Eduard v. Bauernfeld
Die Republik der Thiere
Eduard v. Bauernfeld

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Neunte Scene.

(Bureau des Ministeriums.)

Nachtigall (am Schreibtisch). »Die Guillotine für politische Verbrechen ist abgeschafft.« – So! – (Zum Secretär.) Das Decret schnell in die Druckerei! – Wie schlimm, daß man daran denken muß, seinen eigenen Kopf zu salviren – seinen Kopf, der es so ehrlich meint. (Verfällt in Nachsinnen und fängt in der Zerstreuung zu singen an.)

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Mein Herz ist fromm und rein –
Was wird mir nur so bang?
Mein Busen – bitt're Pein!
Erliegt des Liedes Drang.

(Erschrocken.) Ich glaube, ich habe Verse gemacht. – Hat mir's der alte König nicht geweissagt? »Du stirbst an der Hemmung.« – Doch frisch an die Arbeit! Mein Manifest ist nur halb fertig. (Schreibt). »Wir bringen der ganzen Welt die Freiheit und den Frieden, durch Brüderlichkeit, nicht durch Gewalt, durch Liebe, nicht durch Zwang.«

Secretär (eilig). Bürger Minister, rette Dich! Ein wilder Volkshaufen stürmt gegen Dein Hotel heran!

Nachtigall (gelassen). Laß sie nur! Wenn sie mich tödten, was ist's denn viel?

Secretär. Sprich nicht so kleinmüthig! An Dir hängt das Wohl des Landes.

Nachtigall. Nun gut! Ich will ihnen entgegentreten und sie freimüthig anreden. Noch hab' ich die Gabe der Rede nicht verloren. Das Wort ist stärker als das Schwert.

Secretär. Wie lange noch? Mir bangt um Dich.

Nachtigall. Sei ohne Sorge! Meine Stunde ist noch nicht gekommen. (Ab.)

Secretär. Ein großer Mann! Ein weiser Mann! Ein edler Mann! Und doch genügt er ihnen nicht. Was will denn die Welt? (Ab.)


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