Eduard v. Bauernfeld
Die Republik der Thiere
Eduard v. Bauernfeld

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Zehnte Scene.

(Straße.)

Ein betrunkener Elephant (torkelt herein).

Mücke (tritt ihm entgegen). Bürger, folge mir!

Elephant (mit schwerer Zunge). Wohin denn?

Mücke. Auf's Wachhaus. Ich muß Dich arretiren.

Elephant (betrachtet sie erstaunt). Du, Kleiner? I, warum denn?

Mücke. Weil Du betrunken bist, weil Du auf öffentlicher Straße herumtaumelst. – Du beleidigst die Sittlichkeit.

Elephant. Sittlichkeit? Nun seh' mal Einer den winzigen Knirps! Geh' mir aus dem Wege! Sonst schluck' ich Dich wider Willen ein, wenn ich Athem hole.

Mücke (tritt ihm in den Weg). Achtung vor dem Gesetz! Folge mir!

Viele (hinzutretend). Achtung vor dem Gesetz!

Elephant. Nun, meinetwegen! Ich will mich arretiren lassen, wenn's nicht anders ist. – Unser Eins muß ein Beispiel geben. – (Er rülpst.) Was geschieht mir denn auf der Wachstube?

Mücke. Du zahlst eine Geldbuße und erhältst einen Verweis.

Elephant. Schnackisch genug! – Nun so geh' nur voraus, Du Embryo von einem Republikaner! Oder weißt Du was, setz' Dich auf meinen Rüssel, so kommst Du bequemer fort.

Mücke. Wenn Du erlaubst –

Elephant. Potz Mäuschen! Kitzle mich nicht! (Im Abgehen.) Vive la République!

Alle. Vive la République! (Sie zerstreuen sich.)

Ein fetter Hamster (welcher der Scene zugeschaut, behaglich eine Cigarre schmauchend). Ne, aber das muß man sagen, so eine Republik ist doch was Hübsches! Die Ordnung, der Gehorsam! Läßt sich das große Best von der kleinen Bagatelle da, mir nichts dir nichts, auf die Wache führen. 's war ordentlich rührend! Wenn's nur auch immer so bleibt. – Nur ein Bischen theuer ist's geworden – und die Cigarren sind darum um gar nichts besser. Zum Glück hab' ich alle meine Papiere längst gegen Gold eingewechselt. Freilich fehlen mir jetzt die Zinsen – na, es wird schon wieder besser werden – ich kann's abwarten.

Staats-Einnehmer (klingelt mit dem Beutel). Wenn's gefällig wäre, Bürger –

Hamster. Na, was denn, Bürger? Was soll denn der Klingelbeutel?

Einnehmer. Wir bitten um die freiwillige Abgabe.

Hamster. Ich hab' erst gestern gegeben.

Einnehmer. Aber heute noch nicht.

Hamster (gedehnt). Also alle Tage?

Einnehmer. Das versteht sich. Der Staat ist auch alle Tage.

Hamster. Das ist freilich wahr. (Gibt ihm Geld.) Also da!

Einnehmer. Silber?

Hamster. Drei Franks. Ist das nicht genug? Man zapft mich von allen Seiten an. Meint Ihr, daß uns Partikuliers die Louisd'ors auf der flachen Hand wachsen?

Einnehmer. Für heute mag's hingehen, Bürger – aber wir werden Dich gelegentlich abschätzen lassen. (Ab.)

Hamster (allein). So? Danke schön. Ich bin unschätzbar! Das sind ja wahre Blutsauger! Man darf sich gar nicht mehr auf der Straße vor ihnen sehen lassen – und in die Häuser kommen sie leider auch.

Kellerratte (eilig, stößt an ihn an). Um Vergebung! Haben Sie Feuer?

Hamster (gibt ihm die Cigarre). Ja hier.

Kellerratte. Danke schön. (Steckt die Cigarre in's Maul, und eilt damit fort.)

Hamster (verblüfft). Na, das ist denn doch – wenn das Republik ist – (Steckt eine andere Cigarre an.) Nun wird's mir bald zu viel! Und das war eine von den besten Cabanna's – für das ungewaschene Maul! (Fühlt an die Tasche.) Potz Blitz! Der schmutzige Kerl hat mir obendrein meine Börse gestohlen. Zum Glück war blos Silber darin – das Gold trag' ich hier in der Brusttasche. – Was krabbelt denn da wieder herum? Die ganze Straße wird lebendig – ganz schwarz – wie übersät –

Ein Heer von Spinnen (zieht in bester Ordnung auf, Nationalgarden dazwischen).

Anführer der Spinnen (sehr artig). Bürger, wir sind die Arbeiter, die Spinner.

Hamster. Freut mich! Freut mich!

Spinne. Hier sind schöne, feine Gespunste zum Verkauf.

Hamster. Danke sehr – brauche nichts!

Spinne. Ueber die Brust getragen, hält das hübsch warm.

Hamster. Trage nie dergleichen. Uebrigens hab' ich einen tüchtigen Ueberrock, wie Ihr seht.

Spinne. Vielleicht Deine Gemahlin –

Hamster. Nein, Gottlob! ich habe keine.

Spinne. Hast Du vielleicht heute schon gekauft? Kannst Du Dich mit einem Scheine ausweisen?

Hamster. Mit einen Scheine?

Spinne. Hier ist ein Verkaufs-Schein, vom Minister contrasignirt, hier ist die Waare. Du weißt ja, jeder wohlhabende Bürger muß uns täglich abkaufen.

Hamster. Ei? Das ist ja eine äußerst geistreiche Erfindung.

Spinne. Es ist, um die Industrie und den Handel zu beleben. Wir bitten um die Bezahlung.

Hamster. Bin nicht im Stande! Eine verwünschte Kellerratte hat mir so eben meinen Geldbeutel gestohlen.

Spinne. Die Polizei wird ihr auf die Spur kommen. Du hast also kein Geld bei Dir?

Hamster (schlägt an die Seitentasche). Nicht das Geringste.

Spinne. Aber Du trägst da eine hübsche Busennadel, was eigentlich verboten ist. Wir wollen einen Tausch machen. Nimm das Gespunst dafür –

Hamster. Halt! Die Nadel ist ein zartes Souvenir – verstanden? (Greift in die Brusttasche.) Nehmt in's Himmels Namen hier den Louisd'or – 's ist mein letzter.

Spinne. Wir danken, Bürger. (Sie ziehen weiter.)

Hamster (allein, nach einer Pause). Nun fehlt nur noch, daß Einer kommt und das Fell von meinem Leibe begehrt. Da mag der Henker länger im Lande bleiben! Ich wand're aus – nach Amerika! Dort haben sie freilich auch eine Republik, aber seit lange her – darum ist sie auch schon weit vernünftiger eingerichtet. Ich mag gerne, was fertig ist – ich bin für keine Versuche, ich! Die Brustnadel will ich nur gleich verstecken, sonst findet sich noch ein Liebhaber. Und was soll ich nur mit den dummen Spinnweben anfangen? Ein Louisd'or für Spinneweben! – Und das soll Freiheit und Gleichheit sein. (Geht brummend ab.)


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