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10. Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin.

In den Neun Bergen bei Rambin wohnen nun die Zwerge und die kleinen Unterirdischen und tanzen des Nachts in den Büschen und Feldern herum und führen ihre Reigen und ihre Musiken auf im mitternächtlichen Mondschein, besonders in der schönen und lustigen Sommerzeit und im Lenze, wo alles in Blüte steht; denn nichts lieben die kleinen Menschen mehr als die Blumen und die Blumenzeit. Sie haben auch viele schöne Knaben und Mädchen bei sich; diese aber lassen sie nicht heraus, sondern behalten sie unter der Erde in den Bergen, denn sie haben die meisten gestohlen oder durch einen glücklichen Zufall erwischt und fürchten, daß sie ihnen wieder weglaufen möchten. Denn vormals haben sich viele Kinder des Abends und des Morgens locken lassen von der süßen Musik und dem Gesange, der durch die Büsche klingt, und sind hingelaufen und haben zugehorcht: denn sie meinten, es seien kleine singende Waldvögelein, die mit solcher Lustigkeit musizierten und Gott lobeten – und dabei sind sie gefangen worden von den Zwergen, die sie mit in den Berg hinabgenommen, daß sie ihnen dort als Diener und Dienerinnen aufwarteten. Seitdem die Menschen nun wissen, daß es da so hergeht und nicht recht geheuer ist, hüten sie sich mehr, und geht keiner dahin. Doch verschwindet von Zeit zu Zeit noch manches unschuldige Kind, und die Leute sagen dann wohl, es hab's einer der Zwerge mitgenommen: und oft ist es auch wohl durch die Künste der kleinen braunen Männer eingefangen und muß da unten sitzen und dienen und kann nicht wiederkommen. Das ist aber ein uraltes Gesetz, das bei den Unterirdischen gilt, daß sie je alle fünfzig Jahre wieder an das Licht lassen müssen, was sie eingefangen haben. Und das ist gut für die, welche so gefangen sitzen und da unten den kleinen Leuten dienen müssen, daß ihnen diese Jahre nicht gerechnet werden, und daß keiner da älter werden kann als zwanzig Jahre, und wenn er volle fünfzig Jahre in den Bergen gesessen hätte. Und es kommen auf die Weise alle, die wieder herauskommen, jung und schön heraus. Auch haben die meisten Menschen, die bei ihnen gewesen sind, nachher auf der Erde viel Glück gehabt: entweder, daß sie da unten so klug und witzig und anschlägisch werden, oder daß die kleinen Leute, wie einige erzählen, ihnen unsichtbar bei der Arbeit helfen und Gold und Silber zutragen.

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Die Unterirdischen, welche in den Neun Bergen wohnen, gehören zu den braunen, und die sind nicht schlimm. Es gibt aber auch schwarze, das sind Tausendkünstler und Kunstschmiede, geschickt und fertig in allerlei Werk, aber auch arge Zauberer und Hexenmeister, voll Schalkheit und Trug, und ist ihnen nicht zu trauen. Sie sind auch Wilddiebe, denn sie essen gern Braten. Sie dürfen aber das Wild mit keinem Gewehr fällen, sondern sie stricken eigene Netze, die kein Mensch sehen kann; darin fangen sie es. Darum sind sie auch Feinde der Jäger und haben schon manchem Jäger sein Gewehr behext, daß er nicht treffen kann. Das glauben aber bis diesen Tag viele Leute, daß nichts eine größere Gewalt über diese Schwarzen hat als Eisen, worüber gebetet worden, oder was in Christenhänden gewesen ist. Solche Schwarzen wohnen hier aber gar nicht.

In zwei Bergen wohnen von den weißen, und das sind die freundlichsten, zartesten und schönsten aller Unterirdischen, fein und anmutig von Gliedern und Gebärden und ebenso fein und liebenswürdig drinnen im Gemüte. Diese Weißen sind ganz unschuldig und rein und necken niemand, auch nicht einmal im Scherze, sondern ihr Leben ist licht und zart, wie das Leben der Blumen und Sterne, mit welchen sie auch am meisten Umgang halten. Diese niedlichen Kleinen sitzen den Winter, wann es auf der Erde rauh und wüst und kalt ist, ganz still in ihren Bergen und tun da nichts anders, als daß sie die feinste Arbeit wirken aus Silber und Gold, daß die Augen der meisten Sterblichen zu grob sind, sie zu sehen; die sie aber sehen können, sind besonders feine und zarte Geister. So leben sie den trüben Winter durch, wann es da draußen unhold ist, in ihren verborgenen Klausen. Sobald es aber Frühling geworden und den ganzen Sommer hindurch, leben sie hier oben im Sonnenschein und Sternenschein sehr fröhlich und tun dann nichts als sich freuen und andern Freude machen. Sobald es auch im ersten Lenze zu sprossen und zu keimen beginnt an Bäumen und Blumen, sind sie husch aus ihren Bergen heraus und schlüpfen in die Reiser und Stengel und von diesen in die Blüten und Blumenknospen, worin sie gar anmutig sitzen und lauschen. Des Nachts aber, wann die Menschen schlafen, spazieren sie heraus und schlingen ihre fröhlichen Reihentänze im Grünen um Hügel und Bäche und Quellen und machen die allerlieblichste und zarteste Musik, welche reisende Leute so oft hören und sich verwundern, weil sie die Spieler nicht sehen können. Diese kleinen Weißen dürfen auch bei Tage immer heraus, wann sie wollen, aber nicht in Gesellschaft, sondern einzeln, und sie müssen sich dann verwandeln. So fliegen viele von ihnen umher als bunte Vögelein oder Schmetterlinge oder als schneeweiße Täubchen und bringen den kleinen Kindern oft Schönes und den Erwachsenen zarte Gedanken und himmlische Träume, von welchen sie nicht wissen, wie sie ihnen kommen. Das ist bekannt, daß sie sich häufig in Träume verwandeln, wenn sie in geheimer Botschaft reisen. So haben sie manchen Betrübten getröstet und manchen Treuliebenden erquickt. Wer ihre Liebe gewonnen hat, der ist im Leben besonders glücklich, und wenn sie nicht so reich machen an Schätzen und Gütern als die andern Unterirdischen, so machen sie reich an Liedern und Träumen und fröhlichen Gesichten und Phantasien. Und das sind wohl die besten Schätze, die ein Mensch gewinnen kann.

Nun will ich ein paar Geschichten erzählen von den Neun Bergen, die sich vor alters begeben haben, und die unser alter Statthalter Hinrich Vierk mir in meinen Knabenjahren oft erzählt hat, und die ich von vielen andern seiner Geschichten noch behalten habe. Was ich also nun erzähle, das erzählt eigentlich Hinrich Vierk.

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