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Die lustige Magd.

Am Sonntagnachmittag saß Jakob bei einem Fuhrmann in der Stube; sie hatten einen Schoppen Unterländerwein vor sich stehen. Konrad sah zum Fenster hinaus und sagte jetzt:

»Bäckenmagd, komm rein mit deinen Mitschele.«

Das Mädchen trat ein, es trug einen Korb voll »mürben« Brotes auf dem Kopfe. Wie es jetzt den Korb abnahm und frei vor sich hinhielt, erschien es in seiner gedrungenen Gestalt gar anmutig. Das kugelrunde ruhige Gesicht sah aus, wie die Zufriedenheit selber, seltsam nahmen sich dabei die weit offenen hellblauen Augen mit den dunkeln Wimpern aus; es schien eine Doppelnatur in diesem Gesichte zu hausen. Ein kleines unbändiges Löckchen, das senkrecht mitten auf die Stirne herablief, suchte das Mädchen in das braune Haargeflecht zu schieben, aber es gelang nicht. Man sah es wohl, das wilde Löckchen, das sich nicht einfügen ließ, war sorgfältig gekräuselt und zur Zierde gestaltet; es gab dem ganzen Anblicke des Gesichts etwas Mutwilliges. So erschien es wenigstens Jakob, als das Mädchen auch zu ihm kam und ihm Brot zum Verkaufe anbot, und er fuhr wie erschreckt zusammen. Er griff nach dem Glase, als wollte er es dem Mädchen reichen, schüttelte aber zornig schnell mit dem Kopfe und – trank selber.

Der alte Metzgerle, der auf der Ofenbank saß und auf einen Freitrunk harrte, suchte sich einstweilen die »Langzeit« zu vertreiben, indem er das Mädchen neckte. Er sagte, auf die Locke deutend:

»Du hast einen abgerissenen Glockenstrang im Gesicht, es muß einmal tüchtig Sturm geläutet haben bei dir.«

Das Mädchen schwieg, und er fragte wieder: »Sind deine Mitschele auch frisch?«

»Ja, nicht so altbacken wie Ihr,« lautete die Antwort.

Alles lachte, und der Metzgerle begann wieder:

»Wenn du noch dreißig Jahre so bleibst, gibst du ein schön alt Mädchen.«

Rasch erfolgte die Gegenrede: »Und wenn Ihr eine Frau krieget, nachher bekommt der Teufel eine Denkmünz', daß er das Meisterstück fertig bracht hat.«

Schallendes Gelächter von allen Seiten unterbrach eine Zeitlang das Reden, und als der Metzgerle wieder zu Wort kommen konnte, sagte er:

»Man merkt's wohl, du bist anders als aufs Maul gefallen.«

»Und Euch wär's gut, wenn Euch was ins Maul fallen thät', nachher ließet Ihr auch Eure unnützen Reden. Wie? Will niemand mehr was kaufen? Ich muß um ein Haus weiter.«

Mit diesen Worten verließ das Mädchen die Wirtsstube. Jakob schaute ihm halb zornig, halb mitleidsvoll nach. Er machte sich jetzt Vorwürfe, daß er von allen Anwesenden die Magd am unwirschesten behandelt habe; er hatte kein Sterbenswörtlein mit ihr gesprochen. Dann sagte er ich wieder: »Aber sie geht dich ja nichts an, du hast ja nichts mit ihr zu teilen, nichts, gar nichts.«

Man sprach nun viel von der Magd, und daß sie so lustig sei, als ob sie ihr Lebtag über kein Strohhälmle gestrandelt wäre.

Der Metzgerle bemerkte: »Die hat große blaue Glasaugen wie ein mondsüchtiger Gaul, die sieht im Finstern.«

In Jakob regte sich eine Teilnahme für das Mädchen, die er sich nicht erklären konnte. Er überlegte, ob es wirklich so grundverderbt sei, oder nur so leichtfertig thue; der Schluß seines Nachdenkens hieß aber immer wieder: »Sie geht dich ja nichts an, nichts, gar nichts.«

So oft nun Jakob der Magdalene – so hieß das Mädchen – auf der Straße oder im Felde begegnete, wendete er seinen Blick nach der andern Seite.

Der Hammeltanz wurde im Dorf gefeiert, im Adler ging es hoch her. Jakob versah die Dienste eines Kellners, auch Magdalene half bei der Bedienung. Da man nur in den Pausen beschäftigt war, so hätte Jakob wohl einen Tanz mit Magdalene machen können; er forderte sie aber nie auf, und sie schien diese Unhöflichkeit kaum zu bemerken. Wenn er nicht umhin konnte, etwas mit ihr zu sprechen, lautete Ton und Wort immer so, als ob er sich gestern mit ihr gezankt, als ob sie ihm schon einmal etwas zu leid gethan hätte. Magdalene blieb dabei immer gleichmäßig froh und guter Dinge.


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