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Vom Schlaraffenland.

Nun höret zu und schweiget still,
Was ich euch Wunders sagen will
Von einem guten Lande.
Es bliebe mancher nicht daheim,
Könnt' er dahin gelangen.

Die Gegend heißt Schlaraffenland,
Ist faulen Leuten wohl bekannt.
Liegt hinterm Zuckerberge.
Und willst du in das Land hinein,
Friß dich hindurch die Zwerche.

Der Berg ist schier drei Meilen lang;
Doch beiß dich durch und tu dir Zwang!
Gelingt dir's ohne Schaden,
So findest du die Häuser all
Gedeckt mit Eierfladen.

Tür und Wänd', das ganze Haus,
Sind von Lebkuchenteich durchaus,
Die Sparren von Schweinebraten.
Kauft einer dort um Pfennigswert,
hier gilt es einen Dukaten.

Um jedes Haus, da ist ein Zaun
Geflochten von Bratwürsten braun,
Gebraten und gesotten.
Es mag sie essen, wer da will,
Sie sind niemand verboten.

Alle Brunnen sind voll süßen Wein,
Rinnen einem selbst ins Maul hinein,
Und andre süße Weine;
Und wer die gerne trinken mag,
Der mach sich aus die Beine.

Die Fisch wohl in dem Wasser gehn,
Gebacken und gebraten schön,
Bei dem Gestad' gar nahe,
Und gehen auf das Land heraus,
Lassen sich gerne fahen.

Auch fliegen um, das mögt ihr glauben,
Gebratne Vögel, Gäns' und Tauben,
Und wer zu faul zum Fangen,
Dem fliegen sie von selbst ins Maul,
Braucht nicht darnach zu langen.

Die Säue stets dort wohl geraten,
Laufen herum und sind gebraten,
Tragen Messer und Gabel im Rücken,
Daß jeder bald ohn' Aufenthalt
Sich schneiden mag sein Stücke.

Die Käse wachsen wie die Stein'
Im ganzen Lande groß und klein,
Das mag ein jeder glauben;
Die Stein' sind all zu essen gut,
Schmecken wie Karpfen und Tauben.

Fällt im Sommer ein Wetter ein,
So regnet's lauter Honigseim;
Alle, die gerne schlecken,
Die laufen in das Land hinein,
Da haben sie zu lecken.

Fängt es im Winter zu schneien an,
So schneit es lauter Marzipan,
Rosinen auch und Mandeln,
Und wer sie gerne essen mag,
Der hat da guten Handel.

Auf Tannen wachsen große Krapfen
Wie hier zu Land die Tannenzapfen,
Auf Fichten wachsen Schnitten;
Auch kann man von den Birken da
Gute Speckkuchen schütteln.

Auf Weiden wachsen Semmeln frei,
Die Löffel hängen gleich dabei,
Darunter Milchbäch' fließen.
Die Semmeln fallen in die Milch,
Daß sie jeder kann genießen.

Schlecht Gesinde, faule Mägd' und Knecht,
Sind in dem Land gar eben recht.
Wohlauf, Gretlein und Stöffel,
Macht an den Milchbach euch geschwind
Mit einem großen Löffel!

Wer tölpisch ist und gar nichts kann,
Wird in dem Land ein Edelmann.
Und wer nichts tut als schlafen,
Essen, trinken, tanzen und spiel'n,
Der wird zu einem Grafen.

Wer der allerfaulste wird erkannt,
Wird König über das ganze Land;
Er hat ein groß Einkommen. –
Des Landes Art und Eigenschaft
Habt ihr also vernommen.

Wer sich will machen auf die Reis'
Und selbst den Weg dahin nicht weiß,
Der mag einen Blinden fragen,
Ein Stummer ist auch gut dazu,
Wird ihm nicht unrecht sagen.


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