Honoré de Balzac
Die dreißig tolldreisten Geschichten – Drittes Zehent
Honoré de Balzac

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Die Heirat der schönen Imperia

I. Wie sich Frau Imperia selber in den Netzen fing, mit denen sie sonst die verliebten Täuber zu fangen pflegte

Die schöne Dame Imperia, die ruhmreich diese Geschichten eingeleitet hat, da sie der Ruhm ihrer ganzen Zeit war, mußte nach der Beendigung des Konzils von Konstanz ihren Aufenthalt in der Stadt Rom nehmen, da der Kardinal von Ragusa, der sie mehr liebte als seinen Kardinalshut, sich nicht von ihr trennen wollte. Dieser Tausendsasa von einem Priester war so großartig, daß er ihr in der besagten Stadt einen schönen Palast zum Geschenk machte. Um diese Zeit hatte sie das Unglück, durch den Kardinal schwanger zu werden. Wie jedermann weiß, endigte diese Schwangerschaft mit der Geburt einer schönen Tochter, von der der Papst scherzend gesagt haben soll, man müßte sie Theodora nennen, was soviel bedeutet als ›Geschenk des Himmels‹. Das Mädchen wurde auch wirklich so genannt und entwickelte sich zu einer wunderbaren Schönheit. Der Kardinal setzte Theodora zu seiner Erbin ein, und die schöne Imperia wies ihrer Tochter ihren eignen Palast in Rom zum Aufenthalt an, während sie selber eiligst die Stadt verließ als einen Ort des Schreckens, wo man der Gefahr ausgesetzt ist, Kinder zu bekommen, seine Gestalt zu verderben und alle die wunderbaren Linien von Rücken und Brust und verführerischen Biegungen und anmutigen Vollkommenheiten zu verlieren, als welche die schöne Imperia so hoch über alle Frauen der Christenheit erhoben hatten, wie der Papst erhaben ist über alle Christen. Ihre Liebhaber wußten übrigens, daß mit Hilfe von elf Doktoren aus Padua, sieben Medizinkünstlern aus Pavia und fünf Chirurgiussen aus allen Teilen der Welt, die der Dame bei ihrer Entbindung beigestanden hatten, ihre Schönheit vor jedem Schaden bewahrt geblieben war. Einige behaupteten sogar, daß sie an Feinheit der Form und Weiße der Haut eher noch gewonnen habe, und ein berühmter Arzt aus der Schule in Salerno schrieb bei diesem Anlaß ein gelehrtes Buch, mit dem er bewies, wie vorteilhaft eine Entbindung für die Erhaltung der Jugend, Gesundheit und Schönheit der Damen sei. Aus diesem sehr gelehrten Buch ersah der Leser, daß an der schönen Imperia nichts so Schönes zu ersehen war, als was allein ihre Liebhaber zu schauen bekamen, und auch sie nur selten; denn diese wahrhaft kaiserliche Hure entkleidete sich nicht etwa vor jedem kleinen deutschen Fürsten und Herrn. Sie nannte diese ihre Kurfürsten, Markgrafen, Burggrafen, Herzöge und behandelte sie nicht anders als wie ein Kriegsherr seine Soldaten.

Jedermann weiß, wie die schöne Theodora im Alter von achtzehn Jahren den heißen Wunsch hegte, sich in einem Kloster als Nonne einkleiden zu lassen, um durch ein Leben in Entsagung und Frömmigkeit für die Tollheiten ihrer Mutter abzubüßen. Sie verschrieb all ihr Gut dem Kloster der Klarissinnen und wandte sich an einen Kardinal, damit er sie auf ihren geistlichen Beruf vorbereite. Dieser schlechte Hirte fand sein Schäflein aber so wunderbar schön, daß er versuchte, sie zur Liebe zu zwingen. Um der schmählichen Gewalt zu entgehen, tötete sich Theodora mit einem Dolchstoß. Dieses Abenteuer, das in den Chroniken der Zeit niedergeschrieben ist, machte großes Aufsehen, und die ganze Stadt Rom legte Trauer an um die von allen geliebte Tochter der Frau Imperia.

Bei dieser Gelegenheit kehrte die stolze Buhlerin in großer Trauer nach Rom zurück, um ihre Tochter zu beweinen. Sie stand damals den Vierzig nahe und, wenn man den Autoren der Zeit Glauben schenken will, auf dem Gipfel ihrer alles bewältigenden Schönheit. Der Schmerz machte sie stolz und abweisend gegen alle, die ihr, um sie zu trösten, von Liebe sprachen. Es verfing auch nicht, daß der Papst selber sich in ihren Palast verfügte, um Worte der Ermahnung an sie zu richten. Sie verharrte in ihrer Trauer und wollte, wie sie sagte, jetzt nur noch Gott gehören, auf den allein ein sicherer Verlaß ist, während all ihre ungezählten Liebhaber, mit Ausnahme eines kleinen Priesters, in den sie einmal wie in einen Gott verliebt war, sie immer nur enttäuscht hätten. Bei diesem Entschluß erzitterten alle, denen sie je angehört, und wahrlich, deren Zahl war nicht klein. Wo zwei sich auf der Straße begegneten, sprachen sie von nichts anderm als von dem Vorhaben der Frau Imperia. »Haben Eure Gnaden es schon gehört? Sie will der Liebe Valet sagen.« Verschiedene Botschafter sandten an ihre Souveräne Berichte über das Ereignis. Der römische Kaiser war außer sich. Er hatte elf Wochen mit Frau Imperia getollt und sie nur verlassen, um in den Krieg zu ziehen; er liebte sie auch noch immer wie den kostbarsten Teil seines Körpers, worunter er, dem Gerede seiner Hofleute zum Trotz, sein Auge verstand, weil dieses, wie er sagte, die teure Imperia zu verschlingen imstande war.

In der also verzweifelten Notlage ließ der Papst einen spanischen Arzt kommen, den er bei Frau Imperia einführte, und dieser bewies der Dame mit wissenschaftlichen Gründen und mit schwergelehrten und von Zitaten gespickten Redensarten, die von lateinischen und griechischen Brocken nur so strotzten, daß die Schönheit durch Kummer und Tränen notwendig entstellt wird und nichts so tiefe Furchen und Runzeln in das Gesicht einer schönen Frau eingrabe als der Schmerz eines einsamen Herzens. Diese Behauptung wurde von den übrigen Herren Doktoren des heiligen Kollegiums, die sich am Gespräch beteiligten, bestätigt und hatte die Wirkung, daß der Palast der Imperia sich noch an demselbigen Abend nach der Vesper von neuem öffnete.

Erschienen auch alsbald die jungen Kardinäle, die Gesandten aller fremden Länder und viele reiche Edelleute, um der schönen Herrin aus Jubel über diese Sinnesänderung ein prächtiges Fest zu geben. Das kleine Volk aber zündete Freudenfeuer an, und alles feierte die Rückkehr der Königin der Liebe auf ihren Thron und in ihr Amt. Denn auch die kleinen Handwerker jeder Art und Kunst verehrten die Frau Imperia sehr, die ungeheure Summen spendete zum Bau einer Kirche, in welcher lange Zeit das stolze Grabmal der Theodora zu sehen war, bis es bei der Belagerung Roms durch die Kriegsleute des verräterischen Connetable von Bourbon zerstört, die heilige Leiche geschändet und der schwersilberne und reichvergoldete Sarg, worin die jungfräuliche Theodora gebettet lag, von den rohen Horden zerhackt und in tausend Beutestücke verteilt wurde. Diese Basilika soll, wie man sagt, mehr gekostet haben als die Pyramide, die zu Ehren der Dame Rhodope, einer ägyptischen Kurtisane, achtzehnhundert Jahre vor der Geburt unsers Heilands errichtet wurde, was beweist, wie alt dieses schöne Handwerk ist und wie teuer die weisen Ägypter ihre Freuden bezahlten, die nach und nach derart im Preis und Wert gesunken sind, daß man sich heut in der Rue du Petit-Heuleu zu Paris eine Portion weißes Fleisch schon um einen lumpigen Taler verschaffen kann. Ist das nicht scheußlich?

Noch nie war Frau Imperia so schön gewesen als bei diesem ersten Feste nach ihrer großen Trauer, und alle Fürsten, Kardinäle und andre erklärten sie der Huldigung des ganzen Erdballs würdig. In Wirklichkeit war auch ein jedes Land durch seinen Gesandten vertreten, woraus zu entnehmen, daß die Schönheit allerorten die Königin ist über alles.

Ein wenig spät erschien – trotzdem er Frau Imperia nie gesehen und vor Neugierde brannte auf ihren Anblick – der Botschafter des Königs von Frankreich, ein jüngerer Sohn aus dem Hause derer von Isle-Adam. Er war ein hübscher junger Kavalier und gut angeschrieben bei seinem König, an dessen Hof er eine Freundin hatte, die er zärtlich liebte, nämlich die Tochter des Herrn von Montmorency, dessen Güter nachbarlich an die des Hauses von Isle-Adam grenzten. Diesen jüngeren Sohn also, der in der Welt nichts besaß als seinen schönen Namen, hatte der König mit einer diplomatischen Mission zum Herzog von Mailand gesandt, und der kleine Isle-Adam hatte sich deren so geschickt entledigt, daß er daraufhin mit weiteren Aufträgen für Rom betraut wurde, um dort die hochwichtigen Unterhandlungen zu führen, wovon die Geschichtschreiber in ihren Büchern ausführlich berichten. Dem hübschen Junker, wie wenig er auf der Welt sein eigen nannte, war dieser Anfang ein gutes Omen. Er war von schlanker Gestalt, gerade wie eine Kerze, von brauner Gesichtsfarbe, mit schwarzen strahlenden Augen, dazu ein Schlaubart wie ein alter Legat, der sich nichts weismachen ließ. Trotz des hellen Verstands, der aus seinen Zügen sprach, hatte er ein unschuldiges Kindergesicht, das ihn liebenswürdig und bezaubernd machte wie ein schelmisches kleines Mädchen.

Beim ersten Blick, den Frau Imperia auf diesen jungen Edelmann warf, fühlte sie eine so heftige Bewegung in ihrem Herzen, wie sie seit langem nicht empfunden. So heftig entbrannte sie in Liebe beim Anblick dieser frischen Jugend, daß sie den geschmeidigen Franzosen, wenn sie nicht gefürchtet hätte, Ihrer kaiserlichen Majestät etwas zu vergeben, am liebsten gleich auf seine beiden Wangen geküßt hätte, die wie zwei kleine Borsdorfer Äpfel leuchteten. Nun müßt ihr wissen: die stolzen und abweisenden Frauen, die Damen mit Wappenschildern über ihrem Bett, verkennen meistens die Natur des Mannes, da sie sie nur nach dem einzigen Manne beurteilen, den sie kennen, als zum Beispiel die Königin von Frankreich, die da glaubte, alle Männer seien stinkend, weil der König stinkend war. Eine erfahrene Buhlerin hingegen wie die Frau Imperia kennt das andre Geschlecht von Grund aus, da sie von dessen Vertretern mehr als genug unter die Hände bekommen, auch keiner in ihrer Schlafkammer sich einen Zwang antat oder, da er sie doch nicht auf die Dauer haben konnte, mehr Scham an den Tag legte als ein Hund, der seine eigne Mutter bespringt; darüber Frau Imperia sich oft bitter beklagt hat, also daß man sie manchmal sagen hörte, sie sei wahrlich kein Lusttier, aber ein Lasttier. Das war die Kehrseite ihres Lebens, und sie ließ sich deshalb eine Liebesnacht mit Wagenladungen Goldes bezahlen, abgesehen davon, daß es mehr als einem dabei um den Kopf ging.

So war es für sie ein Fest ohnegleichen, als sie merkte, daß sie sich wieder einmal so jugendlich zu verlieben im Begriff stehe wie damals in den jungen Priester, von dem im allerersten Anfang dieser Historien die Rede war. Nur zeigte sich jetzt ihre Verliebtheit um soviel heftiger und das Feuer in ihren Adern um so ungestümer und brennender, als sie sich der Neige ihrer Jugend um soviel näher wußte. Ein ganz brenzliger Zustand war's, und sie wäre am liebsten dem Edelmann an den Hals gesprungen, um ihn in ihr Bett zu tragen wie ein Geier seine Beute ins Nest. Aber sie tat sich mit großer Mühe Gewalt an. Als der Jüngling sie begrüßte, machte sie sich so steif wie möglich, umgab sich mit ihrer ganzen hoheitsvollsten Majestät, kurz, tat so, wie alle die tun, denen die Liebe ans Herz greift. Dieser würdevolle Ernst bei der Begrüßung des jungen Gesandten wurde so auffallend gefunden, daß hierüber die seltsamsten Vermutungen umliefen. Aber der junge Isle-Adam, der sich von seiner Trauten geliebt wußte, kümmerte sich einen Spauz darum, ob Frau Imperia ihm eine ernste oder heitere Miene zeigte, und war vergnügt und sorglos wie eine losgelassene Ziege.

Das verdroß nun die Dame sehr, und sie stimmte ihr Instrument danach. Wenn sie sich zuvor streng und ernsthaft gegeben hatte, so wurde sie nun liebenswürdig und einschmeichelnd; sie machte sich, sooft es nur anging, in die Nähe des Jünglings, sie gab ihrer Stimme, indem sie ihn anredete, die sanftesten Töne, sie liebkoste ihn mit ihren Blicken, sie bewegte ihr Köpfchen zierlich hin und her, rieb sich mit dem Ärmel an ihm, nannte ihn ›mein hoher Herr‹, kurz, schmeichelte ihm mit den glattesten Worten, spielte mit ihren Fingern auf seiner Hand und lächelte ihn schließlich ganz offen und herausfordernd an. Aber er, der sich nicht denken konnte, daß ein junger Bursche ohne Gold in seinen Taschen überhaupt bei der Dame in Frage kommen könne, und nicht glauben wollte, daß seine Jugend und Schönheit bei einer solchen Frau so hoch im Preise stehe, blieb ungerührt bei all ihren Lockungen und stand da wie gepanzert, mit eingestemmten Armen.

Als Frau Imperia sich so mißverstanden sah, wurde sie immer erregter, und ihr Herz geriet vollends in helle Flammen. Wenn ihr aber an der Wahrheit dieses Vorgangs zweifelt, so kommt das daher, daß ihr nicht wißt, was alles zum Handwerk der Frau Imperia gehörte; sie glich in diesem Augenblick einem Kamin, in dem längst viele tausend kleine glimmende Freudenfeuer entzündet worden, deren Rauch und Geschwel ihn ganz mit Ruß und Teer überkleidet haben, also daß ein zufälliger Funken genügte, um alles in Brand zu setzen und die ganze stolze Imperia in eine einzige große und schreckliche Flamme zu verwandeln, die nur durch die Liebe gesänftigt werden konnte. Aber der junge Herr von Isle-Adam merkte nichts von dieser Glut und verabschiedete sich von der Dame, die in Verzweiflung darüber ganz den Kopf verlor und ihm eine Botschaft nachschickte, durch die sie ihn kurzerhand aufforderte und einlud, die Nacht bei ihr zu schlafen. Noch niemals in ihrem Leben, weder für einen König noch Kaiser, noch für den Papst selber hatte sie sich so feige herabgelassen, denn sie wußte wohl, daß der hohe Preis ihres Körpers von ihrem Betragen abhing und daß sie die Männer um so besser in sklavischer Unterwürfigkeit erhalten konnte, je härter und hochfahrender sie dieselben behandelte.

Die schlaue Kammerzofe, die die Botschaft auszurichten hatte, gab dem jungen Kostverächter zu verstehen, daß ihm ohne Zweifel eine ganz besonders schöne Nacht bevorstehe, indem die gnädige Frau ihm mit ihren ausgesuchtesten Leckerbissen der Liebe aufzuwarten bereit sei. Sehr vergnügt über diesen unerwarteten Glücksfall kehrte der Junker in die Gesellschaft zurück, der es nicht entgangen war, wie Frau Imperia bei seinem Abschied bleich und blaß geworden, und alle freuten sich bei seinem Wiedereintritt in den Saal; denn jedermann hatte hier ein Interesse daran, daß die Dame Imperia ihr altes lustiges Leben wieder aufnahm. Ein englischer Kardinal, der schon von mehr als einer Schüssel gekostet und auch einmal versuchen wollte, wie Frau Imperia schmeckte, kam auf den jungen französischen Gesandten zu und flüsterte ihm ins Ohr: »Spinnt sie Euch nur gut ein, daß sie Euch nicht entschlüpft.«

Die Geschichte dieser Nacht wurde dem Heiligen Vater bei seinem Morgenempfang erzählt, und er antwortete darauf mit den Worten der Schrift: »Laetamini, gentes, quoniam surrexit Dominus«, über welche Zitation die älteren Kardinäle als über eine Profanation des göttlichen Wortes sich sehr entsetzten. Als der Papst dies merkte, nahm er Gelegenheit, sie tüchtig abzukanzeln und ihnen zu erklären, wie sie zwar gute Christen, aber schlechte Politiker wären. Er rechnete nämlich darauf, mit Hilfe der schönen Imperia den Kaiser zu zähmen und für sich einzufangen, also daß er recht als ein Politikus und Pfiffikus handelte, indem er der großen Hure gelegentlich solche verzuckerte Schmeicheleien zu schlecken gab.

Kehren wir zum Vorabend zurück. Im Palast waren die Lichter endlich gelöscht, und am Boden zwischen Flaschen und Gläsern lagen die Betrunkenen, die auf den Teppichen ihren Rausch ausschliefen. Da führte die Dame ihren auserwählten Freund an der Hand in ihr Schlafgemach und gestand ihm, eine so heftige Begierde für ihn gefaßt zu haben, daß sie wie ein Tier sich auf den harten Boden hätte legen mögen, um sich von ihm unter die Füße treten zu lassen, wenn es nur möglich gewesen wäre. Der Jüngling hatte sich entkleidet, und nachdem sie selber ihre stolzen Gewänder nur so heruntergerissen, bemächtigte sie sich seiner mit einer solchen wilden Ungezügeltheit und einem so tollen Ungestüm, daß sich ihre Kammerzofen nicht wenig erstaunten, die ihre Herrin von dieser Seite noch gar nicht gekannt hatten, als welche in ihrem Bett kühl und zurückhaltend zu sein pflegte wie nur eine.

Dieses Erstaunen ergriff bald die ganze Stadt; denn die beiden Liebenden blieben volle neun Tage und neun Nächte zusammen, aßen und tranken auf ihrem Lager und taten dazwischen nicht viel anders, in ungezählten Malen, wie die wilden Bestien, die im besten Zuge sind, sich gegenseitig aufzufressen, also daß es einem Mirakel gleichzuachten war, wenn sie dennoch beide ganz und heiler Haut blieben. In Rom und in ganz Italien ging von nichts anderm die Rede, zum großen Schmerz vieler, als von diesem Sieg, den der junge Franzose über Frau Imperia davongetragen, die plötzlich von keinem andern Mann mehr etwas wissen wollte und auf alle pfiff, ob es nun Herzöge, Burggrafen, Markgrafen oder einfache Grafen waren, als welchen sie höchstens erlaubte, ihr die Schleppe zu tragen, denn das seien Leute, die man mit Fußtritten behandeln müsse, wenn man selber keine Fußtritte von ihnen haben wolle.

Die Frau Imperia aber gestand ihren Kammerfrauen, einen richtigen Phönix der Liebe entdeckt zu haben, der, hundert- und hundertmal verbrannt, sich immer von neuem und mit verjüngter Kraft aus der Asche erhebe und von dem sie darum nie genug bekommen könne, dessen Augen ihr mehr seien als das ewige Licht und der ihr mit einem so wunderbaren Löffel einen so wunderbaren Trank eingebe, daß ihr Durst immer wieder nach mehr lechze, wieviel sie auch davon trinke. Und also unersättlich müsse sie ihn lieben, gestand sie, und also rückhaltlos, daß sie ihm erlauben würde, ihr Blut zu trinken und ihre Brüste aufzuzehren, die doch die schönsten seien auf der ganzen Welt, ja daß sie für ihn ihre Haare abschneiden würde, davon sie bis jetzt nur ein einziges dem guten Kaiser geschenkt, der es als kostbare Reliquie auf seiner Brust trug. Überhaupt, fügte sie hinzu, rechne sie ihr wahres Leben erst seit jener Nacht, wo dieser göttliche Villiers de l'Isle-Adam ihr zum ersten Male das Herz bewegt und ihr Blut in Aufruhr gebracht. Ihre Worte wurden herumgeredet, und niemand hörte sie ohne Schmerz und Ärger.

An dem Tage, an dem Frau Imperia sich zum ersten Male wieder öffentlich zeigte, erzählte sie den Damen Roms, daß sie eines bösen Todes sterben müsse und sich, wie einst die Königin Kleopatra, eine Natter oder einen Skorpion an die Brust setzen wolle, wenn der angebetete Junker sie je verlassen sollte.

Mit ernster Entschlossenheit erklärte sie, den Tollheiten ihres Lebens für immer Lebewohl zu sagen und der Welt jetzt zu zeigen, was Tugend sei, indem sie ihr stolzes Kaiserreich um den kleinen Isle-Adam aufgeben und lieber die letzte Magd ihres Geliebten als die Herrscherin der ganzen Christenheit sein wolle. Eine solche Liebe zu einem einzigen Manne, meinte der englische Kardinal in einer Unterredung mit dem Papst, sei eine Schande und Schimpf für eine Frau, die die Freude und das Glück so vieler gewesen, und der Heilige Vater müßte die Ehe für null und nichtig erklären, für null und nichtig im Quadrat, und durch ein Breve in partibus eine Heirat verbieten, die der schönen Gesellschaft so verhängnisvoll zu werden drohe. Aber die Liebe des armen Mädchens, das jetzt die ganze Misere ihres Lebens eingestand, war so rührend und schön, daß sie auf die schlimmsten Gesellen noch Eindruck machte und alles Gerede verstummen ließ und ein jeder ihr das späte Glück herzlich gönnte.

An einem Tage der Fasten nun ließ Frau Imperia alle ihre Leute zur Beichte gehen, warf sich selber, zerknirscht in Reue, dem Papst zu Füßen, um die Absolution aller ihrer Sünden zu erlangen in der Hoffnung, damit vom Papst zugleich die Jungfräulichkeit ihrer Seele wiederzuerhalten; denn diese ihrem Freund nicht darbringen zu können machte ihr den größten Kummer. Es erwies sich aber die kirchliche Reinwaschung ganz und gar unnötig. Denn der gute Isle-Adam zeigte sich so fest eingesponnen in dem Netzwerk der Schönen und saß so sicher auf den Leimruten festgepappt, daß er alles im Stiche ließ, um seine Sache allein Gott anheimzustellen, im Stiche ließ seine diplomatischen Aufträge für den König von Frankreich, im Stiche ließ das Fräulein von Montmorency, seine angetraute Braut, kurz alles, um Frau Imperia zu heiraten und mit ihr zu leben und zu sterben. Hier sieht man, welches die Wirkung ist, wenn eine große Buhlerin, erfahren in jeder Wissenschaft auf dem Gebiete der Wollust, sich mit ihren Erfahrungen der tugendhaften Liebe zuwendet.

Frau Imperia feierte also ihre Hochzeit und gab damit ihren verliebten Schleppenträgern oder schleppentragenden Verliebten ein wahrhaft königliches Abschiedsfest, dem sogar italienische Fürsten beiwohnten. Sie besaß, wie man sagte, rund eine Million Gulden in Gold, und in Anbetracht dieser ungeheuren Summe schalt niemand den guten Villiers, vielmehr beglückwünschte ihn jedermann, besonders da es ganz offen zutage lag, daß weder Frau Imperia noch ihr junger Gemahl viel von diesem Reichtum hielten, sondern etwas andres allein und über alles schätzten. Der Papst segnete selber die Ehe ein, er nannte die Rückkehr einer Buhlerin zu Gott und der Tugend auf dem Wege der Heirat einen erhebenden Anblick. Bei diesem letzten Abschiedsfeste, an dem es jedermann vergönnt wurde, die Königin der Schönheit zu sehen, die nun in eine einfache französische Schloßherrin verwandelt werden sollte, gab es natürlich auch viele, die mit Bedauern an die Zeiten toller Lustigkeit dachten, an die Nächte voller Mummenschanz und Maskenscherz, voll Rausch und süßer Liebesseligkeit, was alles nun ein Ende haben mußte. Sie sahen mit Trauer im Herzen das auserlesene Geschöpf, das heute schöner war als selbst im Frühling seines Lebens, so strahlte ihr inneres Glück wie Sonnenschein aus ihren Augen.

All denen, die sich beklagten, daß Frau Imperia den traurigen Gedanken fassen konnte, tugendhaft zu werden, antwortete scherzend die schöne Frau, daß man ihr die wohlverdiente späte Ruhe nicht mißgönnen dürfe, nachdem sie sich vierundzwanzig Jahre lang so ausgiebig für das öffentliche Wohl geopfert habe. Demgegenüber beriefen sich die andern auf die Sonne, die, wenn auch entfernt, doch jedem noch von ihrer Wärme spende, während die schöne Frau Imperia sich ganz und für immer ihren Blicken entziehen wolle; worauf dann die Dame zu verstehen gab, wie sie immer noch ein Lächeln für die Besucher haben werde, die sich mit eignen Augen davon überzeugen wollten, welchergestalt sie ihre Rolle als tugendhafte Frau durchführe. Kein Zweifel, meinte der englische Gesandte, sie ist imstande, alles auf die Spitze zu treiben, sogar die Tugend. Die schöne Imperia hinterließ sodann jedem ihrer Freunde ein Geschenk, vermachte den Armen und Kranken von Rom beträchtliche Summen, überwies dem Kloster, in das ihre Tochter hatte eintreten wollen, einen Teil des von dieser hinterlassenen Vermögens, das vom Kardinal von Ragusa stammte, und mit dem andern Teil baute sie die schon erwähnte Kirche.

Als die beiden Gatten ihre Reise antraten, wurden sie ein großes Stück Weges von trauernden Kavalieren und außerdem von einer großen Menge Volks begleitet, das der Frau Imperia tausend Wünsche für ihr Glück nachrief; denn die schöne Frau hatte sich nur gegen die Großen stolz und hochfahrend gezeigt, gegen die Armen und Geringen war sie immer mild und freundlich gewesen. Ebenso wurde die Königin der Liebe bei ihrer Durchreise in allen Städten Italiens gefeiert, wo das Gerücht von ihrer Bekehrung sich verbreitet hatte; ein jeder war neugierig, die beiden liebenden Gatten, diese seltene Ausnahme von der Regel, zu sehen, und mehrere Fürsten empfingen das schöne Paar ohne Bedenken an ihrem Hofe, da, wie sie sagten, eine solche Ehre dieser Dame wohl gebühre, die den Mut gefunden, auf die Herrschaft über alle Welt zu verzichten, um eine tugendhafte Frau zu werden.

Doch befand sich darunter auch ein boshafter Gesell, der Herzog von Ferrara, der dem jungen Ehemann zu verstehen gab, daß er sein großes Vermögen auf leichte Weise erworben hätte. Bei dieser Beleidigung zeigte Frau Imperia erst ihre große Seele; sie stiftete all ihr Vermögen, das sie in der Zeit ihrer Liebesherrschaft gewonnen hatte, zur Ausschmückung der Kirche Sancta-Maria del Fiore in der Stadt Florenz und behielt nur jene Summe für sich, die ihr der Kaiser aus reiner Freundschaft bei seinem Abschied überwiesen und die nicht unbeträchtlich war. Auf Kosten des Herrn von Este jedoch wurde viel gelacht, da er immer damit geprahlt hatte, eine Kirche bauen zu wollen, trotz der Schäbigkeit seiner Einkünfte. Er soll auch wegen seines Benehmens von seinem Bruder, dem Kardinal, scharf getadelt worden sein. Der Herr von Isle-Adam aber bestand einen Zweikampf mit dem besagten Herzog, der dabei nicht unbedeutend verwundet wurde, und also würde niemand mehr gewagt haben, dem Herrn Villiers oder dessen Gemahlin ein unebenes Wort zu sagen. Die ritterliche und edle Art seines Auftretens bewirkte, daß die beiden Liebenden an jedem Ort, durch den sie reisten, sogar noch festlicher empfangen wurden als bisher; besonders in Piedemont war der Festjubel groß. Die Dichter verfaßten Sonette, Epithalamien und Oden (die in alten Sammlungen noch zu finden sind) zum Preis der schönen Imperia, als welche, nach einem Ausspruch des Boccaccio selber, die verkörperte Poesie war, dergestalt, daß jedes Gedicht neben ihr armselig und gering erschien.

Den Preis in diesem Wettkampf der Feste und galanten Huldigungen trug der römische Kaiser davon, der, nachdem er von dem Betragen des Herzogs von Ferrara Kunde bekommen, einen Boten mit lateinisch geschriebenen Briefen an seine Freundin absandte, in welchen zu lesen stand, daß er sie selbstlos genug liebe, um sich an ihrem Glücke zu freuen, daß er aber bedaure, nicht selber der Begründer dieses Glückes zu sein. Das Recht, sie zu beschenken, habe er zwar verloren, fuhr der Kaiser fort, doch würde er sich's zur Ehre anrechnen, einen Villiers de l'Isle-Adam für das Heilige Römische Reich zu gewinnen, und biete ihm darum, im Falle der König von Frankreich den Ehegatten nicht freundlich entgegenkomme, von sich aus ein Fürstentum an, ihm freie Wahl lassend, für welche der kaiserlichen Domänen er sich entscheiden wolle. Imperia antwortete, daß sie die Großmut des Kaisers zu schätzen wisse, daß sie aber dennoch, wenn ihr auch tausend Kränkungen bevorstünden, ihr Leben einzig nur in Frankreich beschließen wolle.


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