Achim von Arnim und Clemens Brentano
Des Knaben Wunderhorn. Dritter Band
Achim von Arnim und Clemens Brentano

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Liebesklagen des Mädchens.

1.

        Nach meiner Lieb viel hundert Knaben trachten,
Allein der, den ich lieb, will mein nicht achten,
Ach weh mir armen Maid, vor Leid muß ich verschmachten.

Jeder begehrt zu mir sich zu verpflichten,
Allein der, den ich lieb, thut mich vernichten,
Ach weh mir armen Maid, was soll ich dann anrichten.

All andre thun mir Gutes viel verjehen,
Allein der, den ich lieb, mag mich nicht sehen,
Ach weh mir armen Maid, wie muß mir dann geschehen.

Von allen keiner mag mir widerstreben,
Allein der, den ich lieb, will sich nicht geben,
Ach weh mir armen Maid, was soll mir dann das Leben.

 
2.

          Ich wollt, daß der verhindert mich
An meinem Glück, sollt halten sich
Ein Jahr nach meinem Willen,
Ich wollt ihm gar in kurzer Zeit, all seinen Hochmuth stillen.

Ich wollt, daß der mein jezund Spott,
Ein Jahr sollt halten mein Gebot,
Er würd dermassen büssen,
Daß ihn gewiß in Tagen kurz, seins Lebens sollt verdriessen.

 
3.

        Ich bin gen Baden zogen,
Zu löschen meine Brunst,
So find ich mich betrogen,
Denn es ist gar umsunst,
Wer kann das Feuer kennen,
Das mir mein Herz thut brennen!

Ich thu mich vielmals wäschen
Mit Wasser kalt und heiß,
Und kann doch nicht erlöschen,
Ja mein kein Rath mehr weiß,
Kann nicht das Feuer kennen,
Das mir im Herz thut brennen.

 
4.

            Wenn ich den ganzen Tag
Geführt hab meine Klag,
So giebts mir noch zu schaffen
Bey Nacht, wann ich soll schlafen.
Ein Traum mit großem Schrecken
Thut mich gar oft aufwecken.

Im Schlaf seh ich den Schein
Des Allerliebsten mein,
Mit einem starken Bogen,
Darauf viel Pfeil gezogen,
Damit will er mich heben
Aus diesem schweren Leben.

Zu solchem Schreckgesicht
Kann ich stillschweigen nicht,
Ich schrei mit lauter Stimmen:
»O Knabe laß dein Grimmen,
Nicht wollst, weil ich thu schlafen,
Jezt brauchen deine Waffen.«

 
5.

        Ach hartes Herz, laß dich doch eins erweichen,
Laß mich zu deiner Huld doch noch gereichen;
Wen sollt doch nicht erbarmen,
Daß ich muß als erarmen.

Ach starker Fels, laß dich doch eins bewegen,
Thu dein gewohnte Härt eins von dir legen;
Wen sollt doch nicht erbarmen,
Daß ich muß als erarmen.

Ach veste Burg, laß dich doch eins gewinnen,
Ach reicher Brunn, laß mich nicht gar verbrinnen;
Wen sollt doch nicht erbarmen,
Daß ich muß als erarmen.

 
6.

    Wer sehen will zween lebendige Brunnen,
Der soll mein zwey betrübte Augen sehen,
Die mir vor Weinen schier sind ausgerunnen.

Wer sehen will viel groß und tiefe Wunde,
Der soll mein sehr verwundtes Herz besehen,
So hat mich Lieb verwundt im tiefsten Grunde.

 
7.

        Mit Weinen thu ich meine Zeit vertreiben,
Kein Mensch auf Erd den Jammer kann beschreiben,
Den ich erduld bey Nacht und auch bey Tage,
Und red ich nicht, so tödtet mich die Plage.

Die Augen mein, vertrocknet tiefe Brunnen,
Durch Weinen sind so gänzlich ausgerunnen,
Daß ich deswegen muß gar bald verschmachten
Beym vollen Brunnen, wo ich nächtlich wachte.

 
8.

        Der süsse Schlaf, der sonst stillt alles wohl,
Kann stillen nicht mein Herz mit Trauren voll,
Das schafft allein, der mich erfreuen soll.

Kein Speis, kein Trank mir Lust noch Nahrung giebt,
Kein Kurzweil mehr mein traurig Herze liebt,
Das schafft allein, der so mein Herz betrübt.

Gesellschaft ich nicht mehr besuchen mag,
Ganz einig sitz in Unmuth Nacht und Tag,
Das schafft allein, den ich im Herzen trag.

 
9.

        Recht wie ein Leichnam wandle ich umher
Zu seiner Thüre Nachts und seufze schwer,
Aus meiner Brust an Trost und Wohlseyn leer.

Mein Athem stöhnet wie ein Fichtenwald,
Ein Unglückszeichen mein Gesang erschallt,
Daß alle Nachbarn sich ergrimmen bald.

Sie lärmen, nicht zu hören all mein Weh,
Sie nehmen Umweg, daß mich keiner seh,
Jezt fürcht ich nichts, war scheu sonst wie ein Reh.

Wie von dem Ast im Traum ein Vogel fällt,
So flattre ich des Nachts, so ungesellt;
Ein Unglücksvogel nimmermehr gefällt!

Was soll draus werden? fraget alle Welt.
Was ist die Welt? Wer schuf sie unbestellt?
Die schuf allein, die mich so sehr entstellt.

Ich freu mich, wie mein Fleisch so schwinden thut,
Mein festes Land zerreißt der Strom vom Blut,
Der aus dem Herzen kommt und niemals ruht.

O meine Thränen, keiner schätzet euch,
Ihr seyd den Himmelsgaben darin gleich;
An allem bin ich arm, in euch so reich.


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