Achim von Arnim und Clemens Brentano
Des Knaben Wunderhorn. Dritter Band
Achim von Arnim und Clemens Brentano

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Anmuthiger Blumenkranz aus dem
Garten der Gemeinde Gottes,

ans Licht gegeben im Jahre 1712.

Es mögten sich nit wenige verwundern, daß man bei der Menge alter und neuer Gesangbücher doch wieder ein neues Liederbuch vor den Tag bringt, dazu zu einer Zeit, da man in der ganzen Welt nichts als Klag, Angst und Gefahr vorsiehet, und da die rechtschaffenen Sänger so rar, und die Harmonie unter denen, so den Namen der Freunde Gottes tragen, so gar schlecht und gering ist, daß Zion mehr Ursach findet, über sich und ihre Kinder zu weinen, als sie Lust gewinnen sollte, die Harfe vor dem Herrn zu rühren. Der Anlaß dieser neuen Sammlung war das Verlangen vieler Freunde, die unter den vielen Drangsalen den Muth nicht sinken lassen, vielmehr die innern Seelenkräfte durch vielerlei Anfechtungen an dem Kreutze Jesu ausspannen, und also vom Geiste der Weisheit in lebendiger Wahrheit gestimmet werden. Diese allein werden wohl die allerangenehmsten Sänger und Musikanten Gottes seyn; besonders da alle die äusseren Gerichte und die inneren Anfechtungen nichts anders als unfehlbare Vorboten sind, daß sich unsere Erlösung nahe. Wer wollte es einem treuen Kinde Gottes verdenken, wenn es mitten unter den Drangsalen sein Herz dem freudenreichen Geiste der Gnaden, als ein Werkzeug des Lobes Gottes darbietet, und den Herrn in seinem Herzen spiegeln läßt, so daß auch der Leib und die äusseren Organe zu einem andächtigen Gesang getrieben werden. Der Geist Gottes wechselt Seufzen und Gebet mit einem stärkenden Gesange.

Man hat also allen Fleiß angewendet, den Kern der Besten zu finden, ob man es allen recht gemacht habe, daran zweifelt man, worauf man daher auch nicht hat sehen können. Ja man kann nicht in Abrede seyn, daß hier eine mehrere Freyheit gebraucht worden, als man bishero bei dergleichen Gesangbüchern mögte gewohnt seyn, und daß man der Regel nicht genau nachgekommen sey, die gern haben will, daß man alles beim Alten lasse. Man hat kein Bedenken getragen, hie und da in den Gesängen zu ändern, je nachdem es sich der eignen Seele durch die geheime Wirkung der Gnade Gottes näher anfügte oder sonst dem Vorbild des heilsamen Wortes gemässer wurde, nicht aus Verachtung der Singer, darum man auch nicht hoffet, daß irgend ein noch lebender Verfasser eines hierin befindlichen Liedes dieses übel nehmen werde, da man doch keines keinem zuschreibt, sondern der allgemeinen Erbauung, die der Hauptgrund aller wahren Freiheit seyn soll. So sind dann auch einige Lieder wieder in ihre erste Gestalt hergestellt worden, da solche von andern durch Zusätze und Veränderung eben nicht allezeit verbessert worden. Gleichwie man nun gedachter massen Freyheit genommen, zu thun, was man gethan, so lässet man auch Freiheit, darüber mit Bescheidenheit zu urtheilen. Sollte aber jemand die verschiedenen Ausdrücke und ungewohnten Redensarten dieser Lieder nach den Lehrsätzen irgend einer Religion prüfen, und die unerforschlichen Wege Gottes mit dem kanonisirten Maaßstabe der sogenannten Orthodoxie abcirkeln wollen, der wird diese Ehle an beiden Enden zu kurz finden. Viele werden auch die hierinn befindlichen Lieder nicht verstehen, viele können ihnen nicht anstehen. Der in der Welt nur Vergnügen oder nur Melancholie, oder die Zeit zu vertreiben suchet, und darum diese Liedlein herlallen wollte, der wird Zeugniß darin finden, die seine eitle Entheiligung bestrafen. So hat man auch nicht die Meinung, daß man durch Ausgebung so vieler Lieder die Weise einiger Werkheiligen billigen wolle, die entweder für sich allein, oder in Gesellschaft mit andern, so viele Lieder nach einander daher singen, und meinen Gott damit einen Dienst zu thun, da doch die äussere Stimme nur ein Ausdruck der inneren Begierde und Andacht, und dienet mehr zum Dienste dessen, der selbst anbetet, als eigentlich zum Dienste Gottes. Manche Seele sitzet oft von aussen unter den Sängern, da sie der Geist von innen ins Klagehaus führet, äussere menschliche Satzungen gehen oft ganz gegen die inneren Wirkungen des Geistes; dagegen geschieht gar oft, daß die allergeheimsten Freunde Gottes inwendig von dem Geiste so getrieben werden, daß ihre Aeusserung ein Gesang. Das göttliche Wesen ist kein tönend Erz, noch eine klingende Schelle, aber ein solches Singen ist kräftig, nicht nur sich selbst in heiliger Andacht zu erhalten, sondern auch andere, die es hören, zur wahren Andacht zu erwecken. Ja prüfet es und erfahret es, und der Geist wird zeugen, daß Geist Wahrheit sey!

 
1. Kampf des erwählten Volkes.

              Auf, auf, auf ihr Helden, waget Gut und Blut,
Würget mit vereinten Kräften Babels Brut!
Eure Feldposaunen,
Trommeln und Kartaunen,
Lasset tönen und erwecken Löwenmuth.

Wann die Blutfahn flieget, so seyd unverzagt,
Josua hat vor euch schon den Feind verjagt!
Unser Löwe brüllet,
Und mit Schrecken füllet
Das Heer der Assyrer, so sich an uns wagt.

Auf, auf, zuckt die Schwerdter, schlaget muthig drein,
Stürmt die Thürme Babels, reißt die Mauern ein.
Auf, sie sollen fallen,
Wenn Posaunen schallen,
Denn die Stunde, sie zu richten, bricht herein.

Du o Jesu führe selbsten deinen Krieg,
In uns, durch uns, mit uns, daß der Feind erlieg.
In der Kraft erscheinen
Wir nun als die deinen,
Können triumphiren nach erlangtem Sieg.

Preis, Kraft, Macht und Stärke sey dir starker Hort,
Von uns zubereitet immer fort und fort.
Jo, Jo, Jo, durch Sterben
Wollen wir erwerben
Deine Siegeskrone bei dem Friedensport.

Dann wird erst ertönen der Trompeten Hall,
Wenn wir werden jauchzen über Babels Fall.
Da wir können springen,
Neue Lieder singen;
Mit erhabnen Stimmen bei dem Jubelschall.

 
2. Erziehung durch Geschichte.

              Löwen laßt euch wieder finden,
Wie im ersten Christenthum;
Die nichts konnte überwinden,
Seht nur an ihr Marterthum.
Wie in Lieb sie glühen,
Wie sie Feuer spieen;
Da sich vor der Sterbenslust
Selbst der Satan fürchten must.

In Gefahren unerschrocken,
Und von Lüsten unberührt;
Die aufs Eitle konnten locken,
Alles sie zum Himmel führt.
Keine Furcht in ihnen,
Auf die Kampfschaubühnen
Sprangen sie mit Freudigkeit,
Hielten mit den Thieren Streit.

Ey wohlan, nur fein standhaftig,
O ihr Brüder tapfer drauf;
Lasset uns doch recht herzhaftig
Folgen jener Zeugen Hauf!
Nur den Leib berührets,
Was ihm so gebühret;
Er hats Leiden wohl verdient,
Und die Seel darunter grünt.

Fort weg mit dem Sinn der Griechen,
Denen Kreutz ein Thorheit ist;
O laßt uns zurück nicht kriechen,
Wenn ans Kreutz soll Jesu Christ!
Reiht euch dicht zusammen,
Wenn der Schlange Samen
Sich dem Glauben widersetzt,
Und das Schlachtschwerdt auf uns wetzt.

Schwängre vor, o goldner Regen,
Uns dein dürres Erb und Erd;
Daß wir dir getreu seyn mögen,
Und nicht achten Feuer, Schwerdt.
Als in Liebe trunken,
Und in dir versunken;
Mach die Kirch an Liebe reich,
Daß das End dem Anfang gleich.

 
3. Triumph des erwählten Volkes.

        Auf Triumph, es kommt die Stunde,
Da sich Zion, die Geliebte, die Betrübte hoch erfreut,
Babel aber geht zu Grunde,
Daß sie kläglich über Jammer, über Angst und Kummer schreit.

Diese Dirne hat beflecket
Ihr geschenktes, schön geschmücktes jungfräuliches Ehrenkleid;
Und mit Schmach und Hohn bedecket,
Die dem Lamme auf die Hochzeit ist zum Weibe zubereit.

Stolze Dirne nicht verweile,
Die da auf den vielen, vielen, vielen grossen Wassern sitzt;
Und mit Angeln und am Seile
Ganze Völker zu sich ziehet, und in schnöder Brunst erhitzt.

Zion siehet auf den Straßen
Die entblößten und geschminkten stolzen Töchter Babels an;
Wie sie sich beschauen lassen,
König, Priester, hoch und niedrig haben ihre Lust daran.

Auf dem Lande, in den Städten
Hat die Dirne mit dem Becher, alle Heyden toll gemacht;
Sie stolzieren in den Ketten,
Haben sie als Schicksalsgöttin, sich als Götzen hoch geacht.

Zions Schöpfer schaut vom Himmel
Auf die vollen, tollen Heyden und sein heilig Herz entbrennt;
Daß das wüste Weltgetümmel
Sich sein trautes Zion nennet, welches ihn doch nicht erkennt.

Zion netzet ihre Wangen
Mit so vielen heissen Thränen über den Verwüstungsgräuel;
Und erwartet mit Verlangen
In den Banden der Chaldäer ihres Gottes Sieg und Heil.

Amen, Zion ist erhöret,
Unsre Thränen sind wie Wasser gegen Mittag aufgezehret;
Seht, Chaldäa ist zerstöret,
Unser Weinen ist in Jauchzen, unsre Last in Lust verkehrt.

Freue dich mit Herz und Munde,
Du erkauftes, auserwähltes und erlöstes Israel;
Siehe Babels eigne Hunde,
Die die Frommen jagen mußten, fressen diese Jesabel.

Da wir noch an Babels Weiden
Unsre Harfen hängen mußten, war ein Tag wie tausend Jahr;
Aber nun in Zions Freuden
Wird für einen Tag gerechnet, was sonst tausend Jahre war.

O wie groß ist deine Wonne,
Schönstes Zion, es ist kommen, dein erwünschtes Hochzeitsfest;
Da sich Jesus, deine Sonne
Der dich krönet, deinen Bräutigam, deinen König nennen läßt.

Nach der Hochzeit wird die Nymphe
Aus dem Hause ihrer Mutter in des Vaters Haus geführt;
Die mit ewigem Triumphe
In der Krone ihrer Hochzeit, ewig, ewig triumphirt.

Auf ihr Cimbeln, auf ihr Saiten,
Psalter, Pauken und Trompeten, lobt des Herren Heiligkeit;
Laßt uns ihm ein Lob bereiten,
Er ist König, er ist König in der Zeit und Ewigkeit.

 
4. Erziehung der erwählten Seele
im erwählten Volke.

        Fahre fort mit Liebesschlägen,
Süßer Jesu, liebster Hort;
Laß sich Trübsalsstürme regen,
Denn sie treiben mich zum Port.
Da mein Herr, hier ist mein Rücken,
Schlag nur zu, ich habs verschuldt;
An das Kreutz mit Liebesstricken
Zieht mich deine grosse Huld.

Ich bin lang von dir gewichen,
Lang war mir das Eitle lieb;
Doch bist du mir nachgeschlichen,
Weil dich deine Liebe trieb.
Liebe, die dir Händ und Füsse
An das Kreutzesholz gespießt;
Liebe, die so honigsüße
Auf die armen Sünder fließt.

Ach so denke nicht, wie lange
Ich dich Bräutgam nicht erkannt;
Wie ich mich zur alten Schlange
Oft mit Herz und Sinn gewandt.
Sondern denk an deine Wunden,
Die dein heilig Fleisch durchritzt;
Denk an deine Trauerstunden,
Da du Blut für mich geschwitzt.

 
5. Erziehung durch Natur.

        Ach hör das süsse Lallen,
Den allerschönsten Ton
Der kleinen Nachtigallen,
Auf ihrem niedern Thron.
Hör, was sie dir da singet,
In ihrer grünen Claus;
Ihr schlechtes Wesen bringet
Viel weise Lehr heraus.

Sie spricht: ihr Menschen sehet,
Mein Nothdurft ist sehr klein;
Mein Wunsch nicht weiter gehet,
Als Nachtigall zu seyn.
Ich laß die hohen Nester,
Und liebe Niedrigkeit;
Das meine ist weit fester,
Und ruhig allezeit.

Ich hab, was Adler haben,
Sie aber nicht, was ich;
Der Luft und Erde Gaben,
Sind eben wohl für mich.
Die großen Schwan und Storchen,
Die reisen her und hin;
Sie sind voll Müh für morgen,
Und dies ist ihr Gewinn.

 
6. Erziehung durch Glück.

        Ach Gott, du bist, wie mans begehrt,
Du bist uns, was wir wollen;
Du bist ganz gut und ganz verkehrt,
Lieb kommt aus dir gequollen
Und Heil für den, der dies verlangt,
Wer aber Zorn will, Zorn empfangt;
O wunderbares Wesen.

Mach mich mein Schöpfer nur ganz stumm,
Und in die Still mich bringe;
Mein Will ist doch verkehrt und dumm,
Und will leicht solche Dinge,
Die selbst mich strafen wie ein Kind,
Ja mach mich taub und dazu blind,
Zu allem, was nicht ewig.

 
7. Erziehung durch Leidenschaft.

    O Zorn, du Abgrund des Verderbens,
Du unbarmherziger Tyrann;
Du frissest, tödtest sonder Sterben,
Und brennest stets von neuem an;
Wer da geräth in deine Haft
Bekommt der Hölle Eigenschaft.

Ach wären wir verwahret blieben,
Vor deiner strengen Widrigkeit;
Wie selig wären wir im Lieben,
Und wüßten nicht, was Ungleichheit
Im Guten und im Bösen sey,
So wären wir des Zornes frey.

O daß wir doch wohl mögten fassen,
Woher der Grimm entsprungen sey;
Und stünden in der Lieb gelassen,
Und hielten uns des Zornes frey;
Der Hochmuth und die Eigenheit
Erregen Zorn und Grimmigkeit.

Laß mich aus Eigenheit ausgehen,
Und aller Selbheit sterben ab;
Die Lieb heiß in mir auferstehen,
Und allen Zorn schick in das Grab;
Daß keine Noth mir mehr setz zu,
Kein Widerwille brech die Ruh.

Die Liebe, die nicht ist ihr eigen,
Die sich in allem macht gemein;
In mir sich laß in Demuth zeigen,
Laß mich ein Kind der Liebe seyn;
Der alten Schlange Kopf zerbrich
In mir und dann erkenne dich.

Wo ist o Liebe deine Tiefe,
Der Urgrund deiner Wunderkraft;
Seel, komm ein einzig Tröpflein prüfe
Von dieser Wirkungseigenschaft.
O wer in diesem tiefen Meer
Gleich einem Tröpflein sich verlör!

 
8. Erziehung durch Erkenntniß.

        O finstre Nacht, wann wirst du doch vergehen,
Wann bricht mein Lebenslicht herfür;
Wann werd ich doch von Sünden auferstehen,
Und leben nur allein in dir.
Wann werd ich in Gerechtigkeit
Dein Antlitz sehen allezeit?
Wann werd ich satt und froh mit Lachen,
O Herr nach deinem Bild erwachen?

Darum mein Geist sey wacker, wach und streite,
Fahr immer in der Heilgung fort;
Vergiß, was rückwärts ist, die grosse Beute
Steht noch an ihrem Orte dort.
Streck dich darnach, eil nach ihr zu,
Du findest sonsten doch nicht Ruh;
Bis du hast diese Kron erstritten,
Und mit dem Herrn den Tod erlitten.

O goldnes Meer, durchbrich doch deine Dämme,
Komm wie die aufgehaltne Fluth;
Und alles Fleisch, was lebet, überschwemme,
Das vor dir immer Böses thut.
O Gottes Lamm! dein Blut allein
Macht uns von allen Sünden rein;
Das Kleid, das drinn gewaschen worden,
Das trägt allein dein Priesterorden.

 
9. Erziehung durch Langeweile.

      Wo flieh ich hin? wo soll ich bleiben?
Wo wird die süße Stille seyn?
Da ich mich könnte schliessen ein,
Und mich nicht lassen mehr umtreiben
In Unruh dieser äussern Dinge.
Ist keine Einsamkeit bereit,
Darin ich Gott ein Loblied singe,
Der von Zerstreuung mich befreit?

Mein Geist will in die Wüste ziehen,
Und wünscht sich Taubenflügel an;
Weil er vor Angst nicht bleiben kann,
Da wo die Menschen sich bemühen,
Von Gott noch weiter wegzugehen
Und niemals bei sich selbst zu seyn;
Ich kann den Jammer nicht mehr sehen,
Und bleibe selbst dabei nicht rein.

Drum fort o Seel! entzeuch geschwinde
Dich der Gesellschaft dieser Welt!
Zerreiß, was dich gefangen hält,
Damit dein Fuß die Ruhe finde,
Wo kein Geräusche dich verstöret;
Kein Zuspruch, Sorgen und Verdruß
Den Umgang dir mit Gott verwehret,
Der hier oft unterbleiben muß.

Ich freu mich schon auf eine Kammer,
Die mich in sich verschliessen wird;
Und durch den engen Raum abführt,
Von aller Unruh, Streit und Jammer,
Den große Städt und Schlösser haben;
Hier soll nur meine Ruhstätt seyn,
Da Sicherheit und Fried mich laben,
Und kein Unfriede bricht herein.

Nun will ich erst recht singen, beten,
Und in der Andacht kommen weit;
Weil ich nicht durch so viel zerstreut,
Vor Gott mit stillem Geist darf treten.
Da soll kein Feind mich hindern können,
Ich geh in Canaan schon ein,
Mein Paradies soll man es nennen,
Hier will ich auch begraben seyn.

 
Gegensatz.

          Ach triumphir nicht vor dem Siege,
O Seel wo willt du fliehen hin;
Da dein verblendter Eigensinn
Vor Feinden frey und sicher liege.
Suchst du noch Ruh in äussern Dingen,
Ach glaube mir, du findst sie nicht;
Wirst du nicht nach dem Innern ringen,
So ists mit dem nicht ausgericht.

Drum bleib nun im Gehorsam stehen,
Kein Kriegsmann weicht von seinem Post;
Wenns auch schon Blut und Leben kost,
Wenn ihn sein Herr dahin heißt gehen.
Der Glaub weiß nichts von eignem Willen,
Er sieht sich selbst den Weg nicht aus,
Dadurch er Gottes Will erfüllen,
Und aus dem Streit will kommen raus.

Du bist dir selbst die größte Plage,
Du trägst noch Babel stets in dir;
Willt du noch Ruh genießen hier,
So laß dir keine süße Tage
Durch süße Träume hier verlegen,
Du machst dich nur mehr misvergnügt;
Der liebe Jesu wird dich hegen,
Der alles Wissen überwiegt.

Du kannst auch mitten im Getümmel
Der Welt, den Vater beten an;
Der dich ja bald erlösen kann,
Wenn dir erst nütze jener Himmel
Und dich Egypten nicht sollt üben,
Daß deiner Treiber schweres Joch
Dich lehrte recht den Himmel lieben,
Und dein Verlangen stillte noch.

Hier ist kein Canaan zu hoffen,
Kein Paradies ist mehr allhier;
Es hat noch niemand der mit dir
Entfliehen will, den Zweck getroffen.
Die Hoffnung nährt sich mit den Dingen,
Die süß und doch unsichtbar sind;
Es muß uns doch zulezt gelingen,
Bleib nur in Einfalt Gottes Kind.

Nur freue dich auf jene Kammer
Des Friedens, da du wohnen wirst,
Wenn dich nicht mehr nach Ruhe dürst,
Und bist befreyt von allem Jammer,
Den hier noch Städt und Wüsten haben,
Und wo du nur willt fliehen hin;
Die Einsamkeit kann dich nicht laben,
Wenn mit dir zieht dein Eigensinn.

 
10. Erziehung durch Vergöttlichung.

        Verborgenheit!
Wie ist dein Meer so breit
Und wundertief, ich kann es nicht ergründen,
Man weiß kein Maaß, noch Ziel, noch End zu finden,
So lang man ist in der Vergänglichkeit,
Verborgenheit.

Die Herrlichkeit,
Die du hast allbereit,
Den Kindern deiner Lieb hier beygeleget,
Ist sonderlich. Wer dies Geheimniß heget,
Der trägt in sich auch zur elendsten Zeit
Die Herrlichkeit.

Du selber bist
Der Brunn, der ihnen ist
In ihrem Geist zum steten Heil entsprungen,
Durch dich ist ihnen manches Werk gelungen;
Doch leidets nicht so mancher falsche Christ,
Daß selbst du's bist.

Der Liebe Band
Ist vielen unbekannt;
Wie segnet sich der Geitzige im Herzen,
Wenn er mit Geld die Christen siehet scherzen;
Das macht, er kennt nicht Gottes Wunderhand
In diesem Band.

Darum versteckt
Der Herr, was er erweckt,
Die Kinder gehn nur immer im Verborgen,
Die doch noch kein Gericht besorgen;
Bis endlich Gott die Herrlichkeit entdeckt,
Die war versteckt.

So wandelt er
Im Heiligthum umher,
Mit leisem Schritt, der kann ihn nicht vernehmen,
Wer sich zur Einfalt nicht will ganz bequemen,
Wie er sonst nichts zu thun pflegt ohngefähr,
So wandelt er.

 
11. Erziehung durch Ahndung.

            Denkst du nicht, Maria, mehr an die ausgestandnen Schmerzen,
Als das kleine Jesulein in dir ein Gestalt gewann?
O wie sollt ich ihn nicht drum tausendmal im Glauben herzen,
Da er nun zusehens wächst, mir zum Bräutgam und zum Mann.

Hat Johannes nicht vor Freud, schon im Mutterleib gesprungen,
Spielt er nicht zum voraus schon, eh er noch kam an das Licht;
Haben wir nicht seine Freund oft sein Hochzeitslied gesungen,
Hat man mir mit Fingern da dieses Kind gezeiget nicht.

Nun liegt mir dies Kind im Schooß! Nun hab ich das Lamm vor Augen,
Schaue, wie es mir zur Lust treibt so manches süße Spiel;
Ist dies nicht mein Freund, der pflegt meiner Mutter Brust zu saugen,
Ist er nicht mein Salomon, den ich niemals küß zu viel.

Ja er ists, und was ich will, kann ich in dem Kindlein finden,
Kind und Bräutigam zugleich heißt und ist er in der That;
Denn die zarte Liebe kann auch wohl Kinder ehlich binden,
Daß in Unschuld als sich selbst, eins das andre lieber hat.

 
12. Erziehung durch Ueberzeugung.

        Wohl dem, welcher unverwirret
Von der irdischen Unruh
Wie ein einsam Täublein girret,
Und fleugt holen Felsen zu,
Dessen Herz auf Gott gericht,
Horchet, was er zu ihm spricht.

Wohl dem, welcher nimmt die Haue,
Grabet, hackt mit Lust und Schmerz,
Auf daß er den Acker baue
Und noch mehr sein dürres Herz,
Der die Welt mit ihrer Pracht
Ehr, Gemächlichkeit verlacht.

Wohl dem, welcher dann alleine
Sitzt bei einem klaren Bach,
Lebet nur, auf daß er weine,
Uebe an sich selber Rach;
Daß der keuschen Engel Hauf
Fasset seine Thränen auf.

Wohl dem, dessen Aug und Wangen
Wie ein überströmend Fluth
Seinen Weg, den er gegangen,
Netzet mit dem Herzensblut
Wohl der Erde, Holz und Au,
Dieses ist ihr Himmelsthau.

 
13. Erziehung durch Genuß.

      Steh auf Nordwind,
Und komm Südwind!
Weh mit deiner heilgen Luft
Durch den Garten,
Ich will warten
Dein in meines Herzens Gruft;
Laß dein Sausen
Auf mich brausen,
Meine Seele nach dir ruft.

Steh auf Nordwind,
Und komm Südwind!
Jag die schwarzen Wolken hin!
Mach das Dunkle,
Daß es funkle,
Alle Finsterniß zerrinn!
Finstre Sünden
Laß verschwinden,
Und mach helle Herz und Sinn.

Steh auf Nordwind,
Und komm Südwind!
Mach mein kaltes Herze heiß;
Dich zu lieben,
Das zu üben,
Was gereicht zu deinem Preis.
Sey mir günstig,
Mach mich brünstig,
In mein Herz die Liebe geuß.

 
14. Prüfung in heiliger Flamme.

    Brennt immerhin
Ihr angezündte Flammen!
Bewahrt die Kraft beisammen,
Und hebt den schweren Sinn
Mit euren Liebesflügeln
Nach jenen Weihrauchhügeln,
Da mein verliebter Sinn
Brennt immerhin.

Ich weiß es schon,
Wo ich den Schönsten funden,
Der meinem Geist verbunden!
Er ist der Liebe Lohn,
Der sich mir selbst muß geben,
Soll anders ich noch leben.
Wo seine Schönheit wohn,
Das weiß ich schon.

Ich hab ihn nun,
Und such ihn doch noch immer
In meines Herzens Zimmer,
Wo er so gern will ruhn;
Das sehnliche Verlangen
Der Lieb' hat mich gefangen,
Mir stätig wohl zu thun.
Ich hab ihn nun.

Kein Auge sieht,
Kein Herz hat überkommen,
Kein Ohr hat je vernommen,
Wenn unser Bette blüht;
Was Gott hat dem bereitet,
Der sich von ihm nicht scheidet,
Und Liebe in sich zieht,
Die man nicht sieht.

Man kann auch nicht
Von dem Geheimniß schreiben;
Es muß verschwiegen bleiben,
Was Lieb' in uns verricht.
Es ist recht groß zu nennen,
Wenn Jesus will erkennen
Die Braut in seinem Licht,
Man kennt es nicht.

 
15. Bekenntniß.

        Unschätzbares Einfaltwesen!
Perle, die ich mir erlesen;
Vielheit in mir ganz vernicht
Und mein Aug auf dich nur richt.

Mach mich los vom Doppeltsehen!
Laß auf eins den Sinn nur gehen;
In recht unverrückter Treu,
Und von allen Tücken frey.

Ey so mach mich dann aufrichtig,
Einen Leib, der ganz durchsichtig;
Licht sey, schaff und ruf in mir
Aus der Finsterniß herfür.

Mache neu die alte Erde,
Daß sie kristallinisch werde;
Und das Meer laß seyn nicht mehr,
Ausser nur dein gläsern Meer.

Dieses laß mit Feuergüssen
Aus dir in mich überfließen:
Komm o stark erhabne Fluth,
Reiß mich hin ins höchste Gut.

 
16. Hochzeitmorgen.

        Weil ich nun seh die goldnen Wangen
Der Himmelsmorgenröthe prangen,
So will auch ich dem Himmel zu,
Ich will der Leibsruh Abschied geben,
Und mich zu meinem Gott erheben,
Zu Gott, der meiner Seele Ruh.

Ich will durch alle Wolken dringen,
Und meinem süßen Jesu singen,
Daß er mich hat ans Licht gebracht;
Ich will ihn preisen, will ihm danken,
Daß er mich in des Leibes Schranken
Durch seinen Engel hat bewacht.

 
17. Hochzeitmittag.

        Wenn die Seele sich befindet
In des Bräutgams Keller stehn,
Wird sie als vom Wein entzündet,
Jauchzens voll einherzugehn,
Daß ihr Leib und ganzer Geist
Trunken und entzücket heißt.

Alsdann wird sie aufgezogen,
Und in stille Luft geführt,
Aus den wilden Meereswogen,
Aus den Dingen, die sie spürt.
Unerträglich leer zu seyn,
Wenn die Sinnen dringen ein.

Alles liegt zu ihren Füssen,
Was zu dieser Welt gehört,
Ja sie kann auch leichtlich missen,
Was durch guten Schein bethört;
Denn sie hat den klugen Geist,
Der ihr bessre Güter weist.

Wie ein Trunkner liegt sie stille,
Der wie unempfindlich scheint,
Daß der sonst zertheilte Wille
Aufgeopfert nicht mehr meint,
Als nur Gott und seine Kraft,
Die den Sohn der Liebe schafft.

 
18. Hochzeitabend.

            Nun muß ich ihn lieben, nun muß ich allein,
Des göttlichen Bräutgams Verlobete seyn!
Ihn lieben ist Freude und selig genug,
Drum folg ich mit Lust dem heiligen Zug.

Was bringet die irdische Liebe als Tod?
Was wirken die fleischlichen Lüste als Noth?
Wie bald ist ein Blick der Freude vorbei?
Da sieht man wie kurz die Eitelkeit sey.

Der göttliche Funken kann nimmermehr ruhn,
Als wenn er zum Ursprung sich wieder kann thun;
Da findet er Lust, da giebt er sich ein,
Da wächset sein Licht vom lieblichsten Schein.

Und wenn er nun wächset, so mehrt sich die Kraft,
Die Gottes liebreitzendes Küssen verschafft,
Da stirbet das Fleisch, da lebet der Geist,
Der Christi Verlobte nun ewiglich heißt.

Und ist dem Verliebten nur Reinheit bewußt,
So öffnet sich rein paradiesische Lust;
Da kämpfet und siegt vereinigte Stärk,
Wird täglich erfrischt zum göttlichen Werk.

Bewegst du o Jesu den innersten Grund,
So öffnet des Glaubens erweiterten Mund;
Erfülle das Herz mit Liebe zu dir,
Und bleibe im Schmerz und Freude bei mir.

Genug hast du Liebe, o Liebe für mich,
Drum such ich sie bei dir mein anderes Ich,
Nun sink ich in deine Vollkommenheit ein,
Ich kann nicht ohn dich, mein Leben, mehr seyn.

 
19. Hochzeit.

        Ermuntert euch ihr Frommen,
Zeigt eurer Lampen Schein;
Der Abend ist gekommen,
Die finstre Nacht bricht ein.
Es hat sich aufgemachet
Der Bräutigam mit Pracht;
Auf! betet, kämpft und wachet,
Bald ist es Mitternacht.

Macht eure Lampen fertig,
Und füllet sie mit Oehl;
Seyd nun des Heils gewärtig,
Bereitet Leib und Seel!
Die Wächter Zions schreien,
Der Bräutigam ist nah,
Begegnet ihm im Reihen,
Und singt Halleluja.

Ihr klugen Jungfraun alle
Hebt nun das Haupt empor,
Mit Jauchzen und mit Schalle
Zum frohen Engelchor.
Die Thür ist aufgeschlossen,
Die Hochzeit ist bereit,
Auf! auf ihr Reichsgenossen,
Der Bräutgam ist nicht weit.

Er wird nicht lang verziehen,
Drum schlaft nicht wieder ein;
Man sieht die Bäume blühen
Der schöne Frühlingsschein
Verheißt Erquikungszeiten,
Die Morgenröthe zeigt
Den schönen Tag von weiten
Vor dem das Dunkle weicht.

Wer wollte denn nun schlafen?
Wer klug ist, der ist wach;
Gott kommt, die Welt zu strafen,
Zu üben Grimm und Rach
An allen, die nicht wachen,
Und die des Thieres Bild
Anbeten, sammt dem Drachen:
Drum auf, der Löwe brüllt.

Begegnet ihm auf Erden,
Ihr, die ihr Zion liebt,
Mit freudigen Geberden,
Und seyd nicht mehr betrübt!
Es sind die Freudenstunden
Gekommen und der Braut
Wird, weil sie überwunden,
Die Krone nun vertraut.

Hier sind die Siegespalmen,
Hier ist das weiße Kleid;
Hier stehn die Waitzenhalmen,
Im Frieden nach dem Streit,
Und nach den Wintertagen,
Hier grünen die Gebein,
Die dort der Tod erschlagen,
Hier schenkt man Freudenwein.

Hier ist die Stadt der Freuden
Jerusalem der Ort,
Wo die Erlösten weiden,
Hier ist die sichre Pfort.
Hier sind die goldnen Gassen,
Hier ist das Hochzeitmahl;
Hier soll sich niederlassen,
Die Braut im Rosenthal.

 
20. Triumph der erwählten Seele.

      Triumph, Triumph! Es kommt mit Pracht
Der Siegesfürst heut aus der Schlacht;
Wer seines Reiches Unterthan,
Schau heute sein Triumphfest an!
Triumph! Triumph! Victoria!
Und ewiges Hallelujah.

Vor Freuden Thal, Berg, Wald erklingt,
Die Erde schönes Blumwerk bringt,
Der Zierath, die Tapezerey
Zeigt daß ihr Schöpfer Sieger sey.
Triumph u.s.w.

Die Sonne sich aufs Schönste schmückt,
Und wieder durch das Blaue blickt;
Die vor pechschwarz im Trauerkleid
Beschaut den blutgen Todesstreit,
Triumph u.s.w.

Das stille Lamm jezt nicht mehr schweigt,
Sich muthig als ein Löw erzeigt;
Kein harter Fels ihn hält und zwingt,
Grab, Siegel, Riegel vor ihm springt.
Triumph u.s.w.

Der andre Adam heut erwacht,
Nach seiner harten Todesnacht;
Aus seiner Seite er erbaut,
Uns seine theur erlöste Braut.
Triumph u.s.w.

Wie Aarons Ruthe schön ausschlug,
Am Morgen blüht und Mandeln trug;
So träget Frucht der Seligkeit
Des hohen Priesters Leichnam heut.
Triumph u.s.w.

Nun ist die Herrlichkeit erkämpft,
Der Sünden Pest und Gift gedämpft;
Der schweren Handschrift Fluch und Bann
Vertrit hier mein Erlösersmann.
Triumph u.s.w.

Du theure Seel bist ausgebürgt,
Der höllische Tyrann erwürgt,
Sein Raubschloß und geschworne Rott
Ist ganz zerstört, der Tod ein Spott.
Triumph u.s.w.

Herr Jesu, wahrer Siegesfürst,
Wir glauben, daß du schenken wirst
Uns deinen Frieden, den du bracht
Mit aus dem Grab und aus der Schlacht.
Triumph! Triumph! Victoria!
Und ewiges Hallelujah.


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