Eduard v. Bauernfeld
Die Republik der Thiere
Eduard v. Bauernfeld

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Vierte Scene.

(Am Hofe.)

Zwei Affen (als Kammerherren stehen und gähnen). Minister Fuchs (mit dem Portefeuille tritt auf).

Fuchs. Guten Morgen, meine Herren! Sie haben doch Niemanden vorgelassen?

Erster Affe. Niemand, Excellenz, als den Herrn Leibmedicus, Regierungsrath Kranich –

Zweiter Affe. Und den Herrn Hofprediger Dachs.

Fuchs. Recht. – Wie befindet sich der König?

Erster Affe. Ganz erträglich. Seine Majestät geruhen eben zu frühstücken.

Zweiter Affe (mit Wichtigkeit). Homöopathische Chocolate – und zwar mit dem besten Appetit.

Erster Affe. Se. Majestät geruhten sich zu äußern, die Chocolate sei vortrefflich.

Zweiter Affe. Verzeihen Sie, Baron! Se. Majestät bedienten sich des Ausdruckes: excellent.

Erster Affe. Excellent? Mag sein! Ich will nicht streiten.

Zweiter Affe. Da kommt Se. Majestät!

König Leo (auf die Schultern des Obersthofmeisters Einhorn gestützt, tritt auf. Die beiden Affen ziehen sich ehrerbietig zurück).

Fuchs. Majestät –

König. Nun, Graf? Was Neues?

Fuchs. Nichts von Belang, Sire.

König. Sie bringen Arbeiten mit? Sie sehen, ich bin etwas matt.

Fuchs. Eure Majestät brauchen sich nicht zu bemühen. Alles geht ohnehin auf's Beste. Handel und Gewerbe blühen, der Credit hebt sich von Tag zu Tag, Kunst und Wissenschaft stehen im Flor – das Volk ist zufrieden.

König. Das ist ja schön! – Aber man erzählte mir von einem Auflauf?

Fuchs. Es ist nicht von Belang. (Ueberreicht dem König den Polizeibericht.) Lesen Sie, Sire.

König (liest). »Gegenwärtig erfreut sich die Stadt der vollkommensten Ruhe.« (Getümmel von Außen.) Was für ein Lärm? Was soll das?

Erster Affe (erschrocken hereinstürzend). Majestät, ein entsetzlicher Volksauflauf vor der Hofburg –

König. Wie? Also doch?

Fuchs. Es ist nichts, wie gesagt – übrigens das Militär ist consignirt. (Zum zweiten Affen, der eben eintritt.) Was bringen Sie Gutes, Baron?

Zweiter Affe. Gutes, Excellenz? Ich kann nur versichern, daß wir förmlich belagert sind – von hunderttausend – von Millionen –

Fuchs. Sie übertreiben! Beruhigen Sie sich, Majestät, ohne Zweifel ein Mißverständniß –

König. So gehen Sie hinaus und sehen, was es eigentlich ist.

Fuchs. Ich will nur zuerst ein wenig an's Fenster treten. (Er lorgnirt über's Fenster und zieht zugleich ein Schnupftuch aus der Tasche, welches er hinausschwenkt. Man hört eine Gewehrsalve.)

Die beiden Affen. Heiliger Jesus, sie schießen! Sauve qui peut! (Sie laufen davon. Von Außen wiederholtes Schießen und Geheul.)

König (zum Minister). Sie haben schießen lassen? Auf mein Volk?

Fuchs. Es gab kein anderes Mittel.

König. Mein Volk! Mein armes Volk!

Kammerdiener Bock (tritt zitternd auf). Retten Sie sich, Majestät! Die Leute belagern uns – sie haben sich bereits einiger Kanonen bemächtigt.

König. Ich dachte, die Stadt erfreue sich der vollkommensten Ruhe – nun, Herr Minister! Wo ist er denn?

Bock. Se. Excellenz haben sich aus dem Staube gemacht – Sie kennen hier alle Schliche, und uns lassen Sie in der Patsche. (Lärmen und Schießen wie oben.) Hören Sie's, Majestät? Die Kerl's brechen ein – mein Leben ist bedroht – heißt das, unser Leben – – Ihr Leben – denken Sie an die königlichen Prinzen!

König. Meine Kinder! Meine Kinder! (Er stürzt ab.)

Obersthofmeister Einhorn. Majestät, nehmen Sie mich mit, Ihren Obersthofmeister – (Er trippelt ihm nach.)

Bock (allein). Das Ding kommt immer näher – der Lärm wird immer gräßlicher – was soll ich thun? Wenn sie mich erschlagen – aber warum sollten sie? Ich bin ja nichts als ein armer Bedienter – gewissermaßen auch ein Mann aus dem Volk. Freilich hab' ich bei Hofe gedient – das kann man einem armen Teufel nicht anrechnen. (Immer ängstlicher.) Nein, gewiß, sie werden mich nicht erschlagen! – 's ist aber ein Höllenlärm! – (Läuft auf und ab.) Wenn ich nur meinem spitzbübischen Vetter die Lieferungen nicht verschafft hätte – wenn dies das Volk erfährt – kann ich aber dafür, daß mein Vetter das Aerar betrogen hat! Ich war immer ein ehrlicher Mann – (Fällt auf die Knie.) Und ein frommer Mann – – (Betend.) Unser Vater – Vater unser, der du bist im Himmel – – (Springt wieder auf.) O Gott! Wenn ich nur nicht auch in den Himmel komme! Die Erde ist so schön! – Nun kommen sie herauf – wohin flücht' ich mich? O wär' ich in einer stillen Hütte, mitten im Walde! Wenn ich auch nichts zu beißen und zu brocken hätte – gar nichts! – Auf offenem Meere müßt' es auch nicht übel sein – ein kleiner Sturm sollte mich gar nicht geniren – oder in einem brennenden Hause – man kann gerettet werden – oder man springt über's Fenster – man bricht höchstens ein Bein – oder ein paar – aber hier gilt's den Hals – weh, sie kommen! – sie kommen von allen Seiten. (Rennt herum.) Dort ist der König – dort ist's am Schlimmsten – nirgends ein Ausweg! Wir haben Sommer – am besten, ich krieche in den Kamin. (Versteckt sich.)

Volk (dringt von allen Seiten mit großem Geschrei herein).

Fleischerhund. Vivat! Wir haben gesiegt! Es lebe die Republik! (Er pflanzt eine rothe Fahne auf.)

Alle. Es lebe die Republik!

Bulldogg. Nun wollen wir's uns bequem machen. Hier sind ganz hübsche Teppiche – da wollen wir uns hin lagern. – Ist nichts zu essen da? He? Bediente! Kammerdiener!

Bock (springt aus dem Kamin heraus) Was befehlen Euer Gnaden?

Alle (jubelnd). Ein Hofbedienter in Livree! Juchhe!

Fleischerhund. Schaff' uns zu essen, Kerl – bediene das souveräne Volk.

Bock. Im Augenblick – die Küche ist hier nebenan. Machen Sie sich's bequem, meine Herrschaften, ich bin gleich wieder da. (Im Abgehen.) Das geht ja weit besser als ich dachte. (Springt fort.)

Fleischerhund. Ein recht dienstfertiger Hallunke!

Mops. Der Bursche ist mir bekannt. Ich weiß eine schlechte Handlung von ihm.

Fleischerhund. So? Da müssen wir ihn bestrafen – denn in einer Republik darf es nur lauter tugendhafte Leute geben.

Mops. Das Beste, wir hängen ihn auf, hier gleich neben der Freiheitsfahne, daß die Leute sehen, wir halten auf Moral.

Bulldogg. Laßt mich die Execution vornehmen; aber erst muß er uns zu essen bringen.

Mops. Traut ihm nicht! So ein Schuft ist im Stande, die Speisen zu vergiften.

Fleischerhund. Das ist ja ein verfluchter Spitzbube! Aber das wollen wir gleich sehen, denn da kommt er schon.

Bock (kommt zurück mit Schüsseln). So, meine Herrschaften! Langen Sie zu! Lassen Sie sich's schmecken!

Fleischerhund. Meinst Du? Koste Du zuerst.

Bock. Verzeihen Sie! Ich esse kein Fleisch.

Fleischerhund. Nicht? Besonders, wenn Gift dabei ist, wie?

Bock. Ich verstehe Sie nicht.

Mops. Du wirst uns gleich verstehen. Dein Vetter war Hof-Lieferant, nicht wahr?

Bock (erschrocken). Herr je –

Mops. Deine Ränke haben mich um das Geschäft gebracht – nimm jetzt den Lohn dafür. (Zum Bulldogg.) Da ist ein Strick, Bruder!

Bulldogg. Du sollst meine Geschicklichkeit bewundern, Bruder. Komm' nur, mein Sohn! (Packt den Bock.)

Bock (sich sträubend). Meine Herrschaften –

Bulldogg. Genug! (Er knüpft ihn auf.) Der ist abgethan.

Mops. Gut! Jetzt wollen wir zu Tische gehen. (Er fällt gierig über die Schüssel her.)

Fleischerhund. Wenn's aber Gift ist!

Mops (fressend). Dummes Zeug. Wo hätten sie denn das so geschwind hernehmen sollen? Im Uebrigen vertrau' ich auf meinen guten Magen. (Er ißt gierig.) Es lebe die Republik!

Bulldogg. Laß uns nur auch was übrig. (Sie essen.)


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