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Das Idyll an der Eisenbahn.

Wie klein und eng ist oft das Endziel nach großer und weiter Lebensbahn voll harter Kämpfe. So im hochfliegenden, dem Allgemeinen zugewendeten Streben, so im niederen, beschränkten Dasein. Und am Ende – zwei Schritt Erde, ein vergessener Hügel, der bald wieder der Fläche gleich wird.

Wie friedlich müßten die Menschen sich Raum gönnen, wenn sie des Endes gedächten.

Das aber ist der Segen, den wir aus dem Irren und Drängen ins Weite empfangen, daß wir im winzigsten Raume die Unendlichkeit erfassen lernen; über der engsten Spanne Erde wölbt sich das Himmelszelt, und im kleinsten Thun stehen wir mitten inne in der Thätigkeit des Alls. Wir lernen schon hienieden eingehen in das All, in das wir einst aufgehen.

Am Saume des Eichenwaldes, dort wo der Blick über die weite Wiesenebene hinausschweift bis jenseits zu den waldgekrönten Bergen, von denen eine Burgruine niederschaut: dort steht ein kleines Haus, dessen Gebälk noch in frischer hellbrauner Farbe glänzt; es ist mit dem Giebel dem Thale zugekehrt, das Dach ragt weit vor, drei Eichenstämme tragen den Söller mit hölzerner Brüstung, drauf Nelken und Gelbveiglein blühen.

Das ist das Haus eines Bahnwärters, denn hier nebenan ziehen sich die Schienen in kühngeschweiftem Bogen durch das Thal. Die nüchterne Gewinnsucht hat es Verschwendung gescholten, daß man diese Häuser so zierlich errichtet, aber der uneigennützige Schönheitssinn hat gesiegt. Diese Häuser sind Musterbilder ländlicher Wohnungen geworden, sie stehen im Einklang mit der Landwirtschaft als Zierde derselben. Schon finden sie hier und da Nachahmung in den Dörfern und drängen sich mitten unter die charakterlosen Wohnungen mit den starren, kahlen Wänden ohne Handhabe, die aus der Stadt sich herübersiedelten.

Die Einwohner der schönen Wärterhäuschen scheinen dieselben auch in Ehren zu halten, denn nirgends fehlt ein kleiner Blumengarten mit Blüten aller Art, der dem abseits sich hinziehenden Kartoffelfelde abgekargt wird.

Wenn ihr von der Hauptstadt aus auf der Eisenbahn dahinrollt, an den Feldern vorbei, die sich vor dem schnellen Blicke wie ein Fächer ausbreiten und zusammenlegen; wenn ihr sehet, wie die Pferde auf dem Felde sich bäumen, ungewiß, ob sie jauchzen oder zürnen ihrem Nebenbuhler, dem schnaubenden Dampfroß; wenn ihr sehet, wie der Ackersmann eine Weile die Hacke ruhen läßt, euch nachschaut und dann wieder emsig die Scholle wendet, die ihn festhält; wenn ihr dann immer rascher dahinbrauset und das Dampfroß schrillend jauchzt, dann wendet schnell einen Blick nach jenem Wärterhäuschen am Saume des Waldes. Dort steht ein Mann kerzengerade und hält die zusammengewickelte Fahne; unter dem Hause steht eine Frau und hat ein kleines Kind auf dem Arm, das die Hände hinausstreckt ins Weite. – Grüßt sie! Es ist Jakob und Magdalene, die ihren erstgeborenen Sohn, den Paten Heisters, auf dem Arme trägt.

Wenn dann die rollenden Wagen vorbeigesaust sind und man hört sie nur noch in der Ferne, die hastig keuchende Welt ist dahin und endlich Stille ringsum, da steckt Jakob die Fahne auf den Pfosten, grüßt sein Weib und lacht mit dem Kinde und arbeitet dann fleißig auf dem Felde.

Das selig stille Glück stirbt nicht aus, es siedelt sich hart neben den unbeugsam eisernen Geleisen der neuen Zeit an.


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