Eduard v. Bauernfeld
Die Republik der Thiere
Eduard v. Bauernfeld

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Fünfte Scene.

(Volksconvent im Thronsaale.)

Wiedehopf (als Volks-Herold). Das souveräne Volk hat also die Republik beschlossen.

Alle. Bravo!

Wiedehopf. Aber eine tugendhafte, friedliche, keineswegs aggressive Republik, keine stehenden Heere, keine Propaganda, nichts als lauter Eintracht und Brüderlichkeit.

Alle (umarmen sich). Eintracht und Brüderlichkeit! So ist's recht!

Wiedehopf. Nur vollkommen reine und tugendhafte Charaktere sollen uns in Zukunft beherrschen. (Beifall.) Darum ist die poetisch-philosophische Nachtigall einstimmig zum Volks-Premier ernannt worden. (Ungeheurer Beifall.)

Nachtigall (fliegt auf die Tribune). Meine Brüder! Ein göttliches Gefühl durchströmt mich, da ich die Idee der wahren Freiheit durch Euch verwirklicht sehe. Ich möchte Jubellieder singen – aber ich singe fürder nicht mehr. (Mit einem stillen Seufzer.) Ich lege meine Lyra für immer nieder und widme mich den Staatsgeschäften. Von nun an ist der Staat zugleich die höchste Poesie. Millionen vereinigt zu einer einzigen herrlichsten Harmonie– das ist mein ganzes politisches Programm. Seid Ihr damit zufrieden?

Alle. Ja, ja! Wir verlangen uns nichts Besseres.

Schmetterling. Citoyens! Der Wille des Volkes hat mich zum Minister der Arbeiten ernannt. (Beifall.) Organisation der Arbeit ist meine Devise. (Gesteigerter Beifall.) Ich lade sämmtliche Arbeiter ein, sich morgen Früh in dem ehemaligen Straf- und Zwangs-Arbeitshase zu versammeln, welches nunmehr in eine freie Staats- und National-Arbeits-Akademie umgewandelt werden soll. Ihr müßt aber aus Liebe arbeiten, die Andern werden Euch Eure Produkte aus Liebe abkaufen. Ihr habt Antheil an der Arbeit und am Capital – Ihr seid von heute an lauter Capitalisten.

Alle. Hurrah!

Goldkäfer. Brüder Bürger! Ich habe die leichteste und dankbarste Arbeit unter Euch – ich bin Finanz-Minister! – (Beifall.) Das System, das ich befolgen will, ist in zwei Worten mitgetheilt. Ich hebe erstens alle Abgaben und Steuern für ewige Zeiten auf. (Donnernder, und nicht enden wollender Beifall.) Womit aber, werdet Ihr fragen, willst du die Staatsausgaben bestreiten? – (Erwartungsvolle Stille.) Diese werden unter Brüdern zwar äußerst gering sein – da man aber doch bisweilen Geld braucht, so habe ich ein äußerst einfaches Mittel ersonnen, um uns immer das Nothwendige zu verschaffen. Seht hier diese großen Seckel, die ich habe anfertigen lassen. Ich werde Staats-Seckelträger ernennen, welche täglich in allen Haupt- und Nebenstraßen sammeln gehen. Die Wohlhabenden und Reichen werden im Namen der Brüderlichkeit gebeten, ihr Schärflein in die Seckel zu legen; die Filial-Seckel fließen in den Central- und Haupt-Staats-Seckel, der in meiner Hand bleibt; die Bedürftigen und Armen werden daraus betheilt, – so wird in Kurzem und durch allmälige Uebergänge ein merkwürdiges Gleichgewicht des Besitzes eingeführt sein. Seht, Kinder, das ist mein ganzes finanzielles Geheimniß. (Großer Jubel.)

Frosch. Ich bin Minister des Unterrichts. Mein System ist einfach dieses: Wer etwas lernen will, der lerne – wer nicht will, der laß' es bleiben. Wer aber nichts gelernt hat, der bekommt keine Anstellung. Punctum! (Allgemeine Heiterkeit.)

Hase. Meine Herren –

Das Volk. Bürger sind wir.

Hase. Also, meine Bürger! Ich bin Kriegsminister. Da die ganze Welt in Zukunft in Frieden leben wird, so ist mein Amt eigentlich eine Sinecure. (Beifall.) Ich nehme auch keine Bezahlung dafür an. (Beifall.) Uebrigens werden aus dem Central-Staatsseckel Waffen angeschafft, die sich ein Jeder holen und sich nach Herzenslust damit vertheidigen kann. Braucht ihr einen General, so ruft mich – ich werde immer bereit sein. Es lebe die Republik!

Alle. Es lebe die Republik!

König (mit den Prinzen tritt aus einer Tapetenthür). Kennt Ihr mich?

Alle. Der König!

Einige. Nieder mit ihm!

Mehrere. Nieder mit ihm!

Nachtigall (mit den Ministern stellt sich schützend vor den König). Halt, meine Brüder! Im Namen des Gesetzes! Das Ministerium schützt den Bruder Ex-König.

Viele. Bravo!

König. Ich brauche keinen Schutz. Hier bin ich – tödtet mich!
Ein König ohne Volk ist nichts, ein Unding.

Nachtigall. D'rum werdet mehr: ein freier Bürger!

König.                                                               Ich?!

Nachtigall. Vergeßt die Krone, die Ihr trugt!

König.                                                       Vergißt
Sich eine Krone? – Nachtigall, Du bist
Ein Dichter – kannst die Lieder Du vergessen?
Kannst Du den Quell in Deinem Busen hindern,
Zu sprudeln frisch und hell?

Nachtigall.                               Ich kann's – ich will's!

König. Dann stirbst Du an der Hemmung – glaube mir.
Gott schafft die Könige, so wie die Dichter;
Das Große und das Hohe stammt von Gott,
Und wer es in sich fühlt, der theilt der Menge
Von seinem süßen Ueberflusse mit,
Wie Moses, Christus oder Mohamet.
Wer edel ist und stark, der zieht die Masse
Zu sich hinauf; ein Guter, der ihr fröhnt,
Verfällt den unterirdischen Dämonen. –
Verblendete! Ihr wollt kein Königthum?
Verderbt denn an dem Volksthum, das Ihr schuft!
Zum Anfang tödtet mich und meine Söhne!
(Allgemeines Schweigen.)
Seid Ihr zu feige, wie? Ich aber sag' Euch,
Ich will als König sterben, nicht als Bürger,
D'rum tödtet mich! Ist keiner, der mich tödtet?
So will ich selbst – (Will sein Schwert ziehen.)

Nachtigall (fällt ihm in den Arm). Halt, hoher Herr!

König (lachend, stößt das Schwert wieder in die Scheide). Hoher Herr! Hörst Du es, Volk? Der Poet da nennt mich hoher Herr. Die Ehrfurcht für das Hohe liegt ihm im Blut – er ist noch nicht durch und durch republikanisirt – das seid Ihr Alle nicht – Alle nicht – Ihr bildet's Euch nur ein. Laßt die Welt noch um ein hundert Jährchen älter werden, dann wollen wir von einer Republik sprechen – wie? – Liebe Kinder, seid gut, seid klug – laßt mich noch ein Weilchen Euren König sein. Seht, wie lange kann ich's machen? Ich bin alt und schwach – aber ich bin ein König – ich will es sein – ich muß es sein – ich habe nichts Anderes gelernt. Mein Geist beginnt zu schwärmen – hopsa!

Einer (halblaut). Ich glaube, er wird verrückt.

Nachtigall (bittend). Schont seinen Schmerz. Er war immer ein redlicher Mann. (Zum König.) Kommt, Herr –

König. Nenne mich Majestät!

Nachtigall. Nun denn, Majestät, wenn's nicht anders ist.

König. So ist's recht! Majestät – nun ist mir wieder wohl. Ich hülle mich in meine Majestät, wie in einen weichen warmen Mantel. – Gebt mir meine Krone und mein Scepter.

Nachtigall. Da, lieber Herr! (Gibt ihm den Hut und Stock.)

König (betrachtet den Hut). Eine Krone von Filz – eine filzige Krone! Schadet nicht! Wenn's nur eine Krone ist. (Zu den Prinzen.) Kommt, Kinder, jetzt wollen wir in den Staatsrath gehen. Wo ist mein Hofmarschall?

Nachtigall. Da ist er schon! (Zum Pudel.) Führ' ihn fort – begleite ihn, schütze ihn –

Pudel (wischt sich eine Thräne aus dem Auge). Das hatt' ich mir längst vorgenommen. – Kommt, Majestät!

König. Majestät! Ja, Majestät! – Leb' wohl, mein treues Volk! (Er geht mit stolzen Schritten ab. Der Pudel mit den Prinzen folgt ihm.)

Nachtigall (nach einer Pause). Die Sitzung ist aufgehoben. (Für sich.) Tausend schmerzlich-süße Lieder klingen mir durch die Brust – aber ich darf ja nicht singen. Ich will mich in einen stillen Hain flüchten, um mich nach Herzenslust auszuweinen. (Ab.)

Zeisig. Was ist's nur mit unserm Premier? Er machte ein ganz betrübtes Gesicht.

Gimpel. Ich traue dem Manne nicht recht. Ueberhaupt – die Luft riecht ein Bischen nach Reaction.

Schaf. Da soll ja das Donnerwetter – – Na, wenn's nur mit dem Staatsseckel seine Richtigkeit hat, aus dem wir Proletarier unterstützt werden sollen.

Viele Käfer, Schmeißfliegen und andere Insecten. Das möcht' ich den Herren gerathen haben, sonst fangen wir im Augenblick eine neue Revolution an.

Wiedehopf (als Herold). Die Minister sind nach Hause gegangen – souveränes Volk, thu' desgleichen und geh' schlafen. (Sie zerstreuen sich.)


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