|               | 
Als man schrieb um Weihnachten 
        Gleich Sechs und Siebenzig, 
        Mich da aufwachen machten 
        Die Nachtraben frostig, 
        Daß ich nicht mehr konnt schlafen, 
        Mich trafen 
        Gedanken allzuviel. 
        Da kam mir vor mein Wandern, 
        Und was ich trieb darin, 
        Mir fiel ein unter andern, 
        Wie viel Hans Sachs vorhin 
        Macht Lieder, geistlich Geschichte, 
        Gedichte, 
        Fabeln, Gespräch und Spiel, 
        Und wie es fromm', 
        Und Nutz draus komm', 
        Wohl jedem, der sich des annomm'. 
        Indem entschließ ich wiederum, 
        Und Morgens drauf mir in den Sinn 
        Ein fröhlich Traum da fiel. 
        Mich däucht, ich reist' aus rüstig, 
          Und kam zur Mayenzeit, 
          In eine Stadt groß, lustig, 
          Von Häusern schön bereit, 
          Die Wohnung der gedürsten (kühnen) 
          Reichsfürsten 
          War mitten in der Stadt. 
          Und auch ein Berg hoch, grüne, 
          Darauf ein schöner Gart, 
          In Freuden war ich kühne, 
          Weil drin gepflanzet ward 
          Wohl mancher Baum voll Früchte, 
          Gezüchte, 
          Pomranzen und Muskat, 
          Mehr fand ich drein 
          Rosinlein fein, 
          Mandlen, Feigen, allerlei rein 
          Wohlschmeckend Früchte, groß und klein, 
          Genoß viel Volk da insgemein, 
          Das drin spatzieret hat. 
Mitten im Garten stande 
          Ein schönes Lusthäußlein, 
          Darin ein Saal sich fande, 
          Mit Marmor pflastert fein, 
          Mit schön lieblichen Schilden 
          Und Bilden, 
          Figuren frech und kühn. 
          Ringsum der Saal auch hatte 
          Fenster geschnitzet aus, 
          Durch die man all' Frucht thate 
          Im Garten sehen draus. 
          Im Saal stand auch ohnecket 
          Bedecket 
          Ein Tisch mit Seiden grün 
          An selbem saß 
          Ein Altmann blaß, 
          In einem großen Buch er las, 
          Hätt einen langen Bart fürbas 
          Grauweis, wie eine Taub er saß 
          Auf einem Blatte grün. 
Das Buch lag auf dem Pulte 
          Auf seinem Tisch allein, 
          Und auf den Bänken, gulden, 
          Mehr andre Bücher fein, 
          Die alle wohl beschlagen 
          Da lagen, 
          Die der alt Herr nit ansah. 
          Wer zu dem alten Herren 
          Kam in den schönen Saal, 
          Und grüsset ihn von ferren, 
          Den sah er an diesmal, 
          Sagt nichts und thäte neigen, 
          Mit Schweigen 
          Gen ihn sein alt Haupt schwach. 
          Dann Rede und 
          Gehör begunnt, 
          Ihm abzugehn aus Altersgrund. 
          Als ich nun da im Saale stund, 
          Und sein alt lieblich Antlitz rund 
          Beschaute, dacht ich nach. 
Die große Stadt und Garten 
          Ein finstre Wolk bezug, 
          Daraus blitzt in mein Warten 
          Ein Feuerstrahl und schlug 
          Ein Donnerstrahl erbittert 
          Es zittert 
          Alles an dieser Städt. 
          Ob diesem harten Knallen 
          Erschrack der alte Herr, 
          That in ein Ohnmacht fallen, 
          Bald ein Platzregen schwer 
          Ein Wasserfluth thät geben, 
          Die eben 
          Sehr großen Schaden thät, 
          Zween Tag hernach 
          Der alt Mann schwach 
          Starb, ihm gab ichs Grabgleit hernach, 
          Mein Herz mit Weinen laut durchbrach, 
          Drob mich mein Weib aufweckt ich sah 
          Daß ich geträumt hätt.  | 
 | 
Weihnachten, ach Weihnachten, 
        Du warst der Kinder Trost, 
        Die noch im Schlafe lachten, 
        Du Schlaf mir bald entflohst, 
        Die Stunden hell mir schlagen, 
        Wem sagen 
        Sie an den Tag so schnell, 
        Mein Wächter ist da drüben, 
        Er sagt mir an den Tag, 
        In Schmerzen vorzuüben, 
        Was hohe Lust vermag. 
        Zur Kirch bin ich gegangen, 
        Vergangen 
        War mir Verzweiflung schnell, 
        Es bleibt zurück 
        Ein sinnend Glück, 
        Und in den Traum ein tiefer Blick, 
        Wie in der Kinder Aug entzückt, 
        Wie ich sie halb noch schlafend drück, 
        Süß springt der Augen Quell. 
        Des Traumes deutend Summen 
          Ich nun ermessen kann: 
          Soll alle Lust verstummen, 
          Erstirbt ein hoher Mann? 
          Die Thränenfluthen brausen 
          Mit Grausen, 
          Der Menschen Haus versinkt! 
          Der Alte steigt als Taube 
          Verjünget aus der Fluth, 
          Mit einem grünen Laube 
          Im Schnäblein sorgsam gut. 
          Auf einem Buch sie sitzet, 
          Das blitzet, 
          Und schwimmt und nicht ertrinkt, 
          Mit Perlen ist 
          Beschlagen, wißt, 
          Das wars, was da der Alte liest, 
          Als er die arme Neugier grüßt; 
          Dies Buch such auf du frommer Christ, 
          Das dir den Frieden bringt. 
Die Schmerzensfluthen weichen, 
          Der Berg bleibt unverletzt, 
          Die neuen Menschen gleichen 
          Den Stämmen, die versetzt, 
          Es treibt sie edler Leben, 
          Sie geben 
          Nun edle Früchte nur. 
          Es wird aus Erdenschlünden 
          Das Buch der Vorzeit mein, 
          Und ihre schweren Sünden 
          Sind abgewaschen rein. 
          O wollt das Trauren stillen, 
          Will füllen 
          Mosaisch jede Spur. 
          Am Boden hell 
          Der Himmelsquell 
          Ist eingelegt, so Well auf Well, 
          Die Taube bleibet mein Gesell 
          Und trinkt des Buches ewgen Quell, 
          Gottes Wort in der Natur.  |