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Der Squall

Von Charles Sealsfield

Sechs Tage Nordwester, und den siebenten zur Abwechselung einen tollen Wester aus Süden, mit tolleren Squalls Heftiger Windstoß mit Regen., und einer See, die der seit den letzten sechs Tagen aus dem Norden gekommenen so recht in den Nacken geraten – und dazu dreißig Passagiere in der Kajüte –, die stillen wieder den Übermutkitzel, der während der ersten achtundvierzig Stunden des Nordosters rege geworden.

Der S–y und seine Inwohner sind kaum mehr zu erkennen, so sind sie zugerichtet. Die beiden Kajüten, besonders die der Gentlemen, sind zu einer Jammerhöhle geworden, aus der ein Scharivari von Tönen herausächzt und stöhnt, die Verdammten in der Hölle können es nicht ärger treiben. Es ist aber auch ein jämmerliches Dasein! Dreißig lebende Geschöpfe in einem hölzernen Verließe von vierundzwanzig Schuh Breite, einigen vierzig Länge, und in diesem hölzernen Verließe, bald vierzig Fuß oben auf einer Welle, in den nächsten zehn Sekunden wieder ebensoviele unten in ihrem Schlunde – einen schottischen Reel tanzend –, vorwärts, rückwärts, seitwärts geworfen, gerollt, gekollert, gestoßen, gewälzt, in der ganzen Kajüte auch nicht ein Plätzchen eine Handbreit groß, um eine Viertelstunde Ruhe zu genießen, und wenn ihr angebunden, angenagelt würdet; und über und darüber eine Atmosphäre, eine Luft, die hundertmal ein- und ausgeatmet, so erstickend ist, mit einer Hitze, so unerträglich, Dampf und Gerüchen von zwanzig Seekranken verbreitet, so horribel – in eine Schmorpfanne mit Asa foetida eingepökelt, müßte eine wahre Wollust sein, im Vergleich zu diesem pestilenzialischen Aggregat seeweltischer Misères.

An Schlaf läßt sich nicht denken, ausgenommen, Magen und Knochen sind durch ein halbes Dutzend Fahrten um die Kaps Horn und der guten Hoffnung gehörig präpariert; Wachen läßt sich dieser Zustand ebensowenig nennen, denn alle Sinne sind so affiziert und infiziert, das immerwährende Gepumpe des Magens hat einen Status quo herbeigeführt, der weder Leben noch Sterben genannt werden kann, einen Status quo, in dem das edelste Geschöpf der Schöpfung, sich selbst zum Ekel geworden, gerade nur so viel Instinkt beibehält, sich mit Händen und Füßen an die Wände seines Berth anzuklammern und zu keilen, um nicht von einem Lurch Das heftige Hin- und Herrollen des Schiffes, das von einer von der Leeseite kommenden Welle ergriffen, auf die Windseite geworfen, von dieser Seite zurückgeworfen, in eine wie trunken taumelnde Bewegung gerät, die natürlich sehr unangenehme Wirkungen hervorbringt. aus dem Bette heraus in die Mitte der Kajüte, den Schachteln, Koffern und Mantelsäcken nachbefördert zu werden.

Es ist die erste wahrhaft stürmische Nacht – der frühere Nordwester war zwar auch galy oder steif, wie wir sagen – aber er blies regelmäßig, wogegen dieser Südwester jede andere Stunde einen Squall bringt, der euch, statt nach Amerika, nach Grönland hinauf treibt. – Es ist eine bitterböse Nacht, die, wie alle bitterbösen Dinge, kein Ende nehmen will, und eure Geduld und Philosophie auf eine harte Probe stellt. – Die meisten sind mit dieser Kardinaltugend auch zu Ende. – Ein paar beten, andere fluchen, ein drittes Paar stöhnt und ächzt, und ein viertes heult geradezu. Zuweilen ein plumper Fall; es ist ein Landlubber, wie diese bemitleidenswertesten aller Seefahrer genannt werden, der aus seinem Berth heraus und mitten in die Kajüte hineingeworfen, zum Magenbruche noch ein paar andere zu erleiden daran ist, aber glücklich noch, ehe er zu den Tafelpfosten gelangt, von einem zweiten Lurch wieder in sein Staatszimmer zurückbefördert wird. – Alles ist rebellisch, wie rasend geworden, – ihr in einem Zustande, der offenbar Wahnsinn herbeiführen müßte, wenn nicht Geistes- und Körperkräfte auf eine Weise abgespannt wären, die eine solche Zerrüttung gar nicht mehr möglich macht.

Es ist Nacht – die Glaskuppel der Gentlemen-Kajüte verhängt und vernagelt, die beiden Astrallampen allein dämmern ein mattes Licht über die verpestete Atmosphäre der Kajüten hin. Um die Tafel herum sitzen ein paar gespenstische Gestalten, bleich und unirdisch zu schauen, und nur noch halb lebendig. – Es sind Franzosen. – Krampfhaft halten sie sich am Tisch und den gepolsterten Lehnen der Mahagonibänke, sie sind bald durch das aufrollende Schiff in ein Fragezeichen zusammengedrückt, wieder durch den schlotternd walkenden Lurch wie mit Zangen auseinander gerissen. Sie starren so glotzend um sich, schaudern so furchtbar zusammen, in dem Augenblicke glauben sie sicherlich an Teufel und Hölle, ihr Jammergetöse wird nur noch von den furchtbaren Tönen übertroffen, die aus dem Bauche des Schiffes heraufdringen. Schwören möchtet ihr jetzt, daß das Schiff, in dessen Innern ihr schmachtet, gleich euch selbst geängstigt und gepeinigt im wütendsten Schmerze aufschreie. Diese Töne! Es sind nicht mehr die schnarrenden, krachenden Laute, die zusammengefügte Balken und Bretter, mit Macht auseinander gezerrt und gerissen, von sich geben, – es ist etwas wie Belebtes, Gespenstisches in diesem, aus tiefem Seegrunde heraufdröhnenden Gestöhne; es ist, als ob die Götter der Haine, von den Seegeistern auf die Folter gespannt, aus hohlen Meeresgründen heraufächzten. Erschütternde Töne! Ihr glaubt, jeden Augenblick müsse das Schiff zusammenbrechen und seine Seele aushauchen.

Will denn diese Nacht kein Ende mehr nehmen?

Endlich läßt sich der Ruf der Second watch vernehmen, oben im Hause schreitet es einem der Staatszimmer zu; euer Blick fällt auf die Skylights; die schwarzgrünen Linsen haben etwas Graues angenommen; – es sind die ersten Strahlen der Morgendämmerung, die durch sie hereinfallen. – Oh, diese Morgendämmerung! wie sucht ihr sie gleichsam mit den letzten Kräften, die euch geblieben sind, aus der düstern Nacht heraufzuziehen! – Endlich betritt es die Wendeltreppe der Kajüte. – Es ist der erste Mate, der seine Wache antritt und nun der Kajüte einen Besuch abstattet, um vorläufig eine Stärkung vom Schenktische zu nehmen.

Mister Beattie ist ein kleines freundliches Männchen, voll Wichtigkeit, einer gewaltigen Amtsmiene und einem unerschöpflichen Vorrate von See- und Walfischabenteuern, irgendwo um Nantucket herum zu Hause.

Seine glücklichste Stunde ist, wenn er, eine Zigarre im Munde und kurzen Schrittes das Verdeck messend, euch eines seiner unzähligen Walfischabenteuer anhängen kann. Jetzt gäbet ihr etwas für ein solches Abenteuer, viel gäbet ihr darum, aber des Mannes Gesicht deutet auf Sturm, und wieder Sturm, so wie sein Anzug auf sehr trübes Wetter. Er hat eine Jacke vom dicksten Seetuche, die über das Knie herabgeht, darüber einen Überwurf von Öltuch, auf dem Kopfe eine Art Barbierschüssel, die sich wie eine Mosestafel hinten hinab verlängert, und Stiefel, die zu den Schenkeln hinaufreichen. – Finster und energisch tritt er zu dem Schenktisch, prüft eine Bouteille, eine zweite, dritte, und schenkt endlich aus der vierten das Glas voll. –

»How is the wind?« Wie ist der Wind? seufzt es aus einem der Schlafzimmer.

»Has the wind changed?« Hat der Wind sich verändert? stöhnt es vom Tische herüber.

»Is it fair?« Ist er günstig? aus einer andern Ecke.

Die Fragen sind so kläglich herausgejammert – ihr spürt es an der Betonung, daß die Fragenden Höllenangst ausstehen, aber keine Antwort. – Auch kein Wunder! Er mußte aus seinem ersten Schlafe auf.

» Mister Beattie! How does she head?« In welcher Richtung geht das Schiff?

Die echt seemännische Frage macht ihn aufschauen.

» North, Sir! North by East. – D–n it Sir!« In nördlicher, Herr! – Nordöstlicher. V–t sei sie. –

Das D–n it Sir! ist euch nie lieblicher in den Ohren geklungen. Es ist Trost in diesem D–n; es verkündet, daß trotz Squall und Sturm, die unsern Seemann wild machen, alles noch wohl, der Zustand des Schiffes kein gefährlicher ist – erst wenn wirkliche Gefahr vorhanden, verlernt der Seemann das Fluchen. Aber das beste ist, seine Wache verkündet die vierte Morgenstunde, den Anbruch des Tages. Ihr erhebt eure Jammergestalt aus dem Berth, pausiert aber sorgfältig, die Pause, die nach dem Rollen des Schiffes gewöhnlich eintritt, abwartend, und in dieser Pause schwingt oder kriecht ihr aus dem Berth, die eine Hand fest an den Bettladen haltend, und euern Leib zugleich balancierend, um nicht von einem Lurch wieder ins Berth hinein, oder durch die Türe in die Kajüte hinausgeworfen zu werden; balancierend gelangt ihr und müh- und trübselig in die Kleider, und über losgerissene, in der Kajüte umherrollende Koffer, Reisesäcke und Schachteln zur Wendeltreppe – in das Haus hinauf – öffnet diese, prallt zurück. – Der Anblick ist grausig, es durchrüttelt euch wie Fieberfrost. –

Draußen ist's noch halbe Nacht, die finstere Nacht verschwimmt in ein schweres, trübes Grau. Der Streit dieses Graues mit der Nacht hat etwas Grausiges; alles ist wirrig – streitender Nachtschatten, Nebel; diese Nachtschatten weichen so widerspenstig, so feindselig den wie verschüchtert, verzagend aus Osten herüberbrechenden Strahlen, die düstern Scuds Die flüchtigen Wolkenzüge., wie sie aus dem rabenschwarzen Westen heraufziehen, von den Strahlen des im Osten heraufbrechenden Heliokallichtes teilweise aufgehellt, schauen so bleich, verstört, wild, – es wird euch so unheimlich zumute, ihr zieht unwillkürlich wieder dem Hause zu.

Aber die frische Luft hat euch trotz der giftig heimtückischen Naßkälte erfrischt, ein zweites Mal öffnet ihr die Türe.

Alles ist noch stille auf dem Verdecke; bloß der erste und vierte Leutnant, die beiden Manner am Helm und die Wache am Forecastle sind am Leben. Die übrigen schlafen alle. Schlafen? nicht doch, sie schwimmen, in einem Zustande, nicht Schlaf, nicht Wachen – nicht Leben, nicht Tod, ein Spiel der Wogen, die immer stärker vor den heranbrausenden Squalls auf euer armes Schiff losstürmen. Nur die vollendete Geschicklichkeit der beiden Männer am Steuer, denn es sind ihrer jetzt zwei angestellt, kann euch und euer Schiff vom Foundring, der Zersplitterung retten – ein einziger Fehlgriff der beiden Männer, und es ist wie ein Kartenhaus zusammengedrückt, die Wände wie Spinnengewebe zerrissen. Der Gedanke ist furchtbar, aber ihr seid mit ihm so vertraut geworden, daß er alles Schreckhafte nicht nur verloren hat, der Anblick der wütenden See im Gegenteile eure abgespannten Nerven wieder kräftigt, so wie die gemessene Ruhe der Seemänner euerm beängstigten Gemüte wieder Haltung und Betonung verleiht. Aber der Sturm ist im Zunehmen, der Barometer fällt noch immer, der Kompaß zeigt auf North, gerade nach Grönland hinauf, bloß Main- und Topsails sind gesetzt, aber close reefed Doppelt gekürzt.. Es ist also nicht zu scherzen, wie euch der oberflächlichste Blick auf Himmel und See schon belehrt. Diese letztere geht zwar nicht bergehoch, wie es in euern glaubwürdigen romantischen Schilderungen steht, aber immerhin hoch genug, um euern Häusern über die Wetterfahnen hinzufahren, so ein zwanzig bis fünfundzwanzig Fuß, wohl auch dreißig, was mit dem durch die Wellen gebildeten Troge immerhin ein zehn bis fünfzehn Fuß mehr ausmacht. Die See hat auch bereits das tiefblaue Indigokolorit des Ozeans angenommen, dessen Hochgewässern ihr euch bis zum Ausbruche des Südwesters stark genähert, – die letzte Beobachtung des Kapitäns hat sechzehn Grad der Länge und sechsundvierzig der Breite ergeben – ein Resultat, das bei sechs Tagen Nordwester, und bloß achtundvierzig Stunden östlichen Windes, nur wieder auf unsern Paketschiffen und durch amerikanische Seemänner erzielbar ist. –

Jetzt hat das Heliokallicht den Ozean in seiner ganzen Empörung aufgeleuchtet – noch aber ist die Sonne nicht zu sehen, ihre Strahlen brechen jedoch über den äußersten Wellenkranz im Osten herauf, und wie diese Strahlen den Wassergürtel aufleuchten, erglänzt dieser so wild, unheimlich, geisterbleich. – Es ist ein flüssig rollender Silberstrom, am äußersten Ende eines wütenden, schwarzblauen, lichtgrünen, glänzendweißen, gepeitschten Ozeans. –

Das Schauspiel ist gräßlich, aber grandios, über alle Beschreibung.

Im Osten ist's allein hell über dem flüssigen Silberstrome, – ein schneeweißer, wie aus dem zartesten Schaume und Flaume gewobener Dunstgürtel, den selbst das Mailächeln Aurorens nicht zu röten vermag. Über diesen Gürtel hinauf in das Himmelsgezelt wird es anfangs lichtgrau – der Himmel ist wie umflort, ahnungsvoll, unheilverkündigend; weiter hinauf verdüstert sich der Schleier, gegen Nordwest stürmen die Wolkenschläuche schwarz und wild herauf – gegen Südwest – dieser Südwest fesselt euern Blick, der allmählich einen Ausdruck des Entsetzens annimmt. Die Wolken steigen da so grausig rotgrau herauf – je länger ihr in dieses chaotische Rotgrau hinausschaut, desto grausiger erscheint es euch. – Eine furchtbare Wut lauert und kocht in diesen chaotischen rotgrauen Nebelwolken, diesen bleichen gespenstischen Schattenbildern furchtbarer Squalls, vor denen ein Luftstrom heranbraust, so rasend, so durchdringend naßkalt, so pfeifend, so heulend. – Es ist die entsetzlichste Jagd, die ihr zu schauen bestimmt seid. Furchtbar grausig ist das Vorspiel:

Una Eurusque notusque ruunt, creberque procellis
Africanus; et vastos volvunt ad littora fluctus.

Der Ausbruch des Sturmes ist vor der Türe; die Gestade sind an die tausend Meilen im Rücken. Ein Heer von Wogen – nicht mehr eure kurzen gepeitschten, störrisch englischen, oder mutwillig französischen Wellen, mit ihrem kecken Affentanze, gefährlich bloß durch die Felsenriffe, an die sie anheulen: nein, eure langgestreckten, majestätischen Wogen, so grandios emporsteigend, den Mund und den Scheitel in Schaum gehüllt, den sie in Strömen umherspritzen. Millionen auseinandergerissene Granitberge, die Häupter mit Schnee und Eis bedeckt, und von Millionen inwohnender Seegeister rebellisch gemacht und aneinander gehetzt, und durch ihr rasendes Treiben Staubwolken rollend – so düster, stürmisch stäubt es in den durch die Wogen geformten Trögen! – Es ist die wildeste, gräßlichste Jagd, die jetzt beginnt.

Jetzt steigt die Sonne hinter dem Dunstsaume herauf, schneeweiß, wässerig, kalt, nur wenige Minuten läßt sie sich schauen, dann eilt sie den grünen Wolkenhang hinauf; aber diese kurzen Minuten hellen euch ein Schauspiel auf! Die Strahlen fallen verschleiert geisterartig vom Dunstgürtel im Osten gegen Westen herüber, ihr seht den Ozean in seiner Lichtglorie und zugleich im nächtlichen Schrecken und Entsetzen. Ganz im äußersten Osten erglänzt nämlich der flüssige Silberstrom, weiter gegen Westen zu schäumen die Wogen aus dem Tiefblau herauf in das schönste Smaragdgrün, das in breiten Adern die tiefblaue Masse durchzieht, ein ungeheurer flüssiger Smaragdstrom, der sich gegen den Scheitel zu in das glänzendste Silberweiß aufhellt, ganz oben mit einer Krone, die majestätisch hoch in die Lüfte sich wölbt und in die düsteren Wolken dringen zu wollen scheint. Soeben rollt eine dieser kolossalen Wogen, in ganzer Kielslänge, und dreißig Fuß über dem Verdecke ansteigend, an euer Schiff heran, das, in der Tiefe des Troges fortgerissen, stöhnend und dröhnend dem Wasserungeheuer entgegenschwankt, seine ganze Existenz dem furchtbaren Angriffe darbietend. – Entsetzt hängt euer Auge an der emporgetürmten Masse, die das festeste Schloß wie einen Lehmhaufen mit sich fortreißen müßte – als eine Unterwelle, dem sich nun kräuselnden Ungeheuer begegnend, dieser den Scheitel überschlagen macht, im nächsten Augenblick platzt auch die ganze Masse zusammen, euer Schiff wirbelt, dreht sich stöhnend, ächzend, wie von einem Strudel erfaßt, in wenigen Sekunden darauf reitet es wie triumphierend auf der zerstobenen Woge, die ein Feld von Silberschaum die ganze Kiellänge hinquirlt. – Im Anblick des Schreckens habt ihr Schrecken und Entsetzen vergessen, Seekrankheit und Trübsal. –

Der Ruf Seven bells mahnt euch wieder aus der grausigen Natur zum prosaischen See-Elend zurück. –

» Seven bells!« rufen die beiden Männer am Helm.

» Seven bells!« brüllen die wachehabenden Matrosen zurück, die Glocke fällt ein, in der Luke der Matrosen im Forecastle wird es lebendig.

Gegen den Gangway Der schmale Gang zwischen dem Hause, der zum Steuerruder führt. zu, auf der Windseite, steht der erste Leutnant, einige Schritte hinter ihm, in achtungsvoller Ferne, der vierte. – Beider Blicke sind auf die Segel gerichtet, und zurück zu den Männern am Ruder. – Kein Wort wird gesprochen, aber zeitweilig tritt der erste vor an das Skylight, um den Kompaß zu schauen, worauf ein Luff Man! Luff! cant you? Nachgegeben! Könnt ihr nicht? Nachgegeben! sich hören läßt. Dye hear! Hört ihr! folgt, wie die Männer keine Antwort geben. D–n ye! dont you hear? schreit es abermals, und der kleine Mister Beattie springt wütend zurück, um den nicht Antwort gebenden Männern eine volle Ladung zuzufeuern, aber in dem Augenblicke ist auch eine Welle am Schiffe – eine See über das Verdeck hin, die beiden Mates ducken sich, werden aber von der Welle erreicht, die einen Fuß hoch das Verdeck unter Wasser setzt – das achtet aber Mister Beattie ebensowenig, als wenn ein Fläschchen Eau de Cologne über ihn gegossen wäre. – Er schüttelt den kalten Seestrom ab, springt zurück, und schreit abermals: » Luff Man!«

» Luff Sir!« antwortet einer der Männer am Steuer.

Jetzt ist's recht, und gleichmütig stellen sich die beiden Leutnants wieder auf ihre Posten.

Mittlerweile sind die Matrosen – aus ihrer Höhle heraus; – kaum sind sie ans Tageslicht gekommen, als Mister Beattie mit einer Stentorstimme auch donnert:

» Forward there, wash decks!« Vorwärts, Verdeck gewaschen!

Die Ordnung ist bewunderungswürdig – tröstend zugleich, aber doch würdet ihr in dem Augenblicke vieles um ein bißchen weniger Ordnung geben, sie bringt euch zu einer wahren Verzweiflung, diese Ordnung, dieses Waschen des Verdeckes, bei einer, jede zehn Minuten hereinbrechenden See, abwechselnd mit Squalls, die einen Regen senden, der euch bis zur Haut und einige Zoll tiefer durchweicht, euch zu einem wahren Porpoise Meerschwein. Seele macht. Aber der Ruf ist gegeben und wie eine Schicksalsfügung bricht eine Sintflut von Seewasser aus zwölf immer wieder und wieder gefüllten Kübeln über das Verdeck hin, das in wenigen Minuten nun auch nicht ein fingerbreit trockenes Plätzchen mehr aufweiset, auf welches ihr den müden Fuß setzen könntet; denn auch im Hause hat des Stewards Gehilfe einen ähnlichen Reinigungsprozeß unternommen, und ihr müßt weichen vor Besen und Kübel, wohin? das ist eine schwere Aufgabe; in die verpestete Kajüte wollt und könnt ihr nicht, denn in diesem pestilenzialischen Pfuhle vermögt ihr, nun ihr reine Luft atmet, es absolut nicht mehr auszuhalten; so steigt ihr denn empor, entweder in die oberen Stockwerke zur Lubbers hole – oder auf das Dach des Hauses zu den Hühnern, die in diesem Augenblicke mehr Herz im Leibe haben als ihr, und wenn das Blut von zehn Hotspurs euch in den Adern ränne. – Eure Leiden und Trübsale sind so mannigfaltig, eure Geduld wird auf eine so vielfache und harte Weise auf die Probe gestellt, wie ihr den Fuß an den Hühnerkasten gestemmt, mit der Hand euch an einen der Ringe des Mizenmastes haltet, seid ihr der personifizierte Jammer geworden.

Der T–l hole dieses heillose Leben ein für allemal!

Doch was haben wir da? Trost von einer Seite, von welcher er kaum zu erwarten stand. – Aber Trost ist es, obwohl ein ganz eigener – und zwar Verdeckspassagiertrost. –

Der Anblick dieser armen Wichte, von denen jetzt einige der Herzhaftesten die Hälse und Köpfe zu ihrer Luke herausrecken und strecken, tröstet euch sichtlich, muß euch trösten; denn ihr Anblick gibt euch mit Hilfe des Bodensatzes von Phantasie und Schlußvermögen, die euch übrig geblieben, unwiderleglich kund, daß euer Kajütenfegefeuer, sagt was ihr wollt, im Vergleich zu der absoluten Hölle dieser armen Seelen ein wahres Paradies sein müsse.

* * *

Fünfundvierzig Schuh Länge, vierundzwanzig Breite und sieben Höhe oder Tiefe, und in dieser Länge, Breite, Tiefe achtunddreißig bis vierzig Verschläge, Deckberths genannt, und in jedem dieser Deckberths oder Bettstellen vier hessische, bayrische, badische, schwäbische Subjekte, hundertfünfzig bis sechzig seekranke Subjekte, ohne Licht, Laterne oder Kerze, weder zu essen noch zu trinken! Wie vernünftige Kreaturen das aushalten können, geht über euern Horizont. Es ist das vulgärste, absolut vulgärste Misere, das je dem vom Weibe Gebornen anheimgefallen; im Vergleiche mit ihnen leben unsere Schweine und Schafe wie Prinzen. Was doch die Hoffnung der Freiheit nicht alles ertragen macht! Wenn diese armen Narren je gegen ihre Erdengötter gesündigt, so büßen sie hier in diesem Schmutzpfuhle furchtbar ab. Sie sehen nicht mehr menschlich aus, diese Gestalten und Köpfe, in Schlafhauben und Tücher eingetan; der Schmutz ist übermenschlich, übernatürlich transzendental, und wie alles Transzendentale, beleidigt er nicht mehr – es ist ein Genrebild des potenziertesten Schmutzes. –

Mehrere dieser Jammergestalten wagen sich, von Hunger getrieben, wirklich auf die Oberwelt herauf, vor ihnen her ein paar zerlumpte zehn- und zwölfjährige Barfüßer, die ihnen einigermaßen Mut machen, das Wagestück gleichfalls zu bestehen. Für sie ist es wirklich ein Wagestück; denn das Schiff rollt so furchtbar, als ob es jeden Augenblick umzuschlagen gedächte – mit der größten Anstrengung arbeiten sie den halben Leib aus der Luke herauf, sich sorgsam an dem vorspringenden Gesimse haltend und sehnsüchtige Blicke auf die von dem Mittelmaste herabhängenden Taue werfend, – deren eines sie glücklich erfaßt und sich so in die Oberwelt emporgeschwungen. – Das Ziel ist jedoch noch nicht erreicht – im Gegenteile, jetzt fangen die Prüfungen erst an. – Sie sollen mit den Kesseln, Pfannen zur Küche, um in diesem furchtbaren Wetter ihr Mahl zu kochen; zur Küche, die jetzt voll Wasser, und gereinigt, in einer halben Stunde wieder voll sein wird. Wenn sie aber nur da wären, aber das Dahingelangen! Sie sind wie durch ein halbes Wunder glücklich zum Lee railing Das der Windseite abgewandte Verdeckgeländer. herabgelangt, ihnen nach ein zweites, ein drittes Paar – während ein viertes und fünftes in der größten Spannung den kühnen Versuch noch abwarten. Sie haben gerade ein halbes Dutzend Schritte zur Küche; drei von diesem halben Dutzend haben sie längs der Schiffswand, und sich an diese haltend, zurückgelegt, aber die noch übrigen drei! Wäre es festes Land, sie würden darüber hinsetzen, tausendmal haben sie es getan – aber es ist auf schlüpfrig nassem Bretterboden, einem rollenden Schiffe. – Mit wahrer Seelenangst lauern sie jetzt auf den günstigen Zeitpunkt, er scheint endlich gekommen zu sein, das Schiff hat einen Lurch erhalten, der es links geworfen, die Pause ist günstig, sie setzen sich in Bewegung. – Bereits haben sie die Küche erreicht, da gibt das Schiff einen zweiten Lurch, und Töpfe und Männer, und Weiber und Kartoffeln, und Klöße und Suppen rollen in den Leescuppers, über sie springt tanzenden Schrittes der Steward, in der einen Hand einen Pack Hühner, in der andern eine Ladung frischgebackener Brötchen. –

Wer doch die beneidenswerte Balancierkunst dieses Mannes besäße – des einzigen wahrhaft Glücklichen in unserer ganzen seemännischen Welt!

Eine wahrhaft glückliche Seele! Diese philosophische Ruhe! Dieser unerschütterliche Gleichmut! Diese lächelnde Stoa! Sie ist erhebend, erquickend, tröstend! Was sind eure Xenos und Catos gegen diese bronzefarbige Philosophie! Nichts! eitel Nichts! Bloße ausgelernte Schauspieler! Hier ist unverstellte Wahrheit, praktische hausbackene Weisheit. Lurch no Lurch. Rolle das Schiff hin, rolle es her, er tanzt über die Bretter, die Treppen auf und ab, eure ausgelerntesten Seilkünstler mögen versuchen, es ihm nachzumachen. Sturm hin, Sturm her, seinen philosophischen Gleichmut kümmert das nicht im geringsten. Er lacht des Sturmes, was geht ihn der Sturm an, der ist die Sorge des Kapitäns und der Mates, seine ist wieder eine andere – die Koteletten und Omeletten, und Hühner, und der Kaffee und Tee zum Frühstück, die sind seine Sorge – die sind ihm jetzt einzig und allein im Kopfe, und die Bratwürste, die notwendig zum Dejeuner gehören, unabwendbar gehören; denn ohne Bratwürste ist kein amerikanisches Frühstück, von Maine bis zum Golf von Mexiko denkbar. Er ist Philosoph ganz und gar, durch nichts aus seiner Fassung zu bringen, außer wenn ihm eines seiner Hühner über Bord geht, oder der Kapitän einen Squall auf ihn losschüttet, sonst erschüttert ihn nichts. Mit derselben gleichmütigen Ruhe hält er euch Seekranken das Becken hin, mit der er euch, wenn ihr wieder gesundet, die Champagnerbouteille reicht, schneidet den Hühnern mit ebensowenig Skrupel die Hälse, und euern Zehen die Hühneraugen aus, bäckt Pasteten und Torten, und glättet Wäsche inmitten des rasendsten Squall. Keine See, und ginge sie fünfhundert Fuß über Verdeck und Küche hin, könnte ihm ein Wort von dem wegschneiden, was er soeben seinem Fidus Achates, dem Doctor Der Koch der Kajüte, – bekanntlich wird er Doctor genannt., kundgibt. Er ist in der Tat ein prächtiger Mensch, ein wahrer Trost, und besserer Nothelfer, als eure siebzig oder siebzehn katholischen Nothelfer alle zusammen, ein wahres Universalgenie, feuer-, wasser-, dampf-, dunstfest, immer gefällig, freundlich, euern Wünschen zuvorkommend, wenn ihr auch nur einigermaßen human mit ihm umspringt, in den schwierigsten Lagen ebenso heiter, unbekümmert, mit euch und seinen humblen Berufspflichten ebenso wichtig beschäftigt, als es der gewissenhafteste Staatsminister nur immer mit dem großen, ihm anvertrauten Reiche sein kann, wirklich ist er der Staatsminister dieses eures schwimmenden Reiches. Ehre und Preis unsern Stewards! zur See nämlich, zu Lande sind sie in der Regel wenig oder gar nichts wert.

* * *

In dem Hause haben sich mittlerweile die Fragmente eurer Kajütengesellschaft zusammengefunden. Es sind bloße Fragmente von dem was sie waren; ein halbjähriges Krankenlager könnte sie nicht ärger zugerichtet haben, – wenigstens die sogenannten Landkrebse, obwohl auch eure Seekrebse nicht ohne Schlappe davon gekommen; – aber diese armen sogenannten Landlubbers, sie scheinen in dieser Nacht um zwanzig Jahre älter geworden zu sein. Diese farblosen, erdfahlen Gesichter! Dieses gewissermaßen Totsein bei lebendigem Leibe! – Die Leute sind ordentlich grausig anzuschauen, besonders haben die Subjekte der britischen und französischen Majestäten einen Ausdruck angenommen, der euch Entsetzen und Ekel einflößen müßte, wenn euch noch etwas Entsetzen oder Ekel einflößen könnte … Alles ist jetzt vergessen, Künste und Wissenschaften, selbst die Leidenschaften sind vergessen, der grobe Egoismus und die feine Selbstsucht, der raffinierte Epikureismus und die gloutonnierende Gefräßigkeit, der langsam schleichende Neid und der zornig herumtobende Haß, die grobe Wollust und die feine Wollust, alle schweigen, alle schlummern sie, und Venus selbst, wenn sie in ihrem göttlichen Reize und im Muschelwagen aus den Wellen emporstiege, sie würde euch jetzt mit Ekel erfüllen, eben weil sie Venus ist; – nur die Spuren, die diese Leidenschaften zurückgelassen, die Furchen, die sie gegraben, sie sind zurückgeblieben und liegen vor euch, gerade wie die zerrissenen Ufer und mit Steingerölle und Wust angefüllten Beete des Waldstromes, nachdem dieser selbst ausgetobt. Die Zerstörung, die die Stürme zurückgelassen, starrt euch allein an, ohne den Beisatz des Reizes, den die empörte Natur gewährt. In solchen Stunden ist euch euer und eurer Gefährten moralischer Wert und Unwert bis auf den feinsten Haar- und Schattenstrich auf die Stirne geschrieben, so lesbar, daß ihn auch das blödeste Auge so deutlich, wie der Schüler sein A-B-C lesen kann. Wenn Leib und Seele gleich gepeinigt und geängstigt, ruhe-, rastlos, ganz und gar nicht auf ihrer Hut sind und sein können, dann tritt das, was eigentlich wahr in euch ist, unverhehlt hervor. –

In solchen Tagen, Stunden habt ihr Gelegenheit, Menschenkenntnis, und was mehr ist, den Wert des innern Friedens, der moralischen Würde kennen zu lernen. – Gerade in dem Verhältnisse, als ihr etwas wert seid, – und jetzt gilt nicht der Wert nach Pfunden oder Dollars – sondern ein anderer Wert – tritt auch eure Schwerkraft hervor, und wird in ihrer Würde imponierend, in ihrer Unwürde verächtlich. Alle möglichen Charaktere habt ihr auf euerm Schiffe, alle Leidenschaften, von der gröbsten bis zur feinsten; denn die alte Jungfrau Europa sorgt dafür, daß es uns an der Zufuhr nicht mangle; ihr habt Verstörte, Trübe, Gleichgültige, Apathische – alle möglichen Charaktere und Abstufungen, Schwach- und Starknervige. Zu diesen letzteren gehören nun unsere Amerikaner durchgehends – eine gewisse Gleichgültigkeit, Apathie, ist bei ihnen durchgängig vorherrschend, hat sich um ihr Wesen gelegt, das wenigstens nicht beleidigt – denn es ist Natur. – Sie sind Amerikaner, die während ihres Lebens der Stürme gewiß viele erfahren. – Der Amerikaner lebt in und durch Stürme. – Aber doch ist diese Art Ruhe, die an ihnen sichtbar wird, nicht die eigentliche Ruhe, die ihr sucht, in diesen Stunden wünschet, die euch selbst Ruhe einflößen könnte – aber jetzt kommen sie, die euch Ruhe geben können, wenn ihr deren fähig seid. – Es sind die Greatons und Humphreys, der Karoliner und Virginier, mit ihren Familien. – Sie kommen, das Common prayer in der Hand, die Wendeltreppe herauf, so ruhig, mit einer so sicheren Haltung, daß aller Blicke sich mit einem gewissen stillen Entzücken auf diese stillen ruhigen Gesichter heften. Sie grüßen wieder mit stillen Blicken und Worten die Versammelten, die, von unwillkürlicher Achtung getrieben, von den Sofas aufstehen. – Bloß die Damen nehmen aber Sitze, die beiden Männer bleiben stehen – treten dann einen Augenblick hinaus auf das Verdeck, um nach den Segeln und Kompaß zu sehen, und schließen sich dann wieder ruhig an ihre Familien an. Auch sie haben gelitten in letzter Nacht, sehr gelitten, und leiden noch immer, denn der Sturm nimmt mit jeder Minute zu – sie leiden zugleich in ihren Teuren, die um sie versammelt, hilfeflehend zu ihnen aufschauen – hier, wo die Hilfe Tausende von Meilen weg ist. Die Blicke, die die Väter und Mütter auf die teuern Pfänder ihrer Liebe richten, sind bekümmert, sie prahlen nicht mit Stärke, die sie nicht haben, im Gegenteile, sie sprechen Sorge und Bekümmernis deutlich aus; aber in diesen besorgten und bekümmerten Gesichtern leuchtet wieder eine so heitere Ruhe, eine so trostvolle Ergebenheit, ein so ungetrübter Gleichmut, ein einziger Blick in diese Gesichter der Väter und Mütter sagt euch, daß es Menschen sind, die mit sich selbst einig, auch heiter dem Tode entgegengehen würden, ihn nicht fürchtend, nicht scheuend, keine Frömmler – nein, Weltmänner, Hausväter und häusliche Frauen, die aber ihrer Würde bewußt, den Weg ihrer Pflichten gegangen, der Ewigkeit vertrauungsvoll ins Angesicht schauen. – Der Anblick, die Nähe solcher Menschen versöhnt euch, beruhigt euch, lehrt euch den Wert des innern Friedens, die Hoheit moralischer Würde kennen, achten. – In solchen Tagen, Stunden, um dieser Stunden willen, werden sie euch unschätzbar. – Nie zuvor seid ihr so lebhaft von dieser Unschätzbarkeit durchdrungen gewesen. – Diese Ruhe, Ergebenheit in das Schicksal, ist beneidenswürdig, Achtung gebietend, so wie denn von der Stunde an die beiden Väter und Mütter der Familien unwiderruflich die ersten Plätze in aller Herzen eingenommen – ohne ihr Zutun eingenommen haben; denn nichts kann wieder weniger von aller Affektation entfernt sein – und wo wäre auch jetzt noch Affektation möglich, in diesen furchtbaren verhängnisvollen Stunden, die vielleicht die letzten sind.

Es ist jetzt etwas Ungeheures in der empörten Natur, etwas über alle Beschreibung Furchtbares, Erhabenes – aber es ist auch etwas Erhabenes in dem Manne, der mitten in dieser Empörung, den Blick ruhig nach innen und oben gerichtet, stehen kann.

Fractus si illabatur orbis impavidum ferient ruinae. –

Der Sturm wird heftiger, die See geht höher und höher, die Wogen rollen an dreißig Fuß über die Verdeckshöhe heran – dazu ein Squall, der aus Süden heraufbricht – er scheint selbst den beiden Ehrenmännern sehr bedenklich, kopfschüttelnd sehen sie und besorgt diesem Squall entgegen – senden ihre Frauen und Kinder in die Kajüte hinab. – Es braust immer furchtbarer heran, die Wogen rauschen wie unterirdischer Donner – selbst der Mate schüttelt den Kopf – er schaut so verwildert hinaus in das grausige Grau, plötzlich rennt er auf den Kompaß zu, dann ins Haus, öffnet die Türe des Staatszimmers, wo der Kapitän schläft. – Der Kapitän springt auf, im bloßen Hemde und Unterbeinkleidern heraus, ihm nach Rambleton, der das Zimmer mit ihm teilt – der Squall ist aber schneller.

Dieses Gesause, Gebrause, Geheul! Es ist, als ob der nun in höchster Wut rasende Ozean die Welt aus ihren Fugen reißen wollte. – Mehr tot als lebendig stieren die noch im Hause Gebliebenen den furchtbaren Wolkenmassen entgegen, die rotgrau heraufbrausen – vor ihnen ein giftiger Nebelzug. – Keine Menschenstimme ist in dem Aufruhr der gepeitschten See und dem Sturmesgeheule mehr zu hören, selbst die Donnerstimme des Kapitäns, sie verschallt wie das Lallen eines Kindes. – Er schreit etwas von Mainsail, Mainsail.

»Hinab in die Kajüte!« schreien jetzt der Karoliner und Virginier. –

Und alles stürzt jetzt hinab in die Kajüte, im nächsten Augenblicke ein ungeheurer Schlag – ein Stoß – ein Schall, wie der Donner einer hundertpfündigen Kanone – das Schiff sinkt – die Wasser rauschen darüber hin.

– Gott gnade allen. –

Es sinkt. – Eine Todesstille – drei Minuten eine entsetzliche Todesstille, in der nur das entsetzliche Stöhnen des in seiner Lebensader getroffenen Schiffes hörbar wird. – Endlich richtet es sich von dem grausamen Schlage auf – wirft sich herum, rollt wieder empor, aber so langsam, traurig – als wollte es sagen: Noch ein solcher Schlag und –

Der Schlag war ein furchtbarer – die Woge, über dreißig Fuß hoch und an die hundert lang, hat sich in ihrer ganzen Masse über das Verdeck hingeworfen, wo ein Leelurch diese bloßgegeben; hat das große Boot eingestaucht, mehrere Wasser- und andere Fässer aus ihrem Halte gerissen, diese durch das Verdecksgeländer geschleudert, einen Greuel der Zerstörung angerichtet. – Jetzt wird die Stimme des Kapitäns hörbar, gleich darauf eine zweite – einen Schrei hört ihr, der durch Mark und Knochen dringt – der selbst die eisernen Seemänner wie mit zehnfachem Fieberfrost durchrüttelt. – Sie schauen und starren. – » Tom!« schreit es. – » A Man overboard. – Tom's washed overboard.« Ein Mann über Bord. Ein Mann ist über Bord gewaschen.

Tom aber stößt noch einen Schrei aus, einen schwach gellenden, aus dem Sturm kaum mehr herüberdringenden Schrei. – Alles ruft, brüllt nach Fässern, Sparren, leeren Hühnerkästen. Zweimal hat sich der arme Tom aus der über ihn zusammenschlagenden Woge emporgearbeitet, aber jetzt reißt ihn die nächstkommende ein drittes Mal nieder. – Noch ist der Kopf zu sehen – im nächsten Augenblicke ist auch der verschwunden. – Er ist hin. –

Wie erstarrt schauen der Kapitän, die Matrosen dem Verschwundenen nach, noch während sie die Strickleitern hinaufklettern, um das in Fetzen zerrissene Mainsail herabzunehmen. Jetzt steht bloß noch das gekürzte Topsail. Noch kollern Fässer, Sparren, Schafe, Schweine auf dem Verdeck umher, durch die losgerissene Verdeckswand über Bord hinab. – Das Wasser schwemmt noch immer zwei Fuß hoch auf dem Verdeck hin – aber die Hauptsache ist, das Mainsail loszubringen. – Alles muß warten, bis dies in Ordnung ist. –

Das Segel ist herabgenommen, – der Squall ist vorüber, eine halbe Stunde Ruhe. – Alle Hände sind beschäftigt, was losgerissen, wieder zu befestigen. – Hölzer, Notmasten, Sparren, Fässer werden mit zehnfachen Stricken angebunden. –

Und dazu kommt der Steward und ruft mit der Glocke zum Frühstücke!! –

Wohl dem, der da noch Lust zum Essen hat!! –


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