Ernst Barlach
Güstrower Fragmente
Ernst Barlach

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Januar 1913

Der Teich, wie ein Stück Mystik, tief unten zwischen Felder gelegt, seufzt unterm Frost, und die Schläge, sein Rumoren, sein Sprengen schmaler Schnitte und Risse im Eis klingt wie ein Auf schauern innerster Tobsucht, wie schreckhaftes Schluchzen, das eine Faust erstickt, sowie es hervorbricht. Dies Rohrgebüsch, das sonst im Wasser watet, steckt jetzt mit dünnen Stengeln fest im Eise, und im Ostwind, wenn er über den Hang einen Sturz bissig kalter Luft niederschüttet, wiegen seine leichten Wedel; dann zieht es im ganzen Zug dieser Wand dünner Linien gleichmäßig und dehnt sie hin und läßt sie her wie ein Gewebe, an dessen Rand von ferne eine Hand zerrt. Am Himmel liegt stellenweise ein Blau, wie verdickt und erstarrt, und an andern Stellen ist es vom schauernden, kratzenden Winde mattgeschabt, und man denkt, schauernd in seinen dicken Mantel geschmiegt: da, da friert die Ewigkeit unter entsetzlich dünner Decke, die arme, arme Unendlichkeit! Alles verliert den Mut, außer den wilden Gänsen, die spalten mit ihren riesigen Keilen die Schichten des Himmels, und ihr hartes, stoßendes Schreien fällt mit unsichtbarem Gespan nieder, man denkt, der Himmel reißt hie und da und immer wieder unterm Ansturm des Keils auseinander. Aber der Keil zittert in seinen Flanken wie im Stoß gegen eine harte Stelle, und seine graden Linien fangen an, sich zu biegen, und die Bogen stemmen ihre Kraft gegen die scharfe Spitze und stoßen ihn wieder vorwärts. Das Gansgeschrei klingt wie Hohn auf diesen spaßhaften Frost, der niemand solchergleichen auf den Schnabel fällt; diese Gänse vom hohen Norden beißen im Übermut ein lustiges Stück aus der Kälte und zerfasern es gleich himmlischen Eisenfressern und Glasbeißern. Es klingt gegen das dumpfe Rumoren des Eises im Teich wie Lachen von Tollhäuslern über eine schauerliche Geschichte, die erst grade so recht den Bauch zum Lachen kitzelt.


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