Hugo Bettauer
Das blaue Mal
Hugo Bettauer

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»Ja, natürlich, soll geschehen,« erwiderte Clemens von Ströbl, sich behaglich in ein Fauteuil zurücklehnend und eine Zigarette in Brand steckend. »Schon morgen spreche ich mit meinem Alten, der soll dann beim Direktor Walter der Industriebank, mit der unsere Firma ja eng liiert ist, ein gutes Wort für dich einlegen. Das ist gescheit von dir, daß du die fade Geschichte mit dem Jus endlich an den Nagel gehängt hast.«

Seit diesen Worten Ströbls in der Bar des Hotels Bristol waren vierzehn Tage vergangen. Carlo war schon einigemal mit Clemens zusammengetroffen, aber dieser war nicht auf die Angelegenheit zurückgekommen. Nun begann Zeller selbst davon zu sprechen, während sie zusammen im Turnsaal des Klubs standen, bereit, Hantelübungen zu machen.

»Sag einmal, Clemens, wie steht denn die Sache mit der Industriebank? Du weißt, daß es mir jetzt einigermaßen eilig ist.«

Ströbl wurde sichtlich verlegen. »Ja, lieber Carletto, mit der Industriebank ist leider gegenwärtig nichts. Keine Vakanzen dorten. Es kann ja unter Umständen eine Stellung im Sekretariat frei werden, aber wann, das ist nicht genau vorauszusehen. Ich weiß das schon seit einigen Tagen, ich wollte an einer anderen Stelle auch anklopfen für dich, in der Austriabank, wo mein Vetter Robert im Rechtsbureau arbeitet.«

»Nun, und welches Resultat?«

»Ich habe ihn leider bis jetzt nicht sprechen können; ich werde im Laufe der nächsten Tage einmal zu ihm hinaufschauen. So dringend ist es für dich schon, einen Posten zu haben?«

Carlo nickte.

»Geht's mit dem Geld schon zu Ende?«

Carlo hörte mit scharfem Ohr aus dieser Frage das lauernde Mißtrauen. Nie war es ihm so klar zu Bewußtsein gekommen, wie in diesem Augenblick, daß man ihn glatt fallen lassen würde, wenn er nicht mehr in der Lage wäre, gesellschaftlich mitzutun. Er warf den Kopf hochmütig in den Nacken: »Davon kann nicht die Rede sein. Aber ich habe eben bereits genug von dem Bummelleben. Du bist ja jetzt auch tätiger als früher.«

»Richtig. Naja, wenn du die Sache beschleunigen willst, mußt du dich auch sonst umtun, alle Hoffnungen darfst du nicht auf mich setzen.«

Nun wußte Zeller wenigstens, woran er mit Ströbl war. Und er beschloß, heute noch mit Kehlhausen zu sprechen, dem man ebenfalls gute Beziehungen nachrühmte, ferner mit Herrn Kommerzialrat Anbelang, Vorstandsmitglied des Klubs, ein Großindustrieller, der in vielen Verwaltungen saß. Und Lisl Ortner, die er noch am selben Abend – wie beinahe jeden Abend jetzt – im Kaffeehaus in der Mariahilferstraße traf, riet ihm, es auch mit einem Inserat in einer großen Tageszeitung zu versuchen.

Ach ja, wenn er Lisl in dieser Zeit nicht gehabt hätte! Immer mehr entpuppte sie sich als sein einziger Freund, als sein bester Kamerad. An den Tagen, an denen sie einander aus irgend einem Grund nicht sehen konnten, kam er sich sehr einsam vor.

Liebte er sie – liebte sie ihn? Nie war von Liebe zwischen ihnen gesprochen worden, der Ton, in dem sie miteinander verkehrten, war wohl ein herzlicher und vertrauter, aber nie ein vertraulicher, von einem Flirt, wie er so viele früher mit jungen Mädchen aus der großen Welt gehabt hatte, war bei diesen Beziehungen nicht die Rede. Aber wenn er in ihrer Nähe war, da fühlte er sich irgendwie geborgen, wenn er neben ihr saß, wallte schneller sein Blut, und sein Herz klopfte stärker, und er war so glücklich, und oft, oft war es ihm, als müßte er sie an sich reißen: »Du, du, dich habe ich gesucht, immer nur dich, und nun, da ich dich gefunden habe, lasse ich dich nicht mehr.«

Aber wozu von solchen Dingen sprechen? warnte ihn eine innere Stimme. Daß auch sie ihm gut war, fühlte er. Die Möglichkeit einer Vereinigung stand noch in weiter Ferne. Einander durch Geständnisse zu erhitzen, hieß für sie beide, die sie jung und lebenshungrig waren, unnötige Qualen heraufbeschwören. Denn bei einem Mädel wie Lisl wäre es Verbrechen gewesen, an eine andere Vereinigung als an eine legitime zu denken.

*


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