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Das dritte Kapitel erzählt, wie Venus soupierte und sich danach über die ausgelassenen Streiche ihres Gefolges höchlichst unterhielt.

Sie war von Tannhäuser ganz entzückt, der selbstverständlich beim Souper den Platz an ihrer Seite hatte. Die Terrasse bot einen zauberhaften Anblick mit ihren hundert Tischen und vierhundert Sitzkissen und tausend kapriziösen Einfällen. Eine besonders mächtige Fontäne breitete ihre drei Becken übereinander, deren unterstes einen vielbrüstigen Drachen und vier kleine, auf Schwänen reitende Putten mit Pfeil und Bogen trug. Zwei der Putten, dem Rachen des Ungeheuers zunächst, schienen schreckerstarrt, hinter ihnen aber die andern beiden richteten mutig ihre Pfeile gegen den Rachen. Um den Rand des zweiten Beckens hoben sich schlanke goldne Säulen, gekrönt von den Schwanzfächern und Schwingen silberner Tauben. Das dritte Becken aber stützte eine Gruppe zwerghaft verkürzter Satyrn und aus der Schale Rand sprangen dünne Röhren, mit Masken und Rosen verziert und mündend in Kinderköpfchen. Aus dem Drachenmaul, den offnen Mündern der Putten, aus den Augen der Schwäne und den Brüsten der Tauben, aus den Hörnern und Lippenwulsten der Satyrn, aus den Schlitzaugen der Masken und den Locken der Kinderköpfchen floß das Wasser in Arabesken und verschmitzten Bogen.

Die ganze Terrasse stand im Lichte der Kerzen, deren es wohl viertausend gab, ungezählt die Lichter auf den Tischen. Sehr mannigfaltig war die Art der Leuchter und Kandelaber, lächelnd manche in den betonten Cochonerien ihrer Verzierung. Es gab welche von zwanzig Fuß Höhe, die nur eine einzelne Kerze trugen, wie eine duftende Fackel im Nachtblau leuchtend und tropfend, daß das Wachs in Fransen und Bärten am Leuchterrand hing. Dann gab es wieder andere Leuchter, behängt mit lustigen Unterröckchen aus Lüster, dahinter sich ein Konzil von Wachskerzen barg, geteilt in Kreise oder in Pyramiden, in rechteckige und keilförmige Cadres gedrängt oder in Halbmonde.

Auf gedrehten Piedestalen, koketten Pfeilern und graziösen Priapen standen Vasen in Muschelform, gefüllt bis über den Rand und von ihm fallend mit Blumen und Früchten. Orangen- und Myrtenbäume in Töpfen aus zerbrechlichstem Porzellan, durchflochten von purpurnen Bändern standen Spalier, Rosenbäume hatte Kunst ganz meisterhaft durch Gitterwerk geflochten und um Säulen gewunden. Auf einer Seite der Terrasse lag, mit verbuhlten Teppichen verhängt und verborgen, eine breite goldene Buhne für die Komödianten, und vertieft davor ein Platz für die Musiker. Im Kreise standen zwischen den Fontänen und vor der Stufenflucht, die hinauf zur sechsten Terrasse führte, die Tische, mit weißem Damast bedeckt und überstreut mit Iris, Rosen, Anemonen, Narzissen, Wiesenraute, Lilien und Nelken. Auf die mit Kissen und Stoffen übersäten Pfühle waren Fächer gestreut und Päckchen, die kleine verliebte Überraschungen bargen.

Weit dehnten sich die Gärten, mit solcher Pracht entworfen und solcher Sorgfalt betraut, daß selbst der Architekt der Feste von Armailhacq keinen Anlaß zum Tadel hätte finden können. Auf den reglosen Teichen lagen die blumenbekränzten, mit wächsernen Marionetten geschmückten Barken und über den hohen Alleen der Bäume, den Laubgängen, den Kaskaden, Pavillons, Grotten und Gartengötter lag der Goldstaub des berauschten Jubels, der vom Lichterglanz des Festes auf sie fiel.

Die unberockte Venus und Tannhäuser hatten zu ihren Tischgenossen Priapusa, Claude, Clair und Farcy den Direktor der Komödianten. Tannhäuser hatte sein Reisekleid abgelegt, er trug lange schwarze Seidenstrümpfe, die ein Paar entzückender Strumpfbänder hielt, ein sehr schickes, gefältetes Hemd, Pumps und einen prachtvollen Frack. Claude und Clair genossen das Privileg ihrer geschlechtlichen Unreife, indem sie gar nichts anhatten. Farcy war im üblichen Abenddreß. Die übrige Gesellschaft überbot sich in höchst bemerkenswerten Toiletten und tischweise sah man die hinreißendsten Coiffüren. Getupfte Schleier sah man, welche die Haut mit exquisiten und bedeutenden Krankheiten zu kolorieren schienen. Fächer gab es mit kleinen Schlitzöffnungen für kokettierende Augen ihrer Trägerinnen; andere Fächer wieder zeigten Malereien gewählter Positionen oder waren mit den Sonetten des Sporion und den Devisen des Scaramuccia beschrieben; dann gab es Fächer aus großen lebenden Motten, an silbernen Stäben befestigt. Nicht weniger großartig war die Mannigfaltigkeit der Masken: solche aus grünem Samt ließen das Gesicht wie dreifach gepudert erscheinen, Masken gab es aus Vogelköpfen, aus Köpfen von Affen, Schlangen, Delphinen, Männern, Frauen, jugendlichen Embryonen und Katzen; andere glichen Antlitzen von Göttern. Masken gab es aus gefärbtem Glas, aus dünnem Glimmer, aus Gummi. Man sah Perücken aus schwarzer und scharlachroter Wolle, aus Pfauenfedern, aus Gold- und Silberfiligran, aus Schwanenflaum, aus Weinranken und Menschenhaar. In mächtigen Kragen aus gesteiftem Musselin verschwand mancher Kopf. Kostüme gab es aus gekräuselten Straußenfedern, Tuniken aus Pantherfell, die famos zu den rosa Trikots paßten, Röcke aus scharlachrotem Atlas, garniert mit Eulenflügeln, Ärmel, geschnitten in der Gestalt apokrypher Tiere, Hosen mit Fransen bis zum Knöchel, gesprenkelt mit kleinen Röschen, Strümpfe, überreich bemalt mit Darstellungen aus den Fêtes galantes, Jupons, zugeschnitten wie Blumenkelche. Einige Damen hatten scharmante Schnurrbärtchen in Purpur oder Hellgrün angelegt, andere wieder große weiße Bärte wie die heilige Wilgeforte. Manchen Damen hatte Dorat Grotesken brillant auf den Körper gemalt, so auf eine Wange einen Alten, der sich hinter seinen Hörnern kratzt, auf eine Stirne eine alte Vettel, die ein ganz schamloser Amor plagt, auf eine Schulter ein verliebtes Spiel, um das Rund einer Brust einen Reigen von Satyrn, um ein Handgelenk eine Girlande bleicher unschuldiger Säuglinge, auf einen Ellenbogen einen Strauß von Frühlingsblumen, die Länge eines Rückens hinunter die Folge eines verblüffenden Abenteuers, in einen Mundwinkel zarte rote Pünktchen. Auf Nacken sah man einen Zug von Vögeln, einen Papagei im Käfig, eine Spinne, einen Fruchtzweig, einen Schmetterling, einen betrunkenen Zwerg oder nichts als einige Initialen. Aber das Entzückendste waren die schwarzen Silhouetten, die, auf die Haut der Schenkel gezeichnet, durch die weißen Seidenstrümpfe schimmerten, daß man häßlichen Aussatz vermeinte.

Das Souper, vom ingeniösen Rambouillet zusammengestellt, war ohnegleichen, und das erlesenste Menü, das er je geschaffen hatte. Allein auf der Consommée impromptu hätte jeder Küchenchef sich unsterblichen Ruhm gegründet. Was könnte ich da noch sagen zum Lobe der Dorade bouillie sauce maréchale, des Ragoût aus Karpfenzungen, den rameraux à la charnière, der ciboulette de gibier à l'espagnole, der pâté de cuisses d'oie aux pois de Monsalvatsch, den queues d'agneau au clair de lune, den artichauts à la Grecque, der charlotte de pommes à la Lucy Waters, den bombes à la marée und den glaces aux rayons d'or? Das Kunstwerk übertraf selbst die berühmten petits soupers des Marquis Réchale in Passy, die doch kein geringerer als der Abbé Mirliton für »viel zu gut, um sie zu essen« erklärte. Ja, Pierre Antoine Berquin de Rambouillet, du bist deiner göttlichen Herrin würdig!

Der Hunger zog sich vor den feineren Instinkten des Gourmets zurück. Seltsame, unbekannte, eisgekühlte Weine entfesselten alle dekolletierten Geister lebhaftesten Gespräches und tollsten Gelächters.

 


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