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Ueber die Eifersucht

Eine Handvoll Spielzeughäuschen und ein Schwarm diamantener Flämmchen waren auf dem Ufer verstreut, unerreichbare, feierliche Berge türmten sich ringsherum auf und hoch oben ziselierte das Mondlicht ihre steilen Abhänge auf dem tiefblauen, weiten Himmel. Der Mond, weiß und rund, hing über dem Meere, und das Meer spielte kräuselnd im silbernen Schmelz. Alles war geheimnisvoll und feierlich, und einsame, große Sterne funkelten über den Bergeshöhen.

Alles das war erstaunlich wie ein Traum, nach dem Wirrwarr, nach dem Geschrei und Gerenne, das vor einer kurzen halben Stunde so unerwartet im Park losbrach.

Eben geschah ein grausamer, sinnloser Mord, ein junges, schönes Leben war zerstört worden; eben noch rannten wir wie Besessene hin und her, schrien, waren empört, entsetzt, riefen um Hilfe; eben noch sahen wir das von der Todesqual verzerrte, aller Menschlichkeit bare Gesicht der Getöteten, und das Gesicht des Mörders, weiß wie Papier, mit total irrsinnigen Augen und zitterndem Unterkiefer. Man hielt den Mann an den Armen und schlug ihn mit allem, was einem unter die Hände geriet, alle schlugen zu: distinguierte Herren und elegante Damen, die beim Anblick des Blutes den Verstand verloren zu haben schienen.

Ich habe selbst gesehen, wie eine Dame, mit auf die Seite verschobenem Hute und ganz runden Pupillen, ihn zweimal mit dem Sonnenschirm auf den Kopf schlug ...

Wie doch das alles unerwartet und widerwärtig war!

Und jetzt ist alles wie weggeweht: ruhig wacht der Mond über die Weiten des Meeres, auf dessen flimmerndem Gekräusel schläfrig die schwarzen Silhouetten der Schifferbarken schaukeln; sein Licht breitet sich über die Höhen der Berge aus, schlank erheben sich die geheimnisvollen Zypressen und leise Musik tönt aus dem Stadtpark herüber.

Nur im Restaurant, das seine weißen Tischchen zwischen blühenden Glyziniensträuchern und dunklen Zypressen unter dem Nachthimmel verstreut hat, sah man noch aufgeregte Gesichter und erregte Stimmen; Fragen und Antworten tönten hier und dort. An allen Tischen erzählte man sich die Einzelheiten des Dramas, und die nicht das Glück gehabt hatten, dabei gewesen zu sein, blickten mit vor Neugierde verdunkelten Augen auf den Mund der Augenzeugen, die, wie es schien, mit Vergnügen das Entsetzliche des Geschehenen nochmals durchlebten. Alle bedauerten die junge, schöne Frau, deren Leben durch die Hand jenes irrsinnigen, eifersüchtigen Menschen ein so frühes Ziel gesetzt ward, alle erinnerten sich ihrer Anmut, Schönheit und Jugend. Niemand sprach den Namen des Mörders aus, alle sprachen nur von »ihm«, und legten eine Verachtung, ein Staunen hinein, als ob er nicht ein gewöhnlicher Mensch sei, sondern etwas Ungeheuerliches, schlechterdings Unbegreifliches.

Es fügte sich so, daß ich als einer der ersten an dem Tatort angekommen war und sogar geholfen hatte, die Getötete in die Droschke zu bringen. Deshalb zitterten mir bis zu diesem Augenblick Hände und Knie, und das Bild des toten, furchtbar kläglichen Gesichtes, des Blutes, der kraftlos herabhängenden feinen Hände, verließ mich auf keinen Augenblick. Neben sie, auf den Sitz der Droschke, legte ich ihren großen, leichten Hut, dessen Blumen zerknüllt und gebrochen waren, und es schien mir, als ob in ihr, der schönen, lebensvollen Frau, und einer gebrochenen roten Rose, einer toten Rose, irgend etwas Gemeinsames wäre.

Im Restaurant setzte ich mich zu einem sehr bekannten und nicht mehr jungen Schriftsteller und bestellte eine Karaffe Wasser.

Während der ganzen Zeit, da ich ihm erregt und atemlos die ganze entsetzliche und traurige Geschichte erzählte, trank er unausgesetzt Rotwein und sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an, als ob ihm meine Aufregung durchaus unangenehm sei.

Er war ein sonderbarer, unangenehmer Mensch und ich hatte stets das Gefühl, als ob er nur zu seinem eigenen Vergnügen allem widerspräche, und als ob er, krankhaft bemüht, stets originell zu sein, die greifbarsten Tatsachen, die sonnenklarsten Vorgänge im menschlichen Leben anzweifeln würde. Ich glaubte ihm nicht, glaubte nicht an seine Skepsis, nicht an seine äußerlich überlegene Ruhe, nicht an seine Ansichten überhaupt ...

Gerade aus diesem Grunde wahrscheinlich war ich immer derjenige, der den Streit provozierte und zwar, indem ich regelmäßig die trivialsten Gemeinplätze vertrat. Und fast immer stellte es sich heraus, daß er mit den klarsten, einfachsten Dingen nicht einverstanden war und stets seine eigenen, fast immer paradoxen, Meinungen bereit hatte.

Zuweilen übrigens stieß ich in seinen Paradoxien auf eine unerschütterliche Logik und mußte ihm dann recht geben.

Dieses Mal begann ich über die Eifersuchtsmorde zu sprechen, die mir so ruchlos und absurd erschienen, daß ich glaubte, in ihrer Beurteilung nicht auf eine andersgeartete Meinung stoßen zu können.

»Ich begreife das einfach nicht! ... Wenn sie mich nicht mehr liebt, dann liebt sie mich eben nicht mehr, und die Sache ist erledigt! ... Was muß der Mensch für eine blöde, stupide Bestie sein, der sich an einem Weibe dafür rächt, daß es aufgehört hat, ihn zu lieben! ... Das finde ich so barbarisch, daß ich die Kerls wie tolle Hunde einfach hängen würde. Weiß der Teufel! ... Holt sich so ein moderner Othello von irgendwoher eine Frau und ist der Ansicht, daß er von nun an sie als eine Sklavin ansehen darf! Ich bitte Sie: er hat ihr ja damit die größte Ehre erwiesen, sie auf Lebzeiten mit seiner werten Person beglückt! ... Ihr ganzes Leben lang sollte sie ihm dafür dankbar sein. Es ist sonderbar, daß so ein Herr gar nicht auf die Idee kommt, daß er selbst daran schuld ist, wenn die Frau ihn nicht mehr liebt. Iwo! Wir sind von unseren unschätzbaren Vorzügen so überzeugt, daß dieser Gedanke für uns gar nicht existiert! ... Nein: sie ist einfach eine ausschweifende, verdorbene Kreatur, weiter nichts! ... Eines ist sehr bezeichnend: wenn sich die Frau so einem Herrn hingibt, so beweist sie damit noch lange nicht ihre Verdorbenheit, sogar im Gegenteil! ... Selbst dann nicht, wenn sie früher schon einem anderen gehört hatte und dieser andere nun die größten Qualen durch ihre Untreue erleiden muß. Nein, in der modernen Literatur übernimmt das in ihrem Manne enttäuschte Weib, der natürlich immer der trivialste Mensch ist, im Bett schnarcht, Karten spielt und schwitzt, – gerade dann die edle Heldinnenrolle, wenn sie ihren Mann verläßt und mit »ihm« davongeht, der natürlich immer der strikte Gegensatz zu jenem ist ... wahrscheinlich überhaupt nicht schläft, nicht einmal den »Schafkopf« kennt, und Gott behüte ihn vor Schwitzen und Aufstoßen! ... In den Büchern lieben wir es sehr, den Ehemann zu beschimpfen, und sympathisieren mit der Frau, der die Augen über den Unwert ihres Gatten aufgegangen sind ... Sobald aber die Sache für uns etwas Wirklichkeit wird, nicht im Buch, sondern im allerwirklichsten Leben ... ist es aus mit dieser Liberalität! Es würde uns gar nicht in den Sinn kommen, darüber nachzudenken, ob wir selbst nicht etwa zu schnarchen pflegen, ob wir nicht mehr als schön ist essen, ob das Leben uns nicht überholt hat und ob wir mit der Zeit nicht etwas dumm geworden sind. Wir geben unser Urteil ab, ohne Revisionen irgendwelcher Art zuzulassen: sie ist ein niederträchtiges, ausschweifendes Geschöpf, basta! Wir fühlen uns als das unglückliche Opfer und knallen sie mit dem Revolver nieder, oder geben sie stolz der allgemeinen Verachtung preis! ... Sonderbar, es ist doch wirklich einfach: wir alle verachten die nackte, jeder Achtung und jeden Gefühls bare tierische Lust, wir suchen die Liebe ... man müßte meinen, ein Weib kann uns nur so lange teuer sein, als wir sie lieben; und wenn sie uns nicht mehr liebt, wozu brauchen wir sie denn dann noch? ... Um sie, mit Verlaub zu sagen, im Bett zu haben? ... Aber dafür gibt es ja Prostituierte! ... Liebst du mich nicht mehr, dann gehe deiner Wege! ... Und die Sache ist erledigt! ... Ich bitte – und die Eifersucht?! ... Wie? Sie liebt mich nicht und liebt noch obendrein einen anderen ... Wenn die Frau, welche ihren Mann verlassen hat, sich für immer in ein Kloster einsperren würde – gäbe es dieser Art Verbrecher nicht mehr und die Othellos würden auf die Anwesenheit der »geliebten« Frau leicht verzichten können. Nein, da ist ein anderer Haken: der Gedanke, daß ein anderer etwas besitzen könnte, auf das wir das alleinige Eigentumsrecht beanspruchen! ... Die Eifersucht! ... Was ist die Eifersucht?«

»Shakespeare nannte sie ein Ungeheuer mit grünen Augen,« bemerkte der Schriftsteller, mit den Augen zwinkernd.

»Ach was!« fuhr es mir unwillkürlich unzufrieden heraus, obschon ich mich erinnerte, diese Definition mit Vergnügen gelesen zu haben.

»Sie sind immer empört und entrüstet,« sagte er nachdenklich, ganz ohne die ihm sonst eigene Ironie in der Stimme.

»Und Sie sind nicht entrüstet?«

Er zuckte mit den Achseln.

»Nein, warum ... Ich betrachte dieser Art Vorkommnisse ebenso wie das Erdbeben, die Hungersnot, die Pest und dergleichen Dinge ... Entsetzlich, widerwärtig, traurig, aber ... da ist eben nichts zu wollen ... Um über etwas entrüstet oder entzückt sein zu dürfen, muß man mindestens das kennen, was diese Gefühle auslöst. Hier liegt ein Mord aus Eifersucht vor ... Was ist denn nun eigentlich diese Eifersucht? ...«

»Möge sie sein, was sie will,« sagte ich gereizt, »aber man darf doch nicht so mir nichts dir nichts einen Menschen umbringen! ... Wozu ist diesem schönen, herrlichen Leben ein Ende gemacht worden ... wozu? ...«

»Wozu? – das ist eine müßige Frage ... Das ist nur das Resultat der anderen Frage, wann man töten darf und wann es einen Sinn hat, zu töten. Den Räuber, der ein Kind umbringt, muß man töten, falls sonst nichts übrigbleibt, um denselben Zweck zu erreichen!«

»Dieses Beispiel taugt nichts!«

»Das wollen wir sehen! ... Um diesen Fall zu begreifen, muß man wissen, was Eifersucht ist ... Man muß wissen, wodurch sie erregt wird und was der Mensch, der sie fühlt, erlebt hat. Vielleicht hat er mehr Entsetzen erlebt als Sie beim Anblick eines Räubers, der ein hilfloses Kind abschlachtet, empfinden würden! ...«

Wir schwiegen.

»Und dann,« begann er wieder, »Shakespeare sagt ... ein Ungeheuer mit grünen Augen! ... Natürlich, die Eifersucht ist ein Ungeheuer und das Krokodil ist auch ein Ungeheuer, aber das tröstet mich, offen gesagt, sehr wenig! ... Die Idee ist natürlich nicht schlecht, obschon man über die Farben der Augen diskutieren könnte ... Eine Dame bestand darauf, daß die Eifersucht gelbe Augen habe, und ich bin der Ansicht, daß sie rot, blutrot sind ... Das sind übrigens lauter Nebensächlichkeiten, aber die Definition ist prachtvoll! ...«

Ich sah, daß er wieder in seine gewöhnliche Tonart verfiel, und verzog ärgerlich das Gesicht.

»Sie wollen anscheinend nicht ernst sprechen, dann lassen wir lieber das Gespräch!«

Er sah mich wehmütig lächelnd an.

»Nein ... wenn Sie wollen, werde ich ernst sprechen ... Es amüsiert mich: seit der Erschaffung der Welt quälen die Menschen sich und andere aus Eifersucht ... ein feineres, schärferes Folterinstrument hat noch kein Inquisitor erfunden und dennoch hat bis zum heutigen Tage noch niemand verstanden, was denn die Eifersucht eigentlich ist? ... Nur ein großes Genie hat es uns gesagt: Eifersucht ist ein Wirbeltier! Sehr einfach! Viele waren begeistert von dieser Definition! Dieses grünäugige Ungetüm ist sogar unzählige Male zitiert worden. Ich erinnere mich, ein berühmter Kritiker hat es mir gesagt: Sie sind ein platter Realist, mein Lieber, und kapieren die Tiefe dieses Ausspruchs einfach nicht! ... Na, Gott hab' ihn selig, den Shakespeare! ... Ich erinnerte mich seiner nur, weil es in der ganzen Weltliteratur keine andere Definition der Eifersucht gibt, und weil der Typus eines Eifersüchtigen überhaupt fehlt ...«

»Und Othello?«

»Das wußte ich, daß Sie an den denken werden! ... Ich weiß, daß alle diesen Einwand machen: Und Othello? ... Der edle venezianische Maure? ... Dieser arme Othello spukt in unseren Köpfen herum und ist sogar zum Nennwert geworden ... Die leichtgeschürzten Dämchen pflegen zu sagen:

– Mein Othello! ... Und was macht ihr Othello?! ... Es macht nichts, daß dieser Othello – ein Beamter mit Hämorrhoiden – nicht nur keiner Desdemona, sondern nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun wird! ... Millionen Menschen haben Shakespeare gelesen und nur Puschkin sagte gelegentlich:

– Othello war nicht eifersüchtig, er vertraute seiner Desdemona.

Hunderttausende kennen Puschkin und nur Dostojewski allein bemerkte diese Aeußerung. Tausende lasen Dostojewski, Hunderte werden mich gelesen haben, und Othello ist und bleibt der Prototyp aller Eifersüchtigen. Es ist auch verständlich: wenn man von der Eifersucht nicht mehr weiß, als daß sie irgendein grünäugiges Ungeheuer ist, – warum sollte dann ein hämorrhoidaler Beamter nicht der edle venezianische Maure sein, und Othello – der offizielle Typus eines Eifersüchtigen?«

 

II.

Und Othello ist wirklich nicht eifersüchtig, denn er glaubt seiner Desdemona!

Dem armen Jago kostete es nicht wenig Mühe, sein felsenfestes Vertrauen zu untergraben.

Menschen wie Othello kennen die Eifersucht, wenigstens in ihrer reinen Form, nicht. Othello glaubt seiner Desdemona, er verehrt sie, er betet ihre Schönheit und Reinheit an. Desdemona war sein Heiligtum, sein Tempel, seine Gottheit. Kann man denn auf seine Gottheit, auf seinen Gott eifersüchtig sein?

Othello tötete Desdemona, erstens, weil die Umstände sich so gefügt hatten und weil die belastenden Momente zu überwältigend waren. Er war keinen Augenblick eifersüchtig: er glaubte den Beweisen, riß den Gott, der ihn betrogen hatte, aus seiner Seele und vernichtete ihn. Es war für ihn unmöglich, sie nicht zu töten, denn der Fall Desdemonas, an den er, wenn auch irrtümlich, glaubte, bedeutete für ihn eine Zerstörung seines ganzen Glaubens, seines Heiligtums und folglich die Vernichtung seines Daseinszweckes! ... Wenn Desdemona fiel – fiel alles! Es gibt keine Wahrheit, keine Liebe und keinen Gott mehr, alles ist für ihn tot. Für die Beschimpfung meines Allerheiligsten räche ich mich, den Gott, der mich mordete – töte ich! ...

Das ist doch nicht Eifersucht!

Vor allen Dingen achtet der Eifersüchtige das Weib nicht. Er sieht in ihr weder Reinheit noch seelische Schönheit! ... Im Gegenteil, das Weib ist für ihn so namenlos sündhaft, niederträchtig, ausschweifend, verlogen, lüstern und schmutzig, daß man ihr keine Sekunde trauen kann, sie nicht auf einen Augenblick aus den Augen verlieren darf, wenn man nicht will, daß sie einen betrügt, beschimpft, daß sie wie die schmutzigste Kreatur in den Sumpf gerät!

Darin besteht ja das ganze Entsetzen des Eifersüchtigen, daß er keine Sekunde lang ruhig sein kann. Das Weib erscheint ihm etwa als ein einziger freigelegter Lüsternheitsnerv, als ein dermaßen schmutziges und verderbtes Wesen, daß es bereit ist, sich jedem und allen zwecklos und ziellos wie eine Hündin hinzugeben! ... Dem ersten besten, der sie begehrt, zu Willen zu sein, auch wenn es der eigene Lakai ist!

Der Eifersüchtige braucht keinen Jago, er selbst flüstert sich in nächtlicher Finsternis die entsetzlichsten Dinge ins Ohr, er selbst wühlt mit qualvoller Lust in Scheußlichkeiten, malt sich die unglaublichsten Bilder aus! ... Er springt spät nachts aus dem Bett, spioniert, horcht, sieht durch die Schlüssellöcher, merkt und notiert sich jedes Lächeln von ihr, jeden Blick, den sie zufällig einem anderen hinwirft.

Wozu braucht er Beweise? ... Er findet und dichtet sie sich selbst. Er braucht nicht das Taschentuch Desdemonas, nicht den erspähten Handkuß, – es genügt ihm, daß sie heute etwas lebhafter ist, wenn es ihr Vergnügen macht mit einem anderen zu schwatzen, wenn sie auf einem Gang fünf Minuten länger ausbleibt, als zu erwarten war; wenn sie zu kalt, oder zu zärtlich mit ihm ist! ... In jeder ihrer Gesten, im Rot auf ihren Wangen, in dem, für ihn zuweilen unbegreiflichen, Lachen sieht er Zeugen ihrer unsauberen Seele, die bereit ist zu jeder Niedertracht.

Für den Eifersüchtigen ist das Weib kein Tempel, sondern ein Freudenhaus, kein Heiligtum, sondern eine Hündin! ...

So einer ist doch kein Othello! ...«

 

III.

Und nun kommt das Merkwürdigste: wenn es stimmt, daß das Weib die Verkörperung von Lüsternheit, Niedertracht und Lüge ist, wozu dann die Eifersucht, wozu dann die Qual, für wen? ...

Othello tötete Desdemona ... gut, er vergötterte sie, diese Frau war für ihn alles! ... Aber warum die furchtbarste Pein darüber erleiden, daß ein schmutziges, gemeines Tier schmutzig und gemein ist? ... Geh doch weg von ihr ... Darin haben Sie sicherlich recht.

Aber sie gehen nicht weg, sondern quälen sich, töten, erniedrigen sich bis aufs äußerste. Und warum? ... Wegen dem grünäugigen Ungetüm? ... Wegen der schönen Augen dieses Säugetiers?

Ich kann auf diese Frage hier so ohne weiteres natürlich keine Antwort geben. Ich will Ihnen nur gewisse Gedankengänge andeuten und einige Beobachtungen mitteilen. Langweilt es Sie nicht?«

»Nein, durchaus nicht ...« erwiderte ich und bemerkte mit Staunen die Röte auf den Wangen und den Glanz in den Augen meines Bekannten.

– Wahrscheinlich gehörst du selbst zu dieser Kategorie, und hast gewiß etwas Derartiges schon erlebt! – dachte ich mir.

»Ja, dieses Ungeheuer mit den grünen Augen mag meinetwegen irgendein apokalyptisches Wesen sein ... Ich aber denke, daß die Eifersucht aus einer Mischung zweier, ziemlich prosaischen Elemente besteht – aus der Eigenliebe und aus der Wollust! ... Das, was Sie von dem Kloster vorhin sagten, ist sicher richtig ...

Zunächst – die Eigenliebe! ... Ihre Qualen sind groß und können uns zum Verbrechen treiben. Daran ist einerseits die Gesellschaft, und andererseits ein gewisser Charakterzug des Weibes schuld.

Das Verhalten der Gesellschaft zur ehelichen Untreue ist überhaupt merkwürdig und wenig verständlich. Zum Beispiel gilt es durchaus als unfair, sich in die Beziehungen zwischen Mann und Frau einzumischen, etwa den Betrogenen über sein Schicksal aufzuklären.

Wenn wir sehen, wie ein beliebiger uns nahe- oder auch ganz fernstehender Mensch auf der Straße geht und ihm hinter einer Ecke irgendein Mörder auflauert, stürzen wir auf ihn zu, um ihn zu retten, schreien und warnen. Wenn wir aber sehen, daß ein Mensch von seiner Frau betrogen wird, daß man ihm sein Glück raubt, seinen Glauben, seine Liebe, das in ihm mordet, was ihm hundertmal teurer ist als sein Leben, schweigen wir, meistens nicht ohne Schadenfreude ... Das geht mich, heißt es, gar nichts an! ...

Wenn wir wenigstens ganz schweigen würden, aber wir schweigen ja nur in seiner Gegenwart; hinter seinem Rücken kichern wir und reißen über ihn Witze. Vielleicht gehen wir sogar noch weiter und setzen selbst das ganze Schauspiel in Szene.

Merkwürdig: die betrogene Frau – ist immer ein Objekt unseres Mitgefühls; die Untreue ihres Mannes ächtet sie nicht, ist nur ein Unglück für sie; wir bedauern und trösten sie, und alle Freunde geben sich die größte Mühe, den verirrten Gatten zum häuslichen Herde zurückzuführen.

Der betrogene Gatte aber – wird sofort mit einem Hornschmuck versehen; er ist vor allem lächerlich, ist das geeignetste Objekt für Witze und Karikaturen, – er ist ein Idiot und überhaupt nicht ernst zu nehmen ... Er hat kein Anrecht auf Mitgefühl und Mitleid! ...

Und jeder Mann weiß das, und die Eigenliebe eines jeden leidet grenzenlos, wenn er einen Verdacht hat. Er erscheint in seinen eigenen Augen – und das ist das schlimmste – lächerlich, erniedrigt und bespien! ... Von diesem Zustande bis zum Verbrechen ist nur ein Schritt, denn der Mensch ohne Selbstachtung steht schon außerhalb aller menschlichen Normen.

Dann habe ich eine gewisse üble Eigenschaft erwähnt ... Das Weib hat einen sehr schlimmen, sehr fatalen Charakterzug.

Das ist – die Lüge! ... Eine ganz besondere Abart – die geschlechtliche Lüge. Auf einem Gebiet ist das Weib so verlogen, wie es der Mann niemals sein kann: der Mann lügt nur mit Worten, das Weib aber lügt mit ihrem ganzen Körper. Die Natur selbst hat es so eingerichtet, daß der Mann geschlechtlich nicht lügen kann ... Durch geheime Liebesfreuden erschöpft, kommt er kalt und gleichgültig zu seiner Frau: schon sein Körper allein verrät ihn sofort. Die männliche Untreue bleibt nie ein Geheimnis ... Eine Frau muß sehr dumm sein, wenn sie sich betrügen läßt. Regelmäßig fällt er auf die lächerlichste Weise herein.

Wenn die Frau ihren Mann betrügt, so errät es, wenn sie es nicht will, außer Gott, nie jemand. Mit jeder Fiber ihres Leibes wird sie es bestreiten. Was sind Worte? ... Den Worten glaubt niemand! Das Weib aber ist so erschaffen, daß ihr Körper selbst bei gänzlicher Kälte der Empfindung die Leidenschaft leicht simulieren kann.

Der Mann, wenn man ihm nur ordentlich zusetzt – gesteht die Schuld immer ein. Wenn es ihm zu arg wird, fällt er auf die Knie und gesteht.

Das Weib aber – niemals! ... Sie stirbt eher, als daß sie etwas sagt! ... Sie können sie würgen, foltern, totschlagen – nichts hilft! ... Und wenn sie's sagt, so nimmt sie es gleich wieder zurück, sobald Sie sie loslassen: es war ja nur im Scherz, ich war wütend, du hast mich gequält! Und niemals wird der Mann die Wahrheit erfahren und wird in dem Gefühl weiterleben, daß man von allen Seiten mit dem Finger auf ihn zeigt, daß man hinter seinem Rücken sich lustig macht: seine Kinder hatten andere Väter! ...

Uebrigens, das mit den Kindern ist auch so eine entsetzliche Sache! ... Als die Kinder des Mannes gelten doch immer die Kinder, die seine Frau zur Welt gebracht hat. Die aber, die er sich auf Abwegen erworben, – er kann sie ihr doch nicht bringen und behaupten: du hast sie geboren! Ihre Kinder aber – von wem hat sie sie? ... Wenn der kleinste, der allerkleinste Zweifel auftaucht, was dann? ... Wenn wir unseren Kindern Leben, Blut und Gut opfern ... Wenn wir bis zum letzten Atemzuge über ihre Trauer weinen, über ihre Freuden uns freuen, stolz sind über ihren Sieg! ... Und wenn ... wenn sie dann nicht die meinen sind? ... Wenn mein ganzes Leben, Liebe, Blut, Arbeit alles für die fremden Bastarde aufgegangen ist? ... Nicht das ist schlimm, daß sie fremder Leute Kinder sind, sondern das, daß sie die Kinder deiner niederträchtigsten Erniedrigung sind! ...«

»Ja ... so ...«

 

IV.

Der Mond stand hoch über den schwarzen Zypressen. Das Restaurant leerte sich. Schwärme von Nachtfaltern belagerten die flimmernden Kerzen unter den kleinen Glasschirmen und lagen zu Hunderten auf der Erde zwischen den Tischen. In unserer Ecke war es fast leer. Die Kellner, denen es zu langweilig wurde, wegen der Gäste, die nichts mehr bestellten, fortwährend auf dem Sprung zu sein, waren verschwunden. Wir saßen so einander gegenüber, daß das Licht der Kerze uns hinderte, den Ausdruck der Gesichter genau zu erkennen, und mit einem unheimlichen Gefühl, erdrückt durch die Masse der Gedanken, die mir beim Anhören dieser wütenden Stimme durch den Kopf gingen, unterbrach ich ihn mit keinem Wort.

»Ja,« fuhr er fort, »zu dieser geschlechtlichen Lüge der Frau fällt mir ein Fall ein, den mir ein intelligenter grusinischer Fürst erzählt hatte ... Dieser Fürst tötete seine Frau aus Eifersucht, nachdem er sie fast in flagranti ertappt hätte ... Hätte er sie ganz auf frischer Tat ertappt, wäre es, denke ich, fast ebenso geworden ... vielleicht nicht so scheußlich und sinnlos, denn dann hätte er sie auf der Stelle umgebracht, ohne alle Quälerei.

Die Sache war so: als ich diesen Fürsten, der, nebenbei gesagt, freigesprochen wurde, da das Motiv seiner Handlung sich auf sehr begründeten Verdacht stützte, kennen lernte, quälte ihn nicht mehr ihre Untreue und auch nicht, daß er sie getötet hatte ... Die Zeit verwischt alles! Jahre waren vergangen, die Tote war schon längst im Grabe verwest – jener Körper, der so schwere Qualen verursacht hatte, war längst zu Erde geworden; ich glaube, er konnte sich nicht einmal ihre Gesichtszüge, ihre Stimme mehr deutlich vorstellen ... Aber es blieb ihm das furchtbare, unlösbare Rätsel: hat sie mich auch wirklich betrogen? ... Habe ich sie auch wirklich töten dürfen? ... Habe ich nicht statt einer Nichtswürdigen eine Reine, eine Liebende, eine Schuldlose getötet? ... Habe ich anstatt der Schmach, nicht mein eigenes Glück erwürgt? ..

Das war es, was ihn quälte und ihn mit sechsunddreißig Jahren zum Greis gemacht hatte ... Und daß er wirklich Folterqualen litt, erkannte ich an seiner zitternden Stimme, an seinen entzündeten Augen, die wie irrsinnig, fragend, auf mich gerichtet waren. Und das – nach so vielen Jahren!

Es kam so: seiner Frau, die er abgöttisch liebte, machte ein Offizier, auch irgendein Kaukasier, den Hof, – einer von jenen hübschen Männern, über die jede sich halbwegs achtende Frau mit verächtlichem Gesicht zu sagen pflegt:

Diese Adonisse sind nicht mein Geschmack! ..

Und jede von ihnen verspürt dabei wenigstens einen Augenblick lang irgendwo in ihrem Körper so ein kleines Gefühl ... halb Gedanke, halb Wunsch:

– Hm ... wäre doch ganz interessant! ...

Dieser Offizier lief seiner Frau schon lange nach! ... Und er tat es fast offen ... Aber der Fürst war nicht eifersüchtig und lachte ihn insgeheim aus. Er glaubte seiner Frau und liebte sie sehr. Sie kokettierte ... Das ist doch auch ein infamer weiblicher Zug: der Mann, wenn er sich an ein Weib heranmacht, tut es mit der bestimmten Absicht, sie zu besitzen ... das Weib gefällt ihm, er will es haben – besagt das ... Sie aber reizt auch dann seine Vorstellungen und hetzt seine Sinnlichkeit auf, wenn sie ihn gar nicht braucht. Es gefällt ihr einfach, wenn man sie begehrt! ... Nun, auch diese Frau kokettierte ... Aber sie kokettierte mit allen in gleicher Weise. Kavaliere hatte sie massenhaft, denn sie war sehr schön und pikant.

Zu jener Zeit lebten sie in irgendeinem kaukasischen Badeort, ich glaube Kißlowodsk ... Sie amüsierte sich gut und ihre Lebenslust machte sie doppelt schön und anziehend. Ihr Mann, der Fürst, war stärker als je in sie verliebt. Vielleicht kam ihm wohl gelegentlich der Gedanke, daß das Verführerische an ihrer Lebhaftigkeit und Leidenschaft durch die aufreizende Umgebung der verliebten Männer gesteigert wurde, die sie umschwärmten und um ihren Körper warben ... Vielleicht war es ihm auch etwas unangenehm und peinlich, aber wie schön war sie dafür, wie liebte sie ihn! ...

Dann reisten sie nach Hause. Und hier fand er bei ihr zufällig einen Brief von demselben Offizier, mit der leidenschaftlichsten Liebeserklärung und auf ›du‹!

Er war wie vom Blitz getroffen. Aber sie antwortete ihm mit ihrem unschuldigsten Gesicht, daß sie nichts dafür könne, daß dieser Dummkopf sich in sie verliebt hätte, daß sie aber nicht das Geringste für ihn empfände. Und das ›du‹ in dem Brief wird wohl lediglich der größeren Ueberzeugungskraft wegen angewandt worden sein! ...

Und der Fürst glaubte ihr.

Dann, etwas später kam eine Depesche von dem Offizier. Wieder auf ›du‹ und unterschrieben mit ›dein‹ ...

Und wieder Umarmungen, Küsse und leidenschaftliche Liebesbeteuerungen.

›Glaubst du denn wirklich, daß ich dich mit diesem Idioten betrügen könnte? Ihn kannst du doch unmöglich als deinen Rivalen ansehen!‹

Als der Fürst mir dieses erzählte, dachte ich mir, daß das die gewöhnliche weibliche Methode sei, uns bei unserer Eigenliebe zu packen.

Und das ›du‹ und ›dein‹ stamme noch von dem Ausflug in die Berge, wo sie, natürlich vor aller Augen, Brüderschaft miteinander getrunken hätten ... Das hätte sie eigentlich nicht tun sollen, und sie bereue es jetzt bitter ... Uebrigens hätte sie es schon am nächsten Tage wieder vergessen, aber dieser verliebte Idiot ...

Und wieder liebte sie ihn leidenschaftlich und hingebend wie noch nie, und wieder glaubte ihr der unglückliche grusinische Fürst!

Aber eine Wunde hatte sie ihm jetzt beigebracht, der Glaube war wankend geworden, und das Weitere war für ihn nur eine ununterbrochene Kette von Qualen.

Eines Tages sagte ihm seine Frau selbst, daß sie jenem Offizier, der ihr in den Bergen den Hof machte, auf der Straße begegnet sei, daß sie mit ihm gesprochen und ihn gebeten habe, sie in Ruhe zu lassen.

›Kannst du dir das denken,‹ sagte sie mit einem halb verächtlichen, halb geschmeichelten Lachen, ›dieser Dummkopf ist ausschließlich meinetwegen hierher gekommen! Aber ich werde ihn nicht empfangen – du kannst dich darauf verlassen! ... Er wird mit der Zeit unverschämt und langweilt mich! ...‹

Wieder glaubte er ihr. Aber einmal kam sie sehr spät nach Hause, und nicht ahnend, daß der Fürst schon lange zurückgekehrt war, erzählte sie ihm, daß sie, nur um frische Luft zu schöpfen, auf eine Viertelstunde ausgewesen sei. Wieder war sie übertrieben lebhaft und zärtlich. Er glaubte ihr nicht mehr. Gerade in dieser gesteigerten Zärtlichkeit fühlte er, eifersüchtig, wie er es jetzt schon war, etwas Zweideutiges. Es folgte eine Szene, und er zwang sie zu dem Eingeständnis, daß sie mit dem Offizier gewesen und sogar mit ihm spazierengefahren sei. Angeblich hätte sie es nur getan, um ihm zu sagen, daß sie von jetzt an unbelästigt zu bleiben wünsche. Sie hätte ihm sogar gedroht, sich bei ihrem Manne zu beklagen.

Der Fürst kochte vor Wut und wäre fortgestürzt, um Genugtuung zu fordern, wenn sie ihn nicht zurückgehalten hätte:

›Willst du denn wirklich, daß er glaubt, du könntest auf ihn meinetwegen eifersüchtig sein? ... Du erniedrigst damit dich und mich!‹

Ihm gleich zu sagen, daß sie mit dem Offizier gewesen sei, hätte sie vermeiden wollen, da sie angeblich gewußt hätte, wie unangenehm es ihm sein würde, davon zu hören. Und da es ja doch das letztemal gewesen sei, und da die ganze Angelegenheit glücklich zu Ende wäre, wollte sie ihn nicht unnütz beunruhigen.

Und wieder glaubte er ihr: glaubte ihren Liebkosungen und ihrer Zärtlichkeit und glaubte vor allem aus Angst vor der Möglichkeit eines Treubruchs. Denn, wenn er ihr nicht geglaubt hätte, hätte er ihre Untreue als Tatsache ansehen müssen, und das war zu furchtbar für ihn!

Endlich kam die Katastrophe:

Sie wohnten in einem Hotel. Eines Tages kam er nach Hause und sah, die Tür schnell und unhörbar öffnend (denn jetzt war er eifersüchtig und spionierte, beobachtete und benützte jede Gelegenheit, um sich zu überzeugen), seine Frau im Unterrock und Hemd, das von der Schulter herabgeglitten war, in den Armen des Offiziers, der ihr Gesicht, Schultern und Brust mit Küssen bedeckte ...

Es folgte eine furchtbare, widerwärtige Szene, eine scheußliche Schlägerei zwischen den beiden vertierten Männern in Gegenwart des halbnackten, in die Ecke verkrochenen Weibes. Die Kellner liefen herbei ...

Das mußte mit einem Zweikampf enden. Allein der Fürst erwürgte seine Frau noch in derselben Nacht.

Es kam so ... als der Offizier aus dem Zimmer herausgeflogen war, verprügelte der Fürst sie zum ersten Male in seinem Leben, er schlug sie wie ein Wahnsinniger, ohne eines einzigen Gedankens fähig zu sein ... Sie nahm die Schläge an, ohne sich zu wehren, ohne zu schreien, demütig und kläglich ... Sie weinte nur unaufhaltsam. Und als er erschöpft auf einen Stuhl sank und grenzenlos verzweifelt dasaß, näherte sie sich ihm leise und fiel, ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckend, vor ihm auf die Knie ... Zuerst stieß er sie zurück, so daß sie rücklings auf den Boden fiel, aber dann begann er langsam auf ihre leisen Worte aufmerksam zu werden.

Und diese Frau sagte ihm: sie sei ganz ohne Schuld, der Offizier habe absichtlich die Zeit abgewartet, um ihn sicher nicht anzutreffen, sei dann, in dem Augenblicke, als sie sich, halb ausgekleidet wie sie war, vor dem Spiegel das Haar frisierte, in das Zimmer gedrungen, und als er sie so halbnackt erblickte, hätte er sich wie wahnsinnig auf sie gestürzt und sie geküßt ... weiter nichts!

Und der arme Fürst glaubte ihr zum letztenmal. Obwohl mit Qual, mit Verachtung zu sich selbst, mit einem grenzenlosen, müden Haß auf sie – aber er glaubte ihr. Er liebte sie immer noch, und es wäre zu furchtbar, ihr nicht zu glauben!

Aber in derselben Nacht, nachdem sie in höchster Liebesekstase das Fest der scheinbar vollen Versöhnung gefeiert hatten, fühlte er plötzlich, daß er ihr nicht mehr glauben könne, daß die Pein des Zweifels für immer in seiner Seele bleiben würde, da er ja schließlich auch dann noch glauben müßte, wenn er sie beide im Bett überraschen würde: da er ja sie einfach vergewaltigt haben könnte! ... Und im Gefühl seiner grenzenlosen Hoffnungslosigkeit begann er, wie ein Ertrinkender nach einem Strohhalm greifend, sie anzuflehen, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Er dachte nicht mehr an Glück und Ruhe, die waren sowieso verloren, denn wenn sie ihm auch wirklich mit ›nein‹ geantwortet hätte, – er hätte ihr ja doch nicht mehr glauben können ... Und wenn er ihr heute glauben würde – morgen wäre es sicher vorbei ... Und er flehte sie an, ›ja‹ zu sagen; dann würden ihn zwar Pein und Entsetzen erfüllen, aber es wäre eine Wahrheit, und die furchtbarste Wahrheit wäre für ihn jetzt leichter zu ertragen, als die Ungewißheit. Mit der Wahrheit in den Händen hätte er die Liebe zu ihr überwinden können; er wäre von ihr gegangen und hätte irgendwo versucht, Vergessenheit und Ruhe zu finden. Mit der Ungewißheit aber müßte er weiter leben und lieben, ohne Glauben, ohne Achtung für sich und mit Haß auf sie.

Er flehte sie also um die Wahrheit an.

Sie meinte, er quäle sie so, daß ...

›Wenn du es durchaus willst, meinetwegen, – ja! ...‹

Er konnte noch das Ausweichende in dieser Antwort erfassen, und er flehte sie wieder an, forderte die Wahrheit, fühlend, daß er in seinem Leben sonst keine einzige Wahrheit mehr begreifen würde; er weinte, schlug mit dem Kopf gegen die Wand ... Endlich begann er ihr die Arme zu verdrehen, sie zu quälen, zu foltern, und dann packte er sie an der Kehle und begann zu würgen ...

Sei es, daß sich in ihr der tierische Haß auf den Peiniger zu regen begann, oder daß ihr die Qualen wirklich die Wahrheit herausgepreßt hatten – jedenfalls sagte sie jetzt, die dunklen, hassenden Tieraugen gerade auf ihn gerichtet:

›Nun, ja, ja, ja ... Ich habe dich betrogen, mich über dich lustig gemacht; und nicht bloß mit ihm allein ... Ich hatte viele Liebhaber, und alle wußten das, nur du, Idiot, wußtest von nichts! ... Ich verachte, ich hasse dich, ich habe dich satt! ... Laß mich in Ruhe! ...‹

Es war zu viel für ihn. Glaubend und nicht glaubend, verloren im Chaos des Nicht-mehr-verstehens, erwürgte er sie in seinem Anfall ... wann und wie – wußte er später nicht mehr ...

Er war wie besessen und kam erst wieder zur Besinnung, als die letzten Konvulsionen erstorben waren und nur mehr der tote, verunstaltete und kläglich nackte Leichnam vor ihm lag.

Aber die Wahrheit hatte er nicht erfahren.

Jener Offizier zog bald darauf, während der Fürst noch im Gefängnis saß, in den Krieg und kehrte nicht mehr zurück.

Und da saß dieser Mensch vor mir und fragte, während aus seinen Augen eine unmenschliche Pein sprach:

›Sie sind Schriftsteller, Psychologe, sagen Sie mir: hat sie mich betrogen? ... Sagen Sie doch!‹

Ich konnte ihm nichts sagen ... Ich wußte es nicht!«

 

V.

»Ja ... so ... Mit diesem grusinischen Fürsten bin ich etwas von unserem Thema abgekommen, obschon diese Anekdote dafür sehr bezeichnend ist ... Aber ich sagte Ihnen schon, daß es eine Eifersucht, im Sinne eines isolierten, für sich bestehenden Gefühls, nicht gibt. Es gibt nur Wollust und Eigenliebe, die in ihrer Gesamtheit die Eifersucht ergeben ... Sie verflechten sich eng und schmerzhaft. Der nicht wollüstige Mensch kann nicht eifersüchtig sein, weil die nackte Tatsache der Untreue einfach die Liebe tötet, ohne die Begierde steigern zu können. Sie haben ganz richtig bemerkt: betrügt einen das Weib, verläßt sie ihn – dann liebt sie nicht mehr, und er kann diese Frau folglich einfach nicht mehr brauchen. Mit Bitterkeit, mit dem Gefühl schweren Verlustes würde ich sie dann sich selbst überlassen. Aber der Wollüstling ist dazu unfähig. Denn wenn er auch von ihr geht, wird er doch nie seinen wollüstigen Vorstellungen entfliehen können: und ohne sie zu sehen, wird er doch alles das sehen können, worauf es ihm allein ankommt. Er wird sich die entsetzlichsten Bilder ausmalen, wird sich das Weib und den Rivalen in den ungeheuren Kulminationen vorstellen, ihre Liebkosungen wird er an seinem eigenen Körper wie glühendes Eisen fühlen, in seinem Gehirn wird er unerträgliche Gestalten erzeugen! ... Hier beginnt schon der Wahnsinn ... Den kleinsten Verdacht denkt sich der Lüstling bis zu seiner letzten Steigerung aus und empfindet das Resultat seiner Phantasie wie eine Tatsache! ... Der einfachste Blick wird in seiner krankhaften Vorstellung zu einem schamlosen Betasten, das Lächeln – zu einer Geheimsprache, das Lachen – zur Hysterie aufgepeitschter Begierden! ... Und schon vom ersten Anfang an, ehe die Untreue noch Zeit gefunden hat, eine wirkliche Untreue zu werden, verflicht sich ein furchtbarer Alpdruck mit seinen Gedanken und wird bei der ersten, geringsten Veranlassung zum Wahnsinn ...«

Ein Kellner trat an unseren Tisch und sagte, daß das Restaurant jetzt geschlossen würde. – Wirklich, ich bemerkte es erst jetzt, daß nur noch auf unserem Tische eine Kerze brannte, alle anderen waren bereits ohne Tischtücher, und kleine Häuflein von Kellnern ohne Fracks, wie ganz gewöhnliche Menschen aussehend, verließen schon durch den Nebenausgang das Restaurant. Man hörte ungezwungene Lakaienstimmen, Lachen ...

»Ja, richtig ... Die Rechnung, bitte!« sagte mein Bekannter.

Wir zahlten, und während man die Rechnung brachte, saßen wir schweigend, und jeder dachte wahrscheinlich darüber nach, was sich unter dem Eindruck dieses Gespräches und des vorher Erlebten in uns aufgespeichert hatte. Aus irgendeinem Grunde vermieden wir es einander anzusehen. Dessen entsann ich mich erst später und mir schien jetzt, daß es deshalb so war, weil das Geschick uns nicht mit jenem unglücklichen Fürsten oder diesem Wahnsinnigen verwechselt hat, der, an den Armen festgehalten, von vertierten, elegant gekleideten Herren und von aufgeputzten Damen geschlagen wurde.

Dann gingen wir in unserer kleinen, südlichen Stadt durch einsame, leere Straßen, die, vom Mondlicht übergossen, ganz weiß waren, sahen auf dem grenzenlosen Meere die funkelnde Mondsäule spielen, die schwarzen Silhouetten der schläfrig schaukelnden Fischerbarken und betrachteten die fernen, still funkelnden Sterne über den kalten Bergeshöhen.

»Ja,« begann er langsam, »deshalb kann ich nicht wie alle anderen empört sein, deshalb kann ich mich über diesen Mord nicht entrüsten, und mich über das vergossene Blut und über das zerstörte junge Leben nicht aufregen, nur schwermütig macht mich das alles.«

»Aber sie hatte ihm doch erklärt, daß sie ihn nicht liebt, daß sie einen anderen liebt ... er hatte kein Recht, eifersüchtig zu sein und zu töten!« wendete ich unsicher ein, fühlend, wie eine sonderbare Kälte meine Gedanken einhüllte und wie schwach mein Einwand sei.

»Erklärt! ... Und vorher? ... ehe sie ihm diese Erklärung gab? ... Lassen Sie das! ... Die Geheimnisse der männlichen und weiblichen Liebe sind nicht so einfach! ... Nur zwei kennen diese Geheimnisse – er und sie. Hier ist alles auf Geheimnissen, auf den winzigsten, den Außenstehenden unsichtbaren und unverständlichen Kleinigkeiten aufgebaut! ... Läßt man das Geringste weg, reißt man ein einziges Wort heraus, so wird das Ganze unverständlich; der sinnlose Mord kann dann logisch begründet erscheinen und der tragische – absurd und verbrecherisch! ... Und wenn die Eifersucht nicht irgendein dummes Tier mit grünen Augen ist, sondern jener Wahnsinn, so müssen die Qualen des Mörders furchtbar gewesen sein, und ihn richten kann wohl nur Gott allein! ...«

Wir verabschiedeten uns, und ich ging allein weiter.

Weiß waren die leeren Straßen, schwarz die geheimnisvollen Zypressen. Heiß quälend schrien die Zikaden, der weiße Mond stand gleichgültig über der schlafenden Stadt, und es war so öde und leer in mir, so hilflos und klein fühlte ich mich, wie wenn ich als einziger in ein rätselhaftes, endloses Nichts geschleudert worden sei, in dem mein Geist umhertreibt wie ein Stäubchen, mitgerissen vom leidenschaftslosen Winde der Ewigkeit.

1912.


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