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Erstes Kapitel, das erzählt, wie sich der Chevalier Tannhäuser in den Venusberg einführte

Der Chevalier Tannhäuser war vom Pferd gestiegen und stand nun zaudernd einen Augenblick in dem dämmrigen Torweg des Venusberges, von exquisiter Angst gepeinigt, der Ritt des Tages könnte die zierliche Anmut seiner Kleidung zu grausam in Unordnung gebracht haben. Seine Hand, schlank und ausdrucksvoll wie jene der Marquise du Deffand auf der Porträtzeichnung von Carmontelle, fingerte nervös in dem Goldhaar, das gleich einer feinlockigen Perücke auf seine Schultern fiel, und weiter wanderten von Stelle zu Stelle einer sehr genauen Toilette nervöse Finger, kleinen Aufruhr der Spitzen zu beschwichtigen, Wellen der Halskrause zu glätten.

Es war um die Zeit der Kerzen, da die müde Erde ihren Abendmantel von Nebel und Schatten umlegt, die verzauberten Wälder leichten Schritt und zarte Stimme der Elfen in ihr Geflüster bergen, alle Luft geschwängert ist vom Unnennbaren und sogar die Beaux vor ihrem Toilettentisch ein wenig ins Träumen kommen.

Fahle, namenlose, im Mentzelius nicht zu findende Kräuter wucherten. Riesige Nachtfalter, mit Flügeln, reich ornamentierten, als ob sie auf Tapeten und fürstlichen Brokaten Mahlzeit gehalten hätten, flatterten die Pfeiler des Torwegs hin, mit Augen, brennend, berstend im Geäder und starrend. Der Pfeiler mattfarbiger Stein stieg auf wie ein Hymnus zum Preise der Göttin und war vom Kapital zur Basis in verliebten Skulpturen ziseliert, von so lustiger Erfindung und so seltsamer Kennerschaft, daß Tannhäuser eine ganze Weile brauchte, das Zierwerk sich anzusehen. Nichts war dagegen was Japan in seinen maisons verts erfinderisch gestaltet hatte, oder was die entzückenden Badezimmer des Kardinals de la Motte berühmt machte, und unbedeutend wurden daneben die verblüffenden Illustrationen in Jones Nursury Numbers.

Ein scharmantes Portal, sagte leise der Chevalier und ordnete die Falten seiner Schärpe. Wie Antwort auf seine Worte, kaum atmendem Hauche gleich, tönte ein hinsterbender Klang singender Stimmen aus dem Berge, getragen von einer weichen Musik, fremdartig und seltsam wie die Tonlegenden des Meeres, die man aus den Muscheln hört. »Wohl die Vesper der Göttin,« sagte Tannhäuser und griff ganz leicht einige Akkorde auf seiner kleinen Laute. Das Lied aus dem Berge glitt über die zauberumsponnene Schwelle, legte sich wie Kranzgewinde um die schlanken Säulen, schien die dunklen Falter der Leidenschaft zu wecken, denn sie regten sich leise im Schlafe. Einer aber war von den stärkeren Lautenakkorden erwacht und taumelte ins Innere des Berges. Das nahm Tannhäuser für Wink und Mahnung, einzutreten. Sein »Adieu« begleitete eine vollendete Geste, und da in diesem Augenblick des Mondes kühle Scheibe wunderbar und ganz voller Zauber aufstieg, sagte er, mit einem Timbre von Gefühl in der Stimme: »Leb wohl, Madonna.«

»Gebe der Himmel,« seufzte er, »daß mir ein Spiegel die Zuversicht zu meinem Debüt restauriere. Wenn ich auch nicht zweifle, daß ihre Göttinnenaugen, vom Anblick des Vollkommenen übersättigt, nicht allzu ungehalten sein werden, krönt ein kleiner Mangel die Vollendung.«

Eine wilde Rose hatte sich in den Besatz seines Muffs verfangen und in einer ersten Wallung von Ärger wollte er die beleidigende Blume grob entfernen, aber die schlimme Laune verflog rasch, denn es lag etwas so rührend Sinnloses in dem kühnen Angriff des köstlichen Blumenwesens, daß der Chevalier die rächende Hand zurückholte und damit einverstanden war, die wilde Rose an dem Muff zu lassen, als einen Paß aus der oberen in die untere Welt.

Und während er eine kleine Verknotung an der Troddel seines Stockes löste, trat er in den dämmrigen Gang, der ins Herz des blassen Hügels führte, schritt er durch den Gang mit der admirablen Sicherheit und der ungefalteten Anmut Don Juans.

 


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