Per Daniel Amadeus Atterbom
Menschen und Städte
Per Daniel Amadeus Atterbom

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Berlin

Mitten in meinem besten Schlummer auf einem bequemen Sofa wurde ich von einer ziemlich anständig gekleideten, etwas bejahrten und äußerst gezierten Frauensperson geweckt, die einen kleinen Krug Erdbeeren in der Hand hielt und verlangte, daß ich ihr diesen abkaufen solle. Ich antwortete halbwach, daß ich keiner Erdbeeren bedürfe, daß ich unbeschreiblich müde wäre und nichts weiter wünsche, als ungestört schlafen zu dürfen. Sie war jedoch so eigensinnig, daß ich endlich, um sie nur loszuwerden, ihre Beeren zu kaufen beschloß; ich machte also die Augenlider so weit auf, wie ich vermochte, gab das Geld her, aber im Schlaftaumel – wie ich erst nachher merkte – acht Groschen statt bloß vier, welche sie gefordert hatte; wahrscheinlich hielt sie mich deshalb für einen Kunden von einigem Gewicht und Ansehen, denn sie blieb stehen, trat dann dicht an das Sofa und hielt ungefähr folgende Oration: »Mein lieber, süßer junger Herr! Die Erdbeeren haben Sie freilich bezahlt, aber nicht den Krug; Sie dürfen Ihn jedoch diesen Tag über behalten, denn wo wollten Sie sonst die Erdbeeren hintun? Meine junge Schwester, die leichte Füße hat, kann ihn heute abend bei Ihnen holen, wenn Sie zu Hause sind, sie kann auch morgen früh, oder wann und so oft Sie befehlen, mit neuen Erdbeeren wiederkommen. Das gute Mädchen ist allerdings in der ersten Knospe ihrer Blüte, ja sogar ein wahres Wunder von Schönheit; aber was würde sie zu befürchten haben bei honetten Herren? Und ich will darauf schwören, daß Sie ein ebenso edler Mensch sind als feiner Kenner. Glücklich übrigens, wem einmal mein Rosenmädchen in die Arme sinkt! wem sie es vergönnt, ihre schamhaften Reize zu enthüllen! Ach, welche Stunden seligster Wonne! Beim lebendigen Gott, sie hat einen Wuchs, einen Körperbau, eine Anmut – – nein, man kann sich nichts Köstlicheres wünschen!« Damit ging sie ihrer Wege, während ich eben bemüht war, den mildesten Ausdruck zu suchen, um sie zum Teufel zu wünschen: auf der Türschwelle fügte sie noch freundlich nickend hinzu: »Nun, Sie werden's schon sehen!« Lächerlicherweise war ich noch so vom Schlafe befangen, daß ich gleich nach dieser Unterhaltung wieder einschlief und erst nach einigen Stunden, als ich wirklich wach wurde, diesen Auftritt klar vor mir sah. Ich konnte nicht anders, als über diesen schönen Anfang meines Berliner Lebens lachen, der sich in der Tat mehr für einen Fähnrich, einen Fabrikbesitzer oder Zahnarzt eignete als für einen platonischen Philosophen und Poeten. Selbstverständlich war mein Entschluß hinsichtlich des sogenannten Rosenmädchens sehr bald gefaßt; aber da ich selbigen Tages am Abend fortging und am anderen Morgen die Wohnung räumte, hatte ich nicht erst nötig, ihn auszuführen, und entging für immer ihrem Besuche.

Ich hatte von meinen Fenstern eine ziemlich gute Aussicht auf den größeren Teil des Gendarmenmarkts, der einer der größten und schönsten Plätze Berlins ist. Mir gerade gegenüber auf der weitgestreckten Fläche lag eine Kirche, welche vermutlich ein Meisterstück des architektonischen Geschmacks Friedrichs des Zweiten ist, aber trotzdem aussieht, als ob sie vom Zuckerbäcker gebaut worden wäre. Ich ging hinab, um sie näher zu besehen, und bemerkte nunmehr, daß sie auf der anderen Seite des Marktes ein ganz gleiches ebenfalls freistehendes Gegenstück hatte und daß genau in der Mitte zwischen beiden, auf der Langseite des rechteckigen Platzes, ein großes Haus, welches das neue Schauspielhaus genannt wird, sozusagen das weltliche Hauptgebäude dieser beiden geistlichen Flügel bildet. Dieses ist in einem schönen Stile erbaut; aber ich habe sagen hören, daß es trotz aller daran gewandten Schätze doch nur seinem Zwecke unvollkommen entspricht, weil seine akustischen Verhältnisse schlecht berechnet sind. Die Türme der Kirchen sollen allein 350 000 preußische Taler kosten. Ich lasse es dahingestellt, ob man auf sie nicht Ehrensvärds bekannten Ausruf über Berlin und Potsdam anwenden kann: »Säulen, was tut ihr hier?« und ob man wirklich eine Kirche, einen christlichen Tempel damit aufführt, daß man kleine, bedachende Säulengänge in mehreren Absätzen übereinandertürmt und das Ganze dann auf jeder Seite des basierenden Vierecks mit einem Stückchen Pantheon-Fassade ausschmückt.

Ueberhaupt kann man hier nicht umhin, daß sich einem die eben angeführte Ehrensvärdsche Aeußerung sehr oft unwillkürlich aufdrängt. Unleugbar ist diese große, volkreiche Hauptstadt, besonders in den neuen Abteilungen Friedrichsstadt und Neustadt, mit einer Pracht, ja mit einem Geschmack gebaut, wogegen im Verhältnis Stockholm mit nur wenigen Ausnahmen und abgesehen von dem königlichen Eindruck seiner Lage einer kleinen Provinzialstadt ähnelt, die ihre Mauserung begonnen hat. Auf der anderen Seite hingegen hat Berlin nicht bloß die flache und langweilige Lage unüberwindlich gegen sich, so daß man beständig, trotz des fleißigen, ja bewundernswerten Bemühens der Einwohner, dieselbe mit Hilfe von umgebenden Lustgärten, von baumbeschatteten Straßen und dergleichen mehr zu paradiesieren, dennoch immer an sich selber fühlt, daß dieses Paradies »in der sand'gen Mark« liegt, wenigstens fühlt man dies durch die nie ruhenden, feinkörnigen Sandwirbel, die dem Wanderer sowohl bei Sturm als Sonnenhitze entgegentanzen; überdies hat alles in der Bauart, in Anlage der Straßen, in der ganzen äußeren Erscheinung eine gewisse prahlende und trockene Monotonie, die ohne Zweifel entweder den Berliner Charakter allegorisch schildert oder doch stark auf denselben einwirkt; der Beschauer wird bald all der Richtschnur-Bauten, Linien und geometrischen Figuren überdrüssig, wie zierlich sie auch ausstaffiert sind, und glaubt beständig, unter Reihen von lauter Kasernen zu wandeln. Dieser Eindruck kann um so weniger Illusion genannt werden, da es fast unmöglich ist, Füße und Augen nach irgendeiner Richtung zu wenden, ohne auf Soldaten, Paraden, Märsche und Manöver zu stoßen. Du entsinnst Dich doch Alfieris kurzer Charakteristik des preußischen Staates; nun, man sieht dessen allgemeinen hier zentralisierten Stempel, obgleich in geringerem Maße, im ganzen Preußen wiederholt, denn in jeder Stadt, jedem Flecken, ja beinahe auf jeder Stelle, wo es sich tun läßt, sind einige Kerle in Uniform aufgestellt und ein Subaltern-Imperator, der Eins – Zwei – Halt – Rechts um kehrt euch! brüllt.

Gegen Abend des Tages meiner Ankunft hierselbst erforschte ich die Wohnung unserer geliebten Skaldin (Amalia von Helvig, geb. v. Imhoff) und fand dieselbe, poetisch genug, in einer mit Linden bepflanzten Straße mit der Aussicht auf einen kleinen freundlichen Platz gelegen, auf dem eine Kirche stand, deren Name, Jerusalemer Kirche, gar nicht übel zu der Ruhe und dem Schweigen paßt, welches in der vom Stadtverkehr abgelegenen und mehrere blumen- und baumreiche Kirchhöfe umfassenden Luisenstadt herrscht. In der Nachbarschaft, an der anderen Seite der Jerusalemer Kirche, aber schon in der sogenannten Friedrichsstadt, habe ich ein paar recht nette Chambres garnies gefunden, und wenn ich auch gerade an einem Ende des weitläufigen Berlins wohne, so achte ich die Mühe, zu anderen Menschen etwas weiter gehen zu müssen, sehr gering gegen den Gewinn, mit der Sängerin von Lesbos und Corcyra täglich zusammensein zu können. Sie ist sich gleichgeblieben im Herzen, im Genie, in der jugendlichen Spannkraft der Seele, in der Liebe zu Schwedens Boden, Volk und Sprache, in ewig lebendiger Unerschöpflichkeit der Gedanken und Unterhaltungsgabe. Ihr Mann, der bei einer originellen, genialen Bildung die Eigenschaften des Ritters mit den Kenntnissen des Gelehrten vereinigt, hat mich mit ausgezeichneter Güte empfangen und ist in seiner Denkweise ein so ehrlicher Schwede, daß man nur wünschen könnte, innerhalb Schwedens viele von seinesgleichen zu haben.

In ihrem Hause und gerade bei meinem ersten Besuche sah ich den berühmten Helden Gneisenau, der tags darauf nach seinem Gute Erdmannsdorf in Schlesien reisen wollte. Denke Dir, wie angenehm überrascht ich war, in Preußens Bayard sans peur et sans reproche einen schönen, hochgewachsenen Mann in den vierziger Jahren zu finden, in seinem Wesen milde, herzlich, anspruchslos und einfach würdevoll, mit einem Antlitz, aus dem unverkennbar ein tiefes und ruhiges Denken, ein reiner Sinn, ein fester Charakter und eine klare, aber freundliche Lebensanschauung spricht. Seine Abreise verursacht eine unausfüllbare Lücke in dem interessanten Gesellschaftskreise, der sich alle Sonnabendabend beim General v. Helvig versammelt und dessen Beschaffenheit ich Dir nicht näher zu schildern brauche, da Dir der liebenswürdige Genius desselben, nämlich die Wirtin, selbst bekannt ist. Es war mir ein ganz neues Schauspiel, eine zahlreiche Versammlung zu besuchen, in der es zum guten Ton gehörte, etwas anderes, als langweilig zu sein, wo beide Geschlechter, ohne daß sie über ein Nichts schwatzen oder einander boshaft mustern, mit ebenso großer Vertraulichkeit wie Lebhaftigkeit zum eigenen und allgemeinen Vergnügen beitragen, wo man anderen Zeitvertreib als Kartenspielen, Essen und Tanzen gleich einem Tagewerk sucht, wo angenehme Erzählungen, scharfsinnige Reflexionen, Gedichte, Ansehen von Malereien und Kupferstichen die Stunden beflügeln, und wo jedes Mitglied es wagt und vermag, sich als ein Individuum mitzuteilen, welches nicht unablässig durch Aufführung und Phrasenschwall eine alltägliche, auswendig gelernte Lektion wiederholt. Im übrigen ist es glaubhaft, daß die Berliner Gesellschaften sich nicht überall, ja vielleicht nur an wenigen Orten in so blendendem Licht zeigen, und man hat mir gesagt, daß der Ausländer erst in Dresden die Trefflichkeit des deutschen Gesellschaftslebens richtig kennenlernt. Desto besser! Ich komme bald auch dorthin; inzwischen ist meine Vermutung bekräftigt, daß es in Deutschland unter Menschen, die für gebildet gelten, ebenso unanständig ist, sein Maß Bildung zu Hause zu lassen, als es ungebräuchlich ist, gar keine zu besitzen.

Das Trockene der Berliner Lage und das Dürre seiner Natur wird nur unbedeutend von dem kleinen Flusse Spree erfrischt, der quer durch die Stadt fließt; man könnte ihn eher einen Bach nennen, und dabei sieht er aus, als ob er jeden Augenblick im Sande unter den kleinen Schuten verschwinden möchte, die mühsam aneinander zwischen schmalen und niedrigen Ufern vorbeikriechen. Zufolge Schillers bekanntem Epigramm ist die ältere Berliner Poesie und Aufklärungsprosa (Ramler, Engel, Nicolai; Neologen) an diesem Wassermangel schuld; wahrscheinlich trägt auch die zum größeren Teile künstlich bewerkstelligte Auszweigung des Flusses in verschiedene Arme und Kanäle dazu bei, wodurch im Mittelpunkt der Stadt mehrere Inseln gebildet worden sind. Eine solche Insel ist z. B. auf der nordöstlichen Seite des Hauptarms das alte ursprüngliche Berlin, welches noch jetzt als Auszeichnung diesen Namen trägt und in seinem Aeußeren eine Art väterliches Ansehen zeigt. Eine solche Insel ist auch gerade gegenüber das sogenannte Altkölln, woselbst die preußische Königsburg liegt. Dieses gewaltige, auf einer Seite von der Spree bespülte, auf der anderen von großen, da und dort zusammenhängenden Plätzen umgebene Schloß verfehlt nicht, durch seine Masse und einen gewissen königlichen Ernst zu imponieren, obwohl es im Grunde genommen nichts weiter ist als ein zusammengeflicktes Erzeugnis mehrerer Alter, Fürsten und Baumeister, woran schließlich in späterer Zeit ein genialer Architekt und Bildhauer namens Schlüter die letzte Hand legte und aus dem ursprünglichen Chaos glücklich eine Art Symmetrie schuf. Aber obgleich es nunmehr ein nicht bloß im Stil einigermaßen mit sich selbst übereinstimmendes, sondern auch ein majestätisches Ganzes für das Auge bietet, kann es sich doch nicht in Schönheit und einfacher Größe mit der Wohnung unserer Könige messen, ebensowenig wie die große Brücke, auf welche Friedrich der Große von seinem Wohnzimmer die Aussicht hatte, sich mit unserer Nordbrücke in Größe und Lage vergleichen kann. Auf einem Felde vor der einen Langseite des Schlosses, das mit einer fast rechtwinkligen Allee von Kastanien eingefaßt ist und deshalb der Lustgarten genannt wird (wobei Du aber an nichts weiter als an einen nackten und staubigen Exerzierplatz denken darfst), hat der Schöpfer der preußischen Infanterie, Leopold von Dessau, ein Marmorstandbild erhalten. Der geschickte Bildhauer Schadow hat ehrlich getan, was er konnte, aber es war doch nicht zu vermeiden, daß der alte Korporalfürst in der genau wiedergegebenen Tracht seiner Zeit komischer aussieht, als es sich mit dem Andenken eines Helden verträgt. Besser glückte es demselben Künstler mit dem Standbilde Zietens, der unter anderen altpreußischen Feldherren in der Friedrichsstadt auf dem ebenfalls mit hohen Bäumen umgebenen, aber im übrigen bodenlos sandigen Wilhelmsplatze steht. Hierbei hat ihm die Husarenuniform geholfen, und diese ist wohl in unseren Tagen die einzige militärische Tracht, in der sich ein Anflug von antikem Geschmack und Ungezwungenheit erhalten hat. Eine schöne Aussicht hat man von den Balkonen des Schlosses auf die breite, prachtvolle, von Linden in mehreren Reihen beschattete Straße, welche aus der Neustadt durch das schöne Brandenburger Tor in den weitberühmten Lustpark Tiergarten führt: aber ihr eigener Name ist nicht weniger gefeiert, denn sie ist dieselbe berühmte Unter den Linden, welche wir schon als Kinder in Lafontaines Romanen und anderen ähnlichen Büchern so oft erwähnt und beschrieben fanden. Eigentlich bildet sie nur zwei Drittel einer Straße, welche in der Hauptsache die merkwürdigste Berlins ist und wohl verdient, daß man sie völlig, von ihrem Anfang bei einer Brücke an, durchwandert, welch letztere aus dem Lustgarten über einen Arm der Spree den Wanderer in die südwestlichen Gebiete der Stadt führt, d. h. in diejenigen, welche sich vornehmlich durch Neuheit, Regelmäßigkeit und Pracht auszeichnen. Rechts sieht man dann gleich das Zeughaus, ein großes und schönes Gebäude, dessen innere Wände des Burghofs seltsamerweise von dem schon genannten Schlüter mit 21 Larven geschmückt sind, die mit erschrecklicher Stärke, Wahrheit und Abwechslung die Gesichter von ebenso vielen sterbenden Menschen darstellen. Links geht man an der schönen Residenz des Kommandanten vorüber, vor welcher ein farbenschimmerndes, mit den üppigsten Rosenbüschen prangendes und duftendes Blumenparterre unwiderstehlich, so oft ich es ansehe, meine Einbildung aus der Mark Brandenburg nach südländischen Gegenden und Abenteuern versetzt. Hierauf folgt das ziemlich kleine und ganz trivial gebaute Kronprinzenpalais, das eigentlich nur deshalb merkwürdig ist, weil der König immer noch fortfährt, es zu bewohnen, und deswegen seinen Sohn im Königsschlosse wohnen läßt. Dann kommt man zum Opernhause, dessen Saal 5000 Personen fassen soll, wie man sagt; dies ist ein ansehnliches Gebäude, welches frei auf einem ausgedehnten Platze steht, auf dessen rechter Seite man die schöne Universität hat, ehemals ein fürstliches Schloß mit Seitenflügeln und einem geräumigen, grasbewachsenen Burghof, welches früher dem Prinzen Heinrich gehörte und seit 1810 seiner neuen Bestimmung geweiht ist. Das Gebäude ist hinten von einem Spazierpark umgeben, woselbst es sich, nach Ansicht der Studenten, im Schatten angenehm ruhen und lesen läßt; es enthält auch außer den Hörsälen verschiedene für eine Universität unentbehrliche Museen und Sammlungen. Zu diesen, welche leider Gottes in Uppsala nicht sind, rechne ich natürlicherweise die von Antiken, Gipsabgüssen und Malereien. Sie scheinen mir aber nicht besonders bedeutend zu sein; auch Berlin liegt noch zu weit vom Vaterlande der bildenden Künste entfernt. Die hier befindliche Sammlung von Schildereien hatte weder in Anzahl noch Wert die Stockholmer viel übertroffen, ehe eine vom König neulich erworbene italienische Sammlung, die Giustinianische genannt, hier anlangte; die letztere ist aber noch zum größten Teile unausgepackt und unaufgehängt.

Nun kommen zwei einander gerade gegenüberliegende Eckgebäude, zwischen denen die sechsreihigen Lindengänge beginnen; das zur Rechten ist die Akademie der Künste, das linke ist die Bibliothek; aber weswegen das eine zugleich ein Reithaus ist und das andere die Gestalt eines Nachtstuhls erhalten hat, das möge der Schatten Friedrichs des Großen geneigtest erklären. Der letztere Umstand hindert indessen nicht, daß die Bibliothek innerhalb einer Menge heller und freundlicher Zimmer eine kostbare Büchersammlung birgt. Ein Zimmer ist vom Fußboden bis zur Decke fast nur mit italienischen Reiseschilderungen angefüllt. Mich freut nur, daß ich sie nicht zu lesen brauche. Das Brandenburger Tor, der architektonische Hauptschmuck Berlins, ist eine Nachahmung in vergrößertem Maßstabe von Perikles Propyläen der Burg zu Athen. Es ist in Wahrheit ein herrliches Tor, und gewaltig schwebt die aus Paris wiedergeholte Viktoria mit ihrem berühmten kupfernen Viergespann über diesem stolzen Eingange zur Hauptstadt der tapferen Preußen. –

Mit Ausnahme des Karfreitags spielt man hier täglich in den Theatern, und trotzdem sollen sie immer tüchtig gefüllt sein. Die Berliner sind eifrige Anhänger des Kultus der Melpomene und Thalia, wohingegen der ewige Stockholmer Wirbel von Tanz-Assembléen und Soupers hier für unerträglich, langweilig gehalten werden würde. Der König interessiert sich am meisten für Ballette, denen er große Summen opfert. Ich kann jedoch nicht sagen, daß das System des Tanzes, welches sie charakterisiert, mir besonders gefiele; es äußert sich meistens in dem Bemühen, gewisse an sich einförmige tours de force und gewaltsame Verrenkungen, die oftmals mehr unanständig als ästhetisch sind, beständig zu variieren. Die Idee des schönen Tanzes scheint überall verlorengegangen zu sein.

Ich habe die Oper Richard Löwenherz gesehen. Die Bühne ist geräumig, die Dekorationen sind schön; das Stück wurde im allgemeinen gut ausgeführt, bis auf die beiden Hauptrollen Richard und Blondel. Besonders ärgerte mich Blondel; ein so fader und naseweiser Troubadour wie er würde wohl wenige Türme mit seinen Liedern geöffnet haben. Der langweilige Kerl, dessen Name in der prosaischen Wirklichkeit Eunike ist, hat gleichwohl eine romantische, entzückende Tochter, die Richards Geliebte vortrefflich spielte. Sie ist jene junge, schöne und wegen ihres fleckenlosen Rufes allgemein geachtete Sängerin, welche gewöhnlich die Undine in jener Oper darstellt, die Fouqué aus seiner bekannten Sage machte und die von Hoffmann komponiert wurde. Sie hat auch in ihrer Gestalt, ihren Augen, ihrem Gesange und überhaupt in ihrem ganzen Wesen viel Undinenartiges, nur schade, daß das Weiche, Holde, feenhaft Enthusiastische, womit die Natur sie so reich begabt hat, schon aus seiner ungeschminkten Natürlichkeit in ein wenig Koketterie auszuarten scheint. Die Oper wurde diesmal mit einem hübschen Prolog in achtzeiligen Stanzen von Helmina v. Chézy, die sich gegenwärtig hier aufhält, eröffnet; die Verse waren zu Ehren der Prinzessin Charlotte, die sich am selben Abend in Petersburg mit dem Großfürsten Nikolaus vermählen sollte, verfaßt und wurden von der jungen und schönen Madame Stich mit wohllautender Stimme und ausgezeichnetem prosodischen Feingefühl deklamiert. Hierauf wurde das berühmte Gesangstück Pygmalion von einer fremden Virtuosin, der Madame Sessi, vorgetragen, die aber nach meinem Geschmack widerlich sang, obschon sie von den meisten Zuhörern für ein non plus ultra der Sängerinnen angesehen zu werden schien. Es ist wahr, sie besitzt eine wunderbar kräftige Stimme, mit der sie, trotz des Rauhen und Harten in derselben, einen erstaunlichen Galopp und Triller nach dem anderen hervorbringt. Doch ich verstehe mich auf keine andere Gesangskunst als »il cantar che nell' anima si sente« – und diese besitzt sie nicht. Aber – ihr war ein großer Ruf vorausgegangen, und je schrecklicher sie gestikulierte und schrie, desto mehr verpflichtet schien sich die Menge zu halten, ihr Beifall zu rufen und zu klatschen. Tout comme chez nous! dachte ich bei dieser Gelegenheit, die das Berliner Theaterpublikum in meiner Vorstellung bedeutend herabsetzte. Den meisten Spaß machte mir ein betagter und bezopfter Kunstkenner, der hinter mir saß und eben, als er ein donnerndes Bravo geschrien, von heftigem Mitleiden ergriffen ward, denn er sagte zu seinem Nachbarn: »Ach, aber es greift sie doch wahrhaftig sehr an!« Madame Sessi schlug nämlich gerade einen langen Vogelzwitschertriller, der ihr eine Höllenqual zu verursachen schien, wenigstens sah sie dabei aus wie eine Furie. Endlich kam Richard Löwenherz und erlöste mich von dem Unbehagen, bald ein Gähnen, bald ein Lachen unterdrücken zu müssen. –

Im neuen Schauspielhause sah ich dieser Tage Klingemanns dramatische Behandlung des Faust. Ein deutscher Rezensent hat sehr richtig bemerkt, daß Klingemann ein geschickter Zurichter dramatischer Arbeiten ist, deshalb ist auch dieses Stück eine Art Hausbedarf-Tragödie. Gleichwohl machte es auf der Bühne eine Wirkung, die mehr langweilig als poetisch-peinlich genannt zu werden verdient, vermutlich gerade dadurch, daß der Verfasser Effekt auf Effekt häufte und keine in der Sache vorkommende Gräßlichkeit unbenutzt lassen wollte. Darin hatte er jedoch recht, daß man bei einer wirklich dramatischen Bearbeitung dieser grauenhaften Volkssage sich mehr an ihre Urkunden halten muß, als Goethe getan hat, der für seinen Zweck allerdings nicht nötig hatte, Faust und sein Schicksal in wirklichem Höllenglanze zu zeigen. Dies letztere will aber Klingemann, deshalb hat er nicht bloß im allgemeinen den genialen, trotzigen, übermütigen, von unersättlicher Wißbegierde und Genußsucht beherrschten und schließlich verzweifelnden Zauberer mit härteren und wilderen Zügen gezeichnet, sondern ihn auch als einen von seinen beschränkten Zeitgenossen, denen er anfangs nützen wollte, derart verkannten und gekränkten Verstoßenen dargestellt, daß er nicht wußte, woher er für seine verhungernde Familie Brot nehmen sollte. Aus diesem Grunde hat er dem Faust eine Frau gegeben, deren frommes, weiches, geduldiges, leicht zufriedenzustellendes Herz ihn nur fürchtet, nicht versteht und noch viel weniger seinem gefährlichen Fluge Zügel anzulegen vermag; dann hat er ihm einen Vater gegeben, dessen strenge Gottesfurcht in ihrer finsteren Gewissenhaftigkeit unheimlich und tyrannisch erscheint und den Sohn mit unvorsichtig angebrachten Vorwürfen quält; deshalb läßt er ferner seinen Satan einen minder lustigen Teufel sein als den Goetheschen und ihn nicht mit einem unschuldigen Gretchen, sondern mit einem Abgrundsgeist in Gestalt der üppigsten und stolzesten weiblichen Schönheit den Faust in die Schlingen der vier Todsünden locken, nach deren Begehung – etwas, das Goethe gleichfalls außer acht ließ – er für ewige Zeiten den Feinden des Menschengeschlechts angehören sollte. Doch ein solches Problem erfordert zu seiner befriedigenden Lösung andere Kräfte als die Klingemanns, aber ich muß doch hinzufügen, daß das diesmal höchst mittelmäßige Spiel der Schauspieler gewiß sehr viel Schuld an dem schlechten Erfolg der Tragödie hatte. Nur einer, und zwar derjenige, welcher den Teufel darstellte, spielte seine Rolle mit unübertrefflichem Geiste und Feuer, aber dies war auch einer der berühmtesten Schauspieler Deutschlands, obschon mehr in der komischen Dramatik, nämlich Devrient. Ich bewunderte u. a. des Mannes außerordentliches Vermögen, sich eine Höllenfarbe zu verschaffen; er war nicht bloß in eine Rittertracht von brennendem Hochrot gekleidet, sondern auch sein Gesicht glänzte wie vom Nordlichtschein übergossen – gewissermaßen als eine Abspiegelung des inneren Höllenfeuers. Der letzte Auftritt machte wirklich einen grausigen Eindruck: Faust sucht auf einem mitternächtlichen Balle vergebens seine Angst zu betäuben, er ist, ohne es zu wissen, der einzige Mensch unter einer Menge verlarvter Teufel, die ihn unter wild jubelnder Musik umtanzen, bis endlich die schöne Helena, gerade in dem Augenblick, da er, von Gott und Menschen ausgestoßen, in ihre Arme sinken will, um den Preis dieses Opfers zu ernten, die Maske fallen läßt. Der Schluß dieses Stückes kam mir wie eine Nachahmung des Schlusses der herrlichen Mozartschen Teufelsoper vor.

Besser glückte die Jungfrau von Orleans, welche ich ein paar Tage später aufführen sah; aber ein so mächtiger Strom der Poesie würde selbst durch die ungeschicktesten Kanäle zu seinem Ziele brausen. Die Jungfrau wurde von der Madame Stich mit vieler Würde, Anmut und Wärme gespielt. Es ist wohl glaublich, was die Berliner behaupten, daß nämlich die verstorbene Madame Unzelmann weder in dieser Rolle noch überhaupt in einer anderen eine ihren Platz ausfüllende Nachfolgerin gefunden hätte und schwerlich jemals finden wird; aber selbst wenn ich diese Rolle noch einmal vollkommener spielen sehen werde: ich behaupte dennoch, daß Madame Stich ihre Kunst mit ebenso feinem poetischen Gefühl wie eifrigem artistischen Studium betreibt und daß Stockholm sich glücklich schätzen könnte, wenn es dahin gelangte, eine Schauspielerin wie diese zu besitzen. – Devrient spielte hier den Talbot und ging dabei recht hurtig zu Wege, aber vielleicht mit etwas zuviel Lärm und Geräusch; man behauptete, daß er diesmal ein zu großes Maß spirituöser Inzitativen eingenommen habe, welche dieser talentvolle Schauspieler nicht immer zu seinem Vorteile anwenden soll; sie scheinen sich demnach besser für den Satan als für englische Generäle zu eignen. Mit Agnes Sorel machte ein junges Mädchen ihr erstes Auftreten als Schauspielerin, es war daher zu entschuldigen, daß die Geliebte des Königs etwas schüchtern, steif und kühl erschien; freilich schien mir der Mann der Madame Stich, welcher den König darstellte, wenig geeignet, Liebesfeuer zu erwecken; er soll in komischen Rollen nicht ohne Tüchtigkeit sein, aber zu einer verliebten Königsrolle ist er vollkommen unpassend. Bekanntlich besitzt Karl VII. bei Schiller und auch in der Geschichte weiter kein Verdienst als das, liebenswürdig zu sein; Herr Stich, kann jedoch alle möglichen Verdienste haben, nur dieses eine nicht. Er sprach in näselndem Tone und harangierte mit der ganzen Salbung eines verliebten Schulmeisters.

Die Doppelkrone im Berliner Schauspielerkreise, Wolff und seine Frau, die in Weimar unter Goethes Aufsicht ausgebildet sind, hat gegenwärtig Berlin verlassen. Es fehlt hier nicht an vortrefflichen Subjekten, aber das Ensemble? Doch ein solches findet sich vielleicht an keinem Theater der Welt so, wie die Dichter es wünschen möchten; jedenfalls hat die Theaterkunst von Stockholm bis hier einen gewaltigen Schritt vorwärts getan. Damit will ich nicht gesagt haben, daß das Publikum, nämlich die Masse, die man gewöhnlich hierunter versteht, im Grunde viel klüger sei als bei uns, obschon sie im allgemeinen viel Neigung zur Kritik und Analyse besitzt, aber der siegende Geist der gewaltigen Schöpfungen einiger großer Dichter hat hier Schauspieler und Zuhörer wenigstens zu einem Schein von Clairvoyance magnetisiert.

Im übrigen läßt sich nicht leugnen, daß die ästhetische Kultur hier wirklich populär geworden ist; sie ist sogar bis zu den Stiefelputzern und Dienstmädchen herabgestiegen. Die Kellner in den Wirtshäusern prüfen mit Kennerblicken plastische Kunstwerke, die Barbiere sprechen von Schönheitssinn und Kunstgefühl, die Haarschneider von Gemüt und geläutertem Geschmack. Meine Aufwärterin beschwor mich, nicht die Aufführung von Schillers Jungfrau zu versäumen: »Es ist«, sagte sie, »ein dramatisches Gedicht, das der deutschen Nation Ehre macht!« Auf der Türschwelle des Hauses, welches ich bewohne, saß gestern abend ein Bedienter, blickte in die Abendröte und sang mit schmelzender Stimme aus der Oper Undine: »Rauscht, ihr grünen Bäume, durch die Nacht« usw. Alle Kindermädchen lesen Fouqué und Hoffmann. Hast Du schon mit Hoffmanns Nachtstücken Bekanntschaft gemacht? Sie haben mir weniger gefallen als seine Phantasien in Callots Manier. Er erzählt mit ebensoviel Leichtigkeit wie Erfindungsgabe, nur geht er ziemlich einförmig darauf aus, die Nerven mit den ausgesuchtesten Gräßlichkeiten zu erschüttern; er mag sich in acht nehmen, daß seine Leser nicht schließlich die Hölle selbst alltäglich finden.

Tieck, der sonst einige Meilen von hier auf dem Schlosse Ziebingen in der Nähe von Frankfurt an der Oder wohnt, ist mit dem Besitzer des Schlosses nach England gegangen, um dort die letzten Materialien zu einem ausführlichen Werke über Shakespeare zu sammeln, das er nächstens herausgeben will. – Goethe ist nach Jena verzogen, seitdem er seine Frau und seine Theaterdirektion verloren hat – die erstere durch den Tod, die letztere durch einen Hund, der ihn mit seinem alten Jugendfreunde, dem Großherzoge, entzweit hat. Die Sache war folgende: Le beau monde in Weimar wollte einen Pudel auf der Bühne als Hauptperson in einem rührenden Drama auftreten sehen, was Goethe abgeschmackt fand: man erwirkte sich jedoch einen Befehl des Großherzogs, daß er auftreten dürfe, worauf der erzürnte Dichter seinen Abschied forderte und die Stadt verließ. Diese Begebenheit hat die Zeitungsschreiber ein Weilchen lebhaft beschäftigt, und sie haben dem Hunde den tragischen Namen »der Schicksalspudel« gegeben. – Werner hält Kapuzinerpredigten in Oesterreich. – Friedrich Schlegel lebt jetzt in Frankfurt, ist ungewöhnlich dick geworden und ißt jedesmal doppelte Portionen, bezahlt jedoch nur für eine, da der Wirt sich reichlich durch die Menge Gäste entschädigt sieht, welche der Ruf eines solchen Mannes in seine Speiseanstalt lockt. – August Wilhelm Schlegel ist wieder bei Madame Staël-Holstein. – Oehlenschläger soll noch in Süddeutschland umherkutschieren.

Ich bin Mitglied der vornehmsten hiesigen Lesegesellschaft, des Kasino, geworden, die in einem Palaste nicht weit vom Gendarmenmarkt ein großes, ja prächtiges Lokal besitzt, woselbst man sich jedoch mit deutschen, englischen, französischen, kurzum mit lauter unschwedischen Zeitungen begnügen muß. Ich nannte die Kasinogesellschaft die vornehmste unter den hiesigen Klubs, und sie ist auch wirklich so vornehm, daß ich bei vier abgestatteten Besuchen dort kein einziges Mitglied gesehen habe, welches nicht ein Staatswürdenträger, z. B. Minister, Staatsrat oder General gewesen wäre. Welche prächtige Gelegenheit, ein Dilettant in der Diplomatie zu werden! –

Fouqué lebt einige Meilen von hier auf einem Landgute in der Gegend von Rathenow. Andere Zeiten, andere Sitten! In einer der hiesigen Kirchen liegt der alte ehrenwerte Reimer Canitz begraben, bei dem Berlin vor hundert Jahren die Poesie gut aufgehoben hielt. Welche äußerst entgegengesetzten Endpunkte: Canitz und Fouqué! Jetzt möchte wohl der gediegene Greis die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn er die überall wieder angezündeten Lohensteinschen Flammen sähe, welche seine wohlgemeinte Wassersüchtigkeit so mühsam auslöschte. – Arndt hat Berlin verlassen; er ist jetzt zum Professor an der neuen Universität zu Bonn ernannt und wird sich nächstens mit Schleiermachers Schwester verheiraten. Auch Steffens und unsern Freund Gröben, nunmehr Chef des Generalstabes in Breslau, habe ich verfehlt; sie sind erst vor einigen Tagen nach Schlesien abgereist. Doch, einige Wochen verschwinden ja bald – und dann reise ich vielleicht über Dresden dorthin nach. – – –

Das alte Sprichwort: Es ist nicht alles Gold, was glänzt, bestätigt sich auch bei einer Menge deutscher Herrlichkeiten, sobald man sie nur genauer besieht. Dies gilt vor allem von Preußen und Berlin, obwohl ich sicherlich unrecht täte, wenn ich leugnete, daß ich nicht auch vieles kennengelernt hätte, was die Probe bestanden. Gott sei Dank, daß ich für diesmal daraus fort bin! Ich sitze nun in Deutschlands Florenz, im olympischen Dresden, wie Herder in verzeihlicher Berauschung diese freundliche Stadt nannte: ich befinde mich seit ungefähr einem Monat im Herzen des schönen, vortrefflichen Sachsen und fühle mich damit dem Herzen von Germanien näher. Unsere anbetungswürdige Skaldin traf, wie Du weißt, schon einige Wochen vor mir in diesem Kanaan ein und freut sich wie ich beim Genusse des feurigeren, frischeren und freundlicheren Lebenshauches, dessen erquickender Einfluß sich hier unwiderstehlich durch die Natur, Kunstwerke und Menschen mitteilt. Ich überlasse es Deinem Urteil, ob es möglich ist, unter einem südlichen, milden, ewig blauen Septemberhimmel, unter den angenehmsten Bekanntschaften aus beiden Geschlechtern, Philosophen, Dichtern, italienischen Malereien, katholischen Chorälen, Weinbergen, Flußbiegungen, Bergen, Tälern, Lustgärten und Spazierwegen, deren Schönheit nur von den persönlichen Schönheiten übertroffen wird, mit denen man wandert, ob man sich da wohl langweilen kann? Was erlebte ich dahingegen in Berlin? Staub, Hundstagshitze, schwerfällige Eindrücke und Magenleiden.

Zu den schwerfälligen Eindrücken trug wohl meist die Einförmigkeit bei, in der ich dort halb freiwillig, halb gezwungen meine Zeit verlebte. Ein oder der andere Gesellschaftskreis, in den ich eingeführt wurde, lockte mich nicht sonderlich zum öfteren Wiederkommen; die berühmte superfeine Kultur kam mir, als ich ihr erst näher an den Puls gefühlt hatte, nicht selten ebenso oberflächlich und trocken vor wie der Sand, aus dem sie emporgewachsen war. Das Beste an ihr ist, daß sie in den meisten Fällen wenigstens ihr abstraktes und gekünsteltes Wesen mit einer Selbstgefälligkeit entblößt, die sozusagen an Unschuld grenzt. Ich habe merkwürdige Ausbrüche von Berliner Vaterlandsliebe erlebt, so z. B. fragte mich in einer ziemlich hochgespannten Teeversammlung ein bis aufs äußerste geschnürter Offizier, der gleichzeitig Poet war: »Nun, wie gefällt's Ihnen, mein lieber Schwede, in diesem südlicheren Klima? Gelt, hier ist Leben und geistige Beweglichkeit!« Und ein anderer pries im vollen Ernste die mehlfeine Beschaffenheit der Sandwirbel, welche die Augen scharf und glänzend mache. Außerdem fühlt man sich bei jeder Gelegenheit daran erinnert, daß man die Ehre hat, mit lauter ausgesucht tapferen Männern und Rittern Umgang zu haben. Ich fand nicht leicht einen jungen Menschen, der nicht entweder Soldat war oder dies doch erst kürzlich gewesen wäre. Alle erzählen, daß sie die Befreier Deutschlands sind, alle tragen Schnurrbärte, Sterne, schnüren sich und schreiben Verse. Ein preußischer Militär in voller Kleidung ist, was den oberen Teil des Körpers betrifft, ein getreulicher Erbe der Frauenzimmergestalt in der berüchtigten französischen Schnürleibstracht. Magen und Unterleib werden in erstaunlicher Weise zusammengepreßt, die Hüften treten weit und breit darunter hervor, und die Brust wird mit einer so karikaturartigen Ausstopfung bedeckt, daß man beim ersten Anblick eher verkleidete Frauenzimmer als Helden zu sehen glaubt. Man könnte glauben, daß diese Tracht angenommen worden, sei, um die Moskowiter zu parodieren, aber die Parodie ist so ernst, daß die Kerle bisweilen bei Parademanövern zu Boden taumeln und sterben – besiegt von ihren Kleidern. Unter den Einwohnern Elysiums kann ein Schatten in solcher Tracht kaum verfehlen, das Aufsehen der Spottvögel zu erregen. In gemischten Gesellschaften aus beiden Geschlechtern fiel die Lächerlichkeit derselben am stärksten in die Augen, da es in Berlin oft genug vorkommt, daß die Gesellschaftsmitglieder, welche de facto und unleugbar Frauenzimmer sind, so lang, keck und hinsichtlich des Busens so karg von der Natur begabt hervortreten, daß, wenn diese Mädchen Uniform anlegen und sich Schnurrbärte malen wollten, die sie umgebenden schmachtenden Helden und Dichter in Mannhaftigkeit vor ihnen nicht das geringste vorausbehalten würden. Im übrigen erbaute mich das ewige Schwatzen über Ideen, Bildung, Kunst und Literatur sehr wenig, sobald ich einsah, daß der herrschende Ton bei den meisten, gerade wie bei uns, von Mode und Jargon bestimmt wurde und daß die Menge, ebenso wie bei uns, aus flachen und prosaischen Naturen bestand. Diese sind demnach dressiert; aber liegt wohl eigentlich bei solchen etwas Gewicht in der Art ihrer Dressur? In Schweden sind derartige Personen langweilig, in Deutschland vermöge des übergegossenen Flimmergoldes von Belesenheit, Kritik und Poesie zugleich ekelhaft, und da muß man doch billigerweise bezweifeln, ob das letztere besser ist. Wozu nützt es, an Stelle von anderem Gewäsch über Shakespeare, Goethe, Beethoven und Raffael zu plappern, zu musizieren, Verse zu machen vom Morgen bis zum Abend, wenn das Herz leer und der Kopf ohne Genie ist? Was hilft es, Wissenschaft und Kunst zu einer Art Creme zu machen, hinsichtlich derer jeder dazu gelangen kann, sich einen Klecks auf seinen Teller zu legen, wenn dieser, wie alles Naschwerk, mit der Zeit schwache Magen verdirbt? Was nützt es, während einiger Monate einen ausgezeichneten Verfasser zu seinem Hen kai pan zu machen, wenn man ihn gleich darauf vergißt und während dieser Zeit nach keinem andern fragt? – Fouqué war der letzte, welcher auf diese Weise vor einiger Zeit alle Tee-Assemblée-Zungen zu seinem Lobe in Tätigkeit setzte, sowie er auch in den meisten poetischen Kalendern und Taschenbüchern Deutschlands das gemeinsame Muster der unzähligen Dichterlinge war. Jetzt beginnt er schon weniger en vogue zu sein, und man scheint Hoffmann zu seinem Nachfolger erkiesen zu wollen, eine Ehre, welche für diesen wenig schmeichelhaft sein kann, solange die Ehrenspender fortfahren, dem witzigen Bilde zu gleichen, welches er vom Hunde Berganza entworfen hat. Uebrigens haben mir verständige Berliner selber gesagt, daß dies ästhetische Kultur-Unwesen, welches freilich auch eine im übrigen Deutschland weitverbreitete falsche Luxusware ist, aber der öffentlichen Meinung zufolge doch in Berlin seinen Hauptsitz haben soll, dort noch lange nicht der Herrschaft einer gründlicheren und herzlicheren Bildung Platz gemacht hat. Zwar hat die letztere auch ihre Priester und Priesterinnen, auf deren Altar die heilige Flamme ungestört von dem umgebenden Lärme ebenso glühend wie still brennt, aber solche Individuen sind gewöhnlich nicht die ersten, welche sich dem Blicke eines Ausländers gleich nach der Ankunft in einer großen fremden Stadt vorstellen. Daß ich mich an einer der herrlichsten Ausnahmen laben konnte, verdanke ich einzig und allein dem Glücke eines älteren persönlichen Verhältnisses. Ich meine eine Priesterin des Schönen und Wahren, von der Du so gut weißt wie ich, daß die Poesie, Kunst und die hier überall gepredigte höhere Anschauung der Dinge nicht bloß auf ihrer Zunge, nicht bloß in ihrer Feder, sondern in jedem Pulsschlag lebt, der von ihrem edlen Herzen ausgeht Seitdem sie nicht mehr in den Mauern Berlins zu finden war, was vermochte mich da wohl in der Mark Brandenburg zurückzuhalten?

Aber die Professoren, die Gelehrten, die großen Männer im Reiche des Geistes und der Wissenschaft, von denen die preußische Regierung mit kluger und ehrender Freigebigkeit so viele aus allen Gauen Deutschlands nach ihrer Hauptstadt gezogen hat? – Ich gebe zu, daß ich infolge einer absonderlichen Trägheit lange säumig war im Anknüpfen literarischer Bekanntschaften, so daß die Universitätsferien begannen und Beinahe alle, welche ich hätte aufsuchen müssen, gerade zu der Zeit abreisten, da ich mein Gefühl daran gewöhnt hatte, im Auslande zu leben, und allen Ernstes daran dachte, hiervon Nutzen zu ziehen. Beim Philologen Böckh, dessen Aeußeres mich unwillkürlich an Rask erinnert, und beim philosophierenden Physiker Weiß habe ich einige inhaltsreiche Vorlesungen gehört; aber nur mit Schleiermacher und Rühs glückte es mir, nahe zusammenzukommen, obwohl beide im Begriff standen, die Stadt in einigen Tagen zu verlassen; der eine, um nach Thüringen, der andere, um nach Pommern und Rügen zu reisen. Platons Uebersetzer ist von Gestalt klein, schmächtig und bucklig, hat ein wohlgebildetes, lebhaftes und determiniertes Gesicht, trägt eine Brille auf der Nase und diese hoch in der Luft; Witz, Schlauheit und Dialektik sprechen aus seinen freundlichen, scharfen Blicken und spielen in seinen immer beweglichen Zügen. Sein Umgang gleicht seiner Physiognomie: es ist der Geist sokratischer Ironie im Schleier einer etwas moderneren Persönlichkeit. Schweden nannte er das Paradies der protestantischen Geistlichkeit, weil dort die Kirche noch nicht gänzlich vom Staate abhängig wäre, und er lachte lustig über den im Hamburger Korrespondenten ausposaunten Zank, der Anfang dieses Jahres zwischen Schellings Philosophie und dem Erzbischof von Uppsala ausgebrochen ist. Am vergangenen Sonntag hörte ich ihn predigen; es war dies nicht das erste Mal. Seine Art zu predigen entspricht zwar nicht meinem Ideal von einer Predigt, aber sie ist ohne Zweifel für seine Art Gemeinde vollkommen passend. Diese besteht nämlich aus einer destillierten Quintessenz von allem, was man in Berlin gebildet und aufgeklärt nennt – lauter geistreichen Herren und Damen, Psychologen und mimischen Künstlerinnen, die sich jeden Sonntag in den Logen und dem Parterre einer sogenannten Dreifaltigkeitskirche versammeln, um Schleiermacher an der Rettung ihrer Seelen arbeiten zu lassen. Nun ist aber Gefühl nicht die starke Seite der Berliner, wohingegen sie sich einbilden, das ganze Menschengeschlecht in Intelligenz und Ideen (die neuesten Modenamen für Verstand und wesentliche Vorstellungen) zu übertreffen, aus welchem Grunde auch einer oder der andere Spötter ihre flachen Sandwüsten in das Land der Intelligenz umgetauft hat und damit die beste Parodie auf den abstrakten Begriff einer Intelligenz ohne Natur und ohne Wurzeln machte. Gegenüber solchen Zuhörern, die mehr oder minder an jener einseitigen Weltanschauung festhalten, deren höchster philosophischer Repräsentant Fichte war, obschon sie dieselbe nun mit ein klein wenig Mystik zu bekleiden suchen, wie er dies ja selber in seinen letzten Lebensjahren tat – gegenüber solchen Zuhörern also muß es dem Prediger vor allen Dingen darauf ankommen, die Reflexion in Beschlag zu nehmen, um sich auf diesem Umwege Bahn zu den verschanzten Herzen zu brechen. Dieser Umstand bewirkt, daß Schleiermachers Predigten mehr konversierenden, populär-dialektischen Vorlesungen über die Außendinge des Christentums gleichen als unmittelbaren Ergüssen des Christentums selbst und dessen hoher Mysterien, die er wahrscheinlich nur für das Eigentum einer rhetorischen Versammlung ansieht. Nichtsdestoweniger sind seine Reden von einer gleichmäßigen und sozusagen verborgenen, aber doch gelinde fühlbaren Wärme durchhaucht, und man hört nicht minder gern den schönen Klang seiner reinen, biegsamen Stimme als das Klare, Ruhige und leise Bewegende seines Vortrages, dessen ungekünstelt systematische Sorgfalt und Abrundung um so bewundernswerter ist, als er, wie man behauptet, fast immer extemporiert. Seine Freunde erzählten mir, daß er bisweilen unvermutet von einer heftigen Bewegung befallen wird und daß er dann mit einer feurigen Gewalt spricht, die an die der Propheten des Alten Testaments erinnert. Ich habe ihn noch nicht in diesem Stile reden hören, doch zweifele ich nicht, daß die Mitteilung wahr sei. Die Predigten, welche Schleiermacher drucken ließ, sind auf Wunsch seiner Freunde ungefähr nach dem, was er auf der Kanzel improvisierte, aus dem Gedächtnis nachgeschrieben worden, deshalb wahrscheinlich kommen sie uns etwas steif und kalt vor.

Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher

Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher

Falls Dich dieses Thema an einen hochachtbaren Prediger und liebenswürdigen Theologen Marheineke erinnert, so kann ich über ihn leider nicht mehr sagen, als daß ich ihm auf der Straße begegnete und daß sein Aussehen milde, würdig und einnehmend ist. Ich meinesteils würde schwerlich imstande sein, in Kirchen warm zu predigen, welche gleich den neuesten Berlins in ihrer Einrichtung fast Opernsälen gleichen, obwohl sich diese Weltlichkeit nur auf die Stellung der Bänke und ihre in vielen Etagen übereinander hinlaufenden Galerien beschränkt; denn im übrigen hat ja die Vorliebe des protestantischen Gottesdienstes für Leere und weißen Kalk alle Wandzierden und Zeremonien abgeschafft. Der Erteilung des heiligen Abendmahls wohnte ich z. B. einmal bei, und diese bestand aus einem Frühstücks-Spaziergang um einen runden (?) gedeckten Tisch, auf welchem ein dünnes Licht brannte; zwischen Tisch und Wand stand ein schwarzgekleideter Wirt, der jedem Ankömmling einen Trunk und ein Stück Kuchen gab, worauf ihm der Gast mit einer Verbeugung dankte und hinter seinem Rücken vorbei weiterging. – Den tiefsten religiösen Eindruck, den ich in Berlin je erlebte, verschaffte mir eine herrliche Choralmusik, die ich in einer der Zuckerkirchen des Gendarmenmarktes aufführen hörte. Eine hinreißende Sängerin, Madame Milder-Hauptmann, eine Sängerin, derengleichen wenigstens in dieser Art Gesang Norddeutschland schwerlich aufzuweisen hat, erfüllte die Wölbung mit allmächtigen Himmelsklängen und das Herz mit veredelnder Berauschung. – Bei dieser Gelegenheit saß ich neben dem berühmten Arzte Hufeland, einem alten gravitätischen Ehrenmann, der immer noch lebt, in praktischer Verachtung seiner eigenen Theorie vom Tabakrauchen. – Rühs ist ein netter Kerl, und mein milder Stern ließ mich ihn in besonders guter Laune antreffen; man beschuldigt ihn nämlich, sehr oft zänkisch gestimmt zu sein, und er ist auch wirklich gern zum Polemisieren aufgelegt. Auch er hat, seitdem er längere Zeit die Juden und den König von Dänemark verfolgt, den Bogen des Streites gegen unseren Freund Hammarsköld gespannt und in einer Zeitschrift, deren Titel ich vergessen habe, einen schmähenden Kommentar zu einer Rede über die Volksschulen, welche Hammarsköld auf dem letzten Reichstag gehalten haben soll, veröffentlicht. Beim ersten Anblick sollte man Rühs eher für einen eleganten Stockholmer Kanzlisten denn für einen gelehrten Geschichtsforscher und Professor halten, doch ist sein Umgang wirklich angenehm und belehrend. Es ist doch ein rechter Verlust für die Wissenschaft und unsere nordische Geschichte, daß ein Mann von so großer annalistischer Belesenheit und so großem Fleiße allen Sinnes für das entbehrt, was eigentlich Mark und Seele der Geschichte ist, nämlich das Mythische ihrer Vorzeit und das Dramatisch-Individuelle in ihrer Entwicklung. Ich verhehlte ihm nicht, wie unzufrieden Du, ich und alle uns gleichgesinnten Schweden mit dem Anfange seines Werkes über Schweden wären und wir nicht umhin könnten, uns den kräftigen Widerlegungen eines Rask, Müller und der Gebrüder Grimm hinsichtlich seiner Ansichten über die Eddas und die isländische Literatur anzuschließen. Zu meiner Verwunderung antwortete er mir, daß sich seine Ansichten über diese Stoffe sehr geändert hätten, wie man bald sehen würde, doch er sagte mir nicht, worin die Wandlung bestände. Noch größer war meine Verwunderung, als er mir Proben einer Uebersetzung Bellmanscher Stücke zeigte, die sehr gelungen waren. Das eine war das Lied von Ahasverus und Esther, das andere das bekannte Wiegenlied »Kleiner Karl, schlaf süß in Frieden«, dessen zärtliche Töne ja auch mich beim Eintritte ins Leben begrüßten. Wahrlich, ich hätte Rühs nicht eine so ausgezeichnete poetische Geschicklichkeit zugetraut. Er erzählte mir, daß er Tieck die Uebersetzung mitgeteilt habe, der sofort für den Dichter ein lebhaftes Interesse empfand und ihn ermahnte, sein Vorhaben zu vollenden. Je nach Erfordern will er dann die Uebersetzung mit aufklärenden Noten begleiten, zu deren Mitteilung er ohne Zweifel durch seinen langen Aufenthalt in Stockholm mehr als irgendein anderer deutscher Uebersetzer befähigt ist. Hält er Wort, dann bereichert er die Literatur seines Vaterlandes mit einer der wunderbarsten Schöpfungen, in denen sich jemals die Ideenbezauberung der Poesie offenbart hat. – Einen in Berlin den Sommer über verweilenden Rest von Wissenschaftsmännern sah ich gestern abend in einer Gesellschaft, welche sich die philomatische nennt; es las in derselben der wegen seiner politisch-literarischen Operationen mit Recht berüchtigte Schmalz eine Abhandlung über den Luxus vor, in welcher er bewies, daß ein solcher gar nicht existiere; wegen dieses Ausspruches geriet er mit dem privatisierenden Geschmackslehrer Ben David, einem alten zynischen und kupfernasigen Juden, in heftigen Streit, bis daß der gedeckte Tisch Freundschaft und Einverständnis wiederherstellte. Jetzt, zwischen Tür und Angel, wie das Sprichwort sagt, war Schmalz übrigens am rechten Platze; er erzählt vortreffliche Anekdoten, vertilgt eifrig Wein und ist sonst ein kleiner, fetter Geheimrat, der gegen den Tugendbund schrieb. Eine andere Gesellschaft, welche die deutsche heißt und aus der letztgenannten entsprungen ist, hält man – nämlich in den Augen der Machthabenden – für einen Schößling bedenklicher Natur, weil der als Demokrat und Demagog angesehene Jahn in derselben das Wort führt und alle Fremdwörter aus der deutschen Sprache verbannt, auch die sämtlichen Mitglieder in altdeutscher Tracht gehen. Eines dieser Mitglieder, den bekannten Geographen und Puristen Zeune, lernte ich in der Abendgesellschaft der Generalin von Helvig kennen; er ist ein ehrenwerter, ungekünstelter Mann und Vorsteher einer Erziehungsanstalt für Taubstumme. Er hat eine Taschenausgabe des Liedes der Nibelungen herausgegeben, deren Vorrede von redlichem Fleiß, obschon nicht im selben Maße von Einblick und Genie zeugt. – Die altdeutsche Tracht fängt an, durch die Abneigung der Regierung eine Bedeutung zu bekommen, welche wiederum ihren Gebrauch und ihre Verbreitung befördert; vor nicht gar langer Zeit war sie von der Menge, ja sogar mitunter von den Studenten abgelegt worden. In Oesterreich und Bayern hat sich die Obrigkeit mit förmlichen Verboten dagegen erklärt; die preußische Regierung besinnt sich noch. Es ist mir unbegreiflich, warum man es dem Volke nicht gönnen will, sich seine Kleider nach eigenem Gutdünken nähen zu lassen, um so mehr, als diese Tracht nicht bloß pittoresk schöner ist als unsere gewöhnliche, sondern auch gesünder und bequemer. Hier in Dresden sieht man sie jedoch gar nicht; aber dazu ist nicht erst ein königliches Verbot nötig gewesen, denn es liegt in der höchst feindlichen eigenen Sinnesstimmung der Sachsen gegen Preußen eine hinlängliche Schutzmauer, da die Sachsen wenig Ursache zu haben glauben, über Deutschlands Befreiung zu jubeln. Auch existiert hier nicht der Berliner Gegensatz eines militärischen Schnürleibsystems auf der einen und eines uneinschnürbaren Universitätsgeistes auf der anderen Seite. Man hat sich das Leben bequemer gemacht.

Freiherr de la Motte-Fouqué

Friedrich Heinrich Karl Freiherr de la Motte-Fouqué

Zu Fouqué bin ich doch nicht gekommen; der nächste Frühling dürfte mir aber dies Vergnügen bereiten. Er bringt jeden Winter einige Wochen in Berlin zu, begleitet von seiner romandichtenden junonischen Frau; den übrigen Teil des Jahres verlebt er im Schoße einer liebenswürdigen Familie und in einem schönen Park unter unaufhörlichem poetischen Tun und ritterlichen Betrachtungen. Ich halte ungemein viel von dieser frommen, in seligen Troubadourträumen ungestört spielenden Dichternatur, obwohl ich nicht die Mängel übersehe, welche ihr vor dem unbeweglichen Richterstuhle der Kunstlehre ankleben. Es ist wohl möglich, daß gerade der strengste Gesichtspunkt überall der einzig billige und milde ist. Die Menge der Leser handelt jedoch anders: sie kann nur ausschweifen, im Tadel sowohl als Ruhm. Nichts ist für einen Dichter oder ausgezeichneten Verfasser gefährlicher, als in Mode zu kommen, vorausgesetzt, daß er schwach genug ist, dem Beifall der Mode zu lauschen und sich von der lesenden Masse als Held des Tages gebrauchen zu lassen. Ohne Zweifel hat eine solche Schwäche das Unglück Fouqués bewirkt; er ist gleichsam wie gefangen von seiner eigenen Manier, er lebt nur noch im Schreiben und ist auf dem besten Wege, ein Lafontaine der Ritterlichkeit zu werden. Wer sähe wohl nicht ein, daß ein solches Ende des Sängers von Sigurd und Undine nicht würdig wäre? Uebrigens macht man schon Miene zu vergessen, was er war, und wahrscheinlich wird es nicht sehr lange dauern, dann spricht man ihm jeden Funken von poetischem Talent ab, obwohl man ihn vor nicht gar langer Zeit zum Vater und Messias einer neuen poetischen Aera erhöht hatte. Es ist dies ein Fegefeuer, auf welches sich ein jeder vorbereiten muß, der einmal das Mißgeschick gehabt hat, eine Art Götzenbild zu sein. Findet sich dann wirklich in dem Bilde etwas unsterbliches Gold unter den vielen menschlichen Schlacken, dann morden diese Flammen nicht, sondern reinigen bloß und versöhnen. – Geradeso wie Lafontaine mit seiner Häuslichkeit und Fouqué mit seinem Ritterleben, so fängt Hoffmann nunmehr an, mit seinen Teufeleien einförmig zu werden. Dieses geniale Original ist in die Manie verfallen, sich in die Schönheit der Hölle zu verlieben, und tischt nun seinen Lesern so viele Beelzebubs-Gerichte auf, daß ihnen schließlich alle Eßlust vergeht oder wenigstens jedes Schmelzungsvermögen. Ein merkwürdiges Phänomen von persönlicher Disharmonie und ästhetischer Ueberreizung, von unablässigem Kampf zwischen der flachen Prosa des Alltagslebens und den ewigen Idealen, ein aufreibendes Chaos von Wohllaut und Mißklang, welches er selten anders auflöst, als indem er all die sparsamen Blumen wild zertritt, mit denen unser armes Dasein bestreut ist, ein ironischer Hohn, der an Menschenhaß, ja an Wahnsinn grenzt; was Wunder da, daß dieser letzte Seelenzustand überall in seinen Schriften vergöttert wird. Ich war höchst neugierig, eine so absonderliche Individualität wie Hoffmann von Angesicht zu Angesicht zu sehen; aber ihn zu finden, gehört fast zu den Unmöglichkeiten; er scheint keinen Besuch leiden zu können und läßt Fremden meistenteils sagen, er sei krank oder ausgegangen. Ich kann ihm dieses nicht verdenken, denn es ist nichts widerlicher, als die Begrüßungen von Gaffern entgegenzunehmen. Das letzte Mal, einige Tage vor meiner Abreise, besuchte ich ihn in Gesellschaft des Generals von Helvig und des jetzt hier anwesenden Oehlenschläger, die ihn beide kennen, jedoch ebenso vergeblich. Es nützt nicht viel, ihn in ein Haus zu laden, wo er selbst ungeladen willkommen ist; kommt er dann einmal ungeladen, dann spricht er kein Wort, trinkt seinen Tee und schneidet wunderliche Gesichter. Man sagt, daß er ungefähr so aussieht wie der »Mann ohne Spiegelbild« in seiner »Sylvesternacht« und daß er in seinem Wesen ebensoviel Dämonisches und Spukartiges hat wie in seiner Gestalt. Du begreifst also, daß es nicht leicht ist, diesem wunderbarsten aller Kriminalräte auf den Leib zu rücken, wenn man die Sache nicht so wie Brentano angreifen will. Der ging nämlich eines Tages, wie man sagt, zu Hoffmann, um seine Bekanntschaft zu machen, und erhielt natürlich vom Bedienten den Bescheid, daß sein Herr sehr krank wäre und nicht Lust hätte, mit irgend jemand zu sprechen. »Das ist mir eben recht!« erwiderte Brentano. »Nun ist es an der höchsten Zeit; deshalb geh' Er gleich zu seinem Herrn hinein, mein Lieber, und melde Er ihm, daß der Doktor Dapertutto draußen stehe, der allenfalls auch durch Fenster und Türen passieren kann!« Dr. Dapertutto stellt bekanntlich in der »Sylvesternacht« Hoffmanns poetischen Prinzipal, den Teufel, vor. Ziemlich bestürzt über diese unheimliche Auslassung, eilte der Bediente hinein, kommt zitternd zurück und öffnet die Tür, worauf »der verrückte Kapellmeister par excellence« seinen Gast in goldigster Laune empfing. Einmal wurde er mir von ferne gezeigt; es war an dem Abend, da, mitten im Sommer, das neue Schauspielhaus abbrannte, bloß zwei Tage später, nachdem ich noch die von ihm ebenso romantisch komponierte wie von seinem Freunde Fouqué romantisch gedichtete Oper Undine dort hatte aufführen sehen. Er hatte sich aus dem Fenster seiner am Gendarmenmarkte belegenen Wohnung gelehnt, und der Feuerschein beleuchtete das kleine, magere Antlitz, unter dessen Larve in jenem Augenblick gewiß einige Dutzend Wunder und Märchen spukten. Es war Abend, und das riesige, nun an allen Enden in Flammen stehende Gebäude, welches schon seit der Mittagsstunde ein Raub der Flammen war, glich im Halbdunkel mit seinem stehenbleibenden Gerippe und dessen vielen leuchtenden Fensteröffnungen einem königlichen Salamander-Palast. Dieser Brand, der Berlin anfangs in den größten Schrecken versetzte, aber sich bald durch die Gunst der Vorsehung und des Windes aus einer Gefahr in eine Dekoration verwandelte, hatte die gesamte schöne Welt Berlins auf dem Gendarmenmarkt versammelt. Man sah recht vergnügt aus und schien sich mit einer gewissen Befriedigung über den kostspieligen Verlust damit zu trösten, daß das Schauspielhaus selbst noch in seinem Untergange ein sehenswertes Schauspiel veranstaltete. Am meisten beklagte man übrigens den Verlust der Garderoben und Dekorationen, welche auch wirklich so kostbar, so prächtig, mit solcher Phantasie und Geschmack geschaffen waren, daß man glaubte, es könnte sich in dieser Hinsicht kaum ein anderes Theater Europas mit dem Berliner messen. Zwei Dekorationen der oben genannten Oper werde ich nie vergessen: die brausenden Waldgewässer und die von ihnen gebildete Insel, auf welcher Undine und Huldbrand zum ersten Male in der Nacht, unter den Klagerufen des alten Fischers, zusammentrafen, sowie den farbenschimmernden, durchsichtigen Palast auf dem Grunde des Mittelmeeres, woselbst sich die treue Meerprinzessin schließlich mit ihrem Geliebten und Gemahl wieder vereinigt zeigte. Ueberhaupt übte diese Oper auf mich einen bezaubernden Eindruck, und sie würde mir noch viel mehr gefallen haben, hätte ich nie zuvor die herrliche Sage gelesen, deren Geist eigentlich zu lieblich, zu weich, zu luftig und zart ist, um körperlich auf einen Bretterboden mitten in die plumpe Wirklichkeit zitiert zu werden. Trotzdem hat sie mich in der Ueberzeugung bestärkt, daß diese Art Dramatik immer die Sage zu ihrer Quelle und die Magie zu ihrem Reiche wählen muß. Dies war auch Mozarts Ansicht, und nur einem musikalischen Genie wie Gluck kann es gelingen, die sogenannte heroische, in den Bereich der Tragödie eingreifende Oper erträglich zu machen. –

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann

Man beschuldigt viele der höheren und niederen Genies Deutschlands, über alle Maßen von Eigenliebe und Selbstbewunderung aufgeblasen zu sein. Leider fehlt es auch uns nicht an ähnlichen Beispielen. Es bleibt mir ganz unbegreiflich, wie man, wenn man auch nur einen einzigen ahnenden Schimmer von Wahrheit, Schönheit und Poesie im Busen hat, es fertig bekommt, in diese unselig-glückselige Verrücktheit zu fallen. Mich dünkt, daß ein einziger Blick zu der Höhe eines Plato, Shakespeare und Goethe genügend sein müßte, das eigene Ich in seiner ganzen bemitleidenswerten Kleinheit zu zeigen. Jeder wirklich große Mann, jeder Meister in Wissenschaft oder Kunst ist im Kern seines Wesens bescheiden und anspruchslos gewesen. Welch verächtliches Ding ist nicht jede Person, jedes Talent im Vergleich mit Gottes Herrlichkeit, mit dem Reichtum der Natur und den Forderungen der Ewigkeit! Was hat wohl das größte Genie vor seinen Mitmenschen weiter voraus als ein wenig feurigere Spannkraft im Auffassen des Lebens und im Fliegen nach einem Ziel, das kein Sterblicher je erreichen kann? –

Die einzigen schönen Landorte in der Nachbarschaft von Berlin sind Charlottenburg und Stralau; der letztgenannte Ort ist ein vortreffliches Dorf an der Spree, inmitten hübscher Wiesen und Haine, mit einer einsamen Kirche und einigen Grabmälern gerade gegenüber auf der anderen Seite des Flusses; das erstgenannte ist ein zierliches Schloß mit einem geräumigen englischen Lustpark und dem berühmten Mausoleum der Königin Luise. Wenige Königinnen sind von ihren Untertanen so geliebt, vermißt und vergöttert worden; schön, milde, seelenvoll, leutselig, treu, mütterlich, mutig und standhaft war sie, gleich den edelsten weiblichen Gestalten der früheren Ritterzeit, die ganze Seligkeit für ihren Gemahl und das persönliche Bild der höchsten weiblichen Bezauberung und Anmut für jeden Preußen. So wird sie von allen beschrieben, welche sie sahen und kannten, und ich finde durchaus, daß diese vox populi, welche noch sechs Jahre nach ihrem Tode dieselbe ist, hier in Wahrhaftigkeit auch eine vox Dei ist. Die niederträchtigen Gerüchte, welche Napoleon und seine Satelliten recht unritterlich aussprengen ließen, um sich für ihren Haß und ihre Verachtung zu rächen, bemühen sich Vergebens, den glänzenden Schnee ihrer Ehre zu beflecken. In Gesellschaft der Generalin Helvig und des Barons d'Albedyhll, der sich nur kurze Zeit in Berlin aufhielt, besuchte ich an einem schönen Julinachmittag das einfache griechische Grabgebäude, welches ihre irdischen Ueberreste und die Formen ihrer lebenden Vollkommenheit birgt. Im Schatten nordischer Zypressen, zwischen Blumenmatten und getreulich gepflegten Vergißmeinnicht, erhebt sich der kleine Todestempel, in welchen sich der trauernde König noch in jedem Jahre an ihrem Todestage allein einschließt, um seinen Verlust zu betrauern. Eine Art Allerheiligstes öffnet sich den Blicken des Besuchers und zeigt das Meisterwerk, mit dem der junge Bildhauer Rauch – von geringem Herkommen, in ihrem Dienste aufgewachsen und von ihr zuerst in seiner unwiderstehlichen Neigung zur Kunst entdeckt und ermuntert – die letzte Danksagung an seine Wohltäterin und vielleicht erstes Ideal seiner Kunstliebe in Marmor verewigt hat. Um die schlummernde Befreite stehen in den Winkeln des Zimmers hohe und mit sinnreichen Symbolen geschmückte marmorne Kandelaber von Friedrich Tieck, einem würdigen Bruder des Dichters, der sich jetzt mit Rauch in Carrara aufhält. Diese beiden Männer sind Genies und Künstler: Schadow ist nur ein geschickter Handwerker. Mit einem holden Gefühl verließ ich die einsame Gruft, welche in ihren engen Mauern doch alles das birgt, was von jeder Schönheit und Jugend auf Erden nach wenigen Jahren nur übrigbleibt: ihr ewig junges und anziehendes Bild.

Und somit hätte ich über Berlin nichts weiter zu sagen, als daß sich der Sommer nicht zum Leben daselbst eignet. Auffällig war mir auch die merkwürdige Passion der Berliner für Dünnbier. Mir wurde hier nicht einmal leichter, nachdem ich ein schönes Badehaus an der Spree entdeckt hatte, welches die Ueberschrift In balneis salus führte, und nachdem ich in der mit alten Malereien und Grabmälern gefüllten Nikolaikirche das Grab meines Jugendfreundes Pufendorf fand. Du weißt doch hoffentlich, was ich damit meine, wenn ich Pufendorf meinen Jugendfreund nenne: er war der erste historische Verfasser, der mir als vierjährigem Knaben in die Hände fiel.

Ein kleines Malheur hatte ich auch hier; als ich nämlich eines Abends mit Umarbeitung meiner Schrift über Ehrensvärd beschäftigt war, fingen meine Fenstergardinen Feuer, und ich verbrannte mir beim Löschen ein wenig die Finger. Am Tage nach diesem Abenteuer hörte ich, daß Oehlenschläger in Berlin angekommen wäre, worauf ich ihn sofort am nächsten Morgen im Hotel zur Sonne Unter den Linden aufsuchte. Er hatte kurz zuvor Wien verlassen und wollte nach Kopenhagen, woselbst er sich nunmehr schon befindet. Er hat somit die freiwillige Verbannung glücklich beendet, in welche er sich begab, um auf einige Zeit Ruhe zu haben vor Baggesens und dessen –ianer bellendem Lärm. Mir steht noch der größte Teil bevor. – Ich wurde sehr gut empfangen, und nachdem wir mancherlei über die Stellung der dänischen und schwedischen Literatur geplaudert hatten, las er mir einige Stückchen aus seinem jüngsten Gedichte »Fredriksberg« vor; es ist dies eine Kette kleiner Idyllen über seinen Geburtsort und seine ersten Kindheitseindrücke. Es ist wahrlich ein Vergnügen, ihn lesen zu hören und ihn dabei zu betrachten: das Ohr freut sich über die Biegsamkeit seiner angenehmen Stimme und das Auge über die lebhafte Beweglichkeit seiner schönen Gesichtszüge. Er hat wirklich, wie das Gerücht bekundet, ein schmuckes Aussehen, und das Haupt kann mit Recht schön genannt werden. Jemand sagte, daß er Aladin, den Helden seiner Wunderlampe, als sein eigenes Porträt gelten läßt, und in diesem Falle muß man zugeben, daß wenigstens die Geschwisterschaft nicht fehlt. Der dänische Dichter ist nämlich selber ein noch recht jugendlicher und üppiger Sanguinikus mit dunklem Haar und dunklen Augen, jovial, gutmütig, leicht entzündlich, bequem und sinnlich; nur ist er auf eigene Rechnung ein wenig zuviel Narzissus, aber in so naiver und vertraulicher Weise, daß man es ihm unmöglich übelnehmen kann. Ich führte ihn zum General Helvig, dessen Bekanntschaft er während des Aufenthalts von jenem in Kopenhagen gemacht hatte, worauf wir alle drei nach dem Tiergarten gingen und dort inmitten grüner Bäume und unter einem wolkenlosen Himmel speisten, tapfer tranken und den ganzen Tag über zusammenblieben unter viel Lust und Freude. Wie freundlich und heiter er auch war, so konnte es doch nicht fehlen, wie Du wohl leicht vermuten wirst, daß wir, bei der Ungleichheit unserer Naturen, bisweilen über gewisse Punkte hitzig zusammengerieten, so entstand z. B. über die rechte Anschauung der Mysterien des Mittelalters und des Christentums ein heftiger Zank, der damit endete, daß er mich für einen Schwärmer und ich ihn für einen Unphilosophen hielt. Im übrigen störte dies jedoch nicht die Harmonie unseres Umganges. Unter seinen letzten Dichterwerken gefällt mir Helge am besten, und ich habe große Neigung, selber einmal einen passenden altschwedischen Stoff in einem ähnlichen kleinen Epos von Romanzen zu behandeln, deren Einfachheit, so wie dort, unaffektiert an die Unschuld des Volksliedes grenzen müßte. – Ich sah den liebenswürdigen und genialen Dichter nicht öfter, denn bei einem erneuten Besuch traf ich ihn nicht daheim und hatte mich schon reisefertig nach den Dresdener Weinbergen gemacht. Nachdem ich danach mit gewählter und von einigen guten Groschen unterstützter Wohlredenheit die Verzeihung eines Paßschreibers dafür erwirkt hatte, daß ich mich volle sieben Wochen in Berlin ohne carte de séjour aufgehalten hatte, rollte ich schon mit nächstem Sonnenaufgang in einem ziemlich bequemen gedeckten Fuhrmannswagen aus der Dresdener Straße durch das Cottbusser Tor hinaus, froh, mich bald unter den munteren Sachsen und ihren unzähligen Kunstschätzen erquicken zu können.


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