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Das vierte Kapitel, welches erzählt, wie sich der Hofstaat der Venus ganz unerhört beim Soupee benahm.

Den Anfang machte der Scherz mit den Surprises-Päckchen. Dann kritisierte man die Dekorationen, wo einer den andern witzig im Auffinden des Doppelsinnes in einer Girlande überbot, in der Drehung eines Zweiges, in der Windung einer Ranke. Darin war wie gewöhnlich Pulex Sieger, dessen kenntnis- und erfindungsreicher Geist heute brillanter war als je. Über den Tisch gelehnt erklärte er dem Pagen Macfils de Martajo die symbolische Bedeutung eines gewissen Rosenarrangements. Der kleine Page lächelte und summte den Refrain aus der Petite Balette. Natürlich exzellierte in Deutungen auch Sporion, insbesonders gab er bei den Kandelabern seinem wilden Geist alle Freiheiten. Mit fortschreitendem Mahle wurde die Unterhaltung geräuschvoller und persönlicher. Pulex, Cyril, Marisca und Cathelin feuerten ein Leuchtwerk von Epigrammen in die Gesellschaft. Die Untreuen Cerise's, Brancas Schüchternheit, Sarmeans Einfall an einem Morgen im Liliengarten, Thorilliere's immer mehr versagende Potenz, Asbarte's Neigung für Roseola, Felix' gigantisches Glied, Cathelin's Liebe zu Sulpigios Pudel, Sola's Leidenschaft zu sich selber, der häßliche Biß, den Marisca der Chloe gab, die Epilierung des Pulex, Cyrils kleine Unpäßlichkeiten, Butor's schwerere Erkrankung, Lesbias abgründige Windmaschine und tausend andere Vorkommnisse des Tages gaben der Unterhaltung den Stoff.

Bald wurden die erst schrillen und schreienden Stimmen gedämpfter und undeutlicher. Den schlimmen Worten wurde mit noch schlimmeren Gesten nachgeholfen, ja, an einem Tische konnte sich Scabius überhaupt nur noch mit seiner Serviette verständlich machen, wie Sir Jolly Jumble in The Soldier's Fortune von Otway. Bassalissa und Lysistrata bemühten sich, ihre gegenseitigen Namen auszusprechen, wobei sie in große Erregung gerieten, und Tala, der Tragöde, in Purpur und Federkrone hob sein kothurnbeschuhtes Bein und begann schwankend die Rezitation einer seiner Lieblingsrollen. Er kam über die erste Verszeile nicht hinaus, die er in immer neuen Akzenten immer wiederholte; erst der vom weiß in Musselin gekleideten Satyr servierte Spargel konnte ihn zum Schweigen bringen.

Cliter und Sodon waren um die reizende Pella in einen großen Streit geraten und es fehlte nicht viel, daß sie sich mit dem Tischleuchter bewarfen. Sophia hatte mit einer leeren Champagnerflasche eine Intimität angefangen, tat den Schwur, von der Flasche geschwängert worden zu sein und schloß damit, auf der Tafel ihre scheinbare Niederkunft zu begehen. Belamour erklärte, ein Hund zu sein, sprang auf allen Vieren beißend, bellend und leckend von Lager zu Lager. Mellefont schlich herum und tröpfelte Aphrodisiaca in die Kelche, Inventus und Ruella tauschten wechselseitig ihre Kleider aus, und Spelto bot einen Preis auf die erste Liebesentladung, und er gewann den Preis. Tannhäuser drückte sich, schon ein wenig beschwipst, in die Kissen und ließ Julia tun, was immer ihr Vergnügen machte. Daß mir doch zu erzählen erlaubt wäre, was um diese Zeit am Tische Nummer 15 sich begab! Es gäbe den deutlichen und letzten Begriff von den Bräuchen des göttlichen Hofstaates. Aber ich darf aus Gründen, nicht genug zu beklagen, vom größten Teil dessen, was bei diesem Souper gesagt und getan wurde, nicht weder erzählen noch etwas erraten lassen. Venus war von Tannhäusers Schönheit so eingenommen, daß sie die meisten Gänge unberührt ließ. Bisweilen ließ sie ihr Köpfchen auf ihn sinken, küßte ihn voll Brunst, wobei seine auf einmal feste und elastische Haut ihren kleinen Zähnen unvergleichliche Weide bot. Erregung schob ihr die Oberlippe hinauf, daß man das Zahnfleisch sah. Und Tannhäuser war nicht weniger verliebt. Keine Stelle ihres Leibes, vor der er nicht seine Andacht verrichtete, oft ganz versinkend in den Falbeln und Krausen ihrer Wäsche, deren manches Stück dabei zerrissen in Stücke ging. Letzte Kraft seiner hitzigen Lippen verlor er an ihren Mund gepreßt, fuhr mit den Fingerspitzen streichelnd über ihre Lider, hauchte fast die Locken aus der Stirne und noch tausendfach mehr in dieser Art ihren Leib stimmend, so wie ein Geiger, der seine Geige stimmt, bevor er darauf das Spiel beginnt.

Priapusa schnob wie ein altes Schlachtroß, wenn es Pulver riecht, kitzelte abwechselnd Tannhäuser und Venus mit unermüdlicher Zunge und hörte erst auf, als sie vom Chevalier einen ordentlichen Mund voll bekam. Diesen Moment benutzte Claude, verschwand unter dem Tisch und tauchte auf der andern Seite gerade unter dem Lager der Göttin auf, wo er, noch eh diese eins zählen konnte, seinen Kaffee aus deux colonnes schlürfte. Clair war so wütend über den Erfolg seines Freundes, daß er ihm für den Rest des Abends schmollte.

 


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