, und dieser Überdruß geht in Haß über oder in Gleichgültigkeit, die ärger ist als Haß. Nein, Darling, so soll es bei uns nicht werden! Immer wollen wir uns aneinander erfreuen, jedes Zusammensein soll ein Festtag sein. Nicht wahr, du gibst mir recht und denkst genau so wie ich, wenn du auch einen Moment hattest, in dem dich der Allerweltsspießbürger ritt!«

»Ja, mein Liebes, du hast recht und es soll so sein, wie du es vorschlägst.«

Diese Unterredung fand wieder in dem Appartement in der Vierzigsten Straße statt, dessen Betreten sich genau so abgespielt hatte, wie am Tage vorher. Die Negerin fragte, ob die Herrschaften Zimmer mieten wollten, stellte fest, daß das Gepäck wahrscheinlich später kommen würde und der Mietpreis für eine Woche im voraus zu bezahlen sei.

Am zweitnächsten Tage sollte Grace mit ihrem Vater nach den Catskills fahren und Fels war noch nicht ganz entschlossen, mitzuhalten. Grace selbst hatte einige Bedenken dagegen. Schon tuschelte man in den Kreisen der »upper fourhundred« über das häufige Zusammensein mit dem »Fremden«, von dem man nichts wußte, als daß er weder der »Sohn« eines Bankhauses noch der einer europäischen Eisenfirma sei, wie es sich, wenn man schon das Unglück habe, nicht Amerikaner zu sein, doch schicke. Würde nun Fels gleichzeitig mit ihr im Mountain-Haus auftauchen, ohne daß die Verlobung erklärt wird, so riskierte man die bösartigsten Klatschereien, denen Grace lediglich aus Rücksicht für ihren Vater gerne entgangen wäre. Außerdem hätten sie in dem riesigen Landhotel kaum Gelegenheit, oft allein zu sein, so daß der gemeinsame Aufenthalt für sie mehr Qualen als Freuden gebracht hätte. Beide kamen aber noch zu keinem endgültigen Entschluß und wollten ihn bis zum nächsten Tag verschieben.

 


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