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Ludwig Bechstein
Märchen
Inhalt

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  • Ludwig Bechstein
  • Vom tapferen Schneiderlein
  • Vom Schwaben, der das Leberlein gefressen
  • Die Probestücke des Meister-Diebes
  • Die verzauberte Prinzessin
  • Der Schmied von Jüterbogk
  • Hänsel und Gretel
  • Das Rotkäppchen
  • Der alte Zauberer und seine Kinder
  • Die Goldmaria und die Pechmaria
  • Gevatter Tod
  • Hirsedieb
  • Der goldene Rehbock
  • Das Nußzweiglein
  • Der Mann ohne Herz
  • Die drei Federn
  • Hans im Glücke
  • Die schöne junge Braut
  • Die sieben Raben
  • Die drei Hochzeitsgäste
  • Vom Hühnchen und Hähnchen
  • Der beherzte Flötenspieler
  • Der Hase und der Fuchs
  • Der kleine Däumling
  • Das Tränenkrüglein
  • Das Gruseln
  • Das Kätzchen und die Stricknadeln
  • Tischlein deck' dich, Esel streck' dich, Knüppel aus dem Sack
  • Goldener
  • Siebenschön
  • Des kleinen Hirten Glückstraum
  • Der Mönch und das Vögelein
  • Die drei Hunde
  • Die sieben Geißlein
  • Das Märchen vom Schlaraffenland
  • Schwan, kleb an
  • Schneeweißchen
  • Das Märchen vom Mann im Monde
  • Das Dornröschen
  • Die sieben Schwanen
  • Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel
  • Zitterinchen
  • Aschenbrödel
  • Gott Überall
  • Der Wacholderbaum
  • Das Märchen vom Ritter Blaubart
  • Natterkrönlein
  • Zwergenmützchen
Ludwig Bechstein

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Das Tränenkrüglein

Es war einmal eine Mutter und ein Kind, und die Mutter hatte das Kind, ihr einziges, lieb von ganzem Herzen und konnte ohne das Kind nicht leben und nicht sein. Aber da sandte der Herr eine große Krankheit, die wütete unter den Kindern und erfaßte auch jenes Kind, daß es auf sein Lager sank und zum Tod erkrankte. Drei Tage und drei Nächte wachte, weinte und betete die Mutter bei ihrem geliebten Kinde, aber es starb. Da erfaßte die Mutter, die nun allein war auf der ganzen Gotteserde, ein gewaltiger und namenloser Schmerz, und sie aß nicht und trank nicht und weinte, weinte wieder drei Tage lang und drei Nächte lang ohne Aufhören, und rief nach ihrem Kinde.

Wie sie nun so voll tiefen Leides in der dritten Nacht saß, an der Stelle, wo ihr Kind gestorben war, tränenmüde und schmerzensmatt bis zur Ohnmacht, da ging leise die Türe auf, und die Mutter schrak zusammen, denn vor ihr stand ihr gestorbenes Kind. Das war ein seliges Engelein geworden und lächelte süß wie die Unschuld und schön wie in Verklärung. Es trug aber in seinen Händchen ein Krüglein, das war schier übervoll. Und das Kind sprach: »O lieb Mütterlein, weine nicht mehr um mich! Siehe, in diesem Krüglein sind deine Tränen, die du um mich vergossen hast; der Engel der Trauer hat sie in dieses Gefäß gesammelt. Wenn du nur noch eine Träne um mich weinst, so wird das Krüglein überfließen, und ich werde dann keine Ruhe haben im Grabe und keine Seligkeit im Himmel. Darum, o lieb Mütterlein, weine nicht mehr um dein Kind, denn dein Kind ist wohl aufgehoben, ist glücklich, und Engel sind seine Gespielen.« Damit verschwand das tote Kind, und die Mutter weinte hinfort keine Träne mehr, um des Kindes Grabesruhe und Himmelsfrieden nicht zu stören.

 


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