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Viertes Kapitel

Es regnete fort, es regnete sich ein, es regnete ganz still und fein, und selbst der Graf konnte diesen, wie er immer wieder wissenschaftlich nachwies, nicht etwa bloß grundlosen, sondern absolut ungerechtfertigten, bloß durch eine Art meteorologischer Geistesstörung allenfalls entschuldbaren Regen immerhin nicht leugnen. Es regnete Tag und Nacht in aller Stille fort, man gewöhnte sich daran, den leisen Regen zu hören, wie man sich an einen laufenden Brunnen vor dem Hause gewöhnt. Die Bauern, stets im voraus schon über die schlechte Ernte klagend, wie man sich seit dem Kometenjahr keiner mehr erinnern konnte, stimmten die gewohnten Klagen an, die Sommergäste verloren die Geduld und kehrten vorzeitig heim. Zwar war die Miete schon im voraus bezahlt und verfiel, aber der Entgang der gewohnten täglichen Nebengewinste verdroß die Ansassen und sie verlangten vom Bürgermeister, den Gästen die Heimkehr zu verbieten, solange sie nicht den von der Einwohnerschaft erlittenen Verlust ersetzt zu haben nachweisen konnten. Der Bürgermeister, Buchbinder von Beruf, der sein Papiergeschäft allmählich in eine sich dem Geschmack von Wallfahrern anpassende »Kunsthandlung« erweitert hatte, ein keineswegs Vertrauen erweckender Mann, ein Schleicher, aber kein trockener wie der Famulus Wagner, sondern durch und durch feucht, der Bürgermeister war übel daran. Klüger als die seiner Obhut anvertraute Gemeinde, begriff er, daß man es sich mit den Gästen nicht für alle Zeiten verderben, daß man sie nicht allzu deutlich fühlen lassen durfte, wie wenig beliebt sie waren, überhaupt bloß geduldet, um »gewurzt« zu werden. Sie kamen sonst am Ende nicht wieder, und der Bürgermeister verhehlte sich nicht, daß mancher Ort in der Umgebung, längst schon neidisch, bloß auf eine Gelegenheit lauerte, das Geschäft an sich zu ziehen. Doch davon wollten seine Leute nichts hören, sie waren zu stolz auf ihren Ort. Wo gab es denn in der ganzen Welt noch ein zweites Gnadenbild von Maria Pram? Der Bürgermeister war zur Macht gelangt als der Vertrauensmann der kleinen Bürger. Sie wählten ihn, weil er sich, armer Leute Kind, durch allerhand Unredlichkeiten, die jedermann kannte, doch niemand beweisen konnte, ja die man vielleicht auch gar nicht beweisen wollte, weil doch auch er wieder von allen anderen zu viel wußte, zu Wohlstand, ja nach ihren Begriffen fast zu Reichtum erhoben hatte, den zu verheimlichen er sich bemühte, doch nur mit dem Erfolg, daß er als ein Schmutzian galt, aber als ein schlauer, der es faustdick hinter den Ohren hat! Gerade dies gab ihm sein Ansehen in der Gemeinde: er war Fleisch von ihrem Fleische, Geist von ihrem Geiste! Der Vorgänger Modls, der alte Pfarrer, der den Bürgermeister eigentlich nicht ausstehen konnte und sich kein Blatt vor den Mund nahm, wenn er mit ihm krakeelte, hatte dann doch immer wieder bewundernd erklärt: Ja, der Bürgermeister, der Haderlump, der Filou, der seift uns alle miteinand ein, das is ein ganz Schlauer! Dies aber war es doch gerade, was sich die braven Mariapramer wünschten, und sie hatten doch eben darum auch das angenehme Gefühl, in ihren eigenen, nicht immer ganz sauberen Geschäften ungestört zu bleiben, weil man dem Bürgermeister, wenn er sich jemals einer kritischen Bemerkung erdreistet hätte, gleich über's Maul fahren und an sein eigenes Treiben erinnern konnte. Doch jetzt, da durch das ängstigende Wetter und die voreilige Flucht der Sommergäste die böse Stimmung im Orte wuchs, kehrte sich der Verdruß zum erstenmal drohend gegen ihn, der durchaus raten, durchaus helfen sollte, denn wozu hat man denn schließlich einen Bürgermeister, wozu zahlt man ihm sonst das Heidengeld? Die Hetze gegen ihn wuchs so sehr, daß er eines Tages in seiner Angst anfragen ließ, ob er auf dem Schloß vorsprechen dürfte, »in einer die ganze Gemeinde betreffenden Angelegenheit.« Man hatte keinen Grund, ihn im Schlosse willkommen zu heißen. Er war einer der ärgsten Hetzer gegen den jungen Pfarrer, jene Petition um Abberufung Modls war vermutlich sein Einfall gewesen oder jedenfalls der ganze Plan nicht ohne sein Einverständnis ausgeheckt worden, sein Name stand voran auf der Bittschrift an den Bischof von Linz. Die jämmerliche Miene, mit der er vor dem Grafen erschien, bewies sein schlechtes Gewissen und wenn er mit der Erklärung begann, in der Abwehr gegen die subversiven Elemente müßten jetzt doch alle Gutgesinnten zusammenstehen, so bewies schon dieser Ausdruck »subversiv«, den er, sichtlich stolz darauf, in seiner langwierigen und nicht ganz textsicheren Ansprache mehrmals wiederholte, wie wenig behaglich ihm zumute war. Die höfliche Ruhe, mit der ihn der Graf anhörte, ohne irgend ein Zeichen von Zustimmung oder Widerspruch, verwirrte den ungelenken und gar, wenn er sich ins Hochdeutsche verstieg, ängstlichen Sprecher so sehr, daß er kein Ende fand und immer wieder von neuem auf die subversiven Elemente zurückkam, von denen er sich offenbar einen ganz besonderen Eindruck auf den Schloßherrn versprach. Seine Verlegenheit wuchs noch, als ihn der Graf, zunächst einer längeren Ansprache nicht gewärtig, nun aber die Gelegenheit, sich den braven Mann einmal näher anzusehen, wahrnehmend, einlud, Platz zu nehmen und an einen mächtigen gepolsterten Lehnstuhl wies, in dessen weiche Tiefen der solche Nachgiebigkeit ungewohnte Gast hilflos versank. Ihm wurde bang, als der Graf auf seine schließlich doch mühsam abgewickelte Rede nach einer Pause, die noch länger zu sein schien als der am Ende, Gott sei Dank, glücklich überstandene Vortrag, mit einem etwas zerstreuten Bedauern obenhin antwortete: »Das ist allerdings ja recht betrüblich für Sie, Herr Bürgermeister! Höchst betrüblich! Und ich muß schon sagen: auch erstaunlich undankbar gegen Sie, gerade gegen Sie! Denn gerade Sie hätten, soweit ich die Verhältnisse, die mich allerdings wenig, sehr wenig interessieren, kenne, gerade Sie, Herr Bürgermeister, hätten das von diesen, wie Sie sie nennen, subversiven Elementen doch wirklich am allerwenigsten verdient! Aber Undank ist halt der Lohn der Welt. Und da bin ich jetzt nur neugierig, wie Sie sich aus der Patsche herauswuzzeln werden! Sapperment, Sapperment!«

Der Bürgermeister, immer tiefer in den Lehnstuhl einsinkend, sagte: »Vor Euer Gnaden brauch ich ja kein Geheimnis daraus zu machen, Euer Gnaden kennen unsere Bevölkerung so gut wie ich, besser als ich und, nicht wahr?, da werden wir wohl einig sein, daß es nicht bald irgendwo auf der Welt eine so miserable Bevölkerung gibt! Und jetzt kommt noch das Pech mit dem schlechten Wetter dazu, die Flucht der Sommerparteien, natürlich ist das unangenehm, aber zaubern kann ich auch nicht, ich verlier ja selber einen Haufen Geld dabei!«

Der Graf schien den bittenden Blick des Bürgermeisters nicht zu bemerken, dem also nichts übrig blieb, als nach einer ihm unerträglichen Pause fortzufahren: »Euer Gnaden haben vielleicht allerhand Tratsch über mich gehört und ich leugne gar nicht, daß ich oft genug auf das Schloß geschimpft habe – ja, mein Gott, wenn man jetzt auf das Schloß auch nicht mehr schimpfen darf, über wen soll man denn schimpfen? Irgend was braucht man doch, wo man seinen Ärger abladen kann! Und Euer Gnaden stehn doch viel zu hoch, als daß Ihnen das schaden könnt! Deswegen bleiben wir doch alle stolz auf den Herrn Grafen und auf das Schloß! Und so möcht ich Euer Gnaden ganz untertänigst bitten, mir zu helfen und einen Rat zu geben, wie man sich aus diesem Schlamassl vielleicht doch noch mit einem blauen Aug herauswursteln könnt! Aber natürlich ohne daß man im Ort was davon erfahrt, denn dann wär's ganz aus mit mir, um Gottes willen! Denn wenn's am End' im Ort noch heißt: da schauts her! jetzt packelt er auch noch mit dem Herrn Grafen, dann wär gar der Teufel los, dann is es ganz aus, dann geht's uns allen beiden an den Kragen! Das heißt. Euer Gnaden kann ja nix g'schehn, aber der Herr Graf möchten doch auch in einem schlechten Licht dastehn, und ohne daß ich davon was hätt! Nein, Euer Gnaden, da muß man sehr politisch vorgehen, wenn man mit einem solchen Gesindel zu tun hat, wie unsere Leut sind! Also, bitt' schön, Euer Gnaden!«

Nach einer Pause sagte der Graf: »Schaun Sie, Herr Bürgermeister, ich hab Sie immer für einen Mann gehalten, dem man nicht fünf Schritt weit trauen darf, aber daß Sie mir jetzt zumuten, mich mit Ihnen sozusagen zu verschwören, gegen den Ort, der Sie zum Bürgermeister gewählt hat, und gerade gegen die Partei, der Sie diese Wahl verdanken, mich, gegen den Sie, seit ich das zweifelhafte Vergnügen habe, Sie zu kennen, fortwährend gehetzt und intriguiert haben, das ist doch unverschämt, ich muß schon sagen, das hätt ich selbst Ihnen nicht zugetraut!«

»Ja, nicht wahr«, sagte der Bürgermeister, nicht ohne einen gewissen Stolz. »Aber in der Not, Euer Gnaden, frißt der Teufel Fliegen!«

Der Graf mußte lachen und sagte dann nach kurzer Überlegung, mehr zu sich selbst als zu dem in den Lehnstuhl eingesunkenen Besuch: »Wenn es Ihnen jetzt endlich an den Kragen geht, hab ich nichts davon! Es kommt kaum was Besseres nach, Ihr seids hier schließlich einer wie der andere! Und Ihre Gemeinheiten, mein lieber Herr Bürgermeister, kennt man jetzt wenigstens schon und ich weiß aus Erfahrung, wie man sich halbwegs dagegen wehren kann. Auch haben Sie den Vorzug, sehr feig zu sein. Wenn man Ihnen bloß mit dem Finger droht, kuschen Sie schon. Wird aber ein Neuer an Ihrer Stelle gewählt, so muß ich mir den Kerl erst wieder anschaun, um zu lernen, wie man ihm am besten beikommt. Es wird wirklich schon am besten sein, Sie bleiben!«

»Das sag ich ja«, stimmte der Bürgermeister zu. »Wir zwei kennen uns wenigstens schon, ich weiß, daß mit Euer Gnaden nicht gut Kirschen essen is, ich werd mich also, wenn ich Bürgermeister bleib, gegen das Schloß, soweit das möglich ist, ganz anständig benehmen, weil man ja doch gegen den Herrn Grafen auf die Dauer nicht aufkommt. Bis aber ein neuer Bürgermeister, der sich mit dem Herrn Grafen noch nicht so gut auskennt, das erst auch wieder merkt und sich halbwegs vernünftig gegen Euer Gnaden benehmen lernt, das kann lang dauern und inzwischen ärgert sich der Herr Graf halbtot, und ganz unnötig!«

Nach einer Pause sagte der Graf: »Also meinetwegen! Aber ich will meine Bedingungen stellen! Vor allem: Sie müssen den hochwürdigen Herrn Pfarrer aufsuchen und auch ihn um seinen Beistand bitten!« Der Bürgermeister kratzte sich am Ohr und sagte: »Da wird nicht viel herausschaun dabei, Herr Graf! Denn das weiß man dann doch nach einer halben Stund im ganzen Ort und das bricht mir den Hals. Nein, nach Kanossa gehn wir nicht!«

Der Graf, unwillkürlich über das falsche Pathos des Bürgermeisters lachend, fragte: »Was meinen Sie denn damit eigentlich?«

»Ja, das stammt noch aus der Zeit meiner letzten Wahl, da war ich noch mit dem Lehrer Dittl gut, jetzt sind wir ja auseinand, er is ja zu verrückt, schad um ihn, denn das muß man ihm lassen, wir haben im ganzen Ort keinen, der das so glänzend versteht, wie man Wahlen macht! Und der hat mir damals eingschärft, daß ich alle Wahlreden mit der Erklärung schließen soll: Nein, nach Kanossa gehn wir nicht! Ich hab nie herausgekriegt, was es damit eigentlich auf sich hat, der Dittl hat mir's selber auch nicht erklären können, aber es soll noch vom Bismarck sein und bedeutet, daß man sich unter gar keiner Bedingung mit den Pfaffen einlassen darf. Wir sind hier im Ort alle gute Katholiken, das is ja doch selbstverständlich, hier in Maria Pram, dem weltberühmten Gnadenort. Wir leben doch alle davon, schon auch geschäftlich, nicht wahr, Herr Graf? Aber deshalb darf doch ein aufblühender Ort wie Maria Pram nicht an Bildung hinter der Zeit zurückbleiben! Und daher das Motto: Nein, nach Kanossa gehn wir nicht! Der Dittl übertreibt das ja, der Dittl is ein Narr! Mit der Zeit gehn – ausgezeichnet! Aber der Zeit vorauslaufen, so schnell, daß sie gar nicht nachkommen kann, wie das der Dittl möcht, dafür kann ein vernünftiger Mensch nicht sein! Und darum will ich mich auch bei der jetzigen Wahl wieder an mein altes Programm halten: Nein, nach Kanossa gehen wir nicht, aber vor allem heißt's unserem altehrwürdigen Gnadenbild von Maria Pram treu zu bleiben und wir wollen fest zusammenstehn, auf daß Maria Pram seine gute alte Gesinnung auch diesmal nicht verleugnen soll!«

Das falsche Pathos des Bürgermeisters klang in seinem künstlichen Hochdeutsch so komisch, daß der Graf alle Kraft aufbieten mußte, ihm nicht ins Gesicht zu lachen. Er beherrschte sich und sagte gelassen: »Es steht Ihnen frei, nach Ihrem Gutdünken zu handeln. Ich will nur wissen, ob Sie für oder gegen das Schloß sind. Lassen Sie mich ausreden! Wenn Sie für das Schloß sind, so müssen Sie es mir dadurch beweisen, daß Sie jetzt den Herrn Pfarrer besuchen. Es handelt sich um nichts als um einen kurzen Besuch von fünf Minuten – Sie können vom Wetter reden oder was Sie wollen, niemand verlangt, daß Sie sich irgendwie politisch binden, aber den Besuch kann ich Ihnen nicht erlassen, überlegen Sie sich's halt!«

Der Bürgermeister sah vor sich hin, störrisch schweigend. Nach einer Weile sagte der Graf: »Sie gehn aber am besten jetzt gleich hin, da stören Sie den Herrn Pfarrer noch am wenigsten.«

»Und wenn ich aber nein sag!?«

»Sie sagen aber nicht nein. Sie wissen ganz gut: wenn ich mir einmal was in den Kopf setz, gschiehts! Sie gehn am besten jetzt gleich hinüber. Um diese Zeit stören Sie den Herrn Pfarrer noch am wenigsten.«

Der Bürgermeister arbeitete sich mühsam aus den Tiefen des Lehnstuhls empor und fragte dann, schwerfällig: »Und gesetzt den Fall, daß ich einwillige und dem Herrn Grafen zulieb den Herrn Pfarrer jetzt aufsuchen will, was is also dann? Der Mensch will doch klar sehn!«

»Ich glaube,« sagte der Graf lässig, »daß dann Ihrer Wiederwahl nichts im Wege steht. Wir sind doch schon noch stärker als der Herr Dittl. Sie müßten halt nur jemand haben, der dafür sorgt, daß Sie nicht gleich wieder die größten Dummheiten machen. Mein lieber Herr Bürgermeister, Sie sind sehr ungeschickt, Sie verstehn nicht die Leute zu behandeln!«

»Euer Gnaden kennen unsere Leut nicht, die sind überhaupt nicht zu behandeln!«

»No vielleicht doch«, sagte der Graf lächelnd. »Es wär gar nicht so schwer. Unsere Leut lassen sich alles gefallen, wenn man es nur richtig anpackt. Es fehlt Ihnen, mein lieber Herr Bürgermeister, vielleicht nur an einem Mann, der die Verhältnisse hier kennt und zu dem die Leut Vertrauen haben, an einem Beirat sozusagen.«

»Ja, Herr Graf, warum haben's mir das nicht längst gesagt! Das wär mir ja das allerliebste, wenn Euer Gnaden selber –! Das heißt natürlich, die Leut dürfen nichts davon wissen, das geht nicht, auf so was kann ich mich nicht einlassen, für die Leut muß ich der Bürgermeister sein, ich ganz allein, aber ich bin mit Freuden bereit, nichts zu tun als was mir Euer Gnaden anbefehlen. Mein Ehrenwort!«

»Nein, mein lieber Herr Bürgermeister, das is ein Mißverständnis. Mich wollen wir schon lieber aus dem Spiel lassen!«

»Schad,« sagte der Bürgermeister, »denn das wär die beste Lösung. So zwei Männer wie wir könnten sich immer zum Wohle der Gemeinde verständigen.«

»Nein, danke. So weit versteigt sich mein Ehrgeiz nicht. Aber ich weiß jemand, der sich vielleicht, bis er eine seiner würdige Stellung findet, auf meinen Wunsch bereit erklären wird, sich Ihnen zur Verfügung zu stellen. Klar herausgesagt, damit erst kein Mißverständnis entsteht: er wär dann eigentlich der Bürgermeister, aber ohne daß die Leut etwas davon erfahren, verstanden? Er allein hat zu verfügen, aber alles in Ihrem Namen. Öffentlich bleiben Sie der Bürgermeister und er ist bloß Ihr Sekretär!«

»Meinen Euer Gnaden vielleicht den Dr. Raderer?«

»Wie kommen Sie denn darauf? Kennen Sie ihn denn?«

»Aber wer kennt denn den Dr. Raderer nicht? Wenn im Ort irgend etwas zu reparieren ist und kein Mensch kennt sich aus, gleich wird der Dr. Raderer geholt und der kommt, klopft ein bissel herum und hat gleich heraus, was eigentlich kaput is, und in einer halben Stund is es wieder repariert und dabei sperenzelt er mit allen Mädeln und die Kinder sind ganz verrückt auf ihn, weil er ihnen die schönsten Gschichten erzählt, wie sie noch ihr Lebtag keine ghört haben! Ja, mit dem Dr. Raderer, und Oberst ist er auch noch dazu, da wär mir freilich nicht bange! Vor dem kuscht sogar der Dittl, der hätt dann ausgspielt! Aber Euer Gnaden, wird sich denn der Dr. Raderer dazu hergeben, mein Sekretär zu sein? Geht denn das?«

Der Graf sagte lächelnd: »Kaum! So jedenfalls nicht! Gemeindeschreiber von Maria Pram kann der Herr Oberst kaum werden, es hätt auch gar keinen Sinn, in einer amtlichen Stellung bei der Gemeinde wäre er ja von vornherein verdächtig. Aber Sie haben doch eine Buchführung?«

»Alles in bester Ordnung,« versicherte der Bürgermeister, »da fehlt sich nix, was auch der Dittl, der Lügenschippl, darüber herumreden mag! Nix als elende Verleumdung!«

»Bravo!« sagte der Graf, »denn die kommt mir sehr gelegen, sie gibt Ihnen einen guten Grund, den Antrag auf eine genaue Revision der Buchführung durch eine Vertrauensperson zu stellen, und wenn Sie dazu den Obersten Dr. Raderer vorschlagen, so wird Ihnen im ganzen Ort kein Mensch widersprechen, auch der verflixte Dittl nicht! Kommt dann der Dr. Raderer als Revident der Bücher täglich auf ein paar Stunden ins Gemeindeamt, so haben Sie die schönste Gelegenheit, ihn unter vier Augen über alles zu befragen und er wird Ihnen dann beweisen, daß das, was Sie vorhaben, so wie Sie sich's denken, eine große Dummheit wär, und er wird Ihnen zeigen, wie man das, was Sie damit wollen, viel einfacher erreichen kann, ohne daß die Leute darüber wütend werden, ja ohne daß sie überhaupt davon etwas merken. Als Revisor der Bücher erhält Dr. Raderer einen angemessenen Gehalt und Sie, Herr Bürgermeister, kriegen so noch obendrein unentgeltlich seinen guten Rat, der Sie verhindert, sich ganz unnötig immer wieder von neuem blamieren!«

Der Bürgermeister sagte: »Das wär ja freilich famos! Wird denn der Dr. Raderer aber wollen?«

»Er wird, wenn Sie, Herr Bürgermeister, ihm diesen Antrag stellen, sich vermutlich mit mir und mit dem Herrn Pfarrer darüber beraten. Der Herr Pfarrer wird kaum etwas dagegen einzuwenden haben und wenn der Herr Pfarrer dafür is, dann bin auch ich dafür. Sie sehen also, mein guter Herr Bürgermeister, Sie kommen um den Besuch beim Herrn Pfarrer nicht herum. Daß man davon zunächst im Ort nichts erfahren wird, das glaub ich Ihnen garantieren zu können. Es hängt bloß davon ab, wie Sie sich künftig gegen uns benehmen werden! Sie gehören zu den Menschen, mit denen sich ein halbwegs klarer Kopf nicht einläßt, bevor er nicht sicher ist, sie für alle Fälle fest in der Hand zu haben. Verstehen Sie mich, Herr Bürgermeister?«

Nach einer Pause nickte der Bürgermeister zustimmend: »Ja, da kann man nichts dagegen machen, der Herr Graf kennt sich halt mit den Menschen aus. Euer Gnaden wären eigentlich der richtige Bürgermeister für Maria Pram. Das möcht ich unseren Leuten gönnen!« Er sah den Grafen bewundernd an und wiederholte dann nochmals: »Da magst schon nix machen! Also geh ich halt zum Herrn Pfarrer! Aber muß ich ihm denn die ganze G'schicht erzählen? Und auch das mit dem Dr. Raderer?«

»Aber keine Spur! Das geht den Herrn Pfarrer gar nichts an! Zum Herrn Pfarrer sollen Sie nur, weil es sich schickt, daß der Bürgermeister von Zeit zu Zeit dem Herrn Pfarrer einen Besuch macht!«

»No dann is schon gut,« sagte der Bürgermeister aufatmend. »Das kann mir niemand verbieten! Und es könnt ja auch sein, daß ich amtlich mit ihm zu tun hab!«

»Und dann aber, nach dem Pflichtbesuch beim Herrn Pfarrer, dann schaun's, daß Sie den Dr. Raderer erwischen, dem können's alles erzählen! Und sagen's ihm auch gleich, daß Sie bei mir waren, daß dieser Plan mit der Revision der Bücher von mir gebilligt wird und daß ich ihm schon heut abend alles erklären werd. Und jetzt schaun's aber, daß Sie zum Herrn Pfarrer kommen!« Und er nickte so hochmütig, daß der Bürgermeister, schon daran, ihm die Hand zu reichen, doch nicht den Mut dazu fand. Er ging verlegen zur Tür, kehrte sich dort nochmals um und sagte: »Und ich dank aber halt Euer Gnaden auch noch recht schön für die freundliche Unterweisung!«

»Schon gut!« sagte der Graf.

Der Bürgermeister atmete auf, als er endlich wieder draußen war.


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