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Sechzehnter Abend.
Der Sieger im Kampfspiel.

Odysseus warf sich sorgenvoll auf seinem Lager umher, ohne Ruhe zu finden. Schwere Gedanken durchkreuzten sein Haupt; er dachte mit Verwunderung an das, was geschehen war, und mit Zweifel und Bangen an das, was zu thun ihm noch bevorstand. Durch das Haus schlüpften indes die Mädchen, die es heimlich mit den Freiern hielten und, während Penelope schlief, das Haus verließen, um die Freier in ihren Wohnungen aufzusuchen. Alle diese Unsitte und Unbill aber versetzte den bekümmerten Odysseus zugleich in den heftigsten Zorn, und im Herzen drohte er den frechen und schamlosen Dirnen schreckliche Vergeltung, wenn der Tag der Rache gekommen sein würde. Dann aber dachte er wieder an den zahllosen Schwarm der Freier, und sein Mut brach, wie er jedem gebrochen sein würde, der es mit hundert Jünglingen hätte aufnehmen sollen.

Da plötzlich erschien ihm wieder Athene, seine göttliche Freundin, und stand ihm zu Häupten. »Was bekümmert dein Herz so sehr? Du hast alle Ursache zufrieden zu sein und dich nicht mehr zu grämen. Bist du doch in deinem Hause bei der treuen Gattin und dem wackeren Sohne!« sprach ermutigend die Göttin.

Er bekannte ihr seine Besorgnisse. »Freilich«, entgegnete sie, »wenn dir ein sterbliches Weib seinen Beistand zum Kampfe zusagte, da möchtest du mit Recht mißtrauen; aber auf mich, die Göttin, solltest du doch wohl bauen, kleinmütiger Mann! Schäme dich! Ich sage dir, wenn fünfzig Rotten solcher Freier gegen dich anrückten, und ich beschützte dich, so sollten die fünfzig Rotten dir just wie so viel Kinder thun. Jetzt aber schlafe ein und beruhige dein Herz. Die Göttin heißt dich das Beste hoffen.«

Er entschlummerte, doch nicht auf lange Zeit. Noch vor der Morgendämmerung weckte ihn ein rührender Klageton, von Schluchzen und Seufzen unterbrochen. Es war Penelopes Stimme, leicht hörbar durch die Bretter der oberen Decke des Zimmers. Sie weinte trostlos auf ihrem Lager und rief in ihrem Schmerz wohl hundertmal Odysseus' Namen, der jedesmal dem unten Wachenden durch die Seele drang. Ein lebhafter Traum hatte sie abermals erschreckt: Odysseus in voller Rüstung, so wie er nach Troja gegangen war, ruhte neben ihr. Nun war ihr Schlaf dahin, und ihre Thränen flossen wieder.

Dem treuen Gatten wollte das Herz zerspringen. Er warf die Decken von sich, stand auf und machte einen raschen Gang, durch den Saal. Dann trat er ans Fenster und richtete das Haupt zum Himmel. Es war noch finster, die Sterne flimmerten. Die schaurige Stille der Nacht ward nur durch Penelopes Seufzer und durch das häßliche Knarren der Handmühle Im ganzen Altertume mahlte man das Getreide noch, wie wir den Kaffee, auf Handmühlen, welches eine der schwersten Sklavenarbeiten war. unterbrochen, auf der eine Magd in der Nebenkammer Korn für die Freier zermahlte. Das war ein Geschäft, welches täglich auf zwölf Mägden ruhte; in dieser Nacht aber waren die übrigen alle früher fertig geworden, als das arme Mädchen, welches schwach und kränklich, jetzt noch immer die matten Arme rührte.

»O Gott«, betete Odysseus mit leiser Stimme, »erhabener Zeus, wenn du Gutes mit mir beschlossen hast und mir gnädig sein willst, so gewähre mir jetzt ein Zeichen, daß ich dir vertrauen kann!«

Und horch! nicht lange darauf rollte ein lange anhaltender Donner am weiten Morgenhimmel hin. Und in dem Augenblicke hörte die Mühle zu rasseln auf, und das ermüdete Mädchen sprach vernehmlich in der Kammer:

»Heiliger Vater Zeus! du donnertest laut, und doch ist der Himmel gestirnt und heiter. Gewiß giebst du einem Sterblichen ein Zeichen. O erhörtest du doch auch meine Bitte, daß ich elendes Mädchen diese Nacht zum letztenmale für die heillosen Freier gearbeitet hatte, die Tag für Tag unter Jubel verzehren, was die armen Sklavinnen des Nachts mit saurem Schweiße bereiten müssen. O daß sie alle umkämen und dieser Schmaus ihr letzter wäre!«

Beides, der Donnerschlag und die zufälligen Worte des Mädchens, dünkte den edlen Mann ein doppeltes siegverkündendes Zeichen. Nun wuchs ihm plötzlich der Mut, und alle Furcht schwand aus seiner Seele. Dröhnend schritt er auf und ab in dem weiten Saale und entwarf Pläne für den kommenden Tag. Mit Ungeduld erwartete er den Anbruch der Morgenröte.

Sie kam, und mit ihr ward alles lebendig im Hause. Telemachos ging auf den Markt, und Eurykleia rief die Mägde herbei, um ihnen ihre Geschäfte anzuweisen. »Hurtig an die Arbeit! Ihr da sprengt und fegt mir den Saal, setzt die Stühle zurecht und legt die purpurnen Decken darüber. Ihr andern dort scheuert die Tische mit Schwämmen rein und spület die Becher und Krüge, wie sich's gehört. Ihr übrigen lauft zum Brunnen und holt Wasser herbei. Aber nicht viel geschwatzt unterweges; denn heute werden die Gäste früh hier sein, weil ein Festtag zu Ehren des Apollon ist. Ihr wißt, wir haben Neumond.«

Die Mägde thaten, wie ihnen befohlen war. Und als die Wasserträgerinnen von der Felsenquelle zurückkamen, erschienen auch schon die Diener der Freier in dem Hofe, um Holz zu spalten und die Tiere zu schlachten, welche die Hirten zum heutigen Schmause liefern mußten. Auch der treffliche Sauhirt hatte sich früh aufgemacht und trieb diesmal selber seinen Anteil, drei fette Schweine, vor sich her. Als er sie durch den Thorweg getrieben hatte, ließ er sie im Hofe herumlaufen und suchte seinen Freund aus Kreta auf. Odysseus kam ihm schon entgegen und drückte ihm herzlich die Hand.

»Nun wie geht's?« fragte der Sauhirt, »Treiben sie's noch mit dir, wie zu Anfange, oder hast du jetzt mehr Ansehn bei ihnen erlangt?«

»O, daß die Götter sie bestraften für den frevelhaften Unfug, den sie schamlos in dem fremden Paläste verüben!« erwiderte Odysseus.

Jetzt kam auch der Ziegenhirt Melanthios herzu, welcher die trefflichsten Ziegen zum Schmause für die Freier gebracht hatte. Er konnte auch diesmal nicht vor dem Fremden vorbeigehen, ohne ihn zu beschimpfen und ihm mit Schlägen zu drohen. »Willst du noch immer«, rief er ihm zu, »den Leuten durch dein Betteln beschwerlich fallen? Mache bald, daß du fortkommst! Jedoch zuvor sollst du meine Fäuste noch kosten.« Odysseus schwieg noch immer, schüttelte sein Haupt und versparte die Rache auf gelegenere Zeiten.

Desto wohler ward ihm wieder, als er den Rinderhirten kennen lernte, der gleichfalls herbeikam, um seinen Beitrag zu dem großen Festmahle zu liefern. Philötios hieß der brave Mann; er war ein Freund des Sauhirten und haßte, wie dieser, im Herzen die schändlichen Freier. Wohl hätte er längst diesen Dienst verlassen, wenn er nicht aus Liebe zu Odysseus' Hause und aus Besorgnis, die Herden möchten nach ihm in schlechte Hände geraten, geblieben wäre. Auch hielt ihn insgeheim die unvertilgbare Hoffnung, der König werde doch einmal wiederkommen. Er sah den Bettler im Hofe stehen und ging sogleich zum Sauhirten, um diesen vertraulich zu fragen:

»Sauhirt, wer ist der fremde Mann hier, und woher kommt er? Wahrhaftig, wunderbar ähnlich sieht er unserem Herrn, nur daß er gealtert und eingeschrumpft ist. Aber das Elend kann auch wohl eine königliche Gestalt entstellen!«

Als er so sprach, trat Odysseus näher und grüßte ihn. Der ehrliche Rinderhirt faßte ihn sogleich bei der Hand und sprach treuherzig zu ihm: »Glück auf, alter Vater! künftig müsse dir's wohlgehen, obgleich du jetzt schwere Trübsal erduldest. Wahrlich, Zeus, hart bist du gegen manche deiner Menschenkinder; du lassest sie in Not und Jammer verschmachten und erbarmst dich ihrer nicht! Immer, wenn ich einen Mann sehe, wie diesen hier, fällt mir der treffliche Odysseus ein. Ach! denke ich dann, vielleicht irrt er jetzt auch so herum unter fremden Menschen in der Ferne, den Leib mit elenden Lumpen verhüllt, ein Gespött der Buben und Dirnen! Und dazu den Jammer, der hier seine herrliche Gemahlin und den edeln Sohn trifft! diesen heillosen Unfug schamloser Freier, die weder die Götter ehren noch Menschlichkeit kennen! Ha, daß er wiederkäme, plötzlich, unverhofft wie ein Gott, und jählings den frevelnden Schwarm aus seinem Hause jagte!«

»Kuhhirt«, erwiderte ihm Odysseus, »weil du mir ein verständiger und redlicher Mann scheinst, so verkündige ich dir hiermit und schwöre mit heiligem Eide bei Zeus und diesem gastlichen Herde, dem ich genaht bin: du selber sollst zugegen sein und, wenn du willst, mit diesen deinen Augen es sehen, wie der König kommen und die ganze Brut der Freier erwürgen wird!«

»O daß es die Götter erfüllten!« versetzte jener. »Wahrlich du solltest sehen, was dabei meine Kraft und meine Hände vermögen!«

Wahrend sie so miteinander sprachen, entwarfen die Freier, die sich wie gewöhnlich zuerst auf dem Markte versammelt hatten, neue Mordanschläge gegen den verhaßten Telemachos, dessen Reden mit jedem Tage drohender wurden. Aber ein Gott war ihnen entgegen. Denn eben als sie miteinander beratschlagten, erschien zur Linken hoch über ihren Häuptern ein Adler, der eine flatternde Taube in seinem Schnabel hielt. Der stille Amphinomos bemerkte zuerst das Unglückszeichen und riet von dem Vorhaben ab. Alle stimmten ihm bei, und so ward das Bubenstück für diesmal abgewendet.

Vom Markte stürmte jetzt der lärmende Troß nach der Königswohnung und drang in den Saal. Hier legte jeder den Mantel ab und setzte sich auf seinen Stuhl, und nun ging's an ein Befehlen, daß die Diener nicht schnell genug laufen, nicht Braten und Brot genug herbeiholen konnten. Unterdessen setzte auch Telemachos dem alten Bettler ein Tischchen und einen schlichten Sessel an der Schwelle zurecht, und befahl den Dienern ihn wie jeden andern Gast zu bedienen.

»So, mein Freund!« sprach er dann mit lauter Stimme zu ihm, daß alle Freier es hörten. »Hier sitze ruhig und iß von meinem Vorrat und trinke des Weins, soviel dir beliebt. Ich werde dich vor Schmähungen und Beleidigungen schützen, denn wisse, hier ist kein öffentliches Gasthaus, sondern meinem Vater gehört's, und ich bin der Erbe desselben. Daß ihr euch also aller Beschimpfung enthaltet, ihr Freier, und nicht etwa Hader und Zank beginnt!«

Die erstaunten Freier schwiegen und bissen sich auf die Lippen. »Laßt uns nur das vermessene Drohwort dieses Jünglings hinnehmen!« sagte Antinoos. »Ihr wißt ja, es ist nicht unsere Schuld, daß er nicht längst auf immer zum Schweigen gebracht ist.«

Telemachos achtete nicht auf diese Reden, sondern aß und trank ruhig an seinem Tische. Da erhob sich ein neuer Übermut. Ein junger Gesell aus Same, der Erbe eines sehr begüterten Vaters, hatte sich im Vertrauen auf sein Vermögen auch unter die Freier der Penelope gemischt. Sein Name war Ktesippos; an Frechheit und Trotz kam er dem Eurymachos und Antinoos gleich. Der sprach jetzt laut zur Versammlung:

»Hört einmal, ihr Herren, der Fremde dort an der Thür hat zwar schon sein Teil von der Mahlzeit; aber ich hoffe, er wird's nicht übel nehmen, wenn ich ihm noch besonders ein Gastgeschenk verehre. Mag er's der Magd schenken, die ihn gebadet hat, oder einer andern Dienerin im Hause des Odysseus. Seht hier den prächtigen Kuhfuß! der mag ihm wohl bekommen!«

Er warf ihn mit voller Wucht dem Odysseus nach dem Kopfe, aber dieser bog geschickt aus und vermied den Wurf der nur die Wand traf. Aus aller Freier Kehlen erscholl ein wieherndes Gelächter. Auch Odysseus lachte, aber es war jenes bittere Lachen, in welchem der wütendste Ingrimm sich Luft macht. Zornig drohend sprang Telemachos auf:

»Das war ein Glück für dein Leben, Ktesippos, daß du den Fremden nicht getroffen hast! Durchbohrt hätt' ich dich mit der Lanze, daß der Vater dir hier statt der Vermählung ein Leichenmahl hätte feiern müssen! Und keinem rate ich etwas Ähnliches zu versuchen, denn selbst von dem Stärksten werde ich solches nicht dulden! Mögt ihr meine Habe aufzehren schlimm genug, daß ich's nicht ändern kann! Mögt ihr mich selbst ermorden, wie ihr vorhabt! Thut es! Lieber will ich das Leben lassen, als täglich sehen, wie man in meinem Hause Fremdlinge kränkt und verstößt und wie euer Mutwille die Mägde des Hauses nicht verschont!«

Alle schwiegen umher. Endlich begann ein junger Mann von einer rechtlichen Denkart: »Freunde, mich freut es, daß ihr nichts erwidert, denn Telemachos hat wahrlich nicht ungeziemend gesprochen. Laßt uns auch von nun an weder jenen Fremdling, dort noch andere Leute im Hause mißhandeln. Dir aber, Telemachos, möchte ich auch wohl einen billigen Vorschlag machen. Siehe, so lange du unmündig wärest, und deiner Mutter die Pflicht oblag dich zu erziehen und deine Güter in Ordnung zu erhalten, da konnte man nicht tadeln, daß sie sich der zweiten Heirat entzog und unsere Anträge zurückwies. Jetzt aber, da du erwachsen bist und Verstand hast dein Eigentum selbst zu verwalten, jetzt ist es unrecht, daß sie länger zögert. Denn sie thut dir damit offenbar Schaden an deinem Vermögen, da bloß ihr Eigensinn schuld ist, daß wir nicht längst dieses Haus verlassen haben. Darum solltest du ihr selbst zureden, daß sie sobald als möglich zu einer Wahl schreite; denn jetzt ist doch sicher keine Hoffnung mehr, daß dein Vater zurückkehrt. Ginge sie so aus dem Hause, dann verzehrtest du das Deine in Ruhe, und niemand von uns störte dich ferner im Besitz deiner Herden und Äcker.«

»Nun, beim Zeus!« entgegnete Telemachos, »ich halte ja die Mutter weder zurück, noch verzögere ich ihre Wahl. Mag sie doch wählen den Mann, den sie will; das überlasse ich ganz ihrem freien Entschlusse, und wenn sie sich zur Heirat entschließt, bin ich selbst bereit ihr noch reiche Geschenke zu geben. Nur das sei ferne von mir, daß ich durch ein gewaltsames Wort oder sonst durch Zwang die eigene Mutter aus dem Hause triebe!«

War es Mutwille oder Trunkenheit, oder verkehrte ein Gott die Sinne der Freier – ein wüstes Gelächter erfolgte auf diese edlen, verständigen Worte. Und immer wilder ward das Gelächter und hörte nicht auf; die Gesichter der Freier verzerrten sich grinsend, die Augen verdrehten sich: ein wilder Wahnsinn schien alle zu ergreifen, da sie selbst von dem noch vorrätigen rohen Fleische zu essen anfingen. Odysseus aber und Telemachos und die aufwartenden Diener staunten entsetzt, denn sie ahnten die schreckliche Nähe der Rachegöttinnen. Theoklymenos endlich, der fremde Seher, den Telemachos mit aus Pylos gebracht und seitdem täglich zu Gaste geladen hatte, rief laut, wie entzückt von prophetischer Begeisterung: »Unglückliche Männer, welch Elend ist euch begegnet? Euer Auge verdüstert sich, eure Häupter sind zerrüttet und die Wangen mit unnatürlichen Thränen benetzt. Ha! ich sehe Blut! Da, dort! da trieft es an den Wänden in den Nischen! Und draußen der Hof er ist voller Schattengebilde! Zum Schattenreiche eilten sie in Finsternis. Und die Sonne am Himmel ist verlöscht. Ha! rings herrscht gräßliches Dunkel!«

Diese schreckliche Vision des gottbegeisterten Sehers wirkte auf die verwirrten Gemüter nur noch verwirrender; die Freier erhoben von neuem ein wildes Gelächter. Darauf nahm der übermütige Eurymachos das Wort:

»Hört, Freunde«, rief er, »wie der Mann da raset, der jüngst aus der Fremde zu uns kam! Hier ist's ihm zu dunkel, sagt er; faßt ihn doch an und führt ihn auf den Markt, ob er auch da nichts sehen wird!«

»Eurymachos«, entgegnete der Fremde, »deines Geleites begehre ich nicht; denn noch sind Augen und Ohren und Füße gesund, auch der Verstand ist mir nicht irre geworden. Aber euch hat ein Gott die Seele verfinstert. Wehe, wehe! Hier weile ich nicht länger! Denn schon sehe ich das Verderben euch nahen, dem keiner entrinnt! Fort, fort von hier! Hier ist das Feld des Todes.«

Er ging rasch hinaus. Dem Telemachos und den Dienern im Saale zitterten die Glieder, als sie die zürnenden Worte vernahmen. Aber die Freier achteten dessen nicht und tobten fort in ihrer rasenden Verblendung.

»Wahrlich, Telemachos«, rief einer derselben, »keiner hat je so schlechte Gäste beherbergt als du! Der eine wird toll mitten im Essen und fängt an zu wahrsagen; der andere liegt da und hungert und kann den Wanst nicht gierig genug füllen. Weißt du was? ich dächte, wir lüden sie beide auf ein Schiff und verhandelten sie im nächsten Lande, da bekämen wir am Ende doch noch etwas Erkleckliches für sie.«

Telemachos schwieg und sah seinen Vater an, ob er jetzt das Zeichen geben würde. Aber Odysseus blieb still; seine Zeit war noch nicht gekommen. So verging das Frühmahl in wilder Ausgelassenheit; welcher Abendschmaus ihnen bevorstand, ahnte noch keiner.

Indessen zerstreuten die Freier sich draußen im Vorhofe und verkürzten sich die Zeit mit allerhand Spielen, bis der Nachmittag herankam. Jetzt gedachte die edle Penelope ihres Vorsatzes die Freier zum Wettstreit einzuladen, und stieg zu dem Ende in die obere dicht verschlossene Kammer, wo die Geräte und Kostbarkeiten ihres lieben Gemahls ruhten. Auch sein Lieblingsbogen von geschmeidigem Horne war darunter, ein wertes Geschenk eines vornehmen Gastfreundes, das er zu hoch gehalten hatte, um es mit in den Krieg zu nehmen. Aber zur Jagd hatte er den Bogen immer am liebsten gebraucht, so lange er noch in Ithaka war. Jetzt hing er da, bestäubt und unscheinbar, denn seit zwanzig Jahren hatte niemand ihn berührt. Als das gute Weib ihn herunter nahm von dem Nagel und den Staub abwischte, fielen ihre Thränen auf die Waffe des teuern Mannes, und sie mußte sich erst niedersetzen und weinen, ehe sie aus der Kammer hinunter in den Saal gehen konnte. Hinter ihr trugen dann noch die Mägde die schwere Kiste mit scharfen, eisernen Pfeilen und den zwölf Äxten.

Sie trat an die Pforte des Hofes, züchtig verhüllt in den langen Schleier und von ihren Dienerinnen umgeben, und rief die Freier zusammen.

»Wohlan, ihr mutigen Freier«, sprach sie, »die ihr euch täglich in Scharen zu Schmausereien und Tänzen in meinem Hause versammelt und trüglich vorgebet, daß ihr mich als Gattin heimzuführen begehrt! Hört mich und vernehmet die Probe, die der bestehen muß, welcher mein Gemahl werden will! Seht da den Bogen und den Köcher meines lieben Gemahles, und hier die Äxte, durch welche er den raschen Pfeil zu schnellen pflegte. Wer nun am leichtesten von euch den Bogen spannt und durch die zwölf Öhre hindurch schießt, dem will ich als Gattin folgen, damit mein lieber Sohn durch meine Schuld nicht ganz um seine Habe komme.«

Sie gab die Geräte dem Eumäos in die Hand, daß er sie in den Saal trage und dort den Freiern reiche. Als der ehrliche Mann den alten wohlbekannten Bogen seines teuern Herrn in die Hände bekam, begann er zu weinen und küßte die Waffe. Auch Philötios, der treue Rinderhirt, weinte; so lebendig hatte ihn nie das Andenken an den geliebten Herrn überrascht als jetzt, da er den Bogen sah. Aber der rohe Antinoos schalt die treuen Diener und rief zornig aus:

»Nun, ihr albernen Viehhirten, was heult ihr denn und macht die Königin durch eure thörichten Thränen noch trauriger? Ist ihr das Herz nicht schon genug mit Kummer erfüllt, seitdem sie den lieben Gemahl verloren hat? Setzt euch still nieder an eure Tische und sättigt euch, und wollt ihr das nicht, so geht nach Hause und weint da, soviel ihr wollt. Erst aber bringt den Bogen herein, daß wir den Wettkampf versuchen, der wohl nicht leicht sein wird. Solch ein Mann, wie Odysseus war, ist schwerlich in der ganzen Versammlung, denn ich erinnere mich seiner noch wohl aus früher Kindheit her.«

Sie gingen alle in den Saal, und Eumäos trug ihnen Bogen und Köcher nach. Telemachos riß eine gerade Linie in den Dielen des Saales auf und schlug genau nach der Richtschnur die zwölf eisernen Äxte ein, so daß in immer gleicher Entfernung ein Öhr hinter das andere zu stehen kam. Alle bewunderten die Geschicklichkeit, mit der er in kurzer Zeit das Werk zu stände brachte, das er noch nie zuvor verrichtet hatte. Jetzt trat er an die Schwelle und ergriff den Bogen.

»Wahrlich, eine herrliche Übung!« rief er aus, »ich selber habe Lust, mich in diesem Wettstreite zu versuchen.« Er setzte den Bogen an, ihn zu spannen, allein vergeblich. Nach kurzer Erholung versuchte er es abermals, aber auch jetzt wollte es ihm nicht gelingen. Er zog zum drittenmale scharf an und näherte die Sehne bis auf eines Fingers Breite der Fuge. Und sicher wär's ihm beim vierten Versuche geglückt, hätte nicht sein Vater ihm heimlich mit den Augen gewinkt, daß er es unterlassen solle. Er verstand den Wink, lehnte den Bogen an die Wand und sagte mit verstelltem Unmut:

»Nein, das ist nichts für mich! Entweder bin ich zum elenden Schwächling geboren, oder ich bin noch zu jung und muß die fehlende Kraft noch erwarten. Aber ihr andern versucht es jetzt, die ihr mir weit an Kräften überlegen seid. Fangt an, damit der Wettstreit entschieden werde.«

»Ein jeder setze sich auf seinen Platz!« rief Antinoos, »und nun laßt's rechts herum gehen, wie beim Weinschenken!«

Dem zufolge fing ein junger Mensch an, dem das Bogenspannen eine sehr ungewohnte Arbeit schien. Er rieb sich schon die Hände, als er ein paarmal angezogen hatte, und die Sehne zerriß ihm eher die Haut, als daß sie sich in den Einschnitt gefügt hätte.

»Nein!« rief er, und stellte den Bogen hin; »ich will's nur bleiben lassen. Auf diese Art bekomme ich die schöne Penelope nicht. Je nun, es giebt ja noch andere reizende Töchter im Lande. Werbe um jene, wer will. Da ist der Bogen!«

»Nun freilich«, rief Antinoos wieder, der beständig das große Wort führte, »du siehst auch nicht wie Bogenspannen aus. Dazu hat deine Mutter dich nicht geboren. Dafür aber giebt's noch andere Leute, die das Werk schon vollbringen werden. Nur frisch weiter! Einer nach dem andern!«

Und einer nach dem andern versuchte es, und einer nach dem andern stellte den Bogen ungespannt wieder hin. Da rief Antinoos wieder dem Ziegenhirten zu:

»Melanthios, stelle doch einen Sessel an den Herd und lege tüchtig Holz zu; dann geh und laß dir von den Mägden Fett geben, damit die Jünglinge am Feuer das Horn durchwärmen und einschmieren können; so wird der Bogen geschmeidiger werden, nachdem er jahrelang ungebraucht blieb und eben deshalb hart und spröde geworden ist.«

Der Ziegenhirt entzündete ein flackerndes Feuer und holte eine große Scheibe Fett herbei. Da bestrichen sie den Bogen auf und ab und hielten ihn lange über der Glut; aber wie oft sie ihn strichen und wie lange sie ihn wärmten, so ließ er sich doch noch immer nicht spannen. Vergebens war er nun schon durch den ganzen Saal von Hand zu Hand gegangen, und nur die beiden trotzigen Prahler, Eurymachos und Antinoos, waren noch übrig.

Jetzt gingen zufällig der Sauhirt und der Rinderhirt, beide zugleich, zur Thür hinaus, Odysseus, von keinem bemerkt, schlich ihnen nach und zog sie im Hofe geheimnisvoll beiseite.

»Freunde, ein Wort!« flüsterte er ihnen zu. »Ihr seid beide brav, beide eurem Herrn getreu, und wünscht ihn sehnlich zurück. Und wenn er nun käme und bedürfte eures Beistandes, um die Freier zu töten, ihr würdet ihm beistehen auf Leben und Tod. Nicht wahr?«

»Auf Leben und Tod!« rief der Rinderhirt. »Ha, wenn mir Zeus diesen Wunsch gewährte, ihr solltet sehen, was noch meine Arme vermögen!«

»Und meine!« fiel der wackre Sauhirt ein. »O daß es wahr würde!« »Nun! es ist erfüllt!« sprach Odysseus mit Hoheit. »Euer Herr ist hier und rechnet auf euch. Deine Ahnung hat dich nicht betrogen, du ehrlicher Kuhhirt. Ich bin Odysseus. Gedenkt ihr noch der Wunde, die mir einst der wütende Eber schlug? Seht hier die Narbe.«

Er schlug die Lumpen zurück, und sie erkannten das Mal, fielen ihrem geliebten Herrn um den Hals und küßten ihm freudig Angesicht und Schultern. Und wie sie an ihm hingen, da rollten Thränen über ihr ehrliches Angesicht. Aber Odysseus befahl ihnen ihre Freude jetzt zu bezwingen, ehe jemand sie überrasche.

»Geschwind«, flüsterte er, »hört meinen Plan und was ihr dabei zu thun habt. Heute oder nie muß es vollbracht werden. Die Götter werden mir beistehen. Ihr aber, wackre Freunde, sollt mir wenn alles gelungen ist wie Telemachos' leibliche Brüder sein. Mit Gütern und Ländereien will ich euch beschenken, ihr sollt neben mir wohnen, und zwei brave Mädchen will ich ausstatten, die sollen eure Weiber werden. Nur thut mir jetzt, was ich sage. Wenn wir wieder drinnen sind, werde ich mir den Bogen fordern, und da werden alle Freier ein trotziges Geschrei erheben. Du aber, Eumäos, beachte das nicht, sondern schreite mutig durch alle hindurch und bringe mir den Bogen. Dann gehe hinaus und sage der alten Wärterin, daß sie die Mägde während des Tumults in ihrer Kammer hinter Schloß und Riegel halte, damit keine hinauslaufe. Du, Philötios, eile alsdann die Pforten des Hauses zu verschließen, damit uns keiner der Freier entwische. Jetzt werde ich vorangehen; in einer Weile kommt mir nach, doch einzeln, und laßt euch nichts merken.«

Mit diesen Worten ging er hinein und setzte sich auf seinen Sitz an der Thür, während die beiden Hirten, noch überrascht von der plötzlichen Entdeckung und staunend über solche Kühnheit, im Hofe weilten, bis sie ihm späterhin, einer nach dem andern, folgten. Eben war jetzt der Bogen in des stolzen Eurymachos Händen, der am Feuer saß und ihn durch Fett und Wärme geschmeidiger zu machen bemüht war. Er setzte wohl zehnmal an, aber umsonst! die Senne wollte sich nicht spannen lassen.

»Pfui!« rief er endlich ganz erschöpft und keuchend aus; »das ärgert mich doch um meiner und um unser aller willen. Wahrlich aus der Hochzeit mach' ich mir nicht soviel als aus dem Schimpfe; denn hohnlachend werden noch die Enkel, die es hören, von uns sagen: alle Freier, soviel ihrer im Hause der Penelope waren, vermochten nicht des Odysseus Bogen zu spannen,«

»Ach, Possen!« rief der Prahler Antinoos, der es nun lieber ganz unversucht ließ: »laßt das plumpe Gemächt liegen! wer wird auch heut am Festtage Bogen spannen! Des Gottes heiliger Tag soll auch in Ruhe gefeiert werden. Stellt den Bogen in die Ecke; die Äxte können wir stehen lassen bis morgen, denn wegnehmen wird sie wohl niemand. Aber morgen laßt uns das Werk noch einmal mit Ernst vornehmen, und es wird gewiß auch besser gehen. Jetzt, Schenke, geh herum und fülle die Becher. Heute ist ein Jubeltag, heute muß doppelt gezecht werden!«

Die Rede gefiel allen, und sogleich setzten sich die Diener in Bewegung. Während die ganze Schar das Gefühl ihrer Scham im Wein zu ertränken suchte, erhob der völlig übersehene Bettler an der Thür sein Haupt und sagte mit einfältigem Tone:

»Hört doch, ihr Freier der weitgepriesenen Fürstin, und besonders ihr beiden Edlen, Antinoos und Eurymachos; ich mochte euch wohl ein Wort im Scherz vorlegen! Weil ihr denn, wie billig, heute am Festtage den Bogen ruhen lasset, so lasset mich doch einmal versuchen, ob mir noch die sonstige Jugendkraft inwohne, oder ob Alter und Unglück mich schon ganz entkräftet haben.«

Da erhob sich, wie er vermutet hatte, ringsum höhnendes Gemurmel und heftiger Zorn unter den Freiern, und Antinoos nahm auch jetzt wieder statt aller das Wort.

»Elender!« rief er; »bist du von Sinnen? Wahrlich! froh solltest du sein, daß wir dich dulden in unserer Gesellschaft, und daß du essen kannst was wir essen und dir vergönnt wird unsere Gespräche mit anzuhören; denn das darf kein anderer Fremdling, geschweige ein Bettler. Aber das kommt von dem unmäßigen Essen und Trinken! Nun bethört dich der Wein so unziemliche Worte zu reden. Hüte dich, daß du nicht noch heute auf ein Schiff geladen und zum König Echetos nach Epeiros geschickt wirst, dem Schrecken der Fremden! Da möchtest du schwerlich unbeschnitten an Nase und Ohren davon kommen. Also sei ganz ruhig und genieße, was dir gereicht wird. Solchen Wettkampf aber überlaß du jüngern Männern.«

Ihm antwortete sogleich Penelope, die mit ihren Frauen noch unten im Saale geblieben war, um das Ende des Wettkampfes abzuwarten: »Ei, Antinoos, wie unbillig hast du gesprochen! Wer wird denn Fremde übergehen, die unsere Wohnung besuchen? Glaubst du vielleicht, wenn dieser Mann den Bogen spannte, er werde mich als Gemahlin heimführen? Daran hat schwerlich sein Herz gedacht. Nein, diese Sorge laßt euch nicht kümmern; das wäre ja unmöglich.«

»O«, sprach Eurymachos, »das ist's auch wahrlich nicht, edle Fürstin, was uns bange macht, sondern wir fürchten nur das Gerede der Menschen, wenn am Ende gar ein alter hergelaufener Bettler den Bogen spannte, den wir jüngeren alle nicht zu spannen vermögen. Das wäre für uns ja ewige Schande!« »Sollte man's glauben«, entgegnete Penelope, »daß euch noch Furcht vor Schande quälte, euch, die ihr euch doch nicht schämt im Angesicht des ganzen Volks das Haus meines hohen Gemahls durch tägliches Schwelgen zu entehren! Wahrlich, ihr braucht die Stimme der Wahrheit nicht mehr zu scheuen! Und bedenkt doch, daß der Fremde gar nicht aus unedlem Geschlechte stammt. Seht nur den starken, gedrungenen Bau seiner Glieder! Nein, ich will's, daß auch er den Bogen versuche, und gelingt es ihm durch die Löcher zu treffen, so will ich ihn mit Mantel, Leibrock und Sohlen versehen, ihm Schwert und Lanze schenken und ihn zu Schiffe geleiten lassen, wohin sein Herz begehrt.«

Jetzt erhob sich auch Telemachos und sprach mit Nachdruck und Würde: »Mutter, du hast recht gesprochen, aber über den Bogen hat keiner Macht im Hause als ich, und ich werde ihn geben, wem ich will. Wehe dem, der mich daran verhinderte! Aber du gehe jetzt hinauf in dein Gemach, besorge deine Geschäfte und siehe auf die dienenden Weiber. Männern gebührt das Geschoß; geh, Mutter, geh!«

Sie ging staunend über die Rede des Sohnes hinauf in ihre Gemächer. Ihr war das Herz so schwer und voll banger Ahnung; sie mußte sich niederlegen, und Athene sandte ihr süßen Schlaf, daß sie von dem wilden Getöse nichts vernahm, das sich nun bald erheben sollte.

Der Sauhirt erwartete unterdessen im Saale Odysseus' verstohlenen Wink, ging dann beherzt dahin, wo der Bogen stand, und reichte ihn dem Bettler. Da sprangen alle Freier von den Sitzen und schalten den Mann mit harten Worten, daß ihm schon bange ward, sie möchten Hand an ihn legen. Aber sogleich fuhr Telemachos auf und rief mit drohender Stimme:

»Recht so, Vater, bringe dem Manne den Bogen! Allen kannst du nicht gehorchen, und jetzt befehle ich. Ha, könnte ich nur diesen übermütigen Schwarm so in die Flucht jagen, als ich deiner Meister bin, so sollte mir mancher gar übel bedient das Haus hier verlassen!«

Ein lautes, schadenfrohes Gelächter folgte auf diese Worte; indes ließen sie den Sauhirten gehen, der sich nun sogleich hinausbegab, um der alten Eurykleia zu sagen, wie sie die Mägde einschließen und keine derselben hinauslassen sollte, wenn sie Kampfgeschrei und Ächzen sterbender Männer im Saale vernähme. Auch Philötios, der Rinderhirt, schlich sich aus dem Saale, riegelte die Pforten des Hofes zu und band noch die Riegel mit starken Stricken und Bast zusammen. Dann kehrte er still zurück und nahm wieder seinen Platz neben dem Sauhirten ein.

Aller Freier Augen waren jetzt auf den Bettler gerichtet, der den Bogen in seiner Hand hielt, ihn von allen Seiten umwendete und mit forschenden Augen beschaute, ob etwa Würmer das Horn zernagt hätten oder sonst ein Schade geschehen wäre.

»Seht«, sprach mancher der Jünglinge zu seinem Nachbar, »wie klug der Alte den Bogen beschaut! Ob er vielleicht einen ähnlichen zu Hause haben mag, oder ob er diesen hier nachbilden will? Seht nur, wie er ihn umdreht, der Schlaukopf!«

Nun, das Spannen wird er sich doch vergehen lassen müssen!« sagte ein andrer.

Jetzt rückte Odysseus seinen Tisch bei Seite, stemmte den Bogen auf die Erde und drückte den Kolben an seine Brust. Leicht wie ein Sänger die Saite am Wirbel der Laute aufspannt, spannte er die straffe Senne des Bogens, riß dann prüfend mit dem Finger daran, und sie klang so hell, wie einer Schwalbe Gezwitscher. In dem Augenblicke schmetterte ein heftiger Gewitterschlag durch das Haus, daß alle Freier sich entsetzten; der König aber frohlockte über das günstige Zeichen des Olympiers. Darauf legte er einen Pfeil auf den Bogen, und ohne von seinem Sitze aufzustehen oder lange zu zielen, schoß er durch die Öhre und verfehlte keines. Alle sahen in stummem Erstaunen; er aber sprach zum edlen Sohne:

»Siehst du, Telemachos, dein Gast bringt dir nicht soviel Schande im Hause, als die edeln Herrn hier in ihrem Dünkel sich einbilden. Nein, ich fühle es, noch ungeschwächt ist meine Kraft! Aber ich dächte, du sorgtest für den Abendschmaus der werten Gäste, weil es noch Tag ist, damit sie sich nachher noch des Gesanges und Tanzes erfreuen können.«

Er begleitete diese Worte mit einem Winke, den Telemachos sogleich verstand. Der Jüngling eilte hinaus, und nach einer Weile trat er bewaffnet wieder herein und stellte sich voller Erwartung und düstern Blicks neben seines Vaters Sessel hin, hinter welchen er heimlich Schild und Schwert für diesen gelegt hatte.


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