Honoré de Balzac
Die dreißig tolldreisten Geschichten – Drittes Zehent
Honoré de Balzac

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Wie das schöne Mädchen von Portillon seinen Richter überführte

Die Schöne von Portillon, die, wie jedermann weiß, eine Wäscherin war, bevor sie eine Färberin wurde und der Taschereau sie zu seiner Tascherette machte, betrieb ihr Geschäft in dem Orte Portillon, von dem sie ihren Namen hat. Für diejenigen, so die Stadt Tours nicht kennen, ist zu sagen, daß das genannte Portillon talabwärts an der Loire liegt, in der Richtung von Saint-Cyr und ebensoweit von der großen Brücke entfernt, die zur Kathedrale führt, als diese Brücke von Marmoustiers abliegt, da die genannte Brücke sich in genauer Mitte befindet zwischen den genannten beiden Orten. Ist das klar? Ja. Nun also, in diesem Portillon, wenige Schritte von der Loire, hatte das genannte Mädchen seine Wäscherei, und zwar nahe bei der Fähre von Sankt Martin, welche Vorstadt am andern Ufer des Flusses lag und unsrer Wäscherin von Schloß Chasteauneuf her und andern die meisten Kunden lieferte.

Ungefähr um Sankt Johannis, sieben Jahre vor ihrer Verheiratung mit dem Gevatter Taschereau, wurde sie mannbar, und da sie ein unbekümmertes und lustiges Ding war, ließ sie sich lieben, ohne von ihren Anbetern einen vor dem andern zu begünstigen, ungeachtet, daß darunter junge Bursche waren, wie der Sohn des Meisters Rabelais, der sieben Frachtkähne auf der Loire besaß, wie der Älteste des Meisters Jahan, wie ferner der Schneider Marchandeau und Peccard, der Bigotterienhändler. Sie spielte ihnen tausend Possen, denn sie wollte von keinem Manne wissen, der nicht entschlossen war, sie vorher in die Kirche zu führen, was beweist, daß sie auf Ehrbarkeit hielt und ihre Tugend zu verteidigen wußte. Sie war eine von den Dirnen, die mit Leichtigkeit so lange keusch und kaltsinnig bleiben, bis eines Tags der Richtige kommt, der sie übertölpelt; dann ist ihnen aber auch alles gleich, und sie denken, einmal mehr oder weniger, darauf kommt's nicht an, ein Flecken oder tausend, gescheuert muß doch werden. Und wahrlich, solche Naturen verdienen unsre Nachsicht.

Ein junger Herr vom Hofe sah eines Tags die schöne Wäscherin bei der Fähre von Sankt Martin. Es war zur Mittagszeit im Hochsommer, und ihre üppigen Reize schienen in der glühenden Sonne noch üppiger aufzublühen. Der Junker fragte, wer das hübsche Mädchen sei, und ein alter Mann, der am Ufer Kies schaufelte, sagte ihm, daß man sie nur die Schöne von Portillon nenne, daß sie Wäscherin sei und weit und breit bekannt durch ihre lustige Schalkhaftigkeit und strenge Tugend. Der feine Hofmann, über und über mit goldenen Ketten behangen und aufgeputzt in seinen Kleidern wie einer, beschloß sofort, die Kundschaft seines Hauses dem schönen Mädchen von Portillon zuzuwenden. Er sprach sie an, als sie aus der Fähre stieg, und sie dankte ihm mit vielen Reverenzen und Knicksen; denn sie kannte ihn und wußte, daß es kein Geringerer war als der Herr Du Fou, der Kämmerling des Königs. Sie war von dieser Begegnung so beglückt und geschmeichelt, daß sie den Mund übervoll hatte von dem vornehmen Namen. Wem sie unterwegs in Sankt Martin begegnete und wer im Lauf des Tags zu ihr ins Waschhaus kam, einem jeden sprach sie von nichts als dem königlichen Kämmerer. Am andern Tag hatte sie große Wäsche am Fluß, und wer nur vorüberging, mußte die Erzählung von ihrer neuen vornehmen Bekanntschaft und Kundschaft anhören, also daß mit der Zeit in Portillon mehr von dem Herrn Du Fou die Rede war als in der Predigt vom lieben Gott, und das war zuviel.

»Wenn die schon vor der Kirmes ein solches Wesen macht ...« sagte eine alte Vettel von Waschfrau, »er wird's ihr schön einbrocken, dieser Du Fou, nun, sie kann sehen, wie sie's ausfrißt.«

Als sie dann, die toll und deren Zunge trunken war von dem Namen Du Fou, zum erstenmal Wäsche im Du Fouschen Palast ablieferte, ließ der Kämmerling sie zu sich rufen und begann alsbald, ihr die Lauden und Kompletorien zu singen und tausend Schmeicheleien zu sagen über ihre Schönheit und wie sie dumm sei, keinen Nutzen daraus zu ziehen, sondern ein so üppiges Feld brachliegen zu lassen, wofür er hohe Pacht zu zahlen bereit wäre. Von den Worten ging er zur Tat über, und das hübsche Ding mochte hoffen, ein schönes Stück Geld zu verdienen, oder wie es sonst zugegangen ist. Dann sagte sie, es sei genug fürs erstemal. Und er: Auf bald wieder. Einige behaupten, er habe sie nur mit Not und Mühe vergewaltigt, und das kaum, und andre wieder scherzten, es wäre ihm überhaupt nicht gelungen, da sie weinend und wehklagend seinen Palast verließ und in großer Hast nach dem Haus des Richters eilte. Unglücklicherweise war dieser über Feld. Also wartete die Wäscherin in der Halle auf seine Rückkunft und hörte nicht auf zu jammern und zu klagen und der Magd zu erzählen, wie Seine Gnaden der Herr Du Fou ihr Gewalt angetan, ohne ihr etwas andres dafür zu geben als boshafte und höhnische Reden, während ein Chorherr des Kapitels ihr für das, was ihr der Kämmerer geraubt, stets eine schwere Summe Geldes zu bezahlen pflege. Wenn sie einen Mann liebe, sagte sie unter Tränen, wolle sie ihr Vergnügen dabei haben wie er das seine, aber dieser königliche Kämmerer habe sie geknetet und geknutet, genudelt und besudelt, gezerrt und gezaust und gar nicht zart und liebevoll angefaßt. Darum verlange sie tausend Taler von ihm wie seinerzeit von dem Chorherrn.

Unterdessen kam der Richter, sieht die hübsche Wäscherin und denkt ein Geplänkel mit ihr anzufangen. Sie aber sagte ihm kurz, daß jetzt keine Zeit wäre zum Scherzen, sondern daß sie als Klägerin erscheine, worauf der Richter erwiderte, daß sie über ihn verfügen könne, daß er ihr zuliebe zu jeder Schandtat bereit sei und, wenn sie es wünsche, sofort einen hängen lassen wolle, auf welche Art es ihr beliebe. Die schöne Wäscherin aber erklärte, daß es sich nicht um Tod und Leben handle, sondern um eine Buße von tausend Talern für einen Gewaltakt, der gegen ihren Willen an ihr verübt worden sei.

»Oh«, rief der Richter, »eine Jungfernschaft kostet mehr als tausend Taler.«

»Ich begnüge mich mit tausend Talern«, antwortete sie, »damit kann ich meine Wäscherei aufgeben.«

»Und derjenige«, fragte der Richter, »der die Blume gepflückt hat, kann er auch berappen?«

»Sehr gut kann er berappen.«

»Er soll teuer zahlen. Wer ist es?«

»Der edle Herr Du Fou.«

»Das ändert den Fall«, sprach der Richter.

»Und die Gerechtigkeit?« sprach sie.

»Ich habe gesagt den Fall, nicht die Gerechtigkeit. Und zuvörderst tut es not zu wissen, wie sich die Sache zugetragen hat.«

Darauf erzählte die Dirne in aller Ausführlichkeit, wie sie im Schrank Seiner Kammerherrlichen Gnaden die Wäsche geordnet, als sie plötzlich gespürt, daß er sich mit ihren Röcken zu schaffen machte; sie habe sich umgedreht und habe ihm zugerufen, er möge damit zu Ende kommen.

»Damit zu Ende kommen?« lachte der Richter; »nun, da konnte er nicht anders glauben, als daß du ihm erlaubtest, das Geschäft schnell fertig zu machen.«

Das hübsche Ding erwiderte, daß sie sich gewehrt und geschrien habe, was den Fall der Notzucht konstituiere.

»Da könnten viele kommen und klagen«, sprach der Richter.

Darauf antwortete das Dirnchen, trotz ihres heftigen Widerstrebens habe er sie am Gürtel gefaßt und auf sein Bett geworfen, und wie sie auch mit Armen und Beinen um sich geschlagen und geschrien, sei doch niemand zu Hilfe gekommen, so daß sie zuletzt den Mut verloren.

»Gut!« sagte der Richter. »Und es war Euch also kein Vergnügen?«

»Nein«, antwortete sie, »und darum verlange ich eine Entschädigung von tausend Gulden in feinem Gold.«

»Mein Schätzchen«, erwiderte der Richter, »ich muß leider deine Klage abweisen, da es meine Überzeugung ist, daß man keiner Jungfer Gewalt antun kann ohne ihre Einwilligung.«

»Oh, Herr Richter«, jammerte das Mädchen, »da fragt doch einmal Eure Magd, was die dazu sagt.«

Die Magd erklärte, daß es zweierlei Vergewaltigungen gebe, solche, die sehr lustig, und solche, die gar nicht lustig sind, dergestalt, daß die Wäscherin, da sie davon weder Geld noch Vergnügen gehabt, beides beanspruchen könne.

Dieses Sachverständigenurteil setzte den Richter in keine kleine Verlegenheit.

»Jacqueline«, sprach er zu seiner Magd, »ich will noch vor meiner Abendsuppe die Sache klargestellt haben; geh rasch und hole mir einen Aktenstecher nebst einer roten Schnur, womit man die Aktenbündel zu verschnüren pflegt.«

Brachte also Jacqueline eine Art Ahle mit einer wohlgeformten Öse und einen dicken roten Faden, wie man ihn auf allen Gerichtsstuben findet. Und sie wie die schöne Wäscherin waren nicht wenig begierig, was diese mystagorischen Vorbereitungen und richterlicher Hokuspokus zu bedeuten hätten.

»Meine Schöne«, sprach der Richter, »ich werde jetzt den Aktenstecher halten, dessen Öhre oder Öse weit genug ist, um das Ende der Schnur in sich aufzunehmen. Wenn dir die Einfädelung gelingt, will ich deine Klage annehmen und den Junker zu einem Kompromiß bringen, mit dem du zufrieden sein sollst.«

»Was ist das, ein Kompromiß?« fragte sie; »ich weiß nicht, ob ich mich darauf einlassen kann.«

»Das ist ein justizisches Wort und bedeutet soviel wie Vergleich; ist es jetzt klar?«

»Ja.«

»Nun, siehst du, die Vergewaltigung hat dir auch den Verstand aufgeschlossen.«

Dann hielt der verschmitzte Richter ihr das Loch der Nadel hin, und nachdem sie das Trumm des Fadens zwischen zwei Fingern ein wenig gedrillt hatte, begann sie ihre Versuche. Aber sooft sie mit ihrer gesteiften Fadenspitze dem Öhr der Ahle nahe kam, machte die Hand des Richters einen Ruck, und das Fadentrumm verfehlte das Loch. Wie sie auch die Finger leckte und den Faden steifte und spitzte, all ihre Mühe blieb vergeblich, die Hand des Richters hielt ihr nicht stand. Diese Hand der Justiz machte jetzt einen Ruck nach links, dann einen nach rechts, bewegte sich jetzt vorwärts, dann rückwärts, kurz, war unruhig und aufgeregt wie ein Mädchen, das möchte und nicht wagt. Und also keine Möglichkeit einer Ehe zwischen dem Faden und der Ahle, die jungfräulich blieb, wie auch das Mädchen sich anstrengte.

Da konnte die Magd des Richters ihr Lachen nicht zurückhalten.

»Es scheint«, sagte sie, »daß Ihr es besser versteht, vergewaltigt zu werden, als zu vergewaltigen.«

Darüber mußte der Richter lachen, dem Mädchen von Portillon aber traten die Tränen in die Augen vor Zorn und Ärger, sie gab ihre Goldgulden bereits verloren.

»Natürlich«, sagte sie unter Flennen, »wenn Ihr absichtlich nicht still haltet, wenn Ihr immer ausweicht, kann ich in alle Ewigkeit den Faden nicht in die Öse bringen.«

»Siehst du, meine Tochter, du hättest tun sollen wie ich, dann würde dich der Herr Kämmerer in alle Ewigkeit nicht genotzüchtigt haben, ganz abgesehen davon, daß diese Öse mehr als nötig weit ist, was man doch bei einer Jungfrau nicht voraussetzen darf.«

Da wurde das Dirnchen, das sich einmal darauf versteift hatte, genotzüchtigt worden zu sein, nachdenklich und sann auf eine Methode, wie sie den Richter überführen und ihm augenscheinlich machen könne, welchergestalt sie sich genötigt gesehen, die Segel zu streichen und klein beizugeben. Sie mußte notwendig diesen Beweis erbringen; denn es ging wahrlich um die Ehre aller armen Dinger, die das schöne Talent hatten, sich notzüchtigen zu lassen.

»Gestrenger Herr«, sagte sie, »um mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, müßt Ihr verstatten, daß ich tue, wie der Herr Kämmerer mit mir getan. Wenn es bei ihm genügt hätte, einfach nicht still zu halten, so sollte selbst der liebe Gott mich nicht zum Stillhalten gebracht haben. Seine Gnaden haben andre Mittel angewandt, mich mürbe zu machen.«

»Und die wären?« fragte der Richter.

Da tunkte das Mädchen seinen Faden in das flüssige Wachs des Leuchters, daß er an einem Ende, das sie abermals zwischen den Fingern rieb, noch fester und steifer wurde als zuvor, und wie dann der Richter ihr wieder geschickt auswich, bald vorwärts, bald rückwärts, bald zur Rechten, bald zur Linken, bald nach oben, bald nach unten, brachte das Mädchen tausend Possen und Spaßreden vor: »Oh, das zierliche Öhr, das hübsche Öhr!« sagte sie. »Laß doch sehen, so eine niedliche Öse! So ein Kleinod! Nun, so halt doch einmal still, daß ich meinen armen Faden hineinbringe, meinen schönen roten Faden! Habt Ihr denn kein Mitleid mit dem armen Kerl? Hört doch, mein Richter, mein süßer Richter, mein goldiger Richter! Soll denn der tapfere Faden niemals durch das eiserne Tor eintreten, durch das enge schmale Pförtchen schlüpfen, das ihn übel zurichten wird? Denn wie wird der Arme den Kopf hängenlassen, wenn er wieder daraus hervorkommt...«

Und immer so fort; denn sie wußte von dem Spiel mehr als der Richter selber, der lachen mußte, um sich den Bauch zu halten, so gut spielte sie ihre Rolle, so belustigende und possierliche Gesichter machte sie dazu, wenn sie mit der Fadenspitze vorstach und wenn sie wieder zurückwich, ihm immerfort vor der Nase hin und her. Und so lange und so unermüdlich trieb sie's, bis seine Hand müde wurde, bis er nicht mehr konnte vor Lachen und Anstrengung und sich einen Augenblick ausruhen mußte, indem er sich am Rand des Tisches anlehnte... Aber da war's auch schon geschehen. Mit Blitzesschnelle hatte das geschickte Dirnlein sein Fadenende in die Öse gestoßen.

»Seht Ihr«, rief sie triumphierend, »so ist es zugegangen!«

»Du hast mich übertölpelt!« sprach der Richter.

»Er mich auch!« antwortete die Schöne.

Und also überführt und kleinlaut gemacht, versprach der Richter dem Mädchen, mit dem Herrn Kämmerer zu reden und ihre Angelegenheit zu betreiben, da es denn offenkundig sei, daß er ihr wider ihren Willen Gewalt angetan und darum auch willig sein werde, die Sache in Güte beizulegen. Er ging denn auch am andern Tag an den Hof und trug dem königlichen Kämmerer die Klage des Mädchens vor, so wie sie ihm den Fall erzählt hatte.

Diese richterliche Klage machte dem König viel Spaß; er fragte seinen Kämmerer, der sich für schuldig bekannte, ob die Sache schwer gegangen sei, und als dieser harmlos erwiderte, sie habe ihn keine geringe Mühe gekostet, entschied der König, daß die lustige Vergewaltigung, wenn vielleicht auch nicht gerade tausend, so doch hundert Goldgulden unter Brüdern wohl wert sei, die der Kämmerer, um nicht in das Geschrei eines Schmutzians zu kommen, mit guter Miene dem Richter einhändigte, damit sie für die Wäscherin auf Zinsen gelegt würden.

Damit begab sich der Richter nach Portillon und meldete seiner Schönen, daß er nicht nur hundert Goldgulden für sie erhoben habe, sondern daß ihr auch der Rest von den tausend ebenfalls zur Verfügung stände. Beim König befänden sich augenblicklich einige Herren, die von ihrem Fall gehört und sich bereit erklärt hätten, sie in jedem Sinn zu befriedigen. Die hübsche Dirne schlug dieses Anerbieten nicht aus, sie sagte, um den Preis, die schmutzige Wäsche der andern nicht mehr waschen zu müssen, wolle sie gern die eigne ein wenig schmutziger haben. Darauf bezahlte sie freigebig den gefälligen Richter und ging dann hin und gewann ihre tausend Goldgulden in weniger als einem Monat.

Seit dieser Zeit wurde die schöne Wäscherin arg verleumdet. Aus den zehn Herren vom Hofe machte das Gerücht über kurz oder lang hundert; sie aber, nachdem sie die tausend Goldgulden gewonnen, bekehrte sich im Gegensatz zu andern leichtsinnigen Dirnen zu einem vernünftigen und gesetzten Lebenswandel, daß sogar ein Graf, der nicht wenigstens fünfhundert Taler geboten hätte, von ihr rund abgewiesen worden wäre, was beweist, daß sie haushälterisch mit ihrer Sache umzugehen verstand. Es ist auch richtig, daß der König sie eines Tags, vielmehr eines Nachts, in seine private Wohnung an der Rue Quincangrogne beim Maifeld in Chardonneret kommen ließ; er fand sie hübsch und voller Schalkhaftigkeit, hatte viel Lust an ihr und gab Befehl, daß sie in keiner Weise von seinen Polizeisoldaten belästigt werde. Aber Nicole Beaupertuys, die gute Freundin des Königs, die wohl sah, daß die Portillonerin schön war, gab ihr hundert Tourainer Gulden und schickte sie damit nach Orleans, um nachzusehen, ob daselbst das Wasser der Loire von der gleichen Farbe wäre wie in der guten Stadt Tours. Das hübsche Mädchen erfüllte diesen Wunsch um so lieber, als sie sich einen Spauz aus dem König machte.

Sie beichtete später einem heiligen Manne, dem nämlichen, der auch der Beichtvater des Königs war und seitdem kanonisiert worden ist, reinigte aufs peinlichste ihr Gewissen und stiftete ein Bett für die Leprosenanstalt zu Sankt Lazarus bei Tours. Mehr als eine große Dame, die ihr recht gut kennt, hat sich von mehr als zehn Herren vom Hof freiwillig vergewaltigen lassen, ohne an ein andres Bett zu denken als ihr eignes. Dieser Zug mußte berichtet werden, um die Ehre des guten Kindes reinzuwaschen, die so viel schmutzige Wäsche der andern rein gewaschen hat und als ein Schalk und durchtriebener Vogel seither eine gewisse Berühmtheit gewann. Ein Beweis ihres Verdienstes ist ihre Verheiratung mit Meister Taschereau, den sie auf die lustigste Manier zum Hahnrei machte, wie es bereits in der Geschichte von der schönen Wäscherin erzählt worden ist.

Daraus geht klar und deutlich hervor: daß man mit Geduld und Ausdauer sogar die Dame Justitia vergewaltigen kann.


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