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8.

Mitternacht war vorüber. – Madame Oburns Gemach war ganz von frischem, würzigem Dufte durchdrungen, den es, aus tausend Blumenkelchen, nach dem Gewitterregen eingeschlürft hatte durch die offenen Fenster. Es wurde erhellt durch eine weiße Alabaster-Ampel, die zwischen den faltigen, durchsichtigen Vorhängen des Himmelbettes hing, das auf bronzenen Füßen ruh'te. Das trauliche Helldüster, die üppigen, bunten Fußteppiche, eine kleine Orangerie, die auf zierlichen Blumentischen am Fenster stand, und nur einzelne, große Silberflecken des anschwellenden Mondlichtes auf den Fußboden durchfallen ließ: alles das gab dem Zimmer einen so malerischen Anstrich, daß die hohe dunkle Gestalt, welche so eben die Thüre öffnete, und dann fest hinter sich verschloß, eine Zeitlang wie festgebannt dastand, und hochaufathmend die Blicke umherschweifen ließ. Es war der Prinz C**, in ein feines, etwas phantastisches Negligée gekleidet. Leichte mit Gold gestickte Stiefel von weißem Sammet machten sein Auftreten fast unhörbar. Weite, orientalische Beinkleider von rosenrother Seide, und ein faltiger kurzer Rock von dem selben Stoff bildeten die übrige Bekleidung. Ein weißer, schöner Männerhals, von dichtem schwarzem Bart beschattet, stieg aus dem zurückgeschlagenen Battist-Hemdkragen hervor, und machte der Weiße einer schöngeformten Hand, an der es von werthvollen Steinen blitzte, den Preis streitig.

Eine fieberhafte Glut hatte sich auf seinen Schläfen gelagert, und mit jedem Schritte, den er vorwärts that, fing sein Herz lauter an zu schlagen. Von einem tiefen gesunden Schlaf leise geröthet, lag die junge Frau auf ihrem Bette, dessen leichte, roth seidene Decke sich gesträubt zu haben schien, die vollen, reizenden Formen ganz zu verhüllen. Sie lag dem Zimmer zugewandt, die Hände auf dem Busen gefaltet. Ein süßer Traum schien im Vorüberschweben sich in dem seligen Lächeln ihres Mundes gefangen zu haben. In dem ganzen, zauberhaft wirkenden Bilde lag nichts Ueppiges, nichts Kokettes. Keine herabwallenden Locken, keine entblößte Schulter. Aber das Nachthäubchen, welches die aufgewickelten Haare barg, umschloß mit seinem Rahmen von feinen, Brüsseler Kanten ein so liebliches Madonnenantlitz, zwei übereinandergeschlagene Füßchen sahen am Ende des Bettes so unschuldig aus den weißen Leinen hervor, daß dies ganze reizende Bild mehr zur Andacht einlud, als zu wilder Begierde. Dem Prinzen aber, dem jede höhere Regung fern lag, weil er nur eine Liebe kannte, die dem Schimmer des Goldes feil war oder der Eitelkeit zum Opfer fiel – zog es mit stets wachsender Gewalt zu dem Bette der schönen Frau. Zitternd vor Aufregung, gepreßt und heißathmend war er nur noch einen Schritt von der Schläferinn entfernt. Leise ließ er sich auf ein Knie nieder, hob, noch unschlüssig über seinen Angriff, die Decke in die Höhe, und küßte den rosigen Fuß der Madame Oburn. Das aufwallende Blut röthete seine Augen. Einen Augenblick verweilte er, halb betäubt von so vollendeter Schönheit; dann plötzlich, mit den Zähnen knirschend, stürzte er mit den Worten: »Weib, Du mußt mir gehören!« über sie, schloß ihren Mund fest durch den seinigen, so daß sie nur einen schwachen Laut von sich zu geben vermochte, zerriß mit gewaltiger Kraft ihr Nachtgewand, und schleuderte es mit der Decke weit in das Zimmer hinein, Madame Oburn hatte ihn erkannt; doch trotz der gewaltigsten Anstrengungen war es ihr unmöglich, sich loszuwinden; sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe, als der Prinz, der ihre allmählige Abspannung für ein Zeichen der Nachgiebigkeit hielt, das Haupt emporhob, um etwas zu sprechen. Diesen Augenblick benutzend, stieß die Oburn einen Schrei aus, der seine Wirkung nicht verfehlte. Man hörte eine Fensterscheibe klirren, sah eine kräftige Männerfaust durch die Oeffnung hindurch, nach dem Fensterriegel langen, während der Prinz, durch den Lärm aus seinem Taumel geweckt, aufsprang, und regungslos dastand; die Oburn aber alles, was sie von Leinenzeug und Gardinen zusammenraffen konnte, um sich zog, damit zur Thüre hinstürzte, wo die Klingel für ihre Dienerschaft hing, heftig schellte, und dann ohnmächtig niedersank. In diesem Augenblick sprang Herr von Stein – denn er war es, der die ganze Nacht hindurch unter dem Fenster der von ihm so hochgeehrten Frau zugebracht – in das Zimmer, und stand, bleich vor Wuth, mit funkelnden Augen, vor dem Prinzen, der nicht mehr wußte, was um ihn vorging. Die Worte des Barons, voll heftigster Beleidigung, brachten ihn endlich wieder zur Besinnung. Er, der mit dem Bewußtsein eines ertappten Schulknaben, dem Baron gegenüberstand, schien plötzlich einen raschen Entschluß zu fassen, und sprach in spöttischem Ton: »Es thut mir leid, lieber Baron, Ihnen hier zuvorgekommen zu sein,« und ging auf die Thüre zu, vor welcher man schon die Tritte der nahenden Dienerschaft hörte. Seine Absicht war augenscheinlich, wenigstens den guten Ruf der Oburn zu vernichten. Die Dienerschaft kannte ihn nicht – und wäre auch seine Anwesenheit im Zimmer dieser Dame bekannt geworden, so hätte doch Niemand vorausgesetzt, daß der schöne geistreiche Mann hier Widerstand gefunden. Im schlimmsten Fall ließ sich die Geschichte mit einem geringen Aufwand von Escamotage drehen, indem man das Gerücht verbreitete, daß der Prinz die Madame Oburn vor den Zudringlichkeiten des Herrn von Stein gerettet. Natürlich wäre es hier wiederum allen einleuchtend gewesen, daß der Prinz nicht unbelohnt einen solchen Ritterdienst geleistet. Stein, ein Mann von vieler Geistesgegenwart und raschem Ueberblick, hatte in einem Moment alle diese Möglichkeiten erfaßt und überdacht. Schnell sprang er nach der Wand zu, wo ein Paar Pistolen des Herrn Oburn hingen; ein Blick überzeugte ihn, daß sie geladen seien, und so bewaffnet trat er zwischen den Prinzen und die Thüre, an welcher schon die Kammerjungfer, von Zeit zu Zeit, um Hülfe rufend, mit aller Anstrengung rüttelte. Oben im Hause war alles lebendig geworden. »Noch einen Schritt weiter,« flüsterte Stein, »und bei Gott, ich schieße Ihnen diese Kugel vor den Kopf! durch das Fenster ist unser Weg.« Der Prinz wollte vorwärts; Stein legte an. Der starre, durchbohrende Blick, der festzusammengepreßte Mund dieses Mannes zeugten dafür, daß er es bei einer bloßen Drohung nicht lassen würde. Der Prinz, dem die nahe Mündung einer Pistole ein unerwarteter Anblick schien, ward kreideweiß, wandte sich rasch um, und schwang sich über das Fenstergesimse des hohen Parterres hinab in den Garten, wo er im Dunkel verschwand. Stein folgte ihm sogleich, nachdem er noch einen Blick unaussprechlicher Trauer auf die ohnmächtig daliegende Frau geworfen, und einen Rubinschmuck, der sich auf den Toilettentisch befand, zu sich gesteckt. Die fast gleichzeitig durch die aus ihren Angeln gehobene Thüre eindringenden Diener sahen ihn noch am Fenster verschwinden, und fanden auf dem Boden das leere Schmuck-Etui! Der Ruf: »Diebe, Diebe!« tönte durch das ganze Wiesenthal; Laternen zeigten sich in der Ferne; alles war in Aufruhr und Bewegung; bis zum lichten Tage dauerten die Nachforschungen; doch weder von den Dieben, noch von dem Schmucke war irgend eine Spur aufzufinden.


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